Drood von Dan Simmons ist ein historischer Roman, der die letzten Jahre des berühmten Schriftstellers Charles Dickens beschreibt und diese Zeit mit einem fiktiven düsteren Geheimnis überschattet. Die Geschichte beginnt im Jahr 1865, als Dickens nur knapp einem tödlichen Zugunglück entkommt. Dabei begegnet er einer mysteriösen Gestalt namens Drood, die ihn fortan verfolgt und in seinen Bann zieht.
Der Roman wird aus der Perspektive von Wilkie Collins erzählt, einem engen Freund und Kollegen von Dickens. Collins, selbst ein erfolgreicher Autor (Der Mondstein, Die Frau in Weiß), wird zunehmend in die Welt von Drood hineingezogen. Die Geschichte führt den Leser durch die finsteren Gassen Londons, in Opiumhöhlen und zu den Verbrechern der Unterwelt.
Der Roman lebt von seiner unheimlichen Atmosphäre. Die historischen Details und die Darstellung der viktorianischen Gesellschaft sind beeindruckend und tragen zur Authentizität der Geschichte bei. Allerdings wirkt der Roman dadurch stellenweise langatmig, da sich die Handlung oft in Beschreibungen und Nebensträngen verliert. Andererseits: der Roman dreht sich um zwei viktorianische Autoren, für die ein solcher Erzählstil charakteristisch ist, also passt das letztlich schon.
Problematischer finde ich den Ich-Erzähler Wilkie Collins, der alles andere als sympathisch ist. Ich bezweifle, dass es einem Leser gelingt, zu diesem eine emotionale Bindung aufzubauen. Mir ist es jedenfalls nicht gelungen. So etwas kann funktionieren, wenn der Erzähler zwar unsympathisch, aber trotzdem faszinierend ist (was hier nicht der Fall ist), oder die anderen Figuren eine emotionale Bindung zulassen. Und tatsächlich ist es im Grunde eine gute Idee, eine so bewunderte und hellstrahlende Figur wie Charles Dickens aus der Perspektive eines neidzerfressenen Konkurrenten zu beschreiben, der sich genüsslich über die dunklen Punkte im Leben des "Unnachahmlichen" auslässt und es dabei trotzdem nicht vermeiden kann, dass der Leser zunehmend Bewunderung für Dickens empfindet.
Allerdings ist der Erzähler Collins nicht nur unsympathisch, sondern auch extrem unzuverlässig. Bei einem Mann, der sich langsam aber sicher in seiner Laudanum- und Opiumsucht verliert, kann sich der Leser eigentlich bei nichts sicher sein, dass es wirklich passiert ist. Das verhindert eine emotionale Beteiligung und verwandelt den Roman rein in ein (durchaus faszinierendes) intellektuelles Rätselspiel.