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Greg Egan: Diaspora


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31 Antworten in diesem Thema

#1 Sullivan

Sullivan

    Autarchonaut

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Geschrieben 04 Dezember 2002 - 20:09

Selten hat mich ein Buch so begeistert wie "Diaspora". Der Einstieg ist allerdings sehr zäh: geschildert wird die Geburt eines neuen Polisbewohners - in allen Einzelheiten. Als Leser wird man damit ins kalte Wasser geworfen, denn es fehlen jegliche Hintergrundinformationen, um alles einzuordnen. Wenn man diese Hürde genommen hat, entfaltet sich eine fantastische Welt mit neuen und innovativen Ideen. Es gibt keine Menschen im eigentlichen Sinn, sondern jedes Bewusstsein lebt quasi in einer gemeinsamen virtuellen Realität. Computer simulieren nicht nur die Vorgänge eines Gehirns sondern auch die Welt drumherum, komplett und ohne Einschränkungen. Es ist sogar möglich, sich selbst zu duplizieren, Gedanken des Unterbewusstseins zurückzuverfolgen (nützlich wenn etwas auf der Zunge liegt), es lassen sich Empfindungen verstärken oder eindämmen, etc. Die Vision ist einfach unglaublich und wird sehr realistisch dargestellt, der Gedanke, in einem Computer zu "leben", hat mir sehr gut gefallen. Nachdem sich eine kosmische Katastrophe anbahnt werden die Polisbewohner gezwungen, in den Weltraum aufzubrechen...Manchmal übertreibt es Greg Egan mit der Wissenschaft (höhere Kenntnisse in Physik und Mathematik sind von großem Vorteil), aber es lohnt sich durchzuhalten, denn was er hier an Ideen aufzeigt ist einfach bemerkenswert. Als Vorgänger dient sein "Cybercity", dass ebenfalls sehr lesenswert ist.Sullivan

#2 Holger

Holger

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Geschrieben 04 Dezember 2002 - 21:08

Hi Sullivan. Willkommen im Forum!Egans DIASPORA ist auch einer meiner Lieblingstitel und die Referenz schlechthin, wenn es um virtuelle Lebensformen geht, bzw. den Upload von biologischer Wesen in eine virtuelle Matrix. Das Egan zeitweise ein wenig übertreibt ist mir auch aufgefallen. Sehr schwer für mich als Physiklaien zu sagen, was da ersponnen ist, und was auf möglichen Tatsachen beruht. Besonders hat mir die Vorstellung gefallen, selbst so ein virtuelles Lebewesen zu sein, frei von körperlichen Gebrechen und der Aussicht, dass ich vielleicht schon 1/3 meines Lebens rum habe.Da gibt es eine Stelle, in der sich ein Charakter dupliziert und in einen Tiefschlaf "Standby" begibt. (Wie war das noch gleich ...?) Immer wenn sein Raumschiff in die Nähe eines potentiell interessanten Planeten kommt, weckt ihn sein virtueller Radiowecker, und so überdauert er Jahrhunderte. (... Wie auch immer ...) Diese Stelle hat sich bei mir festgesetzt. Wirklich ein Meisterwerk.Wie ist das mit CYBER CITY? Ist das Buch auch in einer solchen Polis angesiedelt? Selber Story-Unterbau?Grüße,Holger
"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#3 Dave

Dave

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Geschrieben 04 Dezember 2002 - 21:18

Hallo Sullivan,Ja, „Diaspora“ beeindruckt wirklich. Ich finde, der Leser sollte eine Auszeichnung für besondere Leistungen bekommen, wenn er sich bis zur letzten Seite vorgearbeitet hat.Ich wüsste kein Buch, das den Begriff Hard-SF besser repräsentieren können.Man muß allerdings auch sagen, dass wohl nur eine sehr verschwindent kleine Leserschaft dieses Werk gänzlich verdauen kann. Ich gehöre sicher nicht dazu, aber das tut dem Genuß eigentlich kaum einen Abbruch, den wer kennt sich schließlich in zweistelligen Dimensionen aus?„Cybercity“ ist auch wirklich schön. Wer von W. Gibson etwas entnervt ist, sollte dennoch hier zugreifen. Angenehmerweise geht es auch um (Molekular)Biologie und nicht nur um Bits und Bytes. Wer die erste Seite liest und nicht begeistert ist, dem ist vermutlich nicht mehr zu helfen.Leider sind einige Bücher von Greg Egan schon wieder vergriffen, eine Schande.Hast Du es schon mit „Teranesia“ versucht? Es ist der letzte in deutsch erschienen Roman. Leider konnte ich mich mit ihm nicht so recht anfreunden und habe es noch nicht bewältigt.  Es liest sich so ganz anders...Es grüßtDave

#4 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 05 Dezember 2002 - 10:43

Hallo,schön, dass noch andere das Buch kennen. Es gibt viele solcher Stellen, wo man einfach nur staunend das Buch zur Seite legt und die Ideen auf sich wirken lässt - und das, obwohl ich normalerweise kein großer Freund von Hard SF bin.CYBERCITY ist gewissermaßen der Vorgänger, dort wird zum ersten Mal die Idee aufgegriffen, die Gedankengänge eines Menschen im Computer zu simulieren und dadurch seine Persönlichkeit und sein Bewusstsein in eine virtuelle Realität zu übertragen. Hier steckt die Technik allerdings noch in den Kinderschuhen, die Computer sind zu langsam um eine Echtzeit-Simulation zu berechnen, so dass alles um den Faktor 10 (?) verzögert abläuft. Das Lesen lohnt sich auf jeden Fall, obwohl ich die Handlung zum Anfang ziemlich verwirrend fand, insbesondere die merkwürdigen Experimente. So ungefähr ab der Mitte wird alles klar und man kann das Buch richtig genießen."Teranesia" habe ich noch nicht gelesen. Die Kritiken auf Amazon.com waren eher durchwachsen und mein Stapel ungelesener Bücher ist noch groß genug.Ciao,  Sullivan

#5 Holger

Holger

    Temponaut

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Geschrieben 05 Dezember 2002 - 11:14

TERANESIA liegt bei mir auch seit Erscheinen rum und wartet gelesen zu werden. Ist ja eigentlich auch gar nicht so dick ...
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#6 Naglfar

Naglfar

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Geschrieben 02 Februar 2003 - 11:55

Teranesia hat mich letztendlich doch etwas enttäuscht, es fehlt die Wucht seiner vorherigen Romane, am Ende hatte ich irgendwie das Gefühl, das die Erklärung die hinter allen Vorfällen steckt irgendwie nicht so abgehoben ist wie seine sonstigen Einfälle. Das kommt davon, wenn man die Meßlatte mit solchen Romanen wie Qual, Cybercity, Quarantäne und Dispora so hoch legt. Andererseits gefallen hat mir die gute Charakterisierung des Hauptcharakters und der einzelnen Nebenfiguren.Vermutlich, wenn man vorher noch nichts von Egan gelesen hat, wird einen dieser Roman sehr zufrieden stellen. Egan ist eben selbst dann gut, wenn er nicht in Höchstform ist.Ich hoffe jedoch das sein neuester Roman Schild's Ladder noch von irgendeinem Verlag übersetzt wird, denn die Inhaltsangaben die ich bisher gelesen hab, haben mich echt neugierig gemacht, ansonsten werde ich es mir jedoch vermutlich auf Englisch zulegen.

#7 Beverly

Beverly

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Geschrieben 25 Februar 2003 - 22:01

Ich habe vor drei Jahren DIASPORA im englischen Original gelesen und es hat mich sehr beeindruckt. Ich habe selten so viele technische und physikalische Ideen in einem SF-Roman umgesetzt gesehen.Die Sache mit dem Wurmloch war sehr amüsant - nur verrate ich sie nicht, um niemanden die Spannung zu verderben. :)  :) Wie Menschen als "Software" in einer virtuellen Realität existieren, hat Egan sehr eindrucksvoll umgesetzt, nur halte ich es nicht für den Endpunkt dieser Entwicklung.Bei DIASPORA leben die virtuellen Menschen in einem physikalischem Netzwerk, das ihnen enorme Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Aber ihre virtuelle Realität ist getrennt von der Aussenwelt und das Netzwerk - die Matrix ihres Bewusstseins - ist eine Ansammlung von Speicherun und Datenleitungen.Für mich wäre der Endpunkt, dass es keine Trennung mehr zwischen Aussenwelt und virtueller Welt gibt und das Bewusstsein seine Matrix jederzeit nach Belieben gestalten kann. Dass liesse sich vielleicht durch Nanotechnik erreichen, die eine Matrix aus vielen kleinen und jederzeit neu konfigurierbaren Komponenten schafft - so wie der menschliche Körper, nur robuster und mit zusätzlichen Fähigkeiten. Wie heute das Internet wäre eine virtuelle Welt keine Abkehr sondern nur eine Erweiterung der realen Welt.

#8 Dave

Dave

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Geschrieben 25 Februar 2003 - 22:25

Ich habe gerade in einem Interview mit Al Reynolds gelesen, dass wir uns in dem 'Golden Age' der SF befinden. DIASPORA ist sicher ein Werk, das diese Zeit repräsentieren könnte. Aber im Original? Na ja, das dürfte wohl eine Härteprüfung der besonderen Art sein...

#9 Naglfar

Naglfar

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Geschrieben 26 Februar 2003 - 00:43

Ich finde wir sind immer im "Golden Age of SF", da gute, erstklassige SF zu jedem Zeitpunkt geschrieben wurde, wird und geschrieben werden wird. Insofern behauptet natürlich öfter mal ein Autor oder Leser, das gerade jetzt das "Golden Age of SF" sei, was zu diesem Zeitpunkt sicher richtig ist, doch das gleiche werden Autoren und Leser auch noch in 20, 100 oder 1000 Jahren behaupten.

#10 Dave

Dave

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Geschrieben 26 Februar 2003 - 17:23

Fakt ist jedoch, dass sich der Erzählstil in den Jahrzehnten merklich verändert hat.Was man letztlich bevorzugt, bestimmt wohl der persönliche Geschmack.Wenn man es etwas hart formuliert, dann wurde in der Mitte des letzten Jahrhunderts überwiegend Müll produziert.

#11 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 26 Februar 2003 - 18:14

Hallo Beverly, wenn man die Idee weiterspinnt würde man sogar eine Brücke zu anderen Autoren schlagen und in die Richtung "intelligente Materie" gehen. Beliebig viele Bewusstseine leben in einer oder mehr Welten, die sie selbst erschaffen und beeinflussen können. Von außen sichtbar wäre aber nur eine "kosmische Wolke", ein toter Asteroid oder einfach gar nichts. Du solltest unbedingt auch "Fast Times at Fairmont High" von Vernor Vinge lesen (gibt es u.a. auch als eBook bei Fictionwise - ich habe vor kurzem gerade eine Kritik geschrieben. Dort geht es um die komplette Vernetzung der Außenwelt, wodurch die Verschmelzung von realer und virtueller Welt möglich ist. Wenn man dies mit den Ideen von Greg Egan verbindet... @Dave: Greg Egan lässt sich recht gut lesen, bei den wissenschaftlichen Erklärungen wird es natürlich etwas anstrengender, aber gerade in dem Bereich ähneln sich englische und deutsche Wörter so dass man die Bedeutung erahnen kann. Sullivan P.S. Es gibt eine Kurzgeschichte von Greg Egan, in der es nur um den Übergang vom menschlichen Körper in einen künstlichen geht: "Transition Dreams". Die Betrachtung ist aber weniger aus technischer sondern aus psychologischer Sicht.

#12 Beverly

Beverly

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Geschrieben 26 Februar 2003 - 19:41

Hallo Sullivan,danke für den Lesetipp Fast Times at Fairmont High von Vernor Vinge. Klingt sehr vielversprechend. Das würde ich mir zur Not auch auf Englisch als Buch kaufen.Das Thema "intelligente Materie" wurde auch in LORD GAMMA von Michael Marrak angeschnitten. Dort ist der Protagonist in einer Welt gelandet, wo jeder Stein und jeder Gegenstand lebendig ist resp. über eine primitive Form von Bewusstsein verfügt. Leider hat Marrak den Gedanken nicht zu Ende verfolgt.

#13 eRDe7

eRDe7

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Geschrieben 11 Oktober 2003 - 09:48

Hallo!Eine Frage zu Greg Egan.Oder 3:Warum sind seine Bücher antiquarisch so verdammt teuer? Sind die wirklich so gut?Ich kenne ja bisher leider nur eine Erzählung (die aus NOVA 1), die ich ziemlich grandios fand.Nun habe ich mir zu relativ anständigen Preisen antiquarisch "Quarantäne" und "Cyber-City" besorgt.Kennt jemand "Quarantäne"?Und sollte man "Cyber-City" vor "Diaspora" lesen? (Letzteres bekomme ich hoffentlich in den nächsten Tagen...)Was ihr so über "Diaspora" geschrieben habt, klingt so spannend (zumal die Geschichte in NOVA 1 so grandios war), dass ich jetzt schon ein Greg Egan-Fan bin, ohne weiteres gelesen zu haben... :DEs gibt ja noch das Buch "Qual", das antiquarisch als TB so um die 30 Euro gehandelt wird... Spinnen die? Ist ja schlimmer als bei Dick!Ist hier irgendwo ein Egan-Kenner, der mal was zu den einzelnen Romanen schreiben kann?Danke im Voraus.Beste Grüße,Ralph

R. C. Doege: Ende der Nacht. Erzählungen (2010)

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#14 Ronni

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Geschrieben 11 Oktober 2003 - 10:11

Hallo,

der Einfachheit halber hier ein Link zur Biographie von Greg Egan inkl. Interview, Rezensionen und Romanauszügen, zufällig im Internet entdeckt :D

Egans Qual wurde als bester ausländischer Roman und für die beste Übersetzung (von AC-Redakteur Bernhard Kempen) mit dem Kurd Laßwitz Preis sowie mit dem AC-Award ausgezeichnet.

Es gibt Planungen für eine Neuauflage von Egans Bücher.

Gruß Ronni
Die Schlauheit des Fuchses basiert zu 90% auf der Dummheit der Hühner.

epilog.de

#15 eRDe7

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Geschrieben 11 Oktober 2003 - 10:20

Hallo Ronni.Ganz zufällig entdeckt? :D Ich habs mir wieder zu leicht gemacht, anstatt selber zu schauen...Vielen Dank.Die Postbotin brachte mir gerade noch TERANESIA.Gute Nachricht, das mit den Neuauflagen...Nach Eschbach und Ubik kommt dann wohl Egan dran.Grüße,Ralph

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#16 Gast_Guest_*

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Geschrieben 11 Oktober 2003 - 14:33

Hallo eRDe7,Nur ganz kurz meine absolute Leseempfehlung zu Quarantäne: Der erste Roman von Egan und absolut auf einer Stufe mit den späteren - bis auf das Ende, das ist finde ich eher etwas lieblos geraten ...Quarantäne ist ein für nicht-Physiker wie mich immer noch vollständig nachvollziehbarer Quantenmechanik-Roman, dem es tatsächlich gelingt, durch das konsequente durcharbeiten einer wissenschaftlichen Prämisse zu einem absolut psychedelischen, Traumlogischen Szenraio zu gelangen. Dafür lohnt es sich auch mal, antiquarisch nen Zehner hinzulegen, versprochen.Thema Terranisia: Ich war auch etwas verwirrt, am Anfang dachte ich, nanu, kommt das alles magisch daher, und am Ende kommt dann eine eigentlich nicht allzu gewaltige prämisse als Auflösung - die ich hier nicht verraten will, hat aber mal wieder was mit der Quantenwelt zu tun. Unterm strich trotzdem ein Klasse Buch, und was mich besonders begeistert hat, ist, das ich voll auf Egan reingefallen bin: Am anfang präsentiert er einen Haufen absonderlicher Geschehnisse, und ich dachte natürlich, oh, das wird der science-fiction-plot - falsch gedacht! Das ganze war ienfach nur Charakterxposition, und zwar vom feinsten.Wo sich hier mal andere Egan-Freunde tummeln: Hat hier jemand was von Justina Robson gelesen? Die bewegt sich stilistisch und vom Wissenschaftsanteil in ähnlichen Gefilden, wenn sie auch thematisch kleinere Brötchen backt. Mappa Mundi hat bei mir jedenfalls die besten Erinnerungen an Quarantäne wachgerufen. Ihren neuen (Natural History) hab ich grad auf Englisch bestellt, und laut Ankündigungstext handelt es sich dabei auch mal um ein kosmischeres Szenario.Ach ja, zum Threadtitel: Diaspora regelt! :D

#17 Jakob

Jakob

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Geschrieben 11 Oktober 2003 - 14:35

Uups, jetzt hab ich versehentlich anonym gepostet, das wollte ich nicht.Viele Grüße auch,jakob
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

R. Scott Bakker

"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama

Verlag das Beben
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#18 Sullivan

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Geschrieben 15 Oktober 2003 - 13:25

QUARANTÄNE war für mich eine einzige Enttäuschung. Quantenphysik finde ich recht interessant, aber hier übertreibt Egan maßlos. Mit seinen Theorien konnte ich überhaupt nichts anfangen und ab der Mitte war das Buch einfach nur noch langweilig. Schade, zwischenzeitlich sah es nach einem richtig spannenden Roman aus!QUAL fand ich sehr gut, allerdings zum Ende hin etwas verwirrend. 30 Euro würde ich dafür nicht ausgeben, keine Ahnung wieso die Preise so hoch sind.CYBERCITY kann man vor DIASPORA lesen, allerdings ist es bei weitem nicht so gut geschrieben und es enthält keinerlei Vorwissen, das man für DIASPORA bräuchte. Beide Bücher behandeln unterschiedliche Themen und setzen einen anderen Focus.Über DIASPORA habe ich ja schon genug geschrieben. ;)Empfehlenswert sind noch Egans Kurzgeschichten, z.B. OCEANIC.Sullivan

#19 Dave

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Geschrieben 15 Oktober 2003 - 16:06

QUARANTÄNE war für mich eine einzige Enttäuschung. Quantenphysik finde ich recht interessant, aber hier übertreibt Egan maßlos. Mit seinen Theorien konnte ich überhaupt nichts anfangen und ab der Mitte war das Buch einfach nur noch langweilig. Schade, zwischenzeitlich sah es nach einem richtig spannenden Roman aus!

Sehe ich eigentlich auch so, sehr interessanter und spannender Anfang, aber ab der Mitte übermannte mich ebenso die Langeweile, und das Interesse war gänzlich verflogen. Probleme hatte ich auch mit TERANESIA, mit dem ich einfach nicht warm wurde.

#20 Jakob

Jakob

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Geschrieben 16 Oktober 2003 - 14:06

Seltsam, das mit Quarantäne. Ich habe erst ab der hälfte angefangen, es richtig zu lieben ... ;) Lese ich erst mal QUAL und CYBERCITY, vielleicht wird mir dann klarer, welche Leseerwartungen durch Terranesia und Quarantäne enttäuscht werden.
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#21 Trurl

Trurl

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Geschrieben 30 Juni 2004 - 17:01

Ach, ich muß diesen Thread einfach noch einmal zum Leben erwecken (das ist mir schon lange ein tiefes Bedürfnis). Ich bin gerade dabei, mich (endlich) in Greg Egan's Hardcore Hard-SF-Roman zu vertiefen. Naja, obwohl ich den Roman schon seit einiger Zeit im Regal stehen hatte, konnte ich mich bislang nie durchringen ihn zu lesen (eigentlich unverständlich, da ich Hard-SF grundsätzlich mag), aber nachdem ich die ersten beiden Kapitel hinter mir habe, weiß ich nun, daß ich es immer schon geahnt hatte ... die Lektüre wird kein reines Vergnügen werden. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/huh.png Die Vorschußlorbeeren gerade zu diesem Roman und zu Greg Egan's Werk im Allgemeinen waren/sind ja gewaltig. Das macht mich immer misstrauisch und überkritisch. Ich werde deshalb hier von Zeit zu Zeit meine Eindrücke schildern, sozusagen als mein ganz privater Lesezirkel ... ^_^ Egan hat einiges zu sagen, zweifellos, deshalb lohnt es auch, sich mit seinen Ideen etwas ausführlicher auseinanderzusetzen. Trotz der ausnehmend positiven Kritik, die er für Diaspora erhalten hat, ist mir bereits das eine oder andere negativ aufgefallen (leider), Dinge, die man Egan, bei aller Brillianz, nicht unwidersprochen durchgehen lassen darf. Sullivan hat es schon erwähnt und ich muß ihm zustimmen ... Egan macht es seinem Leser nicht leicht. Bereits der Anfang ist ein Schlag ins Gesicht. Ich lese leidenschaftlich gerne wissenschaftliche Sachbücher, eigentlich querbeet über alle Themenbereiche, die mich interessieren, und es stört mich keineswegs, alles haarklein erklärt zubekommen, aber was Egan hier abzieht und seinen Lesern zumutet, ist mir phasenweise zu grenzwertig für einen Roman ... nun ja. Klar ... ein Autor hat bei einem abstrakten Thema immer ein Darstellungsproblem, es scheint aber fast so, als lege Egan es mitunter direkt darauf an, nicht verstanden werden zu wollen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er die virtuelle Ontogenese von Yatima mit ein wenig Mühe durchaus aussagekräftiger, bildhafter und weniger technisch hätte schildern können. Manches wird m.M. auch durch umständliche Formulierungen und schwer vorstellbare Beschreibungen unnötig verkompliziert (eine erzählerische Glanzleistung ist diese Einleitung nicht gerade). Egan beschreibt, soweit ich ihn verstanden habe, die Entwicklung Yatima's Bewußtsein (sozusagen als virtuelles Analogon zur biologischen Ontogenese) als einen programmierten virtuellen Entwicklungsprozess, in dessen Verlauf sich das Selbst Yatima's, schlußendlich als emergente Eigenschaft rückgekoppelter, kognitiver Subprozesse konstituiert (sehr schön konstruktivistisch beschrieben). Egan's "kognitives Modell" (wenn man das so bezeichnen will) wäre zweifellos sehr viel aufschlußreicher, wenn es nicht so kryptisch und unverständlich dargestellt würde (hauptsächlich wegen der eigentümlichen Bilder und Vergleiche die Egan verwendet). Vieles muß man sich selbst zusammenreimen. Selbst als interessierter Leser ist man nicht in der Lage immer zu begreifen, was Egan da eigentlich genau beschreibt (falls man nicht gerade in der Kognitionswissenschaft heimisch ist), bzw. kann entscheiden, ob alles immer einen realen Hintergrund hat oder nur phantasiereiches Fabulieren, bzw. beides ist. Was mich allerdings fast noch mehr stört, ist, daß es Egan nicht gelingt, die Darstellung des Vorgangs auch erzähltechnisch befriedigend in den Griff zu bekommen. Erstens ist die Beschreibung von Yatima's "Geburt" von abschreckender Nüchternheit, ohne erzählerischen Glanz, als würde man ein medizinische Fachbuch lesen, zweitens gelingt es Egan nicht, die äussere, technische Sichtweise mit dem subjektiven Erleben zu verbinden, drittens kann der Leser kaum einen Nutzen aus dem Gesagten ziehen, z.B. in dem er etwas Grundlegendes über die Entwicklung menschlichen Denkens oder bestimmte Bewußtseinsmodelle lernt. Egan "erklärt" nämlich im Grunde nichts (in dem er beispielsweise virtuelles und biologisches Denken miteinander in Beziehung setzt, Unterschiede und Analogien direkt aufzeigt, etc.), sondern beschreibt einen eher rätselhaften Vorgang und bedient sich dabei einer nebulösen Ausdrucksweise. Ein weiterer Knackpunkt ist Egan's Marotte in technische Beschreibungsweisen zu flüchten, gerade dort, wo es angebrachter wäre einen subjektiven, oder besser, sinnlichen Standpunkt einzunehmen, der es uns Lesern auch "be-greifbar" macht, was es heißt ein virtuelles "Leben" zu führen (zum Beispiel dann, wenn lang und breit die Funktionsweise der Vademecums beschrieben wird, anstatt die Wirkung "fühlbar" zu zeigen). Mir wäre es auch lieber Egan würde nicht so plakativ mit seinem Hintergrundwissen prahlen, sondern pragmatisch in den Dienst der Geschichte stellen. Tja ... warum kritisiere ich eigentlich etwas, das beispielsweise auch Lem in seinen wissenschaftslastigen Romanen ständig praktiziert hat? Nun ... vielleicht, weil Lem es einfach besser versteht sie als integralen Bestandteil in die Rahmenhandlung zu integrieren. Was wäre beispielsweise Solaris "ohne" seine Wissenschafts-Exkurse zur Solaristik? (Ich habe diese Passagen bestimmt ein halbes Dutzend Mal mit Gewinn gelesen). Egan dagegen, ist für meinen Geschmack weit über das Ziel hinausgeschossen. Gott sei Dank geht es in diesem Stil nicht ständig weiter und Yatima's weiteres Schicksal wird auf etwas konventionellerem Wege weitererzählt. Meine Eindrücke nach dem 1. und 2. Kapitel: Der Einstieg gestaltet sich tatsächlich als ausserordentlich spröde. Ich bin bis jetzt noch nicht recht überzeugt von Egan's Werk, weder von seiner "Schreibkunst" die ich als etwas farblos empfinde, noch von der seiner Fähigkeit seine Ideen dem Leser einigermassen verständlich rüberzubringen, bzw. manche "Unbegreiflichkeiten" wenigsten mit erzählerischen Mitteln, vorstellbar zu machen. Seine zahlreichen Ideen blitzen schon auf, nur sehe ich auch Egan's Defizite diese Ideen ansprechend und verständlich darzustellen und dafür aussagekräftige Bilder zu finden. Der virtuellen Welt fehlt bislang noch das Fleisch, sie wirkt leblos in ihrer kahlen Andersartigkeit, genauso leblos wie die "virtuellen Menschen", die sehr abstrakt wirken und genauso gut Aliens oder KI's sein könnten. Was definiert ihr Menschsein, was verbindet diese virtuellen Menschen, abgesehen von ihrer Herkunft, eigentlich noch mit "natürlichen", biologischen Menschen? Ich bin jedenfalls gespannt, ob Egan auf diese Fragen ein paar plausible Antworten liefert und ob ich meine Einwände später revidieren kann. So ... das war schon ganz schön ausführlich für den Anfang, aber das mußte ich mir einfach von der Seele schreiben. Ich denke, ich werde erst einmal ein paar weitere Kapitel am Stück lesen bevor ich wieder zuschlage ... http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/biggrin.png Trurl
»Schau dir diese Welt nur richtig an, wie durchsiebt mit riesigen, klaffenden Löchern sie ist, wie voll von Nichts, einem Nichts, das die gähnenden Abgründe zwischen den Sternen ausfüllt; wie alles um uns herum mit diesem Nichts gepolstert ist, das finster hinter jedem Stück Materie lauert.«

Wie die Welt noch einmal davonkam, aus Stanislaw Lem Kyberiade
  • (Buch) gerade am lesen:Jeff VanderMeer - Autorität
  • (Buch) als nächstes geplant:Jeff VanderMeer - Akzeptanz
  • • (Buch) Neuerwerbung: Ramez Naam - Crux, Joe R. Lansdale - Blutiges Echo
  • • (Film) gerade gesehen: Mission Impossible - Rogue Nation

#22 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 01 Juli 2004 - 07:39

Mein Beitrag zu DIASPORA war sozusagen der Einstieg ins Scifiboard. ^_^ Lies mal ein paar Kapitel weiter, trurl. Ich denke das Buch wird dir dann besser gefallen. Das Nonplusultra zum Thema "virtuelle Realitäten", KIs und "Leben als Computersimulation" hat John C. Wright abgeliefert mit seiner GOLDEN AGE Trilogie (hier im Scifiboard und hier bei Amazon.com). Ich hoffe für die deutschen Leser, dass irgendwann eine Übersetzung kommt (der arme Mann, das wird nicht leicht...). Sullivan

#23 Henrik Fisch

Henrik Fisch

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Geschrieben 01 Juli 2004 - 08:43

@Trurl:

Sehr gut formuliert. Nach Verinnerlichung der ersten paar Seiten hatte ich das unbestimmte Gefühl, hier einen interessanten Roman vor mir zu haben, der viele neue Dankansätze in sich vereint. Gleichzeitig hatte ich aber auch das ungute Gefühl, dass der Autor es mir als Leser nicht gerade einfach machen will, was dem Lesegenuss nicht gerade förderlich ist. Und das ist es ja, was ich eigentlich will: Eine intelligente Ablenkung. Alles andere wäre eine wissenschaftliche Arbeit.

Ich kann Dich aber beruhigen: Der Roman wird zwar etwas leserlicher, hat aber immer mal wieder sehr spröde Lesespitzen, bei denen man als Leser eine Vollbremsung hinlegt. Den Schluss fand ich auch irgendwie unpassend.

Trotzdem viel Spaß! ^_^

Bis dennen,
Henrik Fisch
Gerade fertig gelesen
Gregory Benford, Larry Niven, "Himmelsjäger"
Gerade am Lesen
Gregory Benford, Larry Niven, "Sternenflüge"
Gerade gesehen
Serie "Mad Men"

#24 Trurl

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    Phanto-Lemchen

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Geschrieben 01 Juli 2004 - 17:20

@Sullivan, Henrik: Soo leicht bin ich nicht zu entmutigen, ich "freu" mich schon darauf, wenn Egan endlich anfängt seine physikalischen Grundlagen-Theorien auszubreiten ... Hmm, nach dem Glossar zu urteilen muß das etwas den Stringtheorien verwandtes sein, ein wenig Topologie, dazu ein kleiner Schuß Quantentheorie und noch etwas Relativitätstheorie damit die Sache rund wird ... im Grunde alles halb so wild. :lookaround: http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/blink.png Die Implikationen eines virtuellen Lebens, sind im Grunde faszinierend, ein echtes philosophisches Minenfeld. Allein die Möglichkeit identische Kopien von sich Selbst zu erstellen bringen meine Gedanken auf Trab, Begriffe wie Identität verlieren auf einmal ihren ursprünglichen Sinn ... Ob man das als körperlicher Mensch überhaupt je "begreifen" kann? ^_^ @Sullivan:

Das Nonplusultra zum Thema "virtuelle Realitäten", KIs und "Leben als Computersimulation" hat John C. Wright abgeliefert mit seiner GOLDEN AGE Trilogie

Du hast dich also doch entschlossen Wright's Trilogie zu Ende zu lesen, trotz deiner ursprünglichen Bedenken. Deine PR für die Romane wirkt schon ... ich überlege bereits, ob ich diese Trilogie ebenfalls lesen soll (zur Not auch ohne deutsche Übersetzung). Trurl

Bearbeitet von Trurl, 01 Juli 2004 - 17:21.

»Schau dir diese Welt nur richtig an, wie durchsiebt mit riesigen, klaffenden Löchern sie ist, wie voll von Nichts, einem Nichts, das die gähnenden Abgründe zwischen den Sternen ausfüllt; wie alles um uns herum mit diesem Nichts gepolstert ist, das finster hinter jedem Stück Materie lauert.«

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#25 Jakob

Jakob

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Geschrieben 01 Juli 2004 - 17:58

Es ist schon zwei oder drei Jahre her, dass ich Diaspora gelesen habe - dafür erinnere ich mich noch erstaunlich gut an viele Details (Die Wang-Teppiche, die hübsche Pointe über eine Wurmloch-Reise, deren zeitliche Verzögerung genau so groß ist, wie das Zurücklegen der entsprechenden Entfernung mit Lichtgeschwindigkeit dauern würde, Wesen mit acht (?) Beinen, um sich in mehr Dimensionen abstützen zu können). Trotzdem sind meine folgenden Anmerkungen eventuell nicht immer ganz zutreffend, weil ich mich nicht so genau an alles erinnere. Wie dem auch sei, ich bin etwas erstaunt. ich lese selbst kaum Hard-SF, habe kein theoretisches Wissen über Stringtheorie, Kognitionswissenschaft oder KIs. Trotzdem (oder vielleicht deshalb) habe ich insbesondere das erste Kapitel von Diaspora mit großem genuss gelesen. Meine Versuche, diesen scheinbaren widerspruch zu rationalisieren, knüpfen an Trurl an, der schrieb:

Was mich allerdings fast noch mehr stört, ist, daß es Egan nicht gelingt, die Darstellung des Vorgangs auch erzähltechnisch befriedigend in den Griff zu bekommen. Erstens ist die Beschreibung von Yatima's "Geburt" von abschreckender Nüchternheit, ohne erzählerischen Glanz, als würde man ein medizinische Fachbuch lesen, zweitens gelingt es Egan nicht, die äussere, technische Sichtweise mit dem subjektiven Erleben zu verbinden, drittens kann der Leser kaum einen Nutzen aus dem Gesagten ziehen, z.B. in dem er etwas Grundlegendes über die Entwicklung menschlichen Denkens oder bestimmte Bewußtseinsmodelle lernt. Egan "erklärt" nämlich im Grunde nichts (in dem er beispielsweise virtuelles und biologisches Denken miteinander in Beziehung setzt, Unterschiede und Analogien direkt aufzeigt, etc.), sondern beschreibt einen eher rätselhaften Vorgang und bedient sich dabei einer nebulösen Ausdrucksweise.

Zur "Nüchternheit": Mir erschien das gerade als die angemessene künstlerische Bearbeitung des Themas. Wenn Egan "schillernder", oder gefühlsnäher geschrieben hätte, dann wäre er ziemlich sicher wieder in die üblichen Anthropologismen hineingerutscht. Dann wäre sein ganzes Szenario möglicherweise zur Sinnstiftung darüber verkommen, "was das Mensch sein denn nun wirklich ausmacht". Davon gibt es doch mehr als genug! So, wie das erste Kapitel ist, mit seinen distanzierten, aber auch ungewöhnlichen Bildhaftigkeiten, vermittelt es ganz erstklassig die Vorstellung von einem a-subjektiven (prä-subjektiven) sein. es wäre unverzeihlich gewesen, wenn Egan die technische Sichtweise mit einem subjektiven Erleben verbinden wollte, wenn es doch gerade um ein Nicht-Subjekt geht! Natürlich, möglich ist die "empathische" Datrstellung des asubjektiven ohnehin nicht, aber Egan kommt doch nah dran.
Ich finde es auch eine etwas problematische Erwartung, dass der Leser "Nutzen" aus einem Buch ziehen können soll. Ich halte es für ein zentrales Merkmal von kunst im weitesten Sinne, dass sie sich gerade der Frage nach ihrem Nutzen nicht stellen muss. Erst dadurch ist sie in der Lage, so viele Türen aus dem Alltagsbewusstsein heraus zu öffnen. Das erste Kapitel ist für mich gerade deshalb gut, weil es den Implikationen virtuellen (Bewusst-)Seins um ihrer selbst willen Nachgeht, und nicht, um am Ende irgendwelche mehr oder weniger bedeutungsschwangeren Aussagen übers Mensch-Sein zu treffen. Die Aussagen müssen letztlich eh die Leser produzieren, jede und jeder für sich.
Für mich war jedenfalls das erste Kapitel für sich schon eine brillante kleine Erzählung, egal, wieviel sie jetzt mit dem Stand der Wissenschaft zu tun hat. Aber ich halte ja auch Dietmar Dath für einen erstklassigen Autor ...
Nun ja, soviel zur Egan-Huldigung eines absoluten Nicht-Hard-SF-Lesers ...
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#26 Henrik Fisch

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Geschrieben 02 Juli 2004 - 07:58

@Trurl:

†¦ ich "freu" mich schon darauf, wenn Egan endlich anfängt seine physikalischen Grundlagen-Theorien auszubreiten.

Na, hoffentlich wirst Du dann nicht enttäuscht. Ich für meinen Teil habe entweder wenig zu dem Thema entdeckt oder mein geschundenes Gehirn hat diese Bereiche automatisch ausgefiltert. Aber durchgekämpft habe ich mich trotzdem. Jawoll! http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/smile2.gif


@Jakob:

Wenn Egan "schillernder", oder gefühlsnäher geschrieben hätte, dann wäre er ziemlich sicher wieder in die üblichen Anthropologismen hineingerutscht. Dann wäre sein ganzes Szenario möglicherweise zur Sinnstiftung darüber verkommen, "was das Mensch sein denn nun wirklich ausmacht".

Ähm, Jakob, Du musst doch aber selber zugeben, dass Herr Egan da eine hochinteressante Idee hatte - virtuelles Leben trifft auf maschinelles und biologisches - der Leser diese aber durch den Wust seiner Formulierungen und intellektuellen Gedankenspiele irgendwie nicht richtig zu fassen bekommt. Und Du sagst es sogar selber: „Möglicherweise“. Ich bin nämlich durchaus der Meinung, dass man einen emotionalen Roman dieser Art schreiben kann, der dem Leser einfach die Situation und die damit verbundenen Aktionen der Handelnden gefühlsmäßig näher bringt, ohne das Thema zu verwässern. Da muss nicht zwangsweise noch ein „Blade Runner“ bei heraus kommen.

Kleine Gehässigkeit am Rande: Was bitte meinst Du eigentlich genau mit „Anthropologismen“? Das Wort gibt es laut Duden nämlich gar nicht. :(

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#27 Impala

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Geschrieben 02 Juli 2004 - 09:35

Kleine Gehässigkeit am Rande: Was bitte meinst Du eigentlich genau mit „Anthropologismen“? Das Wort gibt es laut Duden nämlich gar nicht.

Ja genau, Jakob, was meinst Du eigentlich damit? http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/wink.png Ach, und äh, Jakob: Danke, ebenso! :thefinger:
Julius Gaius Baltar!

#28 Jakob

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Geschrieben 02 Juli 2004 - 13:22

Hm, da hab ich wohl mal wieder spontane Worbildung betrieben. Gemeint ist das Analog zu "Biologismus", nur dass ich es hier spezifisch auf den Menschen beziehen würde.Gemeint ist:Anthropologie - die Wissenschaft vom Menschen.Anthropologismus - eine Idee oder ein Konzept, dass sich auf diese Wissenschaft beruft, um allgemeinere Aussagen zu treffen. Hab ich in natürlich diesem Kontext abwertend gemeint. es geht mir darum, wie isolierte wissenschaftliche Beobachtungen zu allgemeinen Annahmen umformuliert werden. Dabei wird dann oftmals ignoriert, dass die entsprechenden Beobachtungen die Ergebnisse historischer Entwicklungen sein können und keine überhistorischen Wahrheiten über das "Mensch-Sein" zum Ausdruck bringen. Dafür ist die SF etwas anfällig ...Noch ein kleienr Tipp am Rande: Ein Wort wie Anthropologismus findet man wenn überhaupt nicht im Duden, sondern im Fremdwörterbuch (das es auch von Duden gibt). Aber da ich jetzt zu faul bin, nachzusehen, weiß ich nicht, ob es da drin steht. Darüber hinaus ist es nicht ganz unwichtig zu wissen, dass der Duden nicht definiert, welche Wörter es "gibt". Dann gäbe es nämlich nur ziemlich wenige Worte im Deutschen, die Fachsprachen würden Arm aussehen, und so schöne Begriffe wie "Quantenschaum" oder "Hyperraum" würden uns doch auch sehr fehlen ...Was natürlich nichts daran ändert, dass man sich bemühen sollte, wo möglich nachvollziehbare Ausdrücke zu verwenden, anstatt neue, undruchschaubare zu kreieren ... :rolleyes:
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#29 Henrik Fisch

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Geschrieben 02 Juli 2004 - 13:50

Dann gäbe es nämlich nur ziemlich wenige Worte im Deutschen, die Fachsprachen würden Arm aussehen, und so schöne Begriffe wie "Quantenschaum" oder "Hyperraum" würden uns doch auch sehr fehlen ...

Wortneuschöpfungen sind immer dann angesagt, wenn es keine handliche Vokabel zum Formulieren eines Sachverhaltes gibt. Deswegen gibt es Begriffe wie „Byte“ oder „Computer“, die man ins Deutsche nur unzureichend oder schwerfällig übersetzen könnte. Vorsichtig sollte man dagegen mit Schöpfungen wie „Target Goal“ sein (mit Liebling für die Entlarvung unfähiger Manager; steht für „Konzentration aufs Wesentliche“). Meistens will sich der Urheber nämlich nur wichtig machen. Aber vielleicht bin ich nach zehn Jahren Journalismus nur etwas empfindlich geworden.

Was natürlich nichts daran ändert, dass man sich bemühen sollte, wo möglich nachvollziehbare Ausdrücke zu verwenden, anstatt neue, undruchschaubare zu kreieren ...  ;)

Uff, genau! Siehe oben. :rolleyes: Bis dennen, Henrik Fisch
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#30 Dave

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Geschrieben 02 Juli 2004 - 19:05

Vor einigen Tagen wollte ich doch tatsächlich einmal schreiben: Das ist wenig applaudabel. Müsste ich wohl auch erst zum Patent anmelden. :rolleyes: Ansonsten schöne Auffrischung der Diskussion. Ich gestehe, ich kann einige von Trurl's Argumenten nachvollziehen. Anbei dachte ich aber auch: So klingt der betretene Schüler, der seinen Meister gefunden hat und mit der Welt hadert. Eine Schwierigkeit allerdings besteht in der Darstellung des virtuellen Lebens. So benötige ich keine Hand um mit Dingen zu Interagieren sondern verschmelze sozusagen mit der Umwelt. Und so bezieht sich dann auch das erste fundamentale Wissen, das sich Yatima aneignet, auf die nichteuklidische Geometrie und der Begegnung mit Personen, die sich in einem rein mathematischen Raum bewegen. Im späteren Verlauf wird die Auffächerung der Dimensionen noch in schwindelnde Höhen getrieben. Die virtuelle Welt ist also nicht die von †šMatrix†™, sprich eine Simulation. Ich finde den Roman ganz und gar nicht spröde, im Gegenteil, für mich hat er einen solchen Reiz, den andere Leser womöglich in der Poesie finden. Die erste Begegnung Yatima†™s mit den †šKörperlichen†™ auf der Erdoberfläche ist eine der großen Momente, die auch emotional sind, im breiteren Betrachtungswinkel gesehen. Es darf nicht vergessen werden, dass hier auch eine Geschichte erzählt wird, und sich nicht mit selbstverliebter Fachsimpelei begnügt wird.

Tja ... warum kritisiere ich eigentlich etwas, das beispielsweise auch Lem in seinen wissenschaftslastigen Romanen ständig praktiziert hat? Nun ... vielleicht, weil Lem es einfach besser versteht sie als integralen Bestandteil in die Rahmenhandlung zu integrieren.

Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich, aber Lem ist eine andere Generation, und Egan ist mit DIASPORA in jüngerer Zeit einer der innovativsten und kraftvollsten Romane in der SF gelungen.

Bearbeitet von Dave, 02 Juli 2004 - 20:45.



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