Eine allgemeine Frage steht im Raum.
Darf man, bzw. wie darf man (oder darf man nicht) eine Fabulation fabrizieren über das III. Reich? Darf man Nazis, Holocaust, 2.WK als Material für den Weltenbau einer Genre-Geschichte hernehmen?
Wann ist das zulässig, wann nicht?
Ich erinnere mich, als »Vaterland« von Robert Harris auf Deutsch erschien, was für ein Aufschrei durch den Blätterwald ging, dass es prinzipiell nicht statthaft ist, die Nazis zum Material für einen Krimi herzunehmen.
Auch bei »Der Untergang« gab es dann Diskussionen dazu, dass man die Übernazis nicht als Menschen darstellen dürfe. Ein Bilderverbot, dass mich eher an die Tabu-Praxis sakraler Kulturmilieus erinnert.
Und bei der Komödie von Daniel Levy wurde (wieder mal) in Frage gestellt, ob man über die Nazis lachen dürfe.
Fakt ist nun mal, dass die Nazis zum Gespenster-, Monster- und Dämonen-Fundus gehören. Was mich weder wundert noch empört, denn (1) eigenen sie sich nun mal glänznd dazu und (2) halte ich es für eine wichtige Sache, dass man der Bedrückung und Faszination die von den Nazis verursacht ausgeht dadurch Herr zu werden versucht, in dem man sie sich aneignet (ihnen affektiv Paroli bietet, falls das sinnvoll klingt. Das heißt ja nicht, dass man ihren Tate und Motiven zustimmt, im Gegenteil. Es muss aber auch nicht bedeuten, dass man die Nazis ›entmenschlicht‹. Ich denke »IB« gelingt genau das Wandeln auf diesem schmalen Grat.)
Kurz: Sollte es prinzipiell unredlich sein, Genre-Stoffe mit Nazis zu schaffen?
Jens Jessen hat in der Zeit geurteilt, dass Tarantino das Grauen der Judenvernichtung nur beschwört, um einen entschuldigenden Vorwand zu haben mit Nazi-Abschlachterei Splatterfilm-Pornographie zu verbreiten.
Dem stimme ich in zwei Details nicht zu:
1. Ist »IB« alles andere als ein Splatterfilm. Über die Gewichtung von Gewaltdarstellung, Äktschn, Dialog wurde ja bereits einiges hier geschrieben.
2. Erkennt man einen (im übertragenen Sinne) ›Porno‹ daran, dass es keine Handlung und keine wirklichen Figuren gibt, sondern es nur darum geht, einen bestimmten Reiz zu bedienen, sei es Vögelei, sei es Metzelei. †” »IB« hat sowohl eine ziemlich ausgereifte Handlung, die noch dazu vergleichsweise komplex strukturiert ist, als auch eine Schaar ziemlich ausgefeilter Charaktere. Hier also von einem Splatter-Porno zu sprechen ist Polemik.
Was aber in den Augen von Jessen den Film endgültig zu Fall bringt, ist seine ›Leichtigkeit‹, durch die alles nur zum ›blutigen Scherz‹ verkommt und das ist es, was letztlich das Schicksal der Juden verrät und den Film moralisch verwerflich, zumindest schwer bedenklich macht.
Da steige ich nun nicht mehr durch. Kann aber auch sein, dass hier meine Genre- und Trash-Sozialisation (die es deftig, kindisch und krass mag) die Oberhand gegenüber meinen Hochkulturneigungen (die es sachter, empfindsamer und ›klassischer‹ mag) inne hat.
Denn ich habe nicht den Eindruck gewonnen, dass der Film seine Zuschauer mit einem Gefühl der Leichtigkeit, der scherzhaften Beschwingtheit entlässt. Zugegeben: »IB« wartet nicht mit den Pathos- und Bedrückungs-Stilistiken auf, wie man sie von vielen anderen Nazi-Stoffen kennt. Aber zum bloßen Scherz wird hier das ganze Thema nicht degradiert. Zumindest nicht für mein Empfinden.
Grüße
Alex / molo
Bearbeitet von molosovsky, 28 August 2009 - 17:44.