Pogopuschel schrieb am 01 Dez 2016 - 14:56:
Bei mir steht es in der SF aktuell 5:3 für die Frauen (insgesamt aber 34:16 für die Männer), wobei Rachel Bach im "Sternenschiff" schon viel Kampf hat und auch gerne auf die körperlichen Vorzüge der Protagonisten eingeht.
sehen wir es doch mal ganz nüchtern: Die gute Frau Bach hat einen besseren Groschenroman geschrieben, der sich unter einem gewissen weiblichen amerikanischen SF-affinen Publikum bestimmt ganz nett verkauft.
So ein wenig Soft-SM Ã la "50 Shades of Grey" ... äh: wie sich die frustrierte Südstaaten-Hausfrau SF vorstellt, kauft sie dieses Buch, bekommt einen Arztroman ohne Arzt, und denkt sich dabei ihren Teil: dass es sich hiermit um SF handelt.
Das ist aber wirklich der Joker unter den schlechten Beispielen.
Was tun?
Es existieren moderne Autorinnen, die durchaus weibliche Helden = Heldinnen haben: als bestes Beispiel kann ich aus den letzten Jahren Ann Leckie mit ihrer Breq nennen. Und selbst sie hat ein internes Vorbild, das auch durchaus weiblich beschrieben ist, ihre Vorgesetzte Awn.
Dann Ursula K. LeGuin (deren ganzes Oeuvre zumindest geschlechtlich sich eher mal die Waage hält ("Shevek" aus dem "Planet der Habenichtse" wäre ein Nichts ohne seine Lebensgefährtin), eine Frau hat sogar die ganze Gesellschaft gegründet (Odonismus als eine Sonderform des Anarchosyndikalismus).
Ohne die Heldin Teela keine Ringwelt (obwohl von einem Mann geschrieben, wie shocking!).
Der Beispiele sind viele.
Die Liste muss ich mir runterladen.
Im Allgemeinen hat SF sowieso keinen guten Stand: in der Kunstform Literatur kommt sie auf dem deutschen Kulturmarkt so gut wie nicht vor.
Leser der SF werden immer noch (von Außen) als in der Kindheit steckengebliebene Eskapisten, schlechterdings zurückgebliebene Spinner, Nerds, Geeks angesehen. Dazu trägt auch bei, das SF besonders bis zu den 60er Jahren mit
Bahnhofsliteratur / Groschenhefte gleichgesetz wurde. In den Köpfen älterer Menschen ist es halt noch immer so.
Filmisch gab es ja auch keine besseren Aussichten, obwohl und gerade weil es im Vorkriegsdeutschland sehr gute Filme in diesem Bereich gab: Metropolis, FP 1 antwortet nicht, im weiteren Sinne auch Nosferatu (als phantastischer Film) oder die Feuerzangenbowle (als "Alternate History"-Komödie).
In den 70er Jahren gab es den Versuch einer Dystopie durch Rainer Werner Fassbinder ("Welt am Draht"). Das dieser Film nicht goûtiert wurde, lag mit erhöhter Wahrscheinlichkeit an der schillernden Persönlichkeit des Regisseurs und der fehlenden Akzeptanz dieser Persönlichkeit beim durchschnittlichen Publikum, denn der Film selbst ist großartig.
Für mich stellt sich also die Frage ganz anders: wie können wir Menschen dazu bringen, mehr SF zu lesen? Mit vorgehaltener Pistole zeitigt nur einen sehr kurzfristigen Effekt, wenn überhaupt. An der Qualität kann es nicht liegen.
Falls wir es schaffen, mehr Leser vom Genre zu überzeugen, stellt sich meiner Meinung nach die Frage nach dem Geschlecht des Autors und der/des Protagonisten/-in nicht mehr.
Peter
Bearbeitet von Peter-in-Space, 31 Juli 2018 - 00:27.