Biologen erklären nicht, was ein Wahl ist. Biologen sehen, dass es verschiedene Spezies gibt, die sie dann anhand sinnvoller Kriterien zu klassifizieren versuchen. Genau so, wie Literaturwissenschaftler verschiedene Typen von Literatur sehen, die sie zu klassifizieren versuchen.
Ja eben nicht genau so (wenn das so ist, wie Du es mir beschrieben hast), Biologen kümmern sich nicht darum, wie die Tier- oder Pflanzenarten
genannt werden. Sie entwickeln Definitionen von Begriffen aus der Sache heraus, und nicht aus deren umgangssprachlichen Verwendung. Sie stellen fest, dass diese Definitionen nicht nur durch (mehr oder weniger) Eindeutigkeit funktionieren, sondern außerdem mit der Entstehungsgeschichte der Arten zusammenhängt, so dass diese Systematik auch einen Stammbaum bildet.
Mir ist klar, dass das bei Büchern nicht so einfach funktioniert, wegen den Grenzüberschreitungen, aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist der, dass sich bei den Biologen der Begriff an der Sache orientiert.
Preisrichter betreiben auch nicht wissenschaftliche Forschung.
Sie bewerten, ähnlich, wie manche Leute manche Literatur als Hochliteratur bewerten.
Der Begriff 'Säure' ist aber nicht per se gegeben. Chemiker stellen fest, dass es bestimmte Substanzen mit gewissen Eigenschaften gibt, die sie dann unter dem Begriff 'Säure' fassen.
Der Begriff Säure ist zunächst durch die menschliche Wahrnehmung gegeben, es ist zunächst eine sauer schmeckende Flüssigkeit. Als man begann, sich wissenschaftlich mit dem Begriff der Säure zu beschäftigen, bekam man mehr über die chemischen Eigenschaften von Säuren heraus, und auch zu verschiedenen Definitionen von Säure.
Und wenn mal nach der wissenschaftlichen Definition von Säure etwas eine Säure war, was gemäß allgemeiner Annahmen keine Säure wäre, dann wurde das trotzdem Säure genannt. Und wenn Du jetzt argumentierst, dass "Säure" ein Wort ist, dass die Chemiker einfach mal erfunden haben, um bestimmte Stoffe zusammenzufassen:
Was hielte Literaturwissenschaftler davon ab, einen Fachbegriff einzuführen, wenn sie feststellen, dass bestimmte Begriffe wie z.B. SF oder Begriffpaare wie Hoch- und Trivialliteratur die Wirklichkeit nicht angemessen abbilden?
Noch einmal: Entscheidend ist die Frage, was Du untersuchen willst. Wenn Du die Funktionsweise von Texten untersuchen willst, ist der pragmatische Kontext nicht wichtig; wenn ich wissen will, warum bestimmte Leute etwas auf eine bestimmte Weise benennen schon.
Konfuzius sagt, man muss die Namen richtig stellen. Das hat mMn Priorität davor, festzustellen, was "die Leute" sagen. Festzustellen, warum die Leute einen Säuger Walfisch nennen, mag zwar im Einzelfall interessant sein, aber es ist nicht das, was ein Biologe unter seiner Arbeit versteht.
Es gibt genug Klassifizierungen, die nicht mit ausserwissenschaftlichen Kategorien in Zusammenhang stehen.
Was meinst Du mit diesem Satz?
Ich rede von nichts anderem, wenn ich von einem pragmatischen Genrebegriff spreche.
Schön.
Ich verstehe jetzt nicht ganz, an wen sich dieser Vorwurf richtet.
Wenn ich einen Koch frage, was ist Forelle Blau, dann kann der mir sagen, was Forelle Blau ist. Wenn ich einen Mathematiker frage, was eine Matrix ist, kann der mir erklären, was eine Matrix ist. Wenn ich einen Seemann frage, was ein Ruder ist, sagt der mir, was ein Ruder ist. Wenn ich die Bedienung im Supermarkt frage, was der Begriff "light" bedeutet, sagt die mir, dass der Begriff wegen seines willkürlichen Einsatzes und mangels verbindlicher Definitionen teils gesetzlich definiert (und zwar wie folgt...), und teils abgeschafft wurde.
Wenn ich schreibe, was ich mir unter Hochliteratur vorstelle, wird mir gesagt, dass sich die Literaturwissenschaft sich dieses Problemes bereits angenommen hat, und meine Überlegungen dazu insofern gegenstandslos sind, aber wenn ich wissen will, was dabei herausgekommen ist, wird mir beschieden, dass eben nichts herausgekommen ist, und dass Hochliteratur das sei, was die Fachwelt so bezeichnet.
Mein Frust resultiert daher, dass das offenbar hier sonst keinen stört.
Manche Wissenschaften würden an der Stelle feststellen, dass für diesen Begriff offenbar keine valide Definition gefunden werden kann, und ihn in Zukunft nicht mehr gebrauchen.