Dienstag kam mein Exemplar von Ferne Welten an. Hatte ich noch gar nicht mit gerechnet, mich aber über den Lesestoff auf den Zugfahrten gefreut. Ein Review:
Zu Anfang ein paar Worte zur Form, da es sich ja um ein brandneues Fanzine handelt: Es ist klein, d.h. auch dünn, unauffällig und chic. A5 dürfte genau richtig gewählt sein. Die Druckqualität wirkt auf mich alles andere als billig, kein dünnes Recyclingpapier, sondern hochwertiges Hochglanzdruck auf festem Papier. Sehr gut, das zerfetzt dann nicht so leicht im Rucksack und hebt natürlich den ganzen Eindruck. Keine Farbfehler, Gestaltung ist einfach nur edel und hochprofessionell, die Bilder erstrahlen. Einziges Manko ist das vom Herausgeber schon gestandene Versehen, dass die Ränder zu knapp geraten sind. Schriftbild wäre auch ne Stufe kleiner noch gegangen, insbesondere wenn dann noch mehr Stories reingepasst hätten
Wenn das zur zweiten Ausgabe verbessert wird fällt mir echt nichts mehr zum Meckern ein. Und für die erste Ausgabe eines Hobbyprojekts ist es einfach nur unglaublich beachtlich.
Zum Inhalt (in Gattungsreihenfolge):
Comic - "Tag des Gärtners" von Alex Fechner:

Absolut grandios gezeichnet! Zieht einen sofort in den Bann. Etwas seltsam: Zwar ist die Seitenzahl von Exposition und Handlung etwas gleich, es wirkt dennoch so schnell abgehandelt. Mensch, das kanns doch nicht schon gewesen sein! Ich habe nichts gefunden, wird die Handlung fortgesetzt? Fänd ich sehr schade wenn nicht, beeindruckender Einstieg.
Comic - "Zack Powers" und
Comic - "Captain Spacefuck":
Sry, ist nicht meine Art Humor, daher weniger Worte. Zack Powers nimmt SF-Fans auf die Schippe, aber mir zu plump. Captain Spacefuck dagegen ist so richtig derb bescheuert, dass ich doch wieder Schmunzeln musste.
Comic - "Black Sea" von T.J. Vandel:
Sehr interessanter Zeichenstil. Erinnert an Anime wie Neon Genesis Evangelion meets Emo (das ist nicht als Beleidigung gemeint). Worum es geht, wieso die Erde verwüstet ist, wer die Feinde sind, das ist noch nicht klar, aber es ist ja auch ein Fortsetzungscomic der an der spannendsten Stelle aufhört. Bin neugierig, wie es weitergeht.
Kurzgeschichte - "Freiheit in den Sternen" von Andreas Flögel:
Schön erzählter Anfang. Als es zum Kolonieleben überging, erinnerte es stark an Scalzi. Leider etwas sehr hastig geschildert. Dann kommt der sehr gelungene Twist, der das wieder revidiert. Dennoch gabs davor einen leichten Durchhänger im Lesefluss. Das Ende ist für meinen Geschmack zu offensichtlich (sollte es auch für Sarah sein). Die Frage nach der Realität hätte man auch nur andeuten können.
Fazit: Clever gestrickt, gut, aber auch ein bisschen Potential verschenkt.
Kurzgeschichte - "Träumen von der Ewigkeit" von Mark-Denis Leitner:
Ein Arche-Raumschiffe mit 5000 tiefgekühlten Frauen, wenn das nicht ganz klassische Space-Opera ist, muss es Chauvinismus sein.

Nett erzählt, mein Urteil ist jedoch nicht objektiv, der Autor hat bei mir einen Punkt getroffen, auf den ich allergisch reagiere: KIs, die Witze reißen... Beim Anhalter ja, aber doch nicht in ernstgemeinter SF! Auch hab ich das Szenario nicht ganz auf die Reihe gebracht. Wenn der Protagonist doch nicht von der Erde kommt, die Menschheit also weitere Planeten bereits kolonisiert hat, wozu die Dringlichkeit der Vermehrung?
Fazit: Kein Volltreffer, dennoch lesenswert und unterhaltend.
Kurzgeschichte - "Aus ihren kalten, toten Händen" von Thomas Krinbeck:
Sehr eindrücklich erzählt! Erinnert an Roughnecks: Starship Troopers Chronicles. Das ist sicher nicht jedermanns Sache. Es werden ein paar faszinierende Andeutungen gemacht (Orden, die Schillernden). Offener, mysteriöser Schluss. Sowas regt bei mir die Fantasie an, sehr schön! Nehmen die Schillernden am Schluss menschliche Gestalt an? Oder sind es Menschen in Tarnanzügen? Hat der "altmodische Schlüssel" eine tiefere Bedeutung?
Zusätzliches großes Lob für die Illustrationen. Gerade die Skizze des Soldaten in diesem Text ist sehr gelungen und verstärkt die Wirkung gleich nochmal. Gelungene Komposition!
Artikel - "Von Nick bis Blame" von Thomas Dräger:
Informativ. Kenn mich mit Comics auch nicht gut aus, mir war nur Enki Bilal ein Begriff.
Artikel - "Die Renaissance der Dystopien" von Christoph Kotowski:
Ich denk mal die großen Vertreter der Dystopien sind uns allen ein Begriff. Nun könnte man auf Grundlage des Artikels noch viel diskutieren. Wieso Dystopien geschichtlich entstanden sind wurde klar geschildert, gute Arbeit. Die Frage, warum sie bis heute bestand haben, eher kurz abgehandelt. Ich frage mich insbesondere, was uns Menschen dazu bewegt, Dystopien als so viel spannender wie Utopien zu empfinden? Wir leben doch alle in der Hoffnung, die eigenen Probleme mit der Zeit lösen zu können. Ist es der Teil von uns, der ahnt, dass dies gar nicht möglich ist? Der kleine Tyrann, der in jedem von uns steckt, der die Dystopien so beängstigend macht?
Auf die Illustrationen werde ich jetzt nicht mehr eingehen. Sie sind jedoch alle sehr gelungen. Erinnert mich optisch an einen Kunstführer. Nur spannender!
Meine hohen Erwartungen wurden von der Erstausgabe jedenfalls nicht enttäuscht. In "Ferne Welten" steckt viel Potential!
Es war ein sehr kurzweiliges Vergnügen. Für die nächste Ausgabe: Noch mehr Geschichten, die Comics noch länger, das wäre genial!
Muss man tatsächlich ein Jahr warten?