Lucardus schrieb am 05.10.2008, 13:26:
So, ich bin jetzt auf Seite 131
Ich bin nun auf Seite 183 angekommen und bin erleichtert, aber noch nicht glücklich. Erleichtert deswegen, weil sich der Roman inzwischen flüssig und "von selbst" liest, die für mich doch sehr mühsamen ersten 100 Seiten, in welchen ich mich durchaus teilweise zwingen musste, weiter zu lesen, liegen hinter mir. Inzwischen bin ich so weit "drin", dass es keiner Anstrengung mehr bedarf, in das Buch jedes Mal wieder einzusteigen. Wie Lucardus schon sagte, das Tempo ist bisher sehr, sehr (vornehmes Wort folgt) "kontemplativ", aber man gewöhnt sich dran.
Glücklich bin ich noch nicht, weil ein richtig gehender Sog, wie ihn viele Stephenson-Romane streckenweise ausüben, noch nicht da ist für mich. Das kommt aber vielleicht noch.
Beim Anathem-Spezial-Vokabular ist es inzwischen so, dass ich wichtige Teile nun drauf habe, teilweise allerdings auch schlicht dickfellig mir den Weg zum Glossar aus Verweigerungshaltung und Faulheit erspare und so über was auch mal schlicht drüber lese; noch immer bin ich mir auch noch nicht ganz sicher, ob das mit dem Vokabular wirklich so notwendig war. Glossar-Hopping hasse ich eigentlich.
Was mir sehr gefällt und warum ich auch inzwischen ganz gerne weiterlese: Vieles ist typischer Stephenson, insbesondere diese obsessive Liebe zu - ich nenne das mal: Systemen. Wie diese unterschiedlichen 'Feiern' mit unterschiedlicher Liturgie zu unterschiedlichen Jahreszeiten und vor allem diese verschieden ausgestalteten Öffnungen der verschiedenen Maths. Da höre ich schon ferne Echos insbesondere zum "Cryptonomicon"; mehr zu den Motiven, als zur Handlung. Die gesamte Anlage, in welcher der Roman bisher spielt, insofern sind die teilweise schrecklich pedantischen Beschreibungen dann wohl doch gerechtfertigt, ist ein herrliches Konstrukt. Wenn ich zeichnen könnte (hat jemand wie Alan Lee schon mal Blut gespendet, das man anzapfen könnte?) , das würde ich gerne mal illustrieren.
Noch nicht ganz einfühlen konnte ich mich allerdings, das sind vielleicht meine eigenen Scheuklappen, wie diese Glaubensgemeinschaft ohne Glauben funktionieren soll, was die nun genau zu sammen hält. Glauben ohne Glauben, Religion ohne Religion, Liturgie ohne Spiritualität. Bei dieser Art 'philosophischen Glaubensgemeinschaft' frage ich mich schon, ob man einfach sagen kann, dass philosophische Konzepte religiöse Grundlagen in dieser Form ersetzen können. Wenn man sich die entsprechend grandios und völlig gescheiterten Versuche der Jakobiner während der französischen Revolution ansieht, bin ich da eher skeptisch. Aber, wie gesagt, vielleicht sind das meine Scheuklappen, nicht Stephensons.
Der nächste Abschnitt (wunderbar gestaltete Zwischenseiten!) im Roman heißt jetzt wie das Buch: 'Anathem'. Ich bin mal gespannt, auch wenn ich durch Klappentext u.a. ja etwas bescheid weiß.

Wer nichts besseres zu tun hat: In meinem Blog gibt es einen halbwegs tagesaktuellen Live-Seitenzähler, der immer genau darüber Auskunft gibt, wie weit ich mit "meinen" Büchern bin. Ein Feature, welches das Internet enorm bereichert, wie ich finde.
Bearbeitet von Oliver, 06 Oktober 2008 - 17:33.