Ja, nämlich was deine persönlichen Vorlieben mit Hochliteratur zu tun haben? Wenn du Hochliteratur einigermaßen allgemein und objektiv definieren/ klären möchtest, ist es m.E. sehr ungeschickt deinen Genuss als Kriterium zu wählen. *zwinker* lg Ten.Eigentlich erkläre ich das ja im Rest des Posts, das Du gerade zitiert hast. Oder ist daran etwas unklar?
Definitionen und Motive in der Science-Fiction
#181
Geschrieben 24 August 2009 - 14:08
#182
Geschrieben 24 August 2009 - 14:18
Dann sagen wir es anders rum: Wenn wir mal die Kriterien aufgreifen, die Mycroft gebracht hat, nämlich "ausgefeilte Charaktere, unvorhersehbare (aber logische!) Handlung, mitreißenden Sprachstil und fehlende Klischees" und vielleicht noch ein paar andere Sache, dann sind das eigentlich alles Dinge, die nach meinem Dafürhalten unter vollendetes Handwerk fallen. Ich würde - als ein filmisches Beispiel, das mir gerade einfällt - hier Back to the Future anführen. Ein Film, der nach meinem Dafürhalten alle diese Eigenschaften hat, den ich für vollendete Unterhaltung halte und heiss liebe, den ich aber definitiv im U-Bereich ansiedeln würde. The Limits of Control, Jim Jarmuschs jüngstem Film, fehlen dagegen auf jeden Fall ausgefeilte Charaktere und auch ein logische Handlung; dennoch würde ich den Film klar nicht als U-Film einstufen und in zumindest in Meisterwerknähe stellen (Ersteres ist eine noch wertfreie Klassifizierung, die wohl die meisten teilen werden, Letzteres ist mein persönliches Urteil).Ja, nämlich was deine persönlichen Vorlieben mit Hochliteratur zu tun haben? Wenn du Hochliteratur einigermaßen allgemein und objektiv definieren/ klären möchtest, ist es m.E. sehr ungeschickt deinen Genuss als Kriterium zu wählen. *zwinker*
Jakob hat ja schon Kafka als Beispiel gebracht; da hat es keine logische Handlung, keine "ausgefeilte Psychologie", dennoch würden wohl die meisten seine Werke im E-Bereich ansiedeln. Oder ein Roman wie der Zauberberg; der hat eigentlich kaum eine nennenswerte Handlung, resp. man liest ihn sicher nicht wegen der "unvorhersehbaren Handlung".
Bearbeitet von simifilm, 24 August 2009 - 14:19.
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#183
Geschrieben 24 August 2009 - 14:28
Das ist das alte Problem der "gesellschaftlichen Vermittlung" von Hochliteratur. Es gab durch die Zeiten doch immer literarisch interessierte Kreise, die durch nichts besser als durch Hochliteratur unterhalten wurden. Die Voraussetzung hierfür ist wohl soetwas wie eine "manische Leselust", eine riesige Lektüre-Erfahrung, die nach einem "Mehr" und "Weiter" verlangt. Vieles, was einem "untrainierten" Leser ganz toll vorkommt, erscheint dem "Manischen" nur noch öde. Wie umgekehrt dem "Massenleser" die Werke der Hochliteratur öde, langweilig und spinnert vorkommen. Nach meiner Erfahrung lässt sich da kaum Abhilfe schaffen. Arno Schmidt sprach doch mal - wenn ich mich recht entsinne - vom Fachmann, der sich sehr weit vom Laien entfernt habe. Ist das Überheblichkeit? Geht es am Ende um "esoterische" Zirkel? Ich denke nicht, dass man das so auffassen muss. Warum sollte gerade in der Literatur die sonst übliche und akzeptierte Unterscheidung von Fachmann und Laien nicht gültig sein?Und wo steht geschrieben, daß E nicht unterhalten darf ?
#184
Geschrieben 24 August 2009 - 14:48
Du schreibst:Eigentlich erkläre ich das ja im Rest des Posts, das Du gerade zitiert hast. Oder ist daran etwas unklar?
Hochliteratur kann ja nun nicht mittelmäßig sein (das "Hoch" sollte doch irgendwo herkommen ...). Ein Text, aus dem sich der Anspruch auf Hochliteratur ablesen ließe, ohne diesen Anspruch aber zu erfüllen, wäre doch wohl keine Hochliteratur?Ich würde nicht sagen, dass Hochliteratur grundsätzlich eine qualitative Auszeichnung ist. Oder dass - übertragen auf Filme - Arthouse-Filme grundsätzlich besser sind als Unterhaltungsfilme. Wirklich gut gemachte Unterhaltungsfilme - also vollendetes Handwerk - liebe ich heiss und innig und würde ich einem mittelmässig gemachten, aber intellektuell und künstlerisch ambitiöseren "Kunstfilm" jeder Zeit vorziehen.
#185
Geschrieben 24 August 2009 - 14:51
Wenn man davon ausgeht, dass ein Text den Anspruch haben kann, Hochliteratur zu sein, wäre ein Text, der das nicht erfüllen würde, eben missglückte Hochliteratur. Oder würdest Du im Ummehrschluss sagen, dass ein mittelmässiges oder schlechtes Buch eines Schriftstellers, der normalerweise zur Hochliteratur gezählt wird, wie - beliebige Beispiele aus dem Kopf - Max Frisch, Thomas Mann oder Musil, aufgrund seiner Mängel zu Unterhaltungsliteratur wird? Wohl kaum. EDIT: Also in der Art von: Gute Geschichte von Kafka = Hochliteratur. Schlechte Geschichte von Kafka = Unterhaltungsliteratur? Gegen eine solche Einteilung würde ich mich ganz entschieden wehren. Gerade wenn man davon ausgeht, dass die Frage der Einteilung auch vom Anspruch des Werks selbst ausgeht (was ich grundsätzlich unterstützen würde).Du schreibst: Hochliteratur kann ja nun nicht mittelmäßig sein (das "Hoch" sollte doch irgendwo herkommen ...). Ein Text, aus dem sich der Anspruch auf Hochliteratur ablesen ließe, ohne diesen Anspruch aber zu erfüllen, wäre doch wohl keine Hochliteratur?
Bearbeitet von simifilm, 24 August 2009 - 14:56.
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#186
Geschrieben 24 August 2009 - 14:53
Mit Hochliteratur = vollendetes Handwerk habe ich insofern keine Probleme, wenn man darunter auch Kunsthandwerk fast. Und wenn man diese U- und E-Einteilung weglässt.Dann sagen wir es anders rum: Wenn wir mal die Kriterien aufgreifen, die Mycroft gebracht hat, nämlich "ausgefeilte Charaktere, unvorhersehbare (aber logische!) Handlung, mitreißenden Sprachstil und fehlende Klischees" und vielleicht noch ein paar andere Sache, dann sind das eigentlich alles Dinge, die nach meinem Dafürhalten unter vollendetes Handwerk fallen. Ich würde - als ein filmisches Beispiel, das mir gerade einfällt - hier Back to the Future anführen. Ein Film, der nach meinem Dafürhalten alle diese Eigenschaften hat, den ich für vollendete Unterhaltung halte und heiss liebe, den ich aber definitiv im U-Bereich ansiedeln würde. ....
(Als ich zuerst von U- und E-Musik gehört habe, dachte ich: "E-Musik ist elektrische Musik, dann ist U-Musik bestimmt Unterwassermusik..." *schäm)
Und zwar aus dem Grunde, dass es viel subjektiver ist, zu sagen, das und das unterhält mich, als zu sagen, dieser Autor, Musiker oder Töpfer macht bei seiner Arbeit keine Fehler.
Die grenzüberschreitenden (genialen) Meisterwerke sind überhaupt nicht kategorisierbar. Wenn man definieren könnte, was im Einzelfall genial ist, könnte man auch gleich selbst genial sein.
Beispiel: Picasso konnte gegenständlich malen, mit einer Perfektion, die berühmt war. Als er dann Porträts mit beiden Augen auf einer Seite malte, war das genial. Wenn ich das machen würde, wäre es falsch.
Ohne Zynismus, man muss wissen, wie´s geht, bevor man es anders machen darf.
Oder wie es ein Haiku-Meister formulierte: Die Regeln erlerne, dann vergiss sie.
Hochliteratur mit Genialität gleichzusetzen, ist für mich daher zu eng.
#187
Geschrieben 24 August 2009 - 14:56
Eigentlich sehe ich nicht ganz, wie Du eine Einteilung in Hochliteratur akzeptieren kannst, und eine in E und U nicht. Oder stört Dich einfach, dass da impliziert wird, dass E nicht unterhalten kann/darf?Mit Hochliteratur = vollendetes Handwerk habe ich insofern keine Probleme, wenn man darunter auch Kunsthandwerk fast. Und wenn man diese U- und E-Einteilung weglässt.
(Als ich zuerst von U- und E-Musik gehört habe, dachte ich: "E-Musik ist elektrische Musik, dann ist U-Musik bestimmt Unterwassermusik..." *schäm)
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#188
Geschrieben 24 August 2009 - 14:57
O, Moment. Ich glaube, wir haben ein begriffliches Missverständnis. Denn Max Frisch würde ich nicht zur Hochliteratur zählen. Kann es sein, dass Du von dem sprichst, was man gemeinhin auch "Belletristik" nennt?Wenn man davon ausgeht, dass ein Text den Anspruch haben kann, Hochliteratur zu sein, wäre ein Text, der das nicht erfüllen würde, eben missglückte Hochliteratur. Oder würdest Du im Ummehrschluss sagen, dass ein mittelmässiges oder schlechtes Buch eines Schriftstellers, der normalerweise zur Hochliteratur gezählt wird, wie - beliebige Beispiele aus dem Kopf - Max Frisch, Thomas Mann oder Musil, aufgrund seiner Mängel zu Unterhaltungsliteratur wird? Wohl kaum. EDIT: Also in der Art von: Gute Geschichte von Kafka = Hochliteratur. Schlechte Geschichte von Kafka = Unterhaltungsliteratur? Gegen eine solche Einteilung würde ich mich ganz entschieden wären. Gerade wenn man davon ausgeht, dass die Frage der Einteilung auch vom Anspruch des Werks selbst ausgeht (was ich grundsätzlich unterstützen würde).
#189
Geschrieben 24 August 2009 - 15:06
Eigentlich nicht, denn Belletristik wird normalerweise sehr viel weiter gefasst. Aber ich denke, wir sind hier eben genau beim Problem sind, dass 'Hochliteratur' eben ein alles andere als klarer Begriff ist. Sehr schematisch würde ich sagen, dass Hochliteratur im Gegensatz zu reiner Unterhaltungs- und Trivialliteratur steht, so wie Kunst im Gegensatz zu Kunsthandwerk steht und Arthouse-Filme zu Hollywoodproduktionen. Das eine ist tendenziell nach Muster gefertigte Massenware mit dem Hauptziel zu unterhalten, das andere ein individueller künstlerischer Ausdruck. Wie gesagt: Sehr schematisch und in jedem einzelnen Punkt problemlos angreifbar. Aber mal so zur groben Orientierung. Ich hab' mal, als mögliche Orientierung, geschaut, was Wikipedia zum Begriff "Hochliteratur" anbietet: "Unter Höhenkammliteratur, auch Hochliteratur genannt, versteht man die anerkannte, in Schule und Wissenschaft als hochstehend angesehene Literatur. Darunter fallen u. a. die Klassiker. Der Begriff wird als Gegensatz zur Trivialliteratur (Schemaliteratur) verwendet." Ich denke, dass der letzte Punkt, der Gegensatz zur Trivialliteratur, entscheidend ist. Was natürlich das Definitionsproblem nur verlagert.O, Moment. Ich glaube, wir haben ein begriffliches Missverständnis. Denn Max Frisch würde ich nicht zur Hochliteratur zählen. Kann es sein, dass Du von dem sprichst, was man gemeinhin auch "Belletristik" nennt?
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#190
Geschrieben 24 August 2009 - 15:19
In meiner Schulzeit haben die Schulen dafür die Grundlagen gelegt. Natürlich ist man im Vorteil, wenn man aus einem "lesenden" Elternhaus stammt, aber ein Vermittlungsproblem sehe ich so nicht.Das ist das alte Problem der "gesellschaftlichen Vermittlung" von Hochliteratur. Es gab durch die Zeiten doch immer literarisch interessierte Kreise, die durch nichts besser als durch Hochliteratur unterhalten wurden.
Das Quantität in Qualität akkumuliert bestreite ich. Man werfe nur ein Blick auf den Typus des "manischen SF-Lesers". Die verlangen nach immer dem gleichen Schinken, wachsende Qualitätsansprüche habe ich selten gefunden.Die Voraussetzung hierfür ist wohl soetwas wie eine "manische Leselust", eine riesige Lektüre-Erfahrung, die nach einem "Mehr" und "Weiter" verlangt.
Das impliziert Qualitäten, die sich quasi aus sich selbst ergeben. Also je verworrener, kruder, unlesbaer ein Text ist, desto literarischer? Oder nur unverstandener?Da bin ich vorsichtig. Ich verehre den "Untertan", liebe "Das Totenschiff", achte den "Zauberberg" und lasse die "Buddenbrocks" liegen. Doch alles "Hochliteratur", oder? Außerdem habe ich eine Freundin, die mich in neue Bereiche der Literatur einführt. Dadurch lerne ich Werke/Richtungen kennen, die ich nie selbst angegangen wäre.Vieles, was einem "untrainierten" Leser ganz toll vorkommt, erscheint dem "Manischen" nur noch öde. Wie umgekehrt dem "Massenleser" die Werke der Hochliteratur öde, langweilig und spinnert vorkommen. Nach meiner Erfahrung lässt sich da kaum Abhilfe schaffen.
Aus zwei sehr einfachen, verknüpften Gründen: 1. Literatur wird von Laien gemacht, 2. Jede Fachrichtung hat ihre Fachsprache. Übrigens versucht die "Mainstream-SF" zweiteres zu simulieren, etwas, was sich für Fachleute aus den Naturwissenschaften sehr lcherlich wirkt.Warum sollte gerade in der Literatur die sonst übliche und akzeptierte Unterscheidung von Fachmann und Laien nicht gültig sein?
#191
Geschrieben 24 August 2009 - 15:35
Kann sein, dass ich einen zu privaten Gebrauch der Begriffe habe. Möglicherweise wird "Hochliteratur" im Allgemeinen anders verwendet, als ich das tue. Unter "Belletristik" fällt ja z.B. auch die Masse an uninspirierter zeitgenössischer Literatur, die sprachlich und formal völlig uneigenständig ist - Aufgussliteratur. Dagegen würde ich "Hochliteratur" abgrenzen wollen ... ist aber auch nicht so wichtig.Ich denke, dass der letzte Punkt, der Gegensatz zur Trivialliteratur, entscheidend ist. Was natürlich das Definitionsproblem nur verlagert.
#192
Geschrieben 24 August 2009 - 16:02
Ich verstehe das Konzept einfach nicht.Eigentlich sehe ich nicht ganz, wie Du eine Einteilung in Hochliteratur akzeptieren kannst, und eine in E und U nicht. Oder stört Dich einfach, dass da impliziert wird, dass E nicht unterhalten kann/darf?
Essen hat gewissermaßen zwei Funktionen: Zufuhr von Nährstoffen, Vitaminen etc. einerseits, und andererseits soll´s schmecken. Das angenehme und das nützliche halt.
Das Angenehme bei Literatur ist die Unterhaltung, das Nützliche der intelektuele Inputt.
Wenn jemand die beiden Komponenten beim Essen trennen wollte, und zwar so, dass jede Sache, die man Essen kann, entweder keine Nährstoffe enthält, oder vollkommen geschmackfrei ist, würde praktisch jeder das für sinnlos halten.
Wenn man Analoges bei Kunst versucht, soll das aber eine gute, logische oder realistische Idee sein?
Jetzt kann man Essen aufteilen (subjektiv) in schmackhaft oder nicht, in (objektiv) nährstoffhaltig oder nährstoffarm, und dann auch noch (umstritten) in gesund oder ungesund.
Und man kann Essen in Hinblick auf die Kochkünste einteilen. Das handwerkliche Geschick bei der Zubereitung ist eine relativ subjektive Eigenschaft des Essens. Es gibt Pommes, die knusprig sind und welche, die halb roh oder total labberig sind, je nachdem, wie gut die frittiert wurden. Solche Qualitätsunterschiede nicht notwendigerweise deckungsgleich mit Geschmack, Nährwert oder Gesundheitsschädlichkeit.
Man mag jetzt einwenden, dass eine fehlerfrei hergestellte Currywurst mit Pommes weniger Kochskill als ein 5-Gänge-Menü im Dreisternerestaurant erfordert, oder analog dazu, dass eine sehr gute Trilogie besser als eine perfekte Kurzgeschichte ist; so das der Begriff Hochliteratur sich dann evt. doch auch an Äußerlichkeiten festmachen kann. Aber dennoch finde ich meine Definition von Hochliteratur besser als: "Hochliteratur ist das, was Schule und Wissenschaft dafür halten."
Mein Punkt ist der, dass, wenn man Hochliteratur an mehr als den handwerklichen Kriterien festmachen will, dass das Mehr dann schon eher die gesellschaftliche/geisteswissenschaftliche/sozialkritische/etc. Relevanz sein soll, als eine diffuse Mehrheitsmeinung.
Sonst ist Hochliteratur nur eine Art langfristige Mode - was ist modisch? Das, was Modemagazine und Designer für modisch halten.
#193
Geschrieben 24 August 2009 - 16:13
Grundsätzlich verstehe ich diesen Einwand schon. Du machst ihn ja auch nicht als erster, und gerade innerhalb der Literaturwissenschaft wirst Du heute kaum jemanden finden, der dieses ohnehin diffuse Konzept einer Hochliteratur vorbehaltlos unterstützen würde. Es ist aber einerseits eine Tatsache, dass es eine gewisse Sorte von Literatur gibt, die von gewissen wirkungsmächtigen Institutionen als wichtiger, besser, wertvoller eingestuft wird. Das kann man kritisieren oder auch nicht, es bleibt eine Tatsache. Zum anderen denke ich auch, dass unterschiedliche Werke einen unterschiedlich hohen Anspruch haben können; dass es tatsächlich einen Unterschied zwischen Kafka und Perry Rhodan gibt und dass dieser nicht ausschliesslich auf einer handwerklichen Ebene anzusiedeln ist. Es scheint mir auch offensichtlich, dass diese beiden Dinge nicht deckungsgleich sein müssen - dass es also ohne weiteres Literatur gibt, die ihre eigenen hohen Ansprüche erfüllt und dennoch nicht von den relevanten Institutionen wahrgenommen wird (womit wir eigentlich beim ursprünglichen Thema wären). Aber ja: Das Konzept "Hochliteratur" ist an sich fragwürdig.Man mag jetzt einwenden, dass eine fehlerfrei hergestellte Currywurst mit Pommes weniger Kochskill als ein 5-Gänge-Menü im Dreisternerestaurant erfordert, oder analog dazu, dass eine sehr gute Trilogie besser als eine perfekte Kurzgeschichte ist; so das der Begriff Hochliteratur sich dann evt. doch auch an Äußerlichkeiten festmachen kann. Aber dennoch finde ich meine Definition von Hochliteratur besser als: "Hochliteratur ist das, was Schule und Wissenschaft dafür halten." Mein Punkt ist der, dass, wenn man Hochliteratur an mehr als den handwerklichen Kriterien festmachen will, dass das Mehr dann schon eher die gesellschaftliche/geisteswissenschaftliche/sozialkritische/etc. Relevanz sein soll, als eine diffuse Mehrheitsmeinung. Sonst ist Hochliteratur nur eine Art langfristige Mode - was ist modisch? Das, was Modemagazine und Designer für modisch halten.
Bearbeitet von simifilm, 24 August 2009 - 16:14.
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#194
Geschrieben 24 August 2009 - 16:43
Dann sollen die doch erklären, was sie damit meinen, und woran man es erkennen kann....Es ist aber einerseits eine Tatsache, dass es eine gewisse Sorte von Literatur gibt, die von gewissen wirkungsmächtigen Institutionen als wichtiger, besser, wertvoller eingestuft wird. Das kann man kritisieren oder auch nicht, es bleibt eine Tatsache.
Das wäre vllt. der Unterschied zwischen Pommes und Wachteleiern mit Hummerschwänzen. Wenn Wachteleier grundsätzlich gesünder und Hummerschwänze nährstoffreicher sind als Pommes, ist das ein Unterschied, der nicht handwerklich begründet ist. Ist Kafka gesünder und nährstoffreicher? Also besser für den Leser? Wenn ja, ist diese Unterscheidung gerechtfertigt, aber wie will man dieses "gut für den Leser" begründen? Ein böser Verdacht ist, dass ich als wirkmächtige Institution alles für "gesund" erkläre, was meine eigenen Ansichten wiederspiegelt...Zum anderen denke ich auch, dass unterschiedliche Werke einen unterschiedlich hohen Anspruch haben können; dass es tatsächlich einen Unterschied zwischen Kafka und Perry Rhodan gibt und dass dieser nicht ausschliesslich auf einer handwerklichen Ebene anzusiedeln ist. ...
#195
Geschrieben 24 August 2009 - 17:25
Wie bereits gesagt: Am Ende läuft das auf den Versuch raus, Kunst definieren zu wollen. Einige Hinweise, in welche Richtung es gehen könnte, fielen hier ja schon, aber erwarte bitte keine abschliessende Antwort.Dann sollen die doch erklären, was sie damit meinen, und woran man es erkennen kann. Das wäre vllt. der Unterschied zwischen Pommes und Wachteleiern mit Hummerschwänzen. Wenn Wachteleier grundsätzlich gesünder und Hummerschwänze nährstoffreicher sind als Pommes, ist das ein Unterschied, der nicht handwerklich begründet ist. Ist Kafka gesünder und nährstoffreicher? Also besser für den Leser? Wenn ja, ist diese Unterscheidung gerechtfertigt, aber wie will man dieses "gut für den Leser" begründen?
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#196
Geschrieben 24 August 2009 - 19:22
Es würde mich jetzt interessieren, wie sich die hier anwesenden Autoren sehen: als Künstler oder Kunsthandwerker?Ich würde sie eher als Kunsthandwerk bezeichnen. Auch dazu bedarf es eines Talents oder besonderer Voraussetzungen. Ein Goldschmied mit Wurstfingern hat es ungleich schwerer als seine feingliedrigen Kollegen. Im Grunde gilt es, eine Hohlform zu füllen. Die formale und sprachliche Eigenständigkeit ist nicht nötig, sondern sogar unerwünscht.
@ proxi:
Ich dachte, Du spielst mit Erhabenheit usw. auf die Unterscheidung von U- und E-Literatur an. Deswegen habe ich diese Begriffe gebraucht. MMn sind sie auch unbrauchbar.
#197
Geschrieben 24 August 2009 - 19:25
#198
Geschrieben 24 August 2009 - 23:41
Kann man jedem Lesefähigen - sagen wir mal - den "Ulysses" von Joyce so vermitteln, dass er das Werk in seinem formalen Aufbau, seiner Sprachverwendung und seinem Assoziationsreichtum nicht nur versteht, sondern auch genießen kann? Vielleicht. Aber wie viele Jahrhunderte bräuchte man dafür?In meiner Schulzeit haben die Schulen dafür die Grundlagen gelegt. Natürlich ist man im Vorteil, wenn man aus einem "lesenden" Elternhaus stammt, aber ein Vermittlungsproblem sehe ich so nicht.
Das wäre nicht die einzige Bedingung, da hast Du sicher recht.Das Quantität in Qualität akkumuliert bestreite ich. Man werfe nur ein Blick auf den Typus des "manischen SF-Lesers". Die verlangen nach immer dem gleichen Schinken, wachsende Qualitätsansprüche habe ich selten gefunden.
Es gibt Leute - und ich habe sie selbst sprechen gehört -, die behaupten, dass "Zettel´s Traum" "unlesbar" wäre - im Sinn von: die Ausgeburt eines Wahnsinnigen. ZT ist aber nicht verworren (sofern man die Etym-Theorie nicht als verworren bezeichnen möchte - aber Scherz beiseite). Verworrenheit ist keine Qualtität. Die Qualitäten liegen woanders.Das impliziert Qualitäten, die sich quasi aus sich selbst ergeben. Also je verworrener, kruder, unlesbaer ein Text ist, desto literarischer? Oder nur unverstandener?
Wenn diese Behauptung ausschließlich sein soll, ist sie falsch. Literatur wird auch von Meistern gemacht.Aus zwei sehr einfachen, verknüpften Gründen:
1. Literatur wird von Laien gemacht,
Erschließt sich mir nicht (als Widerlegung).2. Jede Fachrichtung hat ihre Fachsprache.
#199
Geschrieben 25 August 2009 - 00:10
Hast Du niemals die Erfahrung gemacht, dass Dich die Lektüre eines literarischen Werks fühlbar verändert hat? Dass ein paar Stunden "unglaublich"-unbekannter Lektüre Dir einen neuen Horizont eröffnet haben? Ich bekenne mich gerne als ein defekter Mensch in dem Sinne, dass ich nur mit Menschen über Hochliteratur sprechen möchte, die eine solche Erfahrung gemacht haben.Ich verstehe das Konzept einfach nicht.
Essen hat gewissermaßen zwei Funktionen: Zufuhr von Nährstoffen, Vitaminen etc. einerseits, und andererseits soll´s schmecken. Das angenehme und das nützliche halt.
Das Angenehme bei Literatur ist die Unterhaltung, das Nützliche der intelektuele Inputt.
#200
Geschrieben 25 August 2009 - 02:00
Ich würde sie eher als Kunsthandwerk bezeichnen. Auch dazu bedarf es eines Talents oder besonderer Voraussetzungen. Ein Goldschmied mit Wurstfingern hat es ungleich schwerer als seine feingliedrigen Kollegen. Im Grunde gilt es, eine Hohlform zu füllen. Die formale und sprachliche Eigenständigkeit ist nicht nötig, sondern sogar unerwünscht.
Was ich da so mache, ist Kunsthandwerk. Meine vor Jahren unternommenen literarischen Versuche sehe ich heute als maniristisch und also misslungen an. Meine SF-Kurzgeschichten sind Kunsthandwerk, ebenso wie mein STERNENFAUST-Heftroman, der - nehmen wir das mal als Anlass, in aller Bescheidenheit darauf hinzuweisen - als Bd. 120 im September erscheinen wird ("Die Welten der Erdanaar" unter Prenonym "Guido Paul"). Ich betrachte meine Schreiberei durchaus als ein Laster. Denn jeder einigermaßen Literaturverständige, der der Literatur nichts beizutragen hat, aber dennoch schreibt - so wie ich und andere -, frönt einem Laster. Nun - ich war schwach genug, der Lust am Fabulieren nachzugeben - was verschiedene Gründe hat, die hier aber nicht ausgebreitet werden müssen.Es würde mich jetzt interessieren, wie sich die hier anwesenden Autoren sehen: als Künstler oder Kunsthandwerker?
#201
Geschrieben 25 August 2009 - 02:42
Damit wird "Hochliteratur" doch etwas Beliebiges. Wenn die definitorische Bemühung Aussicht auf Erfolg haben soll, müsste sie doch jenseits subjektiv-"unreflektierter" Kriterien ("gefällt mir" - "gefällt mir nicht") einsetzen.Handwerkliches mag man vielleicht objektiv beurteilen können, sobald es zum künstlerischen kommt, läßt sich meiner Meinung nach alles auf eine Geschmacksfrage reduzieren. Wenn Person xy ein Buch als schlecht oder gut empfindet, dann muß ich das als persönliche Meinung akzeptieren, auch, wenn diese Person es als Hochliteratur bezeichnet. Teilen muß ich diese Ansicht nicht, auch wenn vielleicht eine Mehrheit dieser Meinung ist. Zwingen kann mich keiner.
#202
Geschrieben 25 August 2009 - 06:24
Genremischungen gibt es immer; tatsächlich sind "reine" Genres die Ausnahme und nicht die Regel. Aber was SF von anderen Genres unterschiedet -Â und warum man sie in meinen Augen eben besser als Modus definiert -, ist, dass sie sich nicht wie andere Genres auf ein Set von Motiven und Plotelementen reduzieren lässt, sondern einen ganzen Typus von Welten umfasst. In der Fachliteratur sind mir schon Begriffe wie "Totalgenre" und "world building genre" begegnet, die genau das beschreiben.Auch wenn ich mich damit noch intensiver beschäftigen müßte, diese Unterscheidung sagt mir zu, da ich ohnehin Probleme mit der Einstufung der SF als "Genre" habe. Eine Besonderheit der SF ist es ja gerade, daß sie hemmungslos in anderen Genres wildern kann, und dennoch SF bleibt. Als Beispiel: Ein SF-Roman mit Krimi-Handlung wird ohne Zweifel als SF empfunden werden, umgekehrt wird ein Krimi mit SF-Setting als Hintergrund zur SF. Zwar gibt es "Crossover" auch zwischen anderen Genres, doch bei keinem wird eines so bestimmend, wie bei der SF. Sie ist daher für mich mehr als nur ein "Genre". Die Definition an etwas anderem festzumachen scheint mir da erfolgsversprechender.
Signatures sagen nie die Wahrheit.
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#203
Geschrieben 25 August 2009 - 07:51
Salut Simi,Dann sagen wir es anders rum: Wenn wir mal die Kriterien aufgreifen, die Mycroft gebracht hat, [...] schon Kafka als Beispiel gebracht; da hat es keine logische Handlung, keine "ausgefeilte Psychologie", dennoch würden wohl die meisten seine Werke im E-Bereich ansiedeln. Oder ein Roman wie der Zauberberg; der hat eigentlich kaum eine nennenswerte Handlung, resp. man liest ihn sicher nicht wegen der "unvorhersehbaren Handlung".
ich stimme dir ja in deinem früheren Statement ausdrücklich zu! Der Unterschied zwischen einer "hohen" und einer "trivialen" Literatur liegt ja auch in dem Mehrwert begründet, einem "Doppelten Boden", der in demText mitschwingt: Der Text steht nicht nur für sich selbst, sondern auch für etwas anderes. Und das ist es auch, was es vielleicht für die SF-Texte so schwierig macht, sie diesbzgl. zu bewerten: Sind die Texte nur ein Zeugnis für den Ideenreichtum des Autors, eine gute Schilderung von Technik, Aliens, fremder oder eigener (Zukunfts)Kultur (also letztendlich nur die Bestätigung seiner (kunst)handwerklichen Fähigkeiten) oder steckt in diesen SChilderungen auch noch ein Verweis auf etwas anderes dahinter? Ist Wells "Zeitmaschine" nur die abenteuerliche Schilderung eines Zeitreisenden? Ist "1984" nur eine Gesellschaftsdarstellung des JAhres 1984? Oder ist das mehr?
lg
Ten,
der große Probleme mit den Kategorien E und U hat.
#204
Geschrieben 25 August 2009 - 08:11
Salut Mycroft, jetzt muss ich aber mal...! Das *tun* sie. Die Literaturwissenschaft z.B. arbeitet ganz genau an dieser Frage: Warum ist etwas gut bzw. Wie funktioniert eine "gute" Literatur? Das was sich - glücklicherweise!! - in den letzten Jahren sehr stark verändert hat, ist das Bewusstein von den unterschiedlichen Untersuchungscorpi: EIne Heftserie wie Perry Rhodan hat ganz andere Kriterien als eine Kurzgeschichte von Asimov oder ein Roman von Wells. Das kann also bedeuten, dass z.B. die Perry Rhodan Serie sehr triviale Konzeptionen und Sprache aufweist, aber im Rahmen ihrer Text"aufgabe" eine ziemlich gute triviale Serie ist. Mir kommt halt nur so manchmal der Gedanke, dass es einem, ganz egal jetzt welcher, nur gerade nicht besonders gut in den Kram passt, dass ausgerechnet *seine/ihre* Lieblingsliteratur als "weniger gut" beurteilt wird. Das hat machmal so ein bisl was von einer Vogel Strauß Taktik: Ich guck in den Boden, da isses schön so, wie ich es am liebsten gerne hätte. *zwinker* lg Ten.Dann sollen die doch erklären, was sie damit meinen, und woran man es erkennen kann. [...]
Bearbeitet von Tennessee, 25 August 2009 - 10:02.
#205
Geschrieben 25 August 2009 - 08:39
Signatures sagen nie die Wahrheit.
Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.
Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.
Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
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#206
Geschrieben 25 August 2009 - 09:41
Was dachtest Du denn, was ich sonst mit intellektuellem Input meinen könnte?Hast Du niemals die Erfahrung gemacht, dass Dich die Lektüre eines literarischen Werks fühlbar verändert hat? Dass ein paar Stunden "unglaublich"-unbekannter Lektüre Dir einen neuen Horizont eröffnet haben?
Ich bekenne mich gerne als ein defekter Mensch in dem Sinne, dass ich nur mit Menschen über Hochliteratur sprechen möchte, die eine solche Erfahrung gemacht haben.Meine erste diesbezügliche Erfahrung war "Die ersten Menschen auf dem Mond" von H.G. Wells.
Oder "Auf zwei Planeten" von Laßwitz: "Warum lebt ihr vom Kapital, statt von den Zinsen?" (Kapital sind hier fossile Brennstoffe, Zinsen Solarenergie) Diese geniale Metapher ist von 1892!
#207
Geschrieben 25 August 2009 - 10:02
Hallo Ten, bei Simi und in dem Wikipediaartikel klingt das aber noch anders. Ich bin jetzt ein technisch denkender Mensch, und gehe davon aus, dass es um Qualitätsmerkmale geht, die irgendwie darstellbar sind. Sie müssten meinetwegen noch nicht einmal "objektiv" sein, sondern "nur" halbwegs prüfbar. Wenn mir meinetwegen Krokodile besser als Pinguine gefallen, weil sie grün sind, könnte man diskutieren, dass die Farbe eigentlich kein Kriterium für tolle Tiere ist, aber man muss nicht darüber steiten, ob die Farbe grün ist. Ähnlich stelle ich mir das bei Hochliteratur vor, man einigt sich auf eine "Liste" von 5-50 Eigenschaften, die man von Hochliteratur erwartet, und wenn meinetwegen die Hälfte vorhanden ist, und keine gegenteilige Eigenschaft, dann ist es Hochliteratur. Das erschiene mir transparenter als zu sagen: Der "Werther" ist Hochliteratur, das hat schon mein Deutschlehrer gesagt. Der Werther hat mir übrigens keinen neuen Horizont eröffnet, die Leiden unerwiderter Liebe waren mir bis dato schon bekannt. (Soll heißen, die neuen Horizonte sind sicher toll, aber nur ein sehr subjektives Kriterium für Hochliteratur, weil extrem betrachterabhängig.)Salut Mycroft, jetzt muss ich aber mal...! Das *tun* sie. Die Literaturwissenschaft z.B. arbeitet ganz genau an dieser Frage: Warum ist etwas gut bzw. Wie funktioniert eine "gute" Literatur? ...
#208
Geschrieben 25 August 2009 - 10:21
Es kommt sehr darauf an, aus welcher Perspektive Du die Sache anschaust und wie ketzerisch Du sein möchtest.bei Simi und in dem Wikipediaartikel klingt das aber noch anders. Ich bin jetzt ein technisch denkender Mensch, und gehe davon aus, dass es um Qualitätsmerkmale geht, die irgendwie darstellbar sind. Sie müssten meinetwegen noch nicht einmal "objektiv" sein, sondern "nur" halbwegs prüfbar. Wenn mir meinetwegen Krokodile besser als Pinguine gefallen, weil sie grün sind, könnte man diskutieren, dass die Farbe eigentlich kein Kriterium für tolle Tiere ist, aber man muss nicht darüber steiten, ob die Farbe grün ist.
Ähnlich stelle ich mir das bei Hochliteratur vor, man einigt sich auf eine "Liste" von 5-50 Eigenschaften, die man von Hochliteratur erwartet, und wenn meinetwegen die Hälfte vorhanden ist, und keine gegenteilige Eigenschaft, dann ist es Hochliteratur.
Das erschiene mir transparenter als zu sagen: Der "Werther" ist Hochliteratur, das hat schon mein Deutschlehrer gesagt.
Der Werther hat mir übrigens keinen neuen Horizont eröffnet, die Leiden unerwiderter Liebe waren mir bis dato schon bekannt. (Soll heißen, die neuen Horizonte sind sicher toll, aber nur ein sehr subjektives Kriterium für Hochliteratur, weil extrem betrachterabhängig.)
Man kann ohne Weiteres argumentieren, dass alles, was unter "Hochkultur", "Kunst" etc. läuft, eigentlich nur eine "Konstruktion der herrschenden Kreise" ist, ein Machtinstrument, mit dem eine Distanz zum dummen Pöbel markiert werden soll. Der französische Literatursoziologe Pierre Bourdieu sagt in seinem Buch Die feinen Unterschiede : Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, dass "guter Geschmack" primär ein soziales Distionktionsmerkmal ist. Also vereinfacht gesagt: Ich grenze mich vom ungebildeten Pöbel dadurch ab, dass ich "Hochliteratur" mag. Das ist eine sehr radikale Sicht auf die ganze Sache, aber in gewissem Sinne trifft sie wohl zu. Denn was als lesenswert und literarisch hochstehend angesehen wird, schwankt auch sehr. Bestes Beispiel: Hermann Hesse. Ich kenne schlichtweg niemanden, der sich wissenschaftlich mit Hesses Werk beschäftigt, und mir ist bis jetzt auch nie eine Lehrveranstaltung zu Hesse begegnet. Das war vor 20, 30 Jahren sicher anders.
Du kannst das Ganze auch anders angehen und analysieren, wie denn ein Text seinen "Mehrwert" produziert. Umberto Eco hat das u.a. ausführlich gemacht. Dann kannst Du nachweisen, dass moderne, offene Kunstwerke eben so angelegt sind, dass sie nicht bloss einen eindeutigen "Sinn" produzieren, sondern dynamische Bedeutungsfelder. Und mit einer entsprechenden semiotischen Analyse könnte man sicher gut nachweisen, dass dies bei Ulysses in weitaus stärkerem Masse der Fall ist als bei Perry Rhodan.
Bis zu einem gewissen Grad möchte ich mich aber auch Guidos subjektivem Kriterium anschliessen: Für mich steht es fest, dass es Bücher und Filme gibt, die einen in einer Art und Weise berühren und bewegen können, die "blosser Unterhaltung" nicht möglich ist. Falls Du diese Erfahrung nie gemacht hast, ist es schwierig, darüber zu reden.
Signatures sagen nie die Wahrheit.
Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.
Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.
Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
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#209
Geschrieben 25 August 2009 - 10:47
Salut Mycroft, ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, dass es da überhaupt gar keinen Diskussionsanlass gibt. Wenn dir Krokodile besser gefallen, weil sie grün sind und du die Farbe Grün magst, dann ist das so. Ist halt dein persönlicher Geschmack. Mir gefallen Pinguine besser, weil sie schwarz-weiß sind. Interessant wäre es, ob du die grüne Mamba auch lieber magst als die blaue Mamba, weil dir ihre Farbe besser gefällt. Kurzum: Dein persönlicher Geschmack ist schön und gut und sei dir unbenommen. Aber wenn du deinen Geschmack als Maßstab für tolle Tiere nimmst, nach dem sich außer dir noch andere richten sollen, dann müsstest du erklären können, warum grün ein besseres Kriterium ist als schwarz-weiß. Wie jede Wissenschaft versucht auch die Literaturwissenschaft eine Systematik mit einigermaßen objektiven Kriterien herauszuarbeiten. In ihrem Fall, wie Texte bewertet werden können.Hallo Ten, bei Simi und in dem Wikipediaartikel klingt das aber noch anders. Ich bin jetzt ein technisch denkender Mensch, und gehe davon aus, dass es um Qualitätsmerkmale geht, die irgendwie darstellbar sind. Sie müssten meinetwegen noch nicht einmal "objektiv" sein, sondern "nur" halbwegs prüfbar. Wenn mir meinetwegen Krokodile besser als Pinguine gefallen, weil sie grün sind, könnte man diskutieren, dass die Farbe eigentlich kein Kriterium für tolle Tiere ist, aber man muss nicht darüber steiten, ob die Farbe grün ist.
Also, das wäre mir als Operationsmodell zu starr. Das führt sehr stark an die Vorgehensweise einer "alten" Literaturwissenschaft heran, die quasi mit einer Tabelle die Kriterien für "Hochliteratur" abhakt und dann im entsprechenden Ordner archiviert.Ähnlich stelle ich mir das bei Hochliteratur vor, man einigt sich auf eine "Liste" von 5-50 Eigenschaften, die man von Hochliteratur erwartet, und wenn meinetwegen die Hälfte vorhanden ist, und keine gegenteilige Eigenschaft, dann ist es Hochliteratur.
Das hielte ich aber auch für eine blödsinnige Begründung. *lach*Das erschiene mir transparenter als zu sagen: Der "Werther" ist Hochliteratur, das hat schon mein Deutschlehrer gesagt.
Es sei denn, der Werther wäre grün gewesen. *zwinker* lg Ten.Der Werther hat mir übrigens keinen neuen Horizont eröffnet, die Leiden unerwiderter Liebe waren mir bis dato schon bekannt. (Soll heißen, die neuen Horizonte sind sicher toll, aber nur ein sehr subjektives Kriterium für Hochliteratur, weil extrem betrachterabhängig.)
#210
Geschrieben 25 August 2009 - 10:56
- Dr. Karel Lamonte, Atomic Scientist (Top of the Food Chain, Can 1999)
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