@shugal [war das nicht der Dorfzauberer aus "The Flying Sorcerers"?]
Nein. Der hieß Shoogar. Shugal ist mein Rollenspielcharakter. Und als Username üblicherweise noch frei.
Uiuiui, da habe ich mit einem meiner gelegentlichen hochnäsigen Ausbrüche doch einige Reaktionen provoziert. Auf so ausführliche Bemerkungen Deinerseits muss ich dann, denke ich, auch noch mal antworten.
Danke! Dann werde ich mich mal revanchieren.
Zuerst vielleicht erklärend: Ich lehne es durchaus nicht ab, Bücher mit gewalttätigen Inhalten zu lesen. Zurzeit etwa liege ich in den letzten Zügen von Christopher Priests "The Separation", in dem es nicht zuletzt um den Luftkrieg 1940-1 geht. In diesem Buch bekommt man aber nie den Eindruck, dass Bombercrews tolle Typen und ihre Einsätze etwas anderes als - im besten Fall - notwendiger Mord sind. Gegen solche 'Military SF' habe ich durchaus nichts einzuwenden. Was mich mit wachsendem Alter zunehmend nervt, sind Bücher/Filme, die Gewalt als Abenteuer verkaufen - und das tun auch viele Werke, die vorgeblich kritisch sind. Als gewaltverherrlichende Beispiele würde ich da auch James-Bond-Filme nennen (obwohl Dudikoff, Seagal und Co. natürlich ungleich platter vorgehen). Die Ironie in Bond-Filmen besagt für meinen Geschmack nur: a) "Hey, bin ich nicht ein cooler Film" und http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/cool.png "Ich weiß, fast den gleichen Film habt ihr, liebe Zuschauer, schon 20 Mal gesehen." Jenseits der Ironie geht es bei Bond immer noch um Männerphantasien, in denen wir dank Ballermann die Kontrolle über unser Leben haben und reihenweise die Tussis flachlegen, die von Ballermännern ganz schön angetörnt werden. Ich meine also, dass Bond Gewalt glorifiziert und Uncle Sam (und anderen) hilft, stets an ausreichend Frischfleisch für ihre Kriege zu kommen. (Außerdem hält eine 'Bond-verseuchte' Heimatfront, die auch noch Nationalstolz für etwas anderes als nützliche Volksverdummung hält, länger still, wenn sich die Berichte von Gräueltaten 'ihrer Jungs' im Ausland häufen.
Ich verstehe Deine Argumentation, aber ich halte Deine Schlußfolgerung für falsch. Es handelt sich hier um *Unterhaltung*, die sich dem Zeitgeist anpaßt. Will heißen: Military SF spiegelt (die gute reflektiert darüber) die Stimmung vor allem in den USA wider, sie dient nicht der Propaganda (gut, Ausnahmen mögen die Regel bestätigen, ich kenne nicht alles, was in dem Bereich veröffentlicht wird). Bei Realfilmen wie James Bond ist die Identifikationsgefahr größer als bei Büchern, die meiner Meinung nach deutlicher als Fiktion empfunden werden. Ich weiß, daß es Leute gibt, die Fiktion für wahr halten und sich davon leiten lassen, auch wenn das für mich nicht verständlich ist. Dafür die Fiktion verantwortlich zu machen ist meiner Meinung nach falsch, denn der Fehler liegt bei den dummen Rezipienten. *Dagegen* muß man etwas tun. Außerdem ist nach meinem Verständnis nicht falschverstandener Nationalismus der Hauptgrund für US-Soldaten, sich freiwillig zu melden, sondern Arbeitslosigkeit, Armut, soziale Zwänge und die Einbürgerungsmöglichkeit. Meine Behauptung: Würde die Situation der Unterschicht in den USA signifikant verbessert, würden die Rekrutierungszahlen der US-Streitkräfte stark einbrechen.
Ich habe mir gerade "Crown of Slaves" aus dem Internet runtergeladen und die erste Seite überflogen. Mein sprachlicher Ad-hoc-Eindruck: Das ist Fließbandprosa, durchaus handwerklich geschickt, aber auch zumindest auf die Dauer für mich langweilig. Inhaltlich kann ich natürlich wenig zu dem Buch sagen. Dass Anton der Klischee-Typ 'brummiger-gutherziger-Kleiderschrank' zu sein scheint, kann sich natürlich im weiteren Verlauf noch ändern.
Er ist auch intelligent und kann fies werden.
Gut gefällt mir an dem Buch, daß Web Du Havel erst seine politischen Theorien vorstellt (die durchdenkenswert sind), um sie später auf nicht unbedingt saubere Weise in die Realität umzusetzen. Dabei gibts kräftig Seitenhiebe auf die US-Gesellschaft und eine ordentliche Portion Humor, ohne daß der die Schrecken relativiert. Siehe auch
meine Rezi zum Buch.
Was mich eigentlich meist davon abhält, Bücher wie dieses zu lesen, ist wirklich vor allem die Sprache (sowie halt die inhaltlichen Klischees). Jeder von uns kann in seinem Leben nur einen winzigen Bruchteil aller lesenswerten Bücher kennen lernen. Also wählen wir alle aus. Mein Problem ist: Wenn mir schon die Sprache bestenfalls austauschbar vorkommt, sollten mich zumindest die Inhalte interessieren. Je älter ich nun werde, desto mehr möchte ich entweder reale Personen bei der Lektüre vor Augen haben oder aber auf ästhetisch ansprechende Weise für den Mangel an solchen Charakteren entschädigt werden. (Ich habe zum Beispiel vor einigen Wochen ein Buch von Patricia McKillip gelesen, "Ombria in Shadow". Das war von der ersten Seite an ein realitätsfernes Erlebnis, sozusagen Theatralik pur, aber sprachlich wie atmosphärisch gekonnt dargeboten.)
Für mich ist SF in erster Linie *Unterhaltung*. Sie sollte interessant, spannend und gut geschrieben sein und Denkimpulse geben, aber ich habe keine Lust, mir mit dem erhobenen Zeigefinger im Gesicht herumfuchteln zu lassen oder jeden Satz dreimal lesen zu müssen, bis ich erahnen kann, was das heißen soll. Das ertrage ich hin und wieder in kurzen wissenschaftlichen Aufsätzen.
Vielleicht bin ich zu blöd und/oder zu faul dazu, sowas zur Unterhaltung zu ertragen, aber wenigstens bin ich glücklich.
Gute Sprache heißt übrigens noch lange nicht gutes Buch. Das Buch, über das ich mich bislang am meisten geärgert habe, war "Ende gut" von Sibylle Berg (
meine Rezi dazu). Die Sprache ist unglaublich gut, aber der Inhalt - Gejammer. Deprimierend, langweilig, nervtötend. Nicht das, was ich mir in meiner Freizeit antun möchte. Mein Problem mit diesem Buch ist, daß es gute Ansätze hat (Sprache, messerscharfe Beobachtungen), die aber miserabel rübergebracht werden.
Welche SF-Bücher würdest Du denn empfehlen, weil sie Dir gefallen? Ich würde mir gern einige Deiner Vorschläge durchlesen!
Noch ein kurzes Geständnis: Ich lese auch nicht nur 'intellektuell tiefschürfende' Romane. Ich lese häufig mal ein Kinder-/Jugendbuch (derzeit nebenbei E. Nesbits "The Railway Children") oder klassische Trivial-SF (in den letzten 2-3 Jahren z.B. Edgar Rice Burroughs, Andre Norton oder Frühwerke von John Brunner). Die alten SF-Sachen sind dann durchaus auch 'abenteuerlich', aber wenigstens nach 150-200 Seiten wieder zu Ende - und sprachlich so schlicht, dass ich mich überhaupt nicht nennenswert konzentrieren muss. (Außerdem ist etwa Burroughs so schlecht und antiquiert, dass man das schon wieder lustig finden kann.)
Womit Du Dir selbst widersprichst.
Was nur menschlich ist, auch ich kenne Bücher und Filme, die so schlecht sind, daß sie schon wieder gut sind...
Hm, ich habe soeben die Zeilen oben auf Tippfehler durchgelesen und gemerkt, dass ich, wie oft, ziemlich besserwisserisch klinge. Andererseits ist hoffentlich klar (?), dass ich nur sagen will, wie es mir mit Literatur ergeht. Wenn ich sage, XY ist schlecht, kann natürlich jeder anderer Meinung sein. Ich will dann letztlich auch immer nur sagen, dass ich XY nicht mag - und nicht, dass andere Leute gleicher Meinung sein müssen.
Und, ein letztes: Natürlich hat Rupert recht, dass man nichts über Leute schreiben sollte, was man ihnen nicht auch ins Gesicht sagen würde. An diesen Grundsatz halte ich mich in aller Regel auch (letztes Jahr habe ich, glaube ich, in einer Rezi mal Dean Koontz beleidigt, aber das war wirklich eine Ausnahme).
Ja, ich glaube, jetzt verstehe ich Deine Herangehensweise. Vielen Dank für Deine ausführlichen Erläuterungen! Vermutlich werden wir uns darauf einigen, unterschiedlicher Meinung zu sein.
Was das "besserwisserisch klingen" angeht, das liegt am "kategorischen Indikativ" (um das mal ein wenig auf die Schippe zu nehmen). Versuche, hin und wieder im Text einzustreuen, daß das Deine Meinung ist. Das klingt dann gleich ganz anders.
P.S.: Da fällt mir doch noch was ein. Die willkürlichen deutschen Titelbilder sind vielleicht noch ein Grund, häufiger zu (oft auch noch preiswerteren) Originalausgaben zu greifen. Außerdem sind die Übersetzungen in den letzten 25-30 Jahren bei Heyne und Co. sicher besser geworden, ich erinnere mich aber noch, mal bei dem deutschen Schriftsteller Arno Schmidt (der sich über lange Jahre mit Übersetzen über Wasser hielt) sinngemäß gelesen zu haben: "Deutsche Übersetzungen sollten nicht mehr als 10 % länger sein als das englische Original. Ansonsten kann man pauschal davon ausgehen, dass die Übersetzung schlecht ist." Ich glaube, dieses Kriterium halten viele Übersetzungen heute noch nicht ein.
Nach meinen Erfahrungen ist eine einigermaßen originaltextnahe Übersetzung eher 30% länger als der englische Text. Gerade wenn es um Kommunikation und Körpersprache geht, ist Englisch sehr prägnant. Eine schmidtsche Übersetzung ist also entweder originalfern oder gekürzt. Eine freie Übersetzng hat ihre Vorteile, ist dann aber deutlich unterschiedlich zum Original, es ist eher eine Interpretation oder Nacherzählung denn eine Übersetzung. Ich lese Bücher gern im englischen Original, habe bislang aber noch nie dasselbe Buch in beide Sprachen gelesen, so daß ich keine Vergleiche ziehen kann. Wenn ein Buch auf Deutsch erscheint, hole ich es mir in Deutsch, weil ich Deutsch immer noch deutlich schneller lesen kann als Englisch.
Vielen Dank für Deine detaillierten Antworten! Ich hätte Lust, die Diskussion fortzusetzen.
Bearbeitet von shugal, 17 Mai 2008 - 01:00.