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Definitionen und Motive in der Science-Fiction


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374 Antworten in diesem Thema

#181 Tennessee

Tennessee

    Cybernaut

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Geschrieben 24 August 2009 - 14:08

Eigentlich erkläre ich das ja im Rest des Posts, das Du gerade zitiert hast. Oder ist daran etwas unklar?

Ja, nämlich was deine persönlichen Vorlieben mit Hochliteratur zu tun haben? Wenn du Hochliteratur einigermaßen allgemein und objektiv definieren/ klären möchtest, ist es m.E. sehr ungeschickt deinen Genuss als Kriterium zu wählen. *zwinker* lg Ten.
"Mit meiner Frau in 'Romeo und Julia'. Das schlechteste Stück, das ich je gesehen habe, und dazu schauderhaft gespielt. Habe beschlossen, nie wieder in eine Premiere zu gehen, weil die Schauspieler dauernd ihren Text vergessen." (Samuel Pepys, 23.02.1633)

#182 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

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Geschrieben 24 August 2009 - 14:18

Ja, nämlich was deine persönlichen Vorlieben mit Hochliteratur zu tun haben? Wenn du Hochliteratur einigermaßen allgemein und objektiv definieren/ klären möchtest, ist es m.E. sehr ungeschickt deinen Genuss als Kriterium zu wählen. *zwinker*

Dann sagen wir es anders rum: Wenn wir mal die Kriterien aufgreifen, die Mycroft gebracht hat, nämlich "ausgefeilte Charaktere, unvorhersehbare (aber logische!) Handlung, mitreißenden Sprachstil und fehlende Klischees" und vielleicht noch ein paar andere Sache, dann sind das eigentlich alles Dinge, die nach meinem Dafürhalten unter vollendetes Handwerk fallen. Ich würde - als ein filmisches Beispiel, das mir gerade einfällt - hier Back to the Future anführen. Ein Film, der nach meinem Dafürhalten alle diese Eigenschaften hat, den ich für vollendete Unterhaltung halte und heiss liebe, den ich aber definitiv im U-Bereich ansiedeln würde. The Limits of Control, Jim Jarmuschs jüngstem Film, fehlen dagegen auf jeden Fall ausgefeilte Charaktere und auch ein logische Handlung; dennoch würde ich den Film klar nicht als U-Film einstufen und in zumindest in Meisterwerknähe stellen (Ersteres ist eine noch wertfreie Klassifizierung, die wohl die meisten teilen werden, Letzteres ist mein persönliches Urteil).

Jakob hat ja schon Kafka als Beispiel gebracht; da hat es keine logische Handlung, keine "ausgefeilte Psychologie", dennoch würden wohl die meisten seine Werke im E-Bereich ansiedeln. Oder ein Roman wie der Zauberberg; der hat eigentlich kaum eine nennenswerte Handlung, resp. man liest ihn sicher nicht wegen der "unvorhersehbaren Handlung".

Bearbeitet von simifilm, 24 August 2009 - 14:19.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

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#183 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 24 August 2009 - 14:28

Und wo steht geschrieben, daß E nicht unterhalten darf :smokin: ?

Das ist das alte Problem der "gesellschaftlichen Vermittlung" von Hochliteratur. Es gab durch die Zeiten doch immer literarisch interessierte Kreise, die durch nichts besser als durch Hochliteratur unterhalten wurden. Die Voraussetzung hierfür ist wohl soetwas wie eine "manische Leselust", eine riesige Lektüre-Erfahrung, die nach einem "Mehr" und "Weiter" verlangt. Vieles, was einem "untrainierten" Leser ganz toll vorkommt, erscheint dem "Manischen" nur noch öde. Wie umgekehrt dem "Massenleser" die Werke der Hochliteratur öde, langweilig und spinnert vorkommen. Nach meiner Erfahrung lässt sich da kaum Abhilfe schaffen. Arno Schmidt sprach doch mal - wenn ich mich recht entsinne - vom Fachmann, der sich sehr weit vom Laien entfernt habe. Ist das Überheblichkeit? Geht es am Ende um "esoterische" Zirkel? Ich denke nicht, dass man das so auffassen muss. Warum sollte gerade in der Literatur die sonst übliche und akzeptierte Unterscheidung von Fachmann und Laien nicht gültig sein?

#184 Guido Seifert

Guido Seifert

    Biblionaut

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Geschrieben 24 August 2009 - 14:48

Eigentlich erkläre ich das ja im Rest des Posts, das Du gerade zitiert hast. Oder ist daran etwas unklar?

Du schreibst:

Ich würde nicht sagen, dass Hochliteratur grundsätzlich eine qualitative Auszeichnung ist. Oder dass - übertragen auf Filme - Arthouse-Filme grundsätzlich besser sind als Unterhaltungsfilme. Wirklich gut gemachte Unterhaltungsfilme - also vollendetes Handwerk - liebe ich heiss und innig und würde ich einem mittelmässig gemachten, aber intellektuell und künstlerisch ambitiöseren "Kunstfilm" jeder Zeit vorziehen.

Hochliteratur kann ja nun nicht mittelmäßig sein (das "Hoch" sollte doch irgendwo herkommen ...). Ein Text, aus dem sich der Anspruch auf Hochliteratur ablesen ließe, ohne diesen Anspruch aber zu erfüllen, wäre doch wohl keine Hochliteratur?

#185 simifilm

simifilm

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Geschrieben 24 August 2009 - 14:51

Du schreibst: Hochliteratur kann ja nun nicht mittelmäßig sein (das "Hoch" sollte doch irgendwo herkommen ...). Ein Text, aus dem sich der Anspruch auf Hochliteratur ablesen ließe, ohne diesen Anspruch aber zu erfüllen, wäre doch wohl keine Hochliteratur?

Wenn man davon ausgeht, dass ein Text den Anspruch haben kann, Hochliteratur zu sein, wäre ein Text, der das nicht erfüllen würde, eben missglückte Hochliteratur. Oder würdest Du im Ummehrschluss sagen, dass ein mittelmässiges oder schlechtes Buch eines Schriftstellers, der normalerweise zur Hochliteratur gezählt wird, wie - beliebige Beispiele aus dem Kopf - Max Frisch, Thomas Mann oder Musil, aufgrund seiner Mängel zu Unterhaltungsliteratur wird? Wohl kaum. EDIT: Also in der Art von: Gute Geschichte von Kafka = Hochliteratur. Schlechte Geschichte von Kafka = Unterhaltungsliteratur? Gegen eine solche Einteilung würde ich mich ganz entschieden wehren. Gerade wenn man davon ausgeht, dass die Frage der Einteilung auch vom Anspruch des Werks selbst ausgeht (was ich grundsätzlich unterstützen würde).

Bearbeitet von simifilm, 24 August 2009 - 14:56.

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#186 Mycroft

Mycroft

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Geschrieben 24 August 2009 - 14:53

Dann sagen wir es anders rum: Wenn wir mal die Kriterien aufgreifen, die Mycroft gebracht hat, nämlich "ausgefeilte Charaktere, unvorhersehbare (aber logische!) Handlung, mitreißenden Sprachstil und fehlende Klischees" und vielleicht noch ein paar andere Sache, dann sind das eigentlich alles Dinge, die nach meinem Dafürhalten unter vollendetes Handwerk fallen. Ich würde - als ein filmisches Beispiel, das mir gerade einfällt - hier Back to the Future anführen. Ein Film, der nach meinem Dafürhalten alle diese Eigenschaften hat, den ich für vollendete Unterhaltung halte und heiss liebe, den ich aber definitiv im U-Bereich ansiedeln würde. ....

Mit Hochliteratur = vollendetes Handwerk habe ich insofern keine Probleme, wenn man darunter auch Kunsthandwerk fast. Und wenn man diese U- und E-Einteilung weglässt.
(Als ich zuerst von U- und E-Musik gehört habe, dachte ich: "E-Musik ist elektrische Musik, dann ist U-Musik bestimmt Unterwassermusik..." *schäm)

Und zwar aus dem Grunde, dass es viel subjektiver ist, zu sagen, das und das unterhält mich, als zu sagen, dieser Autor, Musiker oder Töpfer macht bei seiner Arbeit keine Fehler.

Die grenzüberschreitenden (genialen) Meisterwerke sind überhaupt nicht kategorisierbar. Wenn man definieren könnte, was im Einzelfall genial ist, könnte man auch gleich selbst genial sein.
Beispiel: Picasso konnte gegenständlich malen, mit einer Perfektion, die berühmt war. Als er dann Porträts mit beiden Augen auf einer Seite malte, war das genial. Wenn ich das machen würde, wäre es falsch.
Ohne Zynismus, man muss wissen, wie´s geht, bevor man es anders machen darf.
Oder wie es ein Haiku-Meister formulierte: Die Regeln erlerne, dann vergiss sie.

Hochliteratur mit Genialität gleichzusetzen, ist für mich daher zu eng.
Anderswo known as Yart Fulgen

#187 simifilm

simifilm

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Geschrieben 24 August 2009 - 14:56

Mit Hochliteratur = vollendetes Handwerk habe ich insofern keine Probleme, wenn man darunter auch Kunsthandwerk fast. Und wenn man diese U- und E-Einteilung weglässt.
(Als ich zuerst von U- und E-Musik gehört habe, dachte ich: "E-Musik ist elektrische Musik, dann ist U-Musik bestimmt Unterwassermusik..." *schäm)

Eigentlich sehe ich nicht ganz, wie Du eine Einteilung in Hochliteratur akzeptieren kannst, und eine in E und U nicht. Oder stört Dich einfach, dass da impliziert wird, dass E nicht unterhalten kann/darf?

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#188 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 24 August 2009 - 14:57

Wenn man davon ausgeht, dass ein Text den Anspruch haben kann, Hochliteratur zu sein, wäre ein Text, der das nicht erfüllen würde, eben missglückte Hochliteratur. Oder würdest Du im Ummehrschluss sagen, dass ein mittelmässiges oder schlechtes Buch eines Schriftstellers, der normalerweise zur Hochliteratur gezählt wird, wie - beliebige Beispiele aus dem Kopf - Max Frisch, Thomas Mann oder Musil, aufgrund seiner Mängel zu Unterhaltungsliteratur wird? Wohl kaum. EDIT: Also in der Art von: Gute Geschichte von Kafka = Hochliteratur. Schlechte Geschichte von Kafka = Unterhaltungsliteratur? Gegen eine solche Einteilung würde ich mich ganz entschieden wären. Gerade wenn man davon ausgeht, dass die Frage der Einteilung auch vom Anspruch des Werks selbst ausgeht (was ich grundsätzlich unterstützen würde).

O, Moment. Ich glaube, wir haben ein begriffliches Missverständnis. Denn Max Frisch würde ich nicht zur Hochliteratur zählen. Kann es sein, dass Du von dem sprichst, was man gemeinhin auch "Belletristik" nennt?

#189 simifilm

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Geschrieben 24 August 2009 - 15:06

O, Moment. Ich glaube, wir haben ein begriffliches Missverständnis. Denn Max Frisch würde ich nicht zur Hochliteratur zählen. Kann es sein, dass Du von dem sprichst, was man gemeinhin auch "Belletristik" nennt?

Eigentlich nicht, denn Belletristik wird normalerweise sehr viel weiter gefasst. Aber ich denke, wir sind hier eben genau beim Problem sind, dass 'Hochliteratur' eben ein alles andere als klarer Begriff ist. Sehr schematisch würde ich sagen, dass Hochliteratur im Gegensatz zu reiner Unterhaltungs- und Trivialliteratur steht, so wie Kunst im Gegensatz zu Kunsthandwerk steht und Arthouse-Filme zu Hollywoodproduktionen. Das eine ist tendenziell nach Muster gefertigte Massenware mit dem Hauptziel zu unterhalten, das andere ein individueller künstlerischer Ausdruck. Wie gesagt: Sehr schematisch und in jedem einzelnen Punkt problemlos angreifbar. Aber mal so zur groben Orientierung. Ich hab' mal, als mögliche Orientierung, geschaut, was Wikipedia zum Begriff "Hochliteratur" anbietet: "Unter Höhenkammliteratur, auch Hochliteratur genannt, versteht man die anerkannte, in Schule und Wissenschaft als hochstehend angesehene Literatur. Darunter fallen u. a. die Klassiker. Der Begriff wird als Gegensatz zur Trivialliteratur (Schemaliteratur) verwendet." Ich denke, dass der letzte Punkt, der Gegensatz zur Trivialliteratur, entscheidend ist. Was natürlich das Definitionsproblem nur verlagert. ;)

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#190 proxi

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Geschrieben 24 August 2009 - 15:19

Das ist das alte Problem der "gesellschaftlichen Vermittlung" von Hochliteratur. Es gab durch die Zeiten doch immer literarisch interessierte Kreise, die durch nichts besser als durch Hochliteratur unterhalten wurden.

In meiner Schulzeit haben die Schulen dafür die Grundlagen gelegt. Natürlich ist man im Vorteil, wenn man aus einem "lesenden" Elternhaus stammt, aber ein Vermittlungsproblem sehe ich so nicht.

Die Voraussetzung hierfür ist wohl soetwas wie eine "manische Leselust", eine riesige Lektüre-Erfahrung, die nach einem "Mehr" und "Weiter" verlangt.

Das Quantität in Qualität akkumuliert bestreite ich. Man werfe nur ein Blick auf den Typus des "manischen SF-Lesers". Die verlangen nach immer dem gleichen Schinken, wachsende Qualitätsansprüche habe ich selten gefunden.

Vieles, was einem "untrainierten" Leser ganz toll vorkommt, erscheint dem "Manischen" nur noch öde. Wie umgekehrt dem "Massenleser" die Werke der Hochliteratur öde, langweilig und spinnert vorkommen. Nach meiner Erfahrung lässt sich da kaum Abhilfe schaffen.

Das impliziert Qualitäten, die sich quasi aus sich selbst ergeben. Also je verworrener, kruder, unlesbaer ein Text ist, desto literarischer? Oder nur unverstandener?Da bin ich vorsichtig. Ich verehre den "Untertan", liebe "Das Totenschiff", achte den "Zauberberg" und lasse die "Buddenbrocks" liegen. Doch alles "Hochliteratur", oder? Außerdem habe ich eine Freundin, die mich in neue Bereiche der Literatur einführt. Dadurch lerne ich Werke/Richtungen kennen, die ich nie selbst angegangen wäre.

Warum sollte gerade in der Literatur die sonst übliche und akzeptierte Unterscheidung von Fachmann und Laien nicht gültig sein?

Aus zwei sehr einfachen, verknüpften Gründen: 1. Literatur wird von Laien gemacht, 2. Jede Fachrichtung hat ihre Fachsprache. Übrigens versucht die "Mainstream-SF" zweiteres zu simulieren, etwas, was sich für Fachleute aus den Naturwissenschaften sehr lcherlich wirkt.

#191 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 24 August 2009 - 15:35

Ich denke, dass der letzte Punkt, der Gegensatz zur Trivialliteratur, entscheidend ist. Was natürlich das Definitionsproblem nur verlagert. ;)

Kann sein, dass ich einen zu privaten Gebrauch der Begriffe habe. Möglicherweise wird "Hochliteratur" im Allgemeinen anders verwendet, als ich das tue. Unter "Belletristik" fällt ja z.B. auch die Masse an uninspirierter zeitgenössischer Literatur, die sprachlich und formal völlig uneigenständig ist - Aufgussliteratur. Dagegen würde ich "Hochliteratur" abgrenzen wollen ... ist aber auch nicht so wichtig.

#192 Mycroft

Mycroft

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Geschrieben 24 August 2009 - 16:02

Eigentlich sehe ich nicht ganz, wie Du eine Einteilung in Hochliteratur akzeptieren kannst, und eine in E und U nicht. Oder stört Dich einfach, dass da impliziert wird, dass E nicht unterhalten kann/darf?

Ich verstehe das Konzept einfach nicht.
Essen hat gewissermaßen zwei Funktionen: Zufuhr von Nährstoffen, Vitaminen etc. einerseits, und andererseits soll´s schmecken. Das angenehme und das nützliche halt.

Das Angenehme bei Literatur ist die Unterhaltung, das Nützliche der intelektuele Inputt.

Wenn jemand die beiden Komponenten beim Essen trennen wollte, und zwar so, dass jede Sache, die man Essen kann, entweder keine Nährstoffe enthält, oder vollkommen geschmackfrei ist, würde praktisch jeder das für sinnlos halten.
Wenn man Analoges bei Kunst versucht, soll das aber eine gute, logische oder realistische Idee sein?

Jetzt kann man Essen aufteilen (subjektiv) in schmackhaft oder nicht, in (objektiv) nährstoffhaltig oder nährstoffarm, und dann auch noch (umstritten) in gesund oder ungesund.

Und man kann Essen in Hinblick auf die Kochkünste einteilen. Das handwerkliche Geschick bei der Zubereitung ist eine relativ subjektive Eigenschaft des Essens. Es gibt Pommes, die knusprig sind und welche, die halb roh oder total labberig sind, je nachdem, wie gut die frittiert wurden. Solche Qualitätsunterschiede nicht notwendigerweise deckungsgleich mit Geschmack, Nährwert oder Gesundheitsschädlichkeit.

Man mag jetzt einwenden, dass eine fehlerfrei hergestellte Currywurst mit Pommes weniger Kochskill als ein 5-Gänge-Menü im Dreisternerestaurant erfordert, oder analog dazu, dass eine sehr gute Trilogie besser als eine perfekte Kurzgeschichte ist; so das der Begriff Hochliteratur sich dann evt. doch auch an Äußerlichkeiten festmachen kann. Aber dennoch finde ich meine Definition von Hochliteratur besser als: "Hochliteratur ist das, was Schule und Wissenschaft dafür halten." ;)

Mein Punkt ist der, dass, wenn man Hochliteratur an mehr als den handwerklichen Kriterien festmachen will, dass das Mehr dann schon eher die gesellschaftliche/geisteswissenschaftliche/sozialkritische/etc. Relevanz sein soll, als eine diffuse Mehrheitsmeinung.

Sonst ist Hochliteratur nur eine Art langfristige Mode - was ist modisch? Das, was Modemagazine und Designer für modisch halten.
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#193 simifilm

simifilm

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Geschrieben 24 August 2009 - 16:13

Man mag jetzt einwenden, dass eine fehlerfrei hergestellte Currywurst mit Pommes weniger Kochskill als ein 5-Gänge-Menü im Dreisternerestaurant erfordert, oder analog dazu, dass eine sehr gute Trilogie besser als eine perfekte Kurzgeschichte ist; so das der Begriff Hochliteratur sich dann evt. doch auch an Äußerlichkeiten festmachen kann. Aber dennoch finde ich meine Definition von Hochliteratur besser als: "Hochliteratur ist das, was Schule und Wissenschaft dafür halten." ;) Mein Punkt ist der, dass, wenn man Hochliteratur an mehr als den handwerklichen Kriterien festmachen will, dass das Mehr dann schon eher die gesellschaftliche/geisteswissenschaftliche/sozialkritische/etc. Relevanz sein soll, als eine diffuse Mehrheitsmeinung. Sonst ist Hochliteratur nur eine Art langfristige Mode - was ist modisch? Das, was Modemagazine und Designer für modisch halten.

Grundsätzlich verstehe ich diesen Einwand schon. Du machst ihn ja auch nicht als erster, und gerade innerhalb der Literaturwissenschaft wirst Du heute kaum jemanden finden, der dieses ohnehin diffuse Konzept einer Hochliteratur vorbehaltlos unterstützen würde. Es ist aber einerseits eine Tatsache, dass es eine gewisse Sorte von Literatur gibt, die von gewissen wirkungsmächtigen Institutionen als wichtiger, besser, wertvoller eingestuft wird. Das kann man kritisieren oder auch nicht, es bleibt eine Tatsache. Zum anderen denke ich auch, dass unterschiedliche Werke einen unterschiedlich hohen Anspruch haben können; dass es tatsächlich einen Unterschied zwischen Kafka und Perry Rhodan gibt und dass dieser nicht ausschliesslich auf einer handwerklichen Ebene anzusiedeln ist. Es scheint mir auch offensichtlich, dass diese beiden Dinge nicht deckungsgleich sein müssen - dass es also ohne weiteres Literatur gibt, die ihre eigenen hohen Ansprüche erfüllt und dennoch nicht von den relevanten Institutionen wahrgenommen wird (womit wir eigentlich beim ursprünglichen Thema wären). Aber ja: Das Konzept "Hochliteratur" ist an sich fragwürdig.

Bearbeitet von simifilm, 24 August 2009 - 16:14.

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#194 Mycroft

Mycroft

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Geschrieben 24 August 2009 - 16:43

...Es ist aber einerseits eine Tatsache, dass es eine gewisse Sorte von Literatur gibt, die von gewissen wirkungsmächtigen Institutionen als wichtiger, besser, wertvoller eingestuft wird. Das kann man kritisieren oder auch nicht, es bleibt eine Tatsache.

Dann sollen die doch erklären, was sie damit meinen, und woran man es erkennen kann. ;)

Zum anderen denke ich auch, dass unterschiedliche Werke einen unterschiedlich hohen Anspruch haben können; dass es tatsächlich einen Unterschied zwischen Kafka und Perry Rhodan gibt und dass dieser nicht ausschliesslich auf einer handwerklichen Ebene anzusiedeln ist. ...

Das wäre vllt. der Unterschied zwischen Pommes und Wachteleiern mit Hummerschwänzen. Wenn Wachteleier grundsätzlich gesünder und Hummerschwänze nährstoffreicher sind als Pommes, ist das ein Unterschied, der nicht handwerklich begründet ist. Ist Kafka gesünder und nährstoffreicher? Also besser für den Leser? Wenn ja, ist diese Unterscheidung gerechtfertigt, aber wie will man dieses "gut für den Leser" begründen? Ein böser Verdacht ist, dass ich als wirkmächtige Institution alles für "gesund" erkläre, was meine eigenen Ansichten wiederspiegelt... :D
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#195 simifilm

simifilm

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Geschrieben 24 August 2009 - 17:25

Dann sollen die doch erklären, was sie damit meinen, und woran man es erkennen kann. ;) Das wäre vllt. der Unterschied zwischen Pommes und Wachteleiern mit Hummerschwänzen. Wenn Wachteleier grundsätzlich gesünder und Hummerschwänze nährstoffreicher sind als Pommes, ist das ein Unterschied, der nicht handwerklich begründet ist. Ist Kafka gesünder und nährstoffreicher? Also besser für den Leser? Wenn ja, ist diese Unterscheidung gerechtfertigt, aber wie will man dieses "gut für den Leser" begründen?

Wie bereits gesagt: Am Ende läuft das auf den Versuch raus, Kunst definieren zu wollen. Einige Hinweise, in welche Richtung es gehen könnte, fielen hier ja schon, aber erwarte bitte keine abschliessende Antwort.

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#196 Morn

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Geschrieben 24 August 2009 - 19:22

Ich würde sie eher als Kunsthandwerk bezeichnen. Auch dazu bedarf es eines Talents oder besonderer Voraussetzungen. Ein Goldschmied mit Wurstfingern hat es ungleich schwerer als seine feingliedrigen Kollegen. Im Grunde gilt es, eine Hohlform zu füllen. Die formale und sprachliche Eigenständigkeit ist nicht nötig, sondern sogar unerwünscht.

Es würde mich jetzt interessieren, wie sich die hier anwesenden Autoren sehen: als Künstler oder Kunsthandwerker?

@ proxi:
Ich dachte, Du spielst mit Erhabenheit usw. auf die Unterscheidung von U- und E-Literatur an. Deswegen habe ich diese Begriffe gebraucht. MMn sind sie auch unbrauchbar.

#197 Crashlander

Crashlander

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Geschrieben 24 August 2009 - 19:25

Auch wenn sich das Thema hier schon wieder verlagert hat, möchte ich doch noch einmal auf simifilm Unterscheidung Modus/Genre zurück kommen:Auch wenn ich mich damit noch intensiver beschäftigen müßte, diese Unterscheidung sagt mir zu, da ich ohnehin Probleme mit der Einstufung der SF als "Genre" habe. Eine Besonderheit der SF ist es ja gerade, daß sie hemmungslos in anderen Genres wildern kann, und dennoch SF bleibt. Als Beispiel: Ein SF-Roman mit Krimi-Handlung wird ohne Zweifel als SF empfunden werden, umgekehrt wird ein Krimi mit SF-Setting als Hintergrund zur SF.Zwar gibt es "Crossover" auch zwischen anderen Genres, doch bei keinem wird eines so bestimmend, wie bei der SF. Sie ist daher für mich mehr als nur ein "Genre".Die Definition an etwas anderem festzumachen scheint mir da erfolgsversprechender.Zum Thema "Hochliteratur": Mir ist diese Einstufung recht egal. Es kommt mir darauf an, ob mir ein Buch zusagt oder nicht. "Gut" ist ein Buch für mich, wenn es mich anpricht, zum denken anregt und "nachklingt" (also auch nach Tagen oder Wochen das Gefühl beim Lesen abrufbar ist). Das Buch mag für andere dann "schlecht" oder "trivial" sein, das ist für mich lediglich eine Meinung.Handwerkliches mag man vielleicht objektiv beurteilen können, sobald es zum künstlerischen kommt, läßt sich meiner Meinung nach alles auf eine Geschmacksfrage reduzieren. Wenn Person xy ein Buch als schlecht oder gut empfindet, dann muß ich das als persönliche Meinung akzeptieren, auch, wenn diese Person es als Hochliteratur bezeichnet. Teilen muß ich diese Ansicht nicht, auch wenn vielleicht eine Mehrheit dieser Meinung ist. Zwingen kann mich keiner.Handwerklich gute Arbeit ist aber eine Voraussetzung dafür, daß ein Buch gut sein könnte. Wenn die handwerklichen Mängel unübersehbar sind, dann gibt es meiner Meinung keinen Aspekt, der dennoch zu einem guten Werk führen kann.

#198 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 24 August 2009 - 23:41

In meiner Schulzeit haben die Schulen dafür die Grundlagen gelegt. Natürlich ist man im Vorteil, wenn man aus einem "lesenden" Elternhaus stammt, aber ein Vermittlungsproblem sehe ich so nicht.

Kann man jedem Lesefähigen - sagen wir mal - den "Ulysses" von Joyce so vermitteln, dass er das Werk in seinem formalen Aufbau, seiner Sprachverwendung und seinem Assoziationsreichtum nicht nur versteht, sondern auch genießen kann? Vielleicht. Aber wie viele Jahrhunderte bräuchte man dafür?

Das Quantität in Qualität akkumuliert bestreite ich. Man werfe nur ein Blick auf den Typus des "manischen SF-Lesers". Die verlangen nach immer dem gleichen Schinken, wachsende Qualitätsansprüche habe ich selten gefunden.

Das wäre nicht die einzige Bedingung, da hast Du sicher recht.

Das impliziert Qualitäten, die sich quasi aus sich selbst ergeben. Also je verworrener, kruder, unlesbaer ein Text ist, desto literarischer? Oder nur unverstandener?

Es gibt Leute - und ich habe sie selbst sprechen gehört -, die behaupten, dass "Zettel´s Traum" "unlesbar" wäre - im Sinn von: die Ausgeburt eines Wahnsinnigen. ZT ist aber nicht verworren (sofern man die Etym-Theorie nicht als verworren bezeichnen möchte - aber Scherz beiseite). Verworrenheit ist keine Qualtität. Die Qualitäten liegen woanders.

Aus zwei sehr einfachen, verknüpften Gründen:
1. Literatur wird von Laien gemacht,

Wenn diese Behauptung ausschließlich sein soll, ist sie falsch. Literatur wird auch von Meistern gemacht.

2. Jede Fachrichtung hat ihre Fachsprache.

Erschließt sich mir nicht (als Widerlegung).

#199 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 25 August 2009 - 00:10

Ich verstehe das Konzept einfach nicht.
Essen hat gewissermaßen zwei Funktionen: Zufuhr von Nährstoffen, Vitaminen etc. einerseits, und andererseits soll´s schmecken. Das angenehme und das nützliche halt.

Das Angenehme bei Literatur ist die Unterhaltung, das Nützliche der intelektuele Inputt.

Hast Du niemals die Erfahrung gemacht, dass Dich die Lektüre eines literarischen Werks fühlbar verändert hat? Dass ein paar Stunden "unglaublich"-unbekannter Lektüre Dir einen neuen Horizont eröffnet haben? Ich bekenne mich gerne als ein defekter Mensch in dem Sinne, dass ich nur mit Menschen über Hochliteratur sprechen möchte, die eine solche Erfahrung gemacht haben.

#200 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 25 August 2009 - 02:00

Ich würde sie eher als Kunsthandwerk bezeichnen. Auch dazu bedarf es eines Talents oder besonderer Voraussetzungen. Ein Goldschmied mit Wurstfingern hat es ungleich schwerer als seine feingliedrigen Kollegen. Im Grunde gilt es, eine Hohlform zu füllen. Die formale und sprachliche Eigenständigkeit ist nicht nötig, sondern sogar unerwünscht.

Es würde mich jetzt interessieren, wie sich die hier anwesenden Autoren sehen: als Künstler oder Kunsthandwerker?

Was ich da so mache, ist Kunsthandwerk. Meine vor Jahren unternommenen literarischen Versuche sehe ich heute als maniristisch und also misslungen an. Meine SF-Kurzgeschichten sind Kunsthandwerk, ebenso wie mein STERNENFAUST-Heftroman, der - nehmen wir das mal als Anlass, in aller Bescheidenheit darauf hinzuweisen - als Bd. 120 im September erscheinen wird ("Die Welten der Erdanaar" unter Prenonym "Guido Paul"). Ich betrachte meine Schreiberei durchaus als ein Laster. Denn jeder einigermaßen Literaturverständige, der der Literatur nichts beizutragen hat, aber dennoch schreibt - so wie ich und andere -, frönt einem Laster. Nun - ich war schwach genug, der Lust am Fabulieren nachzugeben - was verschiedene Gründe hat, die hier aber nicht ausgebreitet werden müssen.

#201 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 25 August 2009 - 02:42

Handwerkliches mag man vielleicht objektiv beurteilen können, sobald es zum künstlerischen kommt, läßt sich meiner Meinung nach alles auf eine Geschmacksfrage reduzieren. Wenn Person xy ein Buch als schlecht oder gut empfindet, dann muß ich das als persönliche Meinung akzeptieren, auch, wenn diese Person es als Hochliteratur bezeichnet. Teilen muß ich diese Ansicht nicht, auch wenn vielleicht eine Mehrheit dieser Meinung ist. Zwingen kann mich keiner.

Damit wird "Hochliteratur" doch etwas Beliebiges. Wenn die definitorische Bemühung Aussicht auf Erfolg haben soll, müsste sie doch jenseits subjektiv-"unreflektierter" Kriterien ("gefällt mir" - "gefällt mir nicht") einsetzen.

#202 simifilm

simifilm

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Geschrieben 25 August 2009 - 06:24

Auch wenn ich mich damit noch intensiver beschäftigen müßte, diese Unterscheidung sagt mir zu, da ich ohnehin Probleme mit der Einstufung der SF als "Genre" habe. Eine Besonderheit der SF ist es ja gerade, daß sie hemmungslos in anderen Genres wildern kann, und dennoch SF bleibt. Als Beispiel: Ein SF-Roman mit Krimi-Handlung wird ohne Zweifel als SF empfunden werden, umgekehrt wird ein Krimi mit SF-Setting als Hintergrund zur SF. Zwar gibt es "Crossover" auch zwischen anderen Genres, doch bei keinem wird eines so bestimmend, wie bei der SF. Sie ist daher für mich mehr als nur ein "Genre". Die Definition an etwas anderem festzumachen scheint mir da erfolgsversprechender.

Genremischungen gibt es immer; tatsächlich sind "reine" Genres die Ausnahme und nicht die Regel. Aber was SF von anderen Genres unterschiedet - und warum man sie in meinen Augen eben besser als Modus definiert -, ist, dass sie sich nicht wie andere Genres auf ein Set von Motiven und Plotelementen reduzieren lässt, sondern einen ganzen Typus von Welten umfasst. In der Fachliteratur sind mir schon Begriffe wie "Totalgenre" und "world building genre" begegnet, die genau das beschreiben.

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#203 Tennessee

Tennessee

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Geschrieben 25 August 2009 - 07:51

Dann sagen wir es anders rum: Wenn wir mal die Kriterien aufgreifen, die Mycroft gebracht hat, [...] schon Kafka als Beispiel gebracht; da hat es keine logische Handlung, keine "ausgefeilte Psychologie", dennoch würden wohl die meisten seine Werke im E-Bereich ansiedeln. Oder ein Roman wie der Zauberberg; der hat eigentlich kaum eine nennenswerte Handlung, resp. man liest ihn sicher nicht wegen der "unvorhersehbaren Handlung".

Salut Simi,

ich stimme dir ja in deinem früheren Statement ausdrücklich zu! Der Unterschied zwischen einer "hohen" und einer "trivialen" Literatur liegt ja auch in dem Mehrwert begründet, einem "Doppelten Boden", der in demText mitschwingt: Der Text steht nicht nur für sich selbst, sondern auch für etwas anderes. Und das ist es auch, was es vielleicht für die SF-Texte so schwierig macht, sie diesbzgl. zu bewerten: Sind die Texte nur ein Zeugnis für den Ideenreichtum des Autors, eine gute Schilderung von Technik, Aliens, fremder oder eigener (Zukunfts)Kultur (also letztendlich nur die Bestätigung seiner (kunst)handwerklichen Fähigkeiten) oder steckt in diesen SChilderungen auch noch ein Verweis auf etwas anderes dahinter? Ist Wells "Zeitmaschine" nur die abenteuerliche Schilderung eines Zeitreisenden? Ist "1984" nur eine Gesellschaftsdarstellung des JAhres 1984? Oder ist das mehr?

lg
Ten,
der große Probleme mit den Kategorien E und U hat.
"Mit meiner Frau in 'Romeo und Julia'. Das schlechteste Stück, das ich je gesehen habe, und dazu schauderhaft gespielt. Habe beschlossen, nie wieder in eine Premiere zu gehen, weil die Schauspieler dauernd ihren Text vergessen." (Samuel Pepys, 23.02.1633)

#204 Tennessee

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Geschrieben 25 August 2009 - 08:11

Dann sollen die doch erklären, was sie damit meinen, und woran man es erkennen kann. :lol: [...]

Salut Mycroft, jetzt muss ich aber mal...! Das *tun* sie. Die Literaturwissenschaft z.B. arbeitet ganz genau an dieser Frage: Warum ist etwas gut bzw. Wie funktioniert eine "gute" Literatur? Das was sich - glücklicherweise!! - in den letzten Jahren sehr stark verändert hat, ist das Bewusstein von den unterschiedlichen Untersuchungscorpi: EIne Heftserie wie Perry Rhodan hat ganz andere Kriterien als eine Kurzgeschichte von Asimov oder ein Roman von Wells. Das kann also bedeuten, dass z.B. die Perry Rhodan Serie sehr triviale Konzeptionen und Sprache aufweist, aber im Rahmen ihrer Text"aufgabe" eine ziemlich gute triviale Serie ist. Mir kommt halt nur so manchmal der Gedanke, dass es einem, ganz egal jetzt welcher, nur gerade nicht besonders gut in den Kram passt, dass ausgerechnet *seine/ihre* Lieblingsliteratur als "weniger gut" beurteilt wird. Das hat machmal so ein bisl was von einer Vogel Strauß Taktik: Ich guck in den Boden, da isses schön so, wie ich es am liebsten gerne hätte. *zwinker* lg Ten.

Bearbeitet von Tennessee, 25 August 2009 - 10:02.

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#205 simifilm

simifilm

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Geschrieben 25 August 2009 - 08:39

Ist zwar ein bissel spät, aber eigentlich wäre es nicht schlecht, wenn man die Diskussion zur Hochliteratur ausgliedern könnte, denn mit dem eigentlichen Threadthema hat das wenig zu tun.

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#206 Mycroft

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Geschrieben 25 August 2009 - 09:41

Hast Du niemals die Erfahrung gemacht, dass Dich die Lektüre eines literarischen Werks fühlbar verändert hat? Dass ein paar Stunden "unglaublich"-unbekannter Lektüre Dir einen neuen Horizont eröffnet haben?

:D Was dachtest Du denn, was ich sonst mit intellektuellem Input meinen könnte?

Ich bekenne mich gerne als ein defekter Mensch in dem Sinne, dass ich nur mit Menschen über Hochliteratur sprechen möchte, die eine solche Erfahrung gemacht haben.

Meine erste diesbezügliche Erfahrung war "Die ersten Menschen auf dem Mond" von H.G. Wells.
Oder "Auf zwei Planeten" von Laßwitz: "Warum lebt ihr vom Kapital, statt von den Zinsen?" (Kapital sind hier fossile Brennstoffe, Zinsen Solarenergie) Diese geniale Metapher ist von 1892!
Anderswo known as Yart Fulgen

#207 Mycroft

Mycroft

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Geschrieben 25 August 2009 - 10:02

Salut Mycroft, jetzt muss ich aber mal...! Das *tun* sie. Die Literaturwissenschaft z.B. arbeitet ganz genau an dieser Frage: Warum ist etwas gut bzw. Wie funktioniert eine "gute" Literatur? ...

Hallo Ten, bei Simi und in dem Wikipediaartikel klingt das aber noch anders. Ich bin jetzt ein technisch denkender Mensch, und gehe davon aus, dass es um Qualitätsmerkmale geht, die irgendwie darstellbar sind. Sie müssten meinetwegen noch nicht einmal "objektiv" sein, sondern "nur" halbwegs prüfbar. Wenn mir meinetwegen Krokodile besser als Pinguine gefallen, weil sie grün sind, könnte man diskutieren, dass die Farbe eigentlich kein Kriterium für tolle Tiere ist, aber man muss nicht darüber steiten, ob die Farbe grün ist. Ähnlich stelle ich mir das bei Hochliteratur vor, man einigt sich auf eine "Liste" von 5-50 Eigenschaften, die man von Hochliteratur erwartet, und wenn meinetwegen die Hälfte vorhanden ist, und keine gegenteilige Eigenschaft, dann ist es Hochliteratur. Das erschiene mir transparenter als zu sagen: Der "Werther" ist Hochliteratur, das hat schon mein Deutschlehrer gesagt. Der Werther hat mir übrigens keinen neuen Horizont eröffnet, die Leiden unerwiderter Liebe waren mir bis dato schon bekannt. (Soll heißen, die neuen Horizonte sind sicher toll, aber nur ein sehr subjektives Kriterium für Hochliteratur, weil extrem betrachterabhängig.)
Anderswo known as Yart Fulgen

#208 simifilm

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Geschrieben 25 August 2009 - 10:21

bei Simi und in dem Wikipediaartikel klingt das aber noch anders. Ich bin jetzt ein technisch denkender Mensch, und gehe davon aus, dass es um Qualitätsmerkmale geht, die irgendwie darstellbar sind. Sie müssten meinetwegen noch nicht einmal "objektiv" sein, sondern "nur" halbwegs prüfbar. Wenn mir meinetwegen Krokodile besser als Pinguine gefallen, weil sie grün sind, könnte man diskutieren, dass die Farbe eigentlich kein Kriterium für tolle Tiere ist, aber man muss nicht darüber steiten, ob die Farbe grün ist.
Ähnlich stelle ich mir das bei Hochliteratur vor, man einigt sich auf eine "Liste" von 5-50 Eigenschaften, die man von Hochliteratur erwartet, und wenn meinetwegen die Hälfte vorhanden ist, und keine gegenteilige Eigenschaft, dann ist es Hochliteratur.
Das erschiene mir transparenter als zu sagen: Der "Werther" ist Hochliteratur, das hat schon mein Deutschlehrer gesagt.
Der Werther hat mir übrigens keinen neuen Horizont eröffnet, die Leiden unerwiderter Liebe waren mir bis dato schon bekannt. (Soll heißen, die neuen Horizonte sind sicher toll, aber nur ein sehr subjektives Kriterium für Hochliteratur, weil extrem betrachterabhängig.)

Es kommt sehr darauf an, aus welcher Perspektive Du die Sache anschaust und wie ketzerisch Du sein möchtest.

Man kann ohne Weiteres argumentieren, dass alles, was unter "Hochkultur", "Kunst" etc. läuft, eigentlich nur eine "Konstruktion der herrschenden Kreise" ist, ein Machtinstrument, mit dem eine Distanz zum dummen Pöbel markiert werden soll. Der französische Literatursoziologe Pierre Bourdieu sagt in seinem Buch Die feinen Unterschiede : Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, dass "guter Geschmack" primär ein soziales Distionktionsmerkmal ist. Also vereinfacht gesagt: Ich grenze mich vom ungebildeten Pöbel dadurch ab, dass ich "Hochliteratur" mag. Das ist eine sehr radikale Sicht auf die ganze Sache, aber in gewissem Sinne trifft sie wohl zu. Denn was als lesenswert und literarisch hochstehend angesehen wird, schwankt auch sehr. Bestes Beispiel: Hermann Hesse. Ich kenne schlichtweg niemanden, der sich wissenschaftlich mit Hesses Werk beschäftigt, und mir ist bis jetzt auch nie eine Lehrveranstaltung zu Hesse begegnet. Das war vor 20, 30 Jahren sicher anders.

Du kannst das Ganze auch anders angehen und analysieren, wie denn ein Text seinen "Mehrwert" produziert. Umberto Eco hat das u.a. ausführlich gemacht. Dann kannst Du nachweisen, dass moderne, offene Kunstwerke eben so angelegt sind, dass sie nicht bloss einen eindeutigen "Sinn" produzieren, sondern dynamische Bedeutungsfelder. Und mit einer entsprechenden semiotischen Analyse könnte man sicher gut nachweisen, dass dies bei Ulysses in weitaus stärkerem Masse der Fall ist als bei Perry Rhodan.

Bis zu einem gewissen Grad möchte ich mich aber auch Guidos subjektivem Kriterium anschliessen: Für mich steht es fest, dass es Bücher und Filme gibt, die einen in einer Art und Weise berühren und bewegen können, die "blosser Unterhaltung" nicht möglich ist. Falls Du diese Erfahrung nie gemacht hast, ist es schwierig, darüber zu reden.

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#209 Tennessee

Tennessee

    Cybernaut

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Geschrieben 25 August 2009 - 10:47

Hallo Ten, bei Simi und in dem Wikipediaartikel klingt das aber noch anders. Ich bin jetzt ein technisch denkender Mensch, und gehe davon aus, dass es um Qualitätsmerkmale geht, die irgendwie darstellbar sind. Sie müssten meinetwegen noch nicht einmal "objektiv" sein, sondern "nur" halbwegs prüfbar. Wenn mir meinetwegen Krokodile besser als Pinguine gefallen, weil sie grün sind, könnte man diskutieren, dass die Farbe eigentlich kein Kriterium für tolle Tiere ist, aber man muss nicht darüber steiten, ob die Farbe grün ist.

Salut Mycroft, ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, dass es da überhaupt gar keinen Diskussionsanlass gibt. Wenn dir Krokodile besser gefallen, weil sie grün sind und du die Farbe Grün magst, dann ist das so. Ist halt dein persönlicher Geschmack. Mir gefallen Pinguine besser, weil sie schwarz-weiß sind. Interessant wäre es, ob du die grüne Mamba auch lieber magst als die blaue Mamba, weil dir ihre Farbe besser gefällt. Kurzum: Dein persönlicher Geschmack ist schön und gut und sei dir unbenommen. Aber wenn du deinen Geschmack als Maßstab für tolle Tiere nimmst, nach dem sich außer dir noch andere richten sollen, dann müsstest du erklären können, warum grün ein besseres Kriterium ist als schwarz-weiß. Wie jede Wissenschaft versucht auch die Literaturwissenschaft eine Systematik mit einigermaßen objektiven Kriterien herauszuarbeiten. In ihrem Fall, wie Texte bewertet werden können.

Ähnlich stelle ich mir das bei Hochliteratur vor, man einigt sich auf eine "Liste" von 5-50 Eigenschaften, die man von Hochliteratur erwartet, und wenn meinetwegen die Hälfte vorhanden ist, und keine gegenteilige Eigenschaft, dann ist es Hochliteratur.

Also, das wäre mir als Operationsmodell zu starr. Das führt sehr stark an die Vorgehensweise einer "alten" Literaturwissenschaft heran, die quasi mit einer Tabelle die Kriterien für "Hochliteratur" abhakt und dann im entsprechenden Ordner archiviert.

Das erschiene mir transparenter als zu sagen: Der "Werther" ist Hochliteratur, das hat schon mein Deutschlehrer gesagt.

Das hielte ich aber auch für eine blödsinnige Begründung. *lach*

Der Werther hat mir übrigens keinen neuen Horizont eröffnet, die Leiden unerwiderter Liebe waren mir bis dato schon bekannt. (Soll heißen, die neuen Horizonte sind sicher toll, aber nur ein sehr subjektives Kriterium für Hochliteratur, weil extrem betrachterabhängig.)

Es sei denn, der Werther wäre grün gewesen. *zwinker* lg Ten.
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#210 Theophagos

Theophagos

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Geschrieben 25 August 2009 - 10:56

Ich bin mir nicht sicher, inwiefern eine besondere Leseerfahrung ein gutes Merkmal für eine Unterscheidung zwischen Hoch- und Trivialliteratur ist, da es doch ein sehr subjektives ist. Keiner wird daran Zweifeln, dass nicht jeder von jedem Werk gleichermaßen ergriffen wird - Mycroft zB vom "Werther" gar nicht. Umgekehrt kann ich mir durchaus vorstellen, dass ein Leseanfänger durchaus derartige Momente mit "Perry Rhodan" haben kann - meines Erachtens entstehen diese Momente eben dann, wenn ein Leser seinen Horizont um einen neuen Blickwinkel erweitert - d.h. es geht um ein Verhältnis vom Leser zum Werk.Ich würde Hochliteratur eher an Eigenschaften des Werkes selbst festmachen wollen. Eine klare Formel lässt sich da natürlich nicht aufstellen, doch ich denke, dass hier die Kompliziertheit des Werkes entscheidend ist. D.h. sind die Figuren vielschichtig, stehen Figuren & Setting in einer Wechselwirkung, folgen Entwicklung der Figuren und des Plots "natürlich" auseinander, Unterstützt der Stil die Wirkung der Szene, ist das Thema reflektiert bearbeitet worden, lässt das Werk dem Leser einen Spielraum etc.Daraus folgt natürlich eine erschwerte Zugänglichkeit - was nicht Deckungsgleich mit Unverständlichkeit/Schwerverständlichkeit ist, da diese bisweilen unnötig entsteht.Ich denke außerdem, dass Hochliteratur & gefallende Literatur nicht notwendig zusammengehen - es gibt einfach Themen, die langweilen den einen oder anderen, da kann ein Werk noch so gewitzt sein und umgekehrt kennt wohl auch jeder schwächere Werke, die man mag, weil sie ganz im klassischen Sinne spannend sind und einen irgendwie mitnehmen (weil die Figuren sympathisch sind etc.).Theophagos
"Cool Fusion? What is 'Cool Fusion'?" - "As Cold Fusion is beyond our grasp, we should reach for something ... less ... cold. Cool Fusion."
- Dr. Karel Lamonte, Atomic Scientist (Top of the Food Chain, Can 1999)
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  • • (Buch) Neuerwerbung: Florian Grosser: Theorien der Revolution
  • • (Film) gerade gesehen: Ghost in the Shell (USA 2017, R: Rupert Sanders)
  • • (Film) als nächstes geplant: Onibaba (J 1964, R: Kaneto Shindo)
  • • (Film) Neuerwerbung: Arrival (USA 2016, R: Denis Villeneuve)


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