Hallo Jakob,
Mag sein. Trotzdem halte ich die gegenwärtige Tendenz in der SF/Fantasy, aus jeder neuen Setting-Idee gleich wieder ein neues Genre machen zu wollen, für ungut, unabhängig, davon, wie lange diese Etikettierung denn bestand hat: Sie führt meiner Meinung nach nämlich auch dazu, dass viele AutorInnen übertrieben auf oberflächliche Gimmicks achten, entweder, weil sie für ein bestimmtes Genre schreiben wollen oder weil sie gerne ein bestimmtes Genre neu erfinden wollen. Da wird Energie an der falschen Stelle investiert: Der Ansatz "ich schreibe mal was Viktorianisches mit Uhrwerken" ist im Prinzip nicht besser und nicht schlechter und auch nicht kreativer als "ich schreibe mal was Interplanetares mit Raumschiffen" oder "ich schreibe mal was, wo der Gute ein Dunkelelf ist". Ich habe oft den Eindruck, dass sich AutorInnen und LeserInnen genau über diesen Kram den Kopf zerbrechen, den ich für völlig zweitrangig halte.
Tolle Autoren wie Samuel Delany erfinden eben nicht unbedingt neue Genres, die greifen einfach z.B. wie in "Neveryona" Sword & Sorcery und machen etwas Eigenes damit. Das, was daran neu und anders ist, lässt sich meistens eh nicht durch die Einführung einer neuen Unterkategorie erfassen.
Es geht mir ja nicht um finanziellen Schaden (siehe mein voriger Post).
aber welcher Schaden entsteht denn? Autor/innen schreiben für Leser/innen (oder sollten es zumindest tun). Selbst wenn da wer Labelmerkmalen sklavisch folgt, was solls, auch dafür gibt es Leser/innen. Die wollen das so! Und finden das gut! Schau dir Perry Rhodan an - Label pur. Und die Fans fahren drauf ab! Wer mit so 'nem Kosmos wie dem von PR seine Probleme hat, der lässt die Finger davon. Schon klar, die PR Autor/innen könnten ihre Zeit nutzen und was anderes schreiben ... Aber was ist dann mit den Fans?
Mit anderen Worten: Nicht das Label ist das Problem. Das Problem ist - wenn es denn überhaupt eines gibt - der Leser/die Leserin. Sie haben sich mit X amüsiert, also wollen sie wieder X. Denn sie wollen sich ja amüsieren. Oder gut unterhalten werden. Oder spannendes lesen. Das mag man oberflächlich oder wie sonst auch immer nennen, letztlich ist es der Markt. Die einen liefern, die anderen kaufen. Und peu a peu wird an der Schraube dessen gedreht, was X ausmacht, denn so sehr die Fans auch X wollen, immer das selbe Essen, das schmeckt auf Dauer fade. Und natürlich kommt immer mal wer mit Y daher ... Und, wow, ist das neu, ist das toll. Davon will dann auch jemand mehr.
Ich sehe das Labeln nicht pessimistisch, ich sehe es als gegeben an (bis auf die Male, wo es mir an Gelassenheit fehlt).
Und ich sehe es auch als gegeben an, dass Leser/innen oberflächliche Merkmale heranziehen, um die Qualität zu beurteilen. Und kann damit leben, wenn die sich durch was auch immer in ihrem Vorgehen bestärkt fühlen (sei es auch nur durch wechselseitiges Schulterklopfen z.B. zur These, dass der ideale SF-Roman nicht mehr als 300 Seiten haben dürfe). Es sind ja nicht alle Leser/innen so.
Viele Grüße
Tobias