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Definitionen und Motive in der Science-Fiction


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374 Antworten in diesem Thema

#271 simifilm

simifilm

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Geschrieben 28 August 2009 - 16:31

Na ja, man muss simifilms Reputation nicht gleich in Frage stellen, auch wenn man ganz anderer Meinung ist. Ist schließlich hier kein Wissenschaftsforum, obwohl es manchmal so anmutet. :)

Ach, das sind nur Alfreds übliche pseudo-frechen Einwürfe, die leider meist nicht so geistreich sind, wie er meint. Und wenn man sich die Mühe macht, ausführlich darauf zu antworten, folgt meistens nichts oder ein weiterer flapsiger Zweizeiler. Siehe als Beispiele seine letzten Beiträge in diesem Thread.

Bearbeitet von simifilm, 28 August 2009 - 16:42.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

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#272 simifilm

simifilm

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Geschrieben 28 August 2009 - 16:41

"Hochliteratur" erachte ich nur begrenzt als wissenschaftlichen Begriff, wenn, dann primär in Abgrenzung zu Trivialliteratur. Oder sagen wir so: "Hochliteratur" ist nicht wirklich ein zentrales Konzept der Literaturwissenschaft. Die Art der Bewertung, die darin enthalten ist, ist eher Überbleibsel einer vergangenen Epoche der Literaturwissenschaft. (Das heisst nicht, dass ich nicht gewisse Vorstellungen davon habe, was "Hochliteratur" auszeichnet, ein wirklich sinnvolles wissenschaftliches Konzept ist es aber nicht).

Noch ein Nachtrag: Im Metzler Literaturlexikon gibt es nicht mal einen Eintrag zu 'Hochliteratur'.

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#273 Jakob

Jakob

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Geschrieben 28 August 2009 - 16:41

Das ist schlicht und einfach Quatsch, mit solchen Äußerungen diskreditierst Du Dich als Wissenschaftler. Diesem Credo hinterherzulaufen impliziert, daß Du maximal eine persönliche Meinung vertrittst - aber keine wissenschaftliche These. :)

Dass Erkenntnis immer auch eine Frage des Erkenntnisinteresses ist (was Simon im Prinzip sagt), erscheint mir ehrlich gesagt als eine Grundlage kritisch hinterfragenden Denken. Das heißt nicht, dass man keine gute Wissenschaft betreiben könnte, die sich bemüht, der Sache (anstatt der Vorannahme) gerecht zu werden. Andererseits achtet aber doch wohl jeder anständige Naturwissenschaftler z.B. darauf, bei Studien die Rahmenbedingungen und das Erkenntnisinteresse möglichst genau darzulegen und seine Erkenntnisse damit eben nicht als inhärente Wahrheit des Gegenstands, sondern als Produkt einer Forschungspraxis darzulegen. Ich denke, dass erkenntnistheoretische Grundproblem lässt sich dort leichter ausblenden, wo gewonnene Erkenntnis vergleichsweise direkt technischen Anwendungen zugeführt werden können. Dann stellt man nämlich fest, dass etwas verlässlich "funktioniert" und formuliert daraus dann die entsprechenden Regelmäßigkeiten, die für die Praxis ja auch hohe Bedeutung haben und mit Fug und Recht als "Wahrheit" gelten dürfen, bis jemand sie widerlegt. In Bereichen wie der Literaturwissenschaft ist einem dagegen ja meistens von Anfang an klar, dass man im Ergebnis nicht mit sauberen, anwendbaren Regelmäßigkeiten rechnen darf. Deshalb kommt man eben gar nicht drumherum, die Kategorien abhängig vom Erkenntnisinteresse zu definieren, gerade WEIL man dem Gegenstand gerecht werden will. Desweiteren lässt sich aus einer "richtigen" Definition der SF keine Funktionalität ableiten, die diese Definition durch ihren pragmatischen Nutzen abstützt (wie es z.B. bei Boyleschen Gasgesetz der Fall ist) - der Nutzen einer Definition der SF besteht darin, dass sie einleuchtend ist, was wiederum schwer objektivierbar ist ... SF kann man als eine bestimmte Ästhetik definieren, anhand von Motiven, sogar anhand der Einhaltung eines Prinzips der vermutlichen Nähe zur technischen Machbarkeit. Für alle Definitionen lassen sich gute Begründungen finden, die u.a. davon abhängen, welche Werke ich unter welchem Erkenntnisinteresse in meine prospektive Definition einbeziehe. Deshalb muss ich die Ausgangsthese natürlich gewissenhafterweise klar formulieren, und ich muss auch bereit sein, nach der Untersuchung des Materials bestimmte Werke wieder aus der Menge der SF auszuschließen, weil sie den entwickelten Kriterien nicht enstsprechen, oder andere hineinzunehmen, weil sie genau das Tun. All das kann aber nur ein Wechselspiel zwischen Formulierung und Überprüfung von Annahmen sein, also ein Prozess, der der ständigen Formulierung von Erkenntnisinteressen unterworfen ist, die dann mit dem Material (das ja durchaus materiell vorhanden ist und Eigenschaften hat - das würde ich nie abstreiten) interagieren. In den Naturwissenschaften ist dagegen sicher oft klarer, was eine sinnvolle Definition ausmacht: natürlich kann ich Fische und Wale auch als "Wasserbewohner" zusammenfassen, habe damit aber nichts gewonnen, weil die Aussage offenkundig ist. Wenn ich dagegen als entscheidende Unterscheidung formuliere, das Wale aufgrund einer spezifischen organischen Funktionalität zu den Säugetieren gehören (im Gegensatz zu den Fischen), dann habe ich ein weniger offenkundiges und wahrscheinlich auch nützlicheres Wissen hervorgebracht. Trotzdem hängt die Klassifizierung vom Erkenntnisinteresse ab, denn der Wal ist genauso objektiv ein Wasserbewohner wie ein Säugetier. Keine dieser Eigenschaften ist für ihn fundamentaler. Genauso Recht habe ich im Prinzip, wenn ich den Wal zusammen mit allen anderen Tieren, die Augen haben, in einen großen Topf schmeiße. Immerhin sind diese beiden Eigenschaften nicht widersprüchlich, was eben in der Literaturwissenschaft durchaus vorkommen kann, weil hier eben keine klaren Regelmäßigkeiten bestehen und die ständige Hybridisierung, wie von Simon erwähnt, auf der Tagesordnung steht.
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

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"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama

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#274 simifilm

simifilm

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Geschrieben 28 August 2009 - 16:47

@Jakob: Dem habe ich nichts hinzuzufügen (ausser dass ich erstaunt bin, wie weit verbreitet der Wunsch nach einer "starken Literaturwissenschaft", die mit eiserner Faust absolute Kriterien durchsetzen soll, mancherorts ist).

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#275 †  a3kHH

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Geschrieben 28 August 2009 - 16:48

Na ja, man muss simifilms Reputation nicht gleich in Frage stellen, auch wenn man ganz anderer Meinung ist. Ist schließlich hier kein Wissenschaftsforum, obwohl es manchmal so anmutet. :)

Es ging um die wissenschaftliche Vorgehensweise. Daran hängt schon eine Reputation. Und wenn man diese wissenschaftliche Vorgehensweise ablehnt, hat man vielleicht noch eine (eventuell sogar begründete) Meinung, ist aber kein Wissenschaftler mehr. :rolleyes:

#276 simifilm

simifilm

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Geschrieben 28 August 2009 - 16:50

Es ging um die wissenschaftliche Vorgehensweise. Daran hängt schon eine Reputation. Und wenn man diese wissenschaftliche Vorgehensweise ablehnt, hat man vielleicht noch eine (eventuell sogar begründete) Meinung, ist aber kein Wissenschaftler mehr. :)

Mach Dir doch erst einmal die Mühe zu lesen und zu verstehen, was ich geschrieben habe. Wenn ich sage, dass Definition von der Forschungsperspektive abhängen, heisst das keineswegs, dass ich ausschliesslich meine persönliche Meinung vertrete. Eigentlich heisst es ziemlich genau das Gegenteil.

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#277 Jakob

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Geschrieben 28 August 2009 - 16:57

Duden definiert "definieren" (hihi) so:<lat.> ([einen Begriff] erklären, bestimmen)Das ist doch recht nah an Simons Vorstellung: Wer eine Definition vornimmt, bestimmt einen Begriff (normalerweise unter Bezug auf Eigenschaften eines Objekts); er "entdeckt" nicht eine besonders fundamentale inhärente Eigenschaft des Objekts.
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#278 †  a3kHH

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Geschrieben 28 August 2009 - 16:59

In Bereichen wie der Literaturwissenschaft ist einem dagegen ja meistens von Anfang an klar, dass man im Ergebnis nicht mit sauberen, anwendbaren Regelmäßigkeiten rechnen darf.

Wer sagt das ? Genau, nämlich niemand. Das ist Deine ureigene Meinung, die von den meisten Nicht-Wissenschaftlern geteilt wird.

Deshalb kommt man eben gar nicht drumherum, die Kategorien abhängig vom Erkenntnisinteresse zu definieren, gerade WEIL man dem Gegenstand gerecht werden will.

Wie der Todorovsche Ansatz zeigt, ist das so nicht richtig. Es ist möglich (und sogar relativ einfach) Kategorien, Genres und/oder Modi objektiv und präzise zu definieren. Ohne dazu auf irgendwelche subjektiven Begrifflichkeiten auszuweichen.

SF kann man als eine bestimmte Ästhetik definieren, anhand von Motiven, sogar anhand der Einhaltung eines Prinzips der vermutlichen Nähe zur technischen Machbarkeit. Für alle Definitionen lassen sich gute Begründungen finden, die u.a. davon abhängen, welche Werke ich unter welchem Erkenntnisinteresse in meine prospektive Definition einbeziehe. Deshalb muss ich die Ausgangsthese natürlich gewissenhafterweise klar formulieren, und ich muss auch bereit sein, nach der Untersuchung des Materials bestimmte Werke wieder aus der Menge der SF auszuschließen, weil sie den entwickelten Kriterien nicht enstsprechen, oder andere hineinzunehmen, weil sie genau das Tun. All das kann aber nur ein Wechselspiel zwischen Formulierung und Überprüfung von Annahmen sein, also ein Prozess, der der ständigen Formulierung von Erkenntnisinteressen unterworfen ist, die dann mit dem Material (das ja durchaus materiell vorhanden ist und Eigenschaften hat - das würde ich nie abstreiten) interagieren.

Das kann man machen, klar. Das ist dann etwas, was in den Kulturspalten einer Zeitung abgedruckt werden kann. Wissenschaftliche Arbeit ist es nicht. :)

#279 †  a3kHH

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:04

@Jakob: Dem habe ich nichts hinzuzufügen (ausser dass ich erstaunt bin, wie weit verbreitet der Wunsch nach einer "starken Literaturwissenschaft", die mit eiserner Faust absolute Kriterien durchsetzen soll, mancherorts ist).

Was ist daran so verwunderlich ? Basierend auf Axiomen (etwa 1x1=1) kann man eine präzise Begriffsbestimmung aufsetzen, die viele (unsinnige) Diskussionen verhindert. Nimm' Dir nur einmal die IB-Beiträge : Eine exakte Theorie hätte diverse Beiträge verhindert, andere auf eine wesentlich höherqualifizierte Ebene gehoben. Und das ist etwas, das vielen SF-Fans gefallen dürfte ... :)

Bearbeitet von a3kHH, 28 August 2009 - 17:05.


#280 simifilm

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:05

Wer sagt das ? Genau, nämlich niemand. Das ist Deine ureigene Meinung, die von den meisten Nicht-Wissenschaftlern geteilt wird.

Das sagen die meisten Literaturwissenschaftler, die die letzten 30 Jahre nicht vom Rest der Welt abgeschottet waren.

Wie der Todorovsche Ansatz zeigt, ist das so nicht richtig. Es ist möglich (und sogar relativ einfach) Kategorien, Genres und/oder Modi objektiv und präzise zu definieren. Ohne dazu auf irgendwelche subjektiven Begrifflichkeiten auszuweichen.

Nur hat Todorovs Genre eben nichts mit einer pragmatischen Kategorie gemein, bezeichnet eben just nicht das, was man normalerweise mit einem Genre assoziert, nämlich ein Genrebewusstsein. Seine Klassifizierung ist eben rein a priori und nimmt vom tatsächlichen Gebrauch der Genres keine Notiz. Deshalb gilt der Ansatz auch als völlig überholt. Aber das weisst Du ja eigentlich alles.

Bearbeitet von simifilm, 28 August 2009 - 17:10.

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#281 simifilm

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:09

Was ist daran so verwunderlich ? Basierend auf Axiomen (etwa 1x1=1) kann man eine präzise Begriffsbestimmung aufsetzen, die viele (unsinnige) Diskussionen verhindert. Nimm' Dir nur einmal die IB-Beiträge : Eine exakte Theorie hätte diverse Beiträge verhindert, andere auf eine wesentlich höherqualifizierte Ebene gehoben. Und das ist etwas, das vielen SF-Fans gefallen dürfte ... :)

Die IB-Diskussion liesse sich nur schon damit verbessern, wenn sich einige Teilnehmer ein bisschen mehr um Emirie - sprich: das tatsächliche Schauen des Films - bemühen würden.

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#282 Mycroft

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:10

Vielleicht habe ich das noch nicht klar genug gesagt: Ich betrachte 'Hochliteratur' nicht als wissenschaftlich sinnvollen Begriff. ...

Jetzt schon - schön. :)

...Also noch einmal: Definitionen hängen von der Perspektive ab, von der Frage, was ich untersuchen will. Wenn mich interessiert, welche Formen des Erzählens es in der erzählenden Literatur gibt, ist tatsächlich nicht relevant, "was die Leute sagen", wenn ich über Genres spreche, sehr wohl, weil Genres immer in Bezug zu einer bestimmten Gruppe von "Benutzern" stehen.

Ist das dann noch Literaturwissenschaft? Wenn jemand für ein Lexikon die verschiedenen Bedeutungen des Wortes "schizophren" recherchiert, kommt er auf eine medizinische und eine bildungssprachliche Bedeutung, die sich unterscheiden.
Er wird beide möglichst knapp und präzise darstellen, aber das ist nicht die Arbeit eines Psychologen. Ein Psychologe wird sich nicht für die bildungssprachliche Bedeutung interessieren, es sei denn, er interessiert sich für menschliche Missverständnisse.

Dass es genug Fachvokabular gibt, dass sich nicht danach richtet, was die "Leute sagen".


Ah.

...Erst einmal: Horror sehe ich nicht als Gegensatz zu SF.

...oder Krimi, oder Historischer Roman, oder...
Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, es mir nicht um Grenzfälle jirgendeiner Art ging. :rolleyes:

Zweitens: Eine technisch-wissenschaftliche Neuerung ist in der Tat zentral, aber dass ich das Novum überhaupt als technisch-wissenschaftlich wahrnehme, ist das Resultat einer bestimmten Ästhetik. Vergleiche die beiden Sätze: "Er flog mit seinem Raumschiff im Bruchteil einer Sekunde durch die halbe Galaxie" und "Er flog mit seinem Hexenbesen im Bruchteil einer Sekunde durch die halbe Galaxie." In beiden Fällen wird ein Vorgang beschrieben, der gemäss heutigem Wissensstand nicht möglich ist - nämlich Fortbewegung mit Überlichtgeschwindigkeit. Den ersten wirst Du sofort als SF identifizieren, den zweiten als Märchen oder Fantasy. Warum? Weil sich die beiden Sätze unterschiedlicher "Sprach-Reservoirs" bedienen, weil ein Raumschiff eine technisch-wissenschaftliche Erklärung nahelegt, der Hexenbesen dagegen Magie.

Also, für mich ist das der Inhalt oder das Thema des Textes. In der einen Geschichte kommt ein technisches Objekt vor, Raumschiff, in der anderen ein magisches, Hexenbesen. Wenn das schon zum Stil der Geschichte gehört, und nicht zum Inhalt, habe ich den Unterschied nicht verstanden. Stil, wie ich in verstehe, sind Äußerlichkeiten: einfache, aktive Sätze vs. verschwurbelte Satzschachtelkonstruktionen voller bizarrer Metaphern und abgefahrenen Zeugmata; eine Barockkirche sieht anders aus als eine gotische. Aber in beiden hängen Kreuze und es gibt keine Gebetsnischen Richtung Mekka. Und es finden in beiden christliche Gottesdienste statt. Wenn in Deinem Beispiel jemand mit seinem Hexenraumschiff im Bruchteil einer Sekunde, etc., wäre das ein Grenzfall, wenn es eine Transvernutzik ist, kann man die Geschichte im Moment nicht zuordnen.

... Weil es sich in seinem Aussehen an technischen Geräten orientiert, wie wir sie kennen. Das kann ganz ohne Erklärung funktionieren.

So gesehen ist alles Stil. Ein Western ist kein Western, weil er in einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Gegend spielt, ein Western ist ein Western, weil die Leute darin Cowboyhüte, Federn und andere Kleidung im Westernstil tragen. :thumb:

Grundsätzlich gebe ich Dir recht, dass eine konkrete technische oder magische Pseudoerklärung nicht notwendig ist, aber das Inventar eine Geschichte gehört für mich zum Inhalt, und definiert hierbei das Genre - unbekannte technische Produkte wie Raumschiffe, Zeitmaschinen oder Laserschwerter erfüllen das Kriterium technisches Novum, magische Artefakte wie Hexenschiff, Zeitreiseamulett oder Zauberschwert nicht.

@Jakob:
Es geht mir nicht darum, jedweden Grenz- und Übergangsfall mit einer einzigen, in Stein gemeißelten Definition abzudecken, es geht mir darum, dass das, was Simifilm als spezielle Ästhetik SF bezeichnet, an der man sie erkennen könne, genau das ist, was ich mit Inhalten meine.
Wenn scheinbar gegenteilige Behaptungen in Wirklichkeit dasselbe aussagen, ist es vllt. schon von Vorteil, sich mal auf einheitliche Begrifflichkeiten zu einigen, oder?
Anderswo known as Yart Fulgen

#283 †  a3kHH

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:13

Nur hat Todorovs Genre eben nichts mit einer pragmatischen Kategorie gemein, bezeichnet eben just nicht das, was man normalerweise mit einem Genre assoziert, nämlich ein Genrebewußtsein. Seine Klassifizierung ist eben rein a priori und nimmt vom tatsächlichen Gebrauch der Genres keine Notiz. Deshalb gilt der Ansatz auch als völlig überholt. Aber das weisst Du ja eigentlich alles.

Ich glaube nicht, daß er überholt ist, im Gegenteil sollte er abgestaubt und modernisiert werden. Denn was ist ein Genrebewußtsein anderes als die Rezeption eines Buches bei der "breiten Masse" ? Also ein soziokulturelles Phänomen, das zusätzlich mit ganz anderen Mitteln als denen der Literaturtheorie untersucht werden müsste. Warum ist "Ausgebrannt" ein Thriller und keine SF ? Warum ist ein Kafka-Roman allgemeine Belletristik und keine Phantastik ? Warum ist Jules Verne jetzt SF und "1984" nicht ? Das sind alles keine literaturtheoretischen Fragen mehr, sondern Fragen aus der Grauzone Literatur/Soziologie. Und das wäre meiner Meinung nach ein faszinierendes Betätigungsfeld ... :)

#284 Jakob

Jakob

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:13

Wer sagt das ? Genau, nämlich niemand. Das ist Deine ureigene Meinung, die von den meisten Nicht-Wissenschaftlern geteilt wird.

Dann sind wir aber an dem Punkt, an dem du letztlich einfach behauptest, meine Meinung sei subjektiv (und falsch) und deine objektiv (und den Tatsachen entsprechen). Damit betreibst du aber selbst nur unkritischen Subjektivismus. Nur, weil du behauptest, dass es klar absteckbare Regelmäßigkeiten gibt, ist das noch lange nicht der Fall, auch, wenn du dir einbildest, dass deine Meinung von der Sache bestätigt wird.
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#285 simifilm

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:20

Ist das dann noch Literaturwissenschaft? Wenn jemand für ein Lexikon die verschiedenen Bedeutungen des Wortes "schizophren" recherchiert, kommt er auf eine medizinische und eine bildungssprachliche Bedeutung, die sich unterscheiden.
Er wird beide möglichst knapp und präzise darstellen, aber das ist nicht die Arbeit eines Psychologen. Ein Psychologe wird sich nicht für die bildungssprachliche Bedeutung interessieren, es sei denn, er interessiert sich für menschliche Missverständnisse.

Es ist nun mal so, dass Literatur von Menschen gelesen wird. Und die Frage, wie und warum die Leute, diese Literatur lesen und verstehen, ist eine Frage der Literaturwissenschaft.

Also, für mich ist das der Inhalt oder das Thema des Textes. In der einen Geschichte kommt ein technisches Objekt vor, Raumschiff, in der anderen ein magisches, Hexenbesen. Wenn das schon zum Stil der Geschichte gehört, und nicht zum Inhalt, habe ich den Unterschied nicht verstanden. Stil, wie ich in verstehe, sind Äußerlichkeiten: einfache, aktive Sätze vs. verschwurbelte Satzschachtelkonstruktionen voller bizarrer Metaphern und abgefahrenen Zeugmata; eine Barockkirche sieht anders aus als eine gotische. Aber in beiden hängen Kreuze und es gibt keine Gebetsnischen Richtung Mekka. Und es finden in beiden christliche Gottesdienste statt. Wenn in Deinem Beispiel jemand mit seinem Hexenraumschiff im Bruchteil einer Sekunde, etc., wäre das ein Grenzfall, wenn es eine Transvernutzik ist, kann man die Geschichte im Moment nicht zuordnen.
So gesehen ist alles Stil. Ein Western ist kein Western, weil er in einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Gegend spielt, ein Western ist ein Western, weil die Leute darin Cowboyhüte, Federn und andere Kleidung im Westernstil tragen. :)

Grundsätzlich gebe ich Dir recht, dass eine konkrete technische oder magische Pseudoerklärung nicht notwendig ist, aber das Inventar eine Geschichte gehört für mich zum Inhalt, und definiert hierbei das Genre - unbekannte technische Produkte wie Raumschiffe, Zeitmaschinen oder Laserschwerter erfüllen das Kriterium technisches Novum, magische Artefakte wie Hexenschiff, Zeitreiseamulett oder Zauberschwert nicht.

Ich bin jetzt gerade zu müde für eine lange Diskussion, was 'Stil' oder 'Inhalt' bedeuten kann. Ich denke, Du hast meinen Ansatz verstanden. Du sprichst vom Inventar, aber dass Du das Inventar als technisches wahrnimmst, ist eine Frage der Ästhetik. Das zeigt isch im Film, wie schon gesagt, besonders schön.

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:21

Dann sind wir aber an dem Punkt, an dem du letztlich einfach behauptest, meine Meinung sei subjektiv (und falsch) und deine objektiv (und den Tatsachen entsprechen).

Meinungen können nie richtig oder falsch im objektiven Sinne sein. Sie sind aber ebenfalls keine Tatsachen. Und Du hattest eine Tatsachenbehauptung aufgestellt, nämlich daß Literaturwissenschaft grundsätzlich kein exaktes Ergebnis erbringen kann. Das ist etwas Anderes als wenn Du gesagt hättest, daß Deiner Meinung nach Literaturwissenschaft keine echte Wissenschaft sei. Denn das ist der Kern Deines Satzes. :)

#287 simifilm

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:25

Ich glaube nicht, daß er überholt ist, im Gegenteil sollte er abgestaubt und modernisiert werden.

Nun ja. Andernorts hat das schon anders geklungen. Da hast Du nämlich Folgendes geschrieben:

Ist immer noch nicht klargeworden, daß Tododrov ein Dummschnacker ist ? Dieses absolutistische Schubladendenken war doch schon vor 30 Jahren überholt.

Denn was ist ein Genrebewußtsein anderes als die Rezeption eines Buches bei der "breiten Masse" ? Also ein soziokulturelles Phänomen, das zusätzlich mit ganz anderen Mitteln als denen der Literaturtheorie untersucht werden müsste. Warum ist "Ausgebrannt" ein Thriller und keine SF ? Warum ist ein Kafka-Roman allgemeine Belletristik und keine Phantastik ? Warum ist Jules Verne jetzt SF und "1984" nicht ? Das sind alles keine literaturtheoretischen Fragen mehr, sondern Fragen aus der Grauzone Literatur/Soziologie. Und das wäre meiner Meinung nach ein faszinierendes Betätigungsfeld ...

Das ist in der Tat ein faszinierendes Betätigungsfeld, und das ist auch das, was moderne Genreforschung macht.

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#288 Jakob

Jakob

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:27

Ich glaube nicht, daß er überholt ist, im Gegenteil sollte er abgestaubt und modernisiert werden. Denn was ist ein Genrebewußtsein anderes als die Rezeption eines Buches bei der "breiten Masse" ? Also ein soziokulturelles Phänomen, das zusätzlich mit ganz anderen Mitteln als denen der Literaturtheorie untersucht werden müsste. Warum ist "Ausgebrannt" ein Thriller und keine SF ? Warum ist ein Kafka-Roman allgemeine Belletristik und keine Phantastik ? Warum ist Jules Verne jetzt SF und "1984" nicht ? Das sind alles keine literaturtheoretischen Fragen mehr, sondern Fragen aus der Grauzone Literatur/Soziologie. Und das wäre meiner Meinung nach ein faszinierendes Betätigungsfeld ... :)

Das ist eine Sorte Fragen, mit der man sich beschäftigen kann, und vielleicht sogar vergleichsweise objektivierbar (immerhin kann man Studien darüber anstellen, wie viele Leser eines Buches es wie zuordnen). Wenn du aber ein Motiv wie "quasi-evolutionäre Vorstellungen von Gesellschaftsveränderung" als SF-Nova untersuchen willst, stellst du vielleicht fest, dass du "The Time Machine", "1984", "Hellstroms Hive" und "Die Abschaffung der Arten" unter diesem Gesichtspunkt alle am sinnvollsten als SF behandeln kannst, obwohl zwei der Bücher dem Genre gegenwärtig nicht unbedingt zugeordnet werden und eines es zumindest beim Erscheinen nicht wurde. Sagt man dann, die Untersuchung wäre sinnlos, weil die Bücher gar nicht "zusammengehören"? Oder ist es nicht sinnvoller, sich zu fragen, unter welchen Gesichtspunkten 1984 sinnvoll als SF behandelt werden kann? Bei so etwas muss es sich nicht um Grenzfälle handeln, das halte ich für das völlig falsche Bild, als könnte man alles auf einem Tableu anordnen (was eigentlich eher der vormodernen Wissenschaftspraxis entspricht, wenn ich das richtig im Kopf habe: Beschreibt Philip Sarasin sehr gut in seinen Büchern "Reizbare Maschinen" und "Darwin und Foucault" - gerade der Darwinismus stellt ja als großer wissenschaftsgeschichtlicher Durchbruch eine Abwendung von den festen Kategorien und eine Hinwendung zum Kontinuum des Wandelbaren dar). Einen Film wie "Alien" kann ich z.B. durch und durch als SF oder durch und durch als Horror behandeln, abhängig vom Gesichtspunkt. Über diese Zuordnung kann man sich erst dann produktiv streiten, wenn ein Erkenntnisinteresse formuliert ist.
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#289 Jakob

Jakob

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:33

Meinungen können nie richtig oder falsch im objektiven Sinne sein. Sie sind aber ebenfalls keine Tatsachen. Und Du hattest eine Tatsachenbehauptung aufgestellt, nämlich daß Literaturwissenschaft grundsätzlich kein exaktes Ergebnis erbringen kann. Das ist etwas Anderes als wenn Du gesagt hättest, daß Deiner Meinung nach Literaturwissenschaft keine echte Wissenschaft sei. Denn das ist der Kern Deines Satzes. :)

Das ist es ja gerade: Ich formuliere eine Hypothese (Literatur ist nicht objektivierbar) aufgrund eines Erkenntnisinteresses (Warum ist es so schwer, Genrekategorien zu klären?). Dann bringe ich Argumente dafür vor, die eben überzeugen oder nicht. Ohne die Formulierung von Hypothesen ist aber keine Form von Wissenschaft möglich. Wenn du eine These einfach achselzuckend als "Meinung" abtust, weil sie dir nicht passt, anstatt die vorgebrachten Argumente für sie zu prüfen, dann ist das eben gerade alles andere als wissenschaftlich integer. Ich würde einfach mal behaupten: Die Anschaung des Materials zeigt, dass meine These praktikabler ist, um Aussagen über Literatur zu formulieren, als deine von den klar bestimmbaren Kategorien. Darüber kann man sich natürlich streiten, aber einander Meinungen vorzuwerfen, führt dabei zu gar nichts.
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#290 Mycroft

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:41

Es ist nun mal so, dass Literatur von Menschen gelesen wird. Und die Frage, wie und warum die Leute, diese Literatur lesen und verstehen, ist eine Frage der Literaturwissenschaft.

Na gut.

Ich bin jetzt gerade zu müde für eine lange Diskussion, was 'Stil' oder 'Inhalt' bedeuten kann.

Wenn es dafür eine einheitliche Definition gäbe, könntest Du Dir die Diskussion ersparen. Beantwortet das Deine Frage, warum manche Leute einheitliche Definitionen so toll finden?

Ich denke, Du hast meinen Ansatz verstanden.

War je eigentlich der, den ich auch vorher hatte.

Du sprichst vom Inventar, aber dass Du das Inventar als technisches wahrnimmst, ist eine Frage der Ästhetik. ...

Kann man das trennen? Das technische Novum muss vorhanden sein, um wahrgenommen zu werden. Wenn ich es wahrnehme, ist es da. (Oder ich verstehe den Film oder das Buch falsch...) Na, egal, braucht mir auch nicht zu antworten, wenn Du nicht willst.
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#291 simifilm

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Geschrieben 28 August 2009 - 17:53

Wenn es dafür eine einheitliche Definition gäbe, könntest Du Dir die Diskussion ersparen. Beantwortet das Deine Frage, warum manche Leute einheitliche Definitionen so toll finden?

Ich muss Dir eine sehr traurige Nachricht überbringen: Die traditionellen Geisteswissenschaften zeichnen sich dadurch aus, dass es viele divergierende Modelle und Theorien gibt, die mitunter die gleichen Begriffe unterschiedlich verwenden. Ohne den grösseren Zusammenhang kann ich Dir Begriffe deshalb nicht definieren. Das heisst: Ich kann schon, es nützt Dir einfach wenig, da der gleiche Begriff im Rahmen eines anderen Modells etwas anderes heissen kann. Im Kontext der filmischen Erzähltheorie (gemäss David Bordwell, der sich an den literaturwissenschaftlichen Untersuchungen der russichen Formalisten und deren Nachfolger orientiert) umfasst der Stil alle filmischen Techniken, die bei der Darstellung zum Einsatz kommen, und steht im Gegensatz zu Plot und Story. Auf die Literatur übertragen würde das wohl heissen, dass Stil alle sprachlichen Aspekte umfasst. "Inhalt" ist dagegen ein Begriff, den ich primär in einem alltagssprachlichen Zusammenhang kenne, aber nicht im Rahmen einer Literatur- oder Filmtheorie (was nicht heissen muss, das es das nicht gibt).

Kann man das trennen? Das technische Novum muss vorhanden sein, um wahrgenommen zu werden. Wenn ich es wahrnehme, ist es da. (Oder ich verstehe den Film oder das Buch falsch...) Na, egal, braucht mir auch nicht zu antworten, wenn Du nicht willst.

Wenn es für die Analyse sinnvoll ist, kann man es trennen. Und wenn man sich fragt, warum gewisse Dinge auf einen Blick als Fantasy, andere dagegen als SF identifiziert werden, merkt man, dass das weder an einer (technischen) Funktionsweise, noch an der spezifischen Geschichte oder sonst was liegt, sondern einzig und allein daran, dass wir gewisse ästhetische Eigenheiten mit bestimmten Modi verbinden. EDIT: Oder anders gesagt: Warum weisst Du, wie ein Raumschiff oder ein Zauberer aussehen? Warum reicht in der Regel nur ein einziges Bild, um ein Raumschiff als solches zu erkennen? Warum würdest Du bei einem fliegenden Kürbis, dem ein Sternenschweif hinten anhängt, wohl eher an ein Märchen als an SF denken? Weil alle diese Dinge Teil einer bestimmten Ikonographie, einer bestimmten Ästhetik sind.

Bearbeitet von simifilm, 28 August 2009 - 17:59.

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Geschrieben 28 August 2009 - 18:01

Nun ja. Andernorts hat das schon anders geklungen.

Todorov selber und seine Theorien sind auch nicht gut (vorsichtig ausgedrückt). Auch das absolutistische Schubladendenken ist falsch. Ein Roman ist niemals 100% SF oder 100% Liebesroman. Aber aufbauend auf den Schubladen kannst Du sozusagen ein n-dimensionales Koordinatensystem der Literatur entwickeln, in dem jeder Roman eine diffuse Wolke mit einem (mehreren ?) festen Kernen ist. So wird ein Schuh draus.

Das ist in der Tat ein faszinierendes Betätigungsfeld, und das ist auch das, was moderne Genreforschung macht.

Erzähl ! Mit Links, bitte. :unsure:

#293 Jakob

Jakob

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Geschrieben 28 August 2009 - 18:02

Wenn es dafür eine einheitliche Definition gäbe, könntest Du Dir die Diskussion ersparen. Beantwortet das Deine Frage, warum manche Leute einheitliche Definitionen so toll finden?

Die Diskussion kann man sich sparen oder nicht, je nachdem, ob einen die Argumente interessieren. Andererseits bedeutet eine Definition sowieso nicht, dass man sich fortan die Diskussion sparen kann - jede Definition ist prinzipiell angreifbar. Letztlich frage ich mich auch, was ich davon habe, wenn ich etwas einem Genre zuordnen kann, wenn das nur dazu dient, etwa zu wissen, ob etwas SF ist oder nicht. Das ist doch überflüssiges Wissen, solange man sich nicht mit den Kriterien der Definition auseinandersetzt und über ihre weiterreichenden Implikationen nachdenkt. Und dann ist man schon wieder mitten in der Diskussion und in der Überarbeitung und Neubesitmmung des Begriffs.
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#294 simifilm

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Geschrieben 28 August 2009 - 18:06

Todorov selber und seine Theorien sind auch nicht gut (vorsichtig ausgedrückt).

Einig Dich mal zuerst, was Du wirklich von Todorov denkst, bevor Du ihn wieder als Kronzeugen für "wahre Literaturwissenschaft" anführst.

Auch das absolutistische Schubladendenken ist falsch. Ein Roman ist niemals 100% SF oder 100% Liebesroman. Aber aufbauend auf den Schubladen kannst Du sozusagen ein n-dimensionales Koordinatensystem der Literatur entwickeln, in dem jeder Roman eine diffuse Wolke mit einem (mehreren ?) festen Kernen ist. So wird ein Schuh draus.

Ja, das kann man machen. Dann hast Du ein schön feingliedriges Raster, und was bringt Dir das?

Erzähl ! Mit Links, bitte. :unsure:

Kannst ja mal in meinem Buch schauen im Kapitel zur Genretheorie und im letzten Kapitel vor dem Schlusswort. Wenn Du da nach einigen der zitierten Autoren googelst, wirst Du sicher fündig werden.

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Geschrieben 28 August 2009 - 18:06

Das ist es ja gerade: Ich formuliere eine Hypothese (Literatur ist nicht objektivierbar) aufgrund eines Erkenntnisinteresses (Warum ist es so schwer, Genrekategorien zu klären?). Dann bringe ich Argumente dafür vor, die eben überzeugen oder nicht. Ohne die Formulierung von Hypothesen ist aber keine Form von Wissenschaft möglich. Wenn du eine These einfach achselzuckend als "Meinung" abtust, weil sie dir nicht passt, anstatt die vorgebrachten Argumente für sie zu prüfen, dann ist das eben gerade alles andere als wissenschaftlich integer. Ich würde einfach mal behaupten: Die Anschaung des Materials zeigt, dass meine These praktikabler ist, um Aussagen über Literatur zu formulieren, als deine von den klar bestimmbaren Kategorien. Darüber kann man sich natürlich streiten, aber einander Meinungen vorzuwerfen, führt dabei zu gar nichts.

Nee, sorry, da bist Du auf dem falschen Dampfer. Literatur ist nicht objektivierbar => Literatur ist keine Wissenschaft Und das wolltest Du sicherlich nicht sagen. Was Du sagen wolltest (und wo wir uns einig sein dürften) : Die subjektive Rezeption von Literatur (i.e. Romanen) ist nicht objektivierbar. Und das ist fast schon eine Tautologie. :unsure:

#296 simifilm

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Geschrieben 28 August 2009 - 18:08

Literatur ist nicht objektivierbar => Literatur ist keine Wissenschaft

Literatur ist tatsächlich keine Wissenschaft.

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#297 Jakob

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Geschrieben 28 August 2009 - 18:15

Todorov selber und seine Theorien sind auch nicht gut (vorsichtig ausgedrückt). Auch das absolutistische Schubladendenken ist falsch. Ein Roman ist niemals 100% SF oder 100% Liebesroman. Aber aufbauend auf den Schubladen kannst Du sozusagen ein n-dimensionales Koordinatensystem der Literatur entwickeln, in dem jeder Roman eine diffuse Wolke mit einem (mehreren ?) festen Kernen ist. So wird ein Schuh draus.

Das klingt ja nach einer guten Idee. Aber ist das nicht nur deine Meinung, dass ein Roman niemals zu 100% das eine oder das andere ist? Aber im Ernst: Der Ansatz ist ja vernünftig, nur scheinst du platonisch davon auszugehen, dass die Genres dann außerhalb der Werke selbst als Idealtypen anzusiedeln sind. Das ist nämlich die einzige Möglichkeit, diese Kategorien zu objektivieren (selbst, wenn sie dann als Ding an sich oder etwas in der Art dem Zugriff entzogen sein mögen). Ich würde dagegen immer von den dem Verhältnis Erkenntnisinteresse/Wissenstechnik/Erfahrbare Objekteigenschaften als Ursprung der Genres ausgehen. Anders ausgedrückt: die Genres sind Abstraktionen, nicht Entitäten, und die Abstraktionen entspringen aus einem Verhältnis. Deshalb hast du niemals eine klare Zuordnung, die Wolke in deinem Koordinatensystem verformt sich, je nach Erkenntnisinteresse und Wissenstechnik. Das ist zugleich eine Meinung und eine These.

Bearbeitet von Jakob, 28 August 2009 - 18:16.

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#298 simifilm

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Geschrieben 28 August 2009 - 18:18

Aber im Ernst: Der Ansatz ist ja vernünftig, nur scheinst du platonisch davon auszugehen, dass die Genres dann außerhalb der Werke selbst als Idealtypen anzusiedeln sind. Das ist nämlich die einzige Möglichkeit, diese Kategorien zu objektivieren (selbst, wenn sie dann als Ding an sich oder etwas in der Art dem Zugriff entzogen sein mögen).

Alfred will Todorov gewissermassen austodoroven †¦

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#299 Lomax

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Geschrieben 28 August 2009 - 18:27

Ich denke mal, man sollte vorsichtig sein, bevor man einen Aspekt naturwissenschaftlichen Arbeitens, der selbst seine Existenz nur einer Ausnahmesituation verdankt, allzu voreilig zu "wissenschaftliches Arbeiten an sich" erklärt ... nämlich der Ausnahmesituation, dass sich naturwissenschaftliche Gegenstände oft anhand eines überschaubaren Merkmalkomplexes so definieren lassen, dass die Definitionen nicht nur für alle Fachwissenschaftler befriedigend sind, sondern auch weitestgehend mit der allgemeinen Verwendung der Begriffe übereinstimmen.
Auch in der Naturwissenschaft gibt es genug Beispiele, wo dieser Konsens dann und wann ins Wanken gerät - ich erinnere mich beispielsweise zuletzt an eine Diskussion im Umfeld der Biologie, ob Definitionen in Bezug auf die Nomenklatur im Zweifel der Genetik oder äußerlich sichtbaren Eigenschaften folgen sollen, wenn beide Ansätze unterschiedliche Einordnungen nahelegen.
Fakt ist: Die Naturwissenschaft ist methodologisch den Kulturwissenschaften in dieser Hinsicht keinen Deut voraus - sie hat nur das Glück, dass die Gegenstände ihrer Forschung selbst recht stabil bleiben, während die Wissenschaft voranschreitet und sie zu erklären versucht. Literatur (und Gesellschaft und manch anderer Gegenstand kulturwissenschaftlicher Forschung) und ihre Rezeption wandeln sich hingegen beständig.
In den Kulturwissenschaften ist nun mal die (flüchtige) Rezeption einer Sache untrennbarer Teil des Forschungsgegenstands. Die dabei entstehende Unschärfe durchzieht die betroffenen Geisteswissenschaften auf allen Ebenen. Sie findet sich bei Naturwissenschaften genauso, wenn unterschiedliche Betrachtungsweisen Ergebnisse beeinflussen - nur dass es dort eben seltener vorkommt. Wenn Simi unterschiedliche Definitionen für unterschiedliche Zwecke propagiert, tut er nichts anderes, als diesem Sachverhalt in wissenschaftlich exakter Weise Rechnung zu tragen.

Wie der Todorovsche Ansatz zeigt, ist das so nicht richtig. Es ist möglich (und sogar relativ einfach) Kategorien, Genres und/oder Modi objektiv und präzise zu definieren. Ohne dazu auf irgendwelche subjektiven Begrifflichkeiten auszuweichen.

Ich würde mal sagen, kein Literaturwissenschaftler hat ernsthaft Probleme, klare, formale Definitionen zu formulieren und sie mit Anspruch auf allumfassende Gültigkeit zu formulieren. Ich hab während meines Studiums eine Menge Professoren kennengelernt, die genau das für viele umstrittene Fragen getan haben.
Die Probleme fangen erst dann an, wenn man andere Literaturwissenschaftler auf dieselben Definitionen einschwören will. Oder wenn man überprüft, wie gut die Ergebnisse dieser Definitionen mit dem "allgemeinsprachlichen Verständnis" der Begriffe übereinstimmen. Denn selbst wenn alle Literaturwissenschafler sich auf eine eindeutige, formale Definition für "Hochliteratur" einigen könnten, aber der Literaturbetrieb, der Unterbau an Hochliteraturlesern und traditioneller Literaturvermittlung, zieht nicht mit, dann wandert die Definition schnell genug auf die Müllkippe. Weil es eben in der Literaturwissenschaft nichts gibt, bei dem formale Definitionen unabhängig von jeglicher kulturellen Akzeptanz sinnvoll wären.
Gerade bei den Professoren, die besonders gerne allgemeingültige, formale Definitionen verkündet haben, musste ich dann an der Uni regelmäßig feststellen, dass die Probleme dann sogar schon anfingen, wenn sie selbst diese Definitionen auf konkrete Werke anwenden sollte. Auf gut Deutsch: Wenn die Ergebnisse nicht mit dem übereinstimmten, was sie selbst erwarteten oder was zu stark dem "allgemeinen Verständnis" widersprach (wenn also beispielsweise plötzlich der Definition zufolge anerkannte Werke der Hochliteratur "trivial" gewesen wären, oder von jedem als trivial angesehene Werke literarisch), dann fingen sich an zu "schummeln". Sie wendeten ihre eigene Definition nicht mehr an, oder bogen die Analyse so zurecht, bis das gewünschte Ergebnis rauskam.
Ich habe also im Verlauf meines Studiums Misstrauen gegenüber der Wissenschaftlichkeit allzu absolut verkündeter Definitionen gelernt. Definitionen mit genauer Eingrenzung der Reichweite, des Erkenntnisinteresses, der Grenzen der Gültigkeit und der Abwägung mit anderen, konkurrierenden Definitionen haben meist zu methodisch exakterem und vor allem nachvollziehbarem Arbeiten geführt - und damit auch eher zu dem, was ich als Wissenschaftlichkeit betrachten würde.

Damit verzichtet die Literaturwissenschaft natürlich nicht vollständig auf "objektive und präzise" Definitionen. Es gibt nur nicht gleichwertige Definitionen für alles, und es ist weder möglich noch sinnvoll, alles in gleicher Weise zu definieren - und vor allem ist es nicht sinnvoll, Dinge eng zu definieren, die der Sache nach eher erst mal erforscht als definiert werden müssen.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#300 Tennessee

Tennessee

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Geschrieben 28 August 2009 - 18:32

[...] In Bereichen wie der Literaturwissenschaft ist einem dagegen ja meistens von Anfang an klar, dass man im Ergebnis nicht mit sauberen, anwendbaren Regelmäßigkeiten rechnen darf. Deshalb kommt man eben gar nicht drumherum, die Kategorien abhängig vom Erkenntnisinteresse zu definieren, gerade WEIL man dem Gegenstand gerecht werden will. [...]

Salut, ich will hier einmal, hoffentlich kurz!, anschließen, um den Gegenstand mal ein wenig zu kommentieren. *zwinker* Die Literaturwissenschaft steckt bzgl ihrer Definitionen in einem seltsamen Dilemma, mit dem man als Student schon im ersten Semester vertraut gemacht wird - oder jedenfalls gemacht werden sollte. Natürlich versucht auch die Literaturwissenschaft eine grundlegend objektive und regelmäßige Systematik zu erarbeiten, ein Definitionswerk, mit dem man dann operieren kann. In diesen Anstrengungen unterscheidet sie sich nicht von einer anderen Disziplin. Auch dafür gibt es ja die schönen Metzlers und Wilperts, die grundlegend erklären, was ein Motiv, ein Drama, eine Volksdichtung usw. ist. Manchmal in längeren, manchmal in kürzeren Artikeln. Solche Definitionsgrundlagen sind auch von Nöten, um sich grundlegend orientieren zu können, aber auch Selbstauflage einer *jeden* Wissenschaft, die systematisch zu arbeiten gedenkt. Die Vielfältigkeit der Texte, der Autoren, der Leser und der Zeit machen es aber notwendig, diese grundlegenden Definitionen nur als Arbeitsbasis zu nutzen, die je nach Text oder auch Blickwinkel auf den Text abgeändert werden müssen. Als Beispiel: Ich habe mit Erstsemestern mal Dramenformen, offene und geschlossene Dramen, durchgenommen. Das war eine Gruppenarbeit, wo unterschiedliche Dramen anhand der Kriterien (Ich gab eine schöne Liste mit!) von offener und geschlossener Dramenform untersucht werden sollten. Einige Dramen passten so herrlich in diese Kriterien, dass das Ergebnis, hier handle es sich um ein offenes oder geschl. Drama, sehr eindeutig war. Aber, fies wie ich nun mal damals schon war, habe ich natürlich auch andere Stücke mitgebracht. Und es war, und das war auch nicht schlimm, man sollte es ja lernen, sehr interessant zu erleben, wie schwer es den "Erstis" fiel, damit umzugehen, dass es auch Mischformen gibt, wo die grundlegende Kategorisierung nicht mehr als Norm und Liste zum Abhaken ausreicht, sondern man a) von der Grunddefinition und dem daraus folgenden Ergebnis abweichen muss, :unsure: das auch nur deskriptiv tun kann, indem man die Unterschiede und Abweichungen (und die Gemeinsamkeiten) beschreibt und c) selbst die Mischformen unterschiedlicher Ausprägungen und Art waren. Dieses Dilemma begleitet die Lit.Wiss und unterscheidet sie vielleicht auch von den Naturwissenschaften (von denen ich aber keine Ahnung habe). Das ist zum Einen ein Problem, da natürlich der Ruf nach eindeutigen, zeitlosen Definitionen, Systematiken usw. niemals wirklich befriedigend beantwortet werden kann, zum Anderen ist es aber auch eine große Chance, da man so einer starren Beschäftigung mit einem Text (und wer erinnert sich noch an den "Club der toten Dichter" und der "herrlichen" Tabelle, auf der man Gedichte klar verorten konnte...) entgehen kann. Gerade diesem "Chancenbewusstein" ist es zu verdanken, dass sich eine (moderne) Literaturwissenschaft eben nicht mehr nur mit dem "hochkulturellen Output einer Elite" beschäftigt, sondern sich auch der früher vernachlässigte oder verachtete Texte, wie z.B. SF, Heftromane, "Trivialliteratur" usw. annimmt. lg Ten.
"Mit meiner Frau in 'Romeo und Julia'. Das schlechteste Stück, das ich je gesehen habe, und dazu schauderhaft gespielt. Habe beschlossen, nie wieder in eine Premiere zu gehen, weil die Schauspieler dauernd ihren Text vergessen." (Samuel Pepys, 23.02.1633)


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