'Trivial' ist dann entsprechend ein Werk, das uns nichts erzählt, was wir nicht schon - so oder so ähnlich - vorher wussten. Am anderen Ende des Spektrums haben wir dagegen die Sachen, die (zumindest bei einem - möglicherweise etwas leichter zu beeindruckenden - adoleszenten 1) Leser) den Eindruck zurücklassen, dass das Teil, das man gerade verschlungen hat, sein Leben in einem profunden Sinn verändert hat. Ich weiß - es fordert ein erhebliches Maß an Phantasie, sich so eine Reaktion im Zusammenhang mit einem aktuellen Perry-Roman vorstellen. Aber das war einmal anders - zu Zeiten der alten Republik, vor den Klonkriegen. Für eine ganze Menge Leute - und es waren nicht unbedingt die uninteressantesten - war der William der Hermann Hesse, und 'Der Terraner' der Werther. Es hilft, das zu wissen, wenn man die emphatische (und ausdauernde) Kritik mancher unentwegter Altfans besser verstehen will.
1) Ich weiß: Solche hat PR ja nicht mehr, heutzutage.
Völlig richtig!
Offenbar verbinden viele Leute mit dem Begriff "Literatur" die typischerweise grauslich schlimmen Erinnerungen an den Deutschunterricht aus der Schule, in dem völlig desinteressierte Schüler von z.T.
noch desinteressierten Lehrern mit klassischsten Klassikern traktiert und überfordert wurden.
Aber das ist doch, bitteschön, nicht
die ganze Welt der Literatur!
Wenn ich also sage, daß ich mir die PR-Serie ein bißchen "literarischer" Wünsche, dann ist damit in erster Linie gemeint, daß ich als Leser auch gefordert werden will. Wie weiter oben geschrieben wurde; ich möchte etwas, daß ich "aufschlüsseln" kann, an dem ich mitunter "zu beißen" habe - etwas, das nicht meine (bzw. des Lesers) Intelligenz beleidigt, sodaß ich das Gefühl haben kann, vom Autoren ernstgenommen zu werden und umgekehrt meinerseits guten Gewissens den Autoren ernstnehmen kann.
Was ich als entschieden unliterarisch bezeichnen möchte, das ist das Abzielen auf "Berieselungsleser", das stets erkennbare Bemühen,
bloß niemanden zu überfordern (der DAL liest mit!
), belanglose Geschichtchen für den "Hausgebrauch" buchstäblich zu fabrizieren. Oder, wie die von mir hochgeschätzten Jungs der leider nicht mehr existierenden Seite inchoatus.com in einem Verriß von Angels & Demons zum Besten geben:
How does this guy still get published? At best, Brown is an idiot. His screeds are too obviously stupid and offensive to qualify him as a skilled and insidious subversive. His writing style is a charlatan's parlor trick to keep dumb people with short attention spans reading. Brown's books are the literary equivalent of "shiny things". This is a dumb book written by a dumb author that appeals to dumb people. A fool's trifecta.
Wenn sogenannte Geschichten zum "literarischen" Äquivalent von Glasperlen verkommen - genau dann hört Literatur auf und fängt Schund an.
Und zwischen Glasperlen und Thomas Mann, da ist noch 'ne Menge Platz.
[D]a liegt m. E. der Knackpunkt dieser ganzen Diskussion: Bei vielen Äußerungen von z. B. Echophage habe ich den Eindruck, dass er die letztgenannten Autoren gerne in der Serie sehen würde.
In diesem Sinne - nein, da hast Du mich ganz falsch verstanden. Wobei ich andererseits natürlich nicht wüßte, was daran
schlimm wäre, wenn jemand mal sowas versuchen würde.
Anyway, ich bin ja nun keiner von denen, der SciFantasy grundsätzlich nicht ernstnehmen würde, bloß weil's SciFantasy ist. Ganz im Gegenteil! Ich will aber auch nicht leugnen, daß diejenigen, die über SciFantasy (oder
speculative fiction, was ich für den schöneren Begriff halte) gewohnheitsmäßig die Nase rümpfen, nicht immer Unrecht haben. Was sich in diesem Genre an
Glasperlenproduzenten tummelt, geht auf keine Kuhhaut! Da können höchstens noch der Krimi und der Frauenroman mithalten. Da gehen die Romane, die man mit Recht zur Literatur zählen kann - insb., weil sie, wie a3k so schön schrieb, intellektuell anregend sind, weil sie emotionale Tiefe haben und im Idealfall auch noch einen Umgang mit Sprache zeigen, den man wahrhaftig
kunstvoll nennen kann - sehr gerne unter. Beziehungsweise, und das ist fast
noch schlimmer, werden von den allgegenwärtigen
Fanboys, sträflich ignoriert, weil ihre "literarischen Rezeptoren" sich durch das Zugedröhne mit dem x-ten x-beliebigen Aufguß des immergleichen Low-Level-Schmonzes stetig zurückentwickeln bzw. unterentwickelt bleiben. Da ist dann gar kein Wille mehr da, sich in die Welt der Literatur hinauszutrauen; man bleibt bei seinem Tütenwein, weil man den kennt, so ist's schön. Man möchte eben gar nicht mehr gefordert, sondern berieselt werden. Und damit ist der Leser vollends passivisiert - das kann natürlich auch keine Literatur mehr sein, wenn der einzig aktive Vorgang beim Lesen, überspitzt formuliert, das Bewegen der Augen ist. (Wer immer sich jetzt angesprochen oder gar beleidigt fühlt - mit meiner Bemerkung ist niemand der hier Teilnehmenden
gezielt gemeint. Das ist schon aus Gründen mangelnder Bekanntschaft schwer möglich.
)
Daß Mann und Böll und Bernhardt (
den bei PR hätt' ich aber wirklich cool gefunden!
) wohl nicht das Niveau ist, auf dem sich PR - schon gar nicht
konstant - bewegen kann, ist mir also klar. Das habe ich nie gefordert, und das werde ich niemals fordern.
Was drin sein muß, das ist aber, so denke ich, bestimmte Themen erstens anzuschneiden und zweitens in einer angemessenen Art und Weise zu behandeln. Nicht immer nur Balla-Balla, Bunt-Bunt, Turn-Turn, Tröt-Tröt. Ich schrieb es schon mal, und ich schreibe es noch mal, weil ich nicht der Meinung bin, daß sich wesentlich viel getan hat: Wenn man böse ist, dann kann man PR in der derzeitigen Verfassung - und unter Ausnahme der Herren Vandemaan und Lukas - als
Unterschichtenliteratur bezeichnen. Die Serie läuft, die Leute kaufen und lesen - wobei das Produkt sich so präsentiert, daß offenbar das Kaufen der
wesentlich wichtigere Teil ist... -; und
nichts bleibt hängen,
nichts wird bewegt,
nichts ändert sich. Seichte Unterhaltung eben; ein Fest der Belanglosigkeiten, die Daily Soap in Heftform. Da ist ja sogar sowas ausgelutschtes wie
24 mittlerweile "mutiger", weil man wenigstens
eine (politische) Message rüberbringt, und sei sie noch so bedenklich.
Das ist sehr, sehr schade, insb. - um zum Schluß zu kommen - angesichts der eingangs zitierten Bemerkung zum Status eines William Voltz, die durchaus nicht komplett danebenliegt.
Bearbeitet von Echophage, 20 August 2009 - 15:01.