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Herbert W. Franke: Zone Null

Geschrieben von Henrik Fisch , in Bücher 01 Oktober 2011 · 554 Aufrufe

Herbert W. Franke: Zone Null
01-Okt-2011: fertig

Tja, was soll ich über ein Buch schreibe, dessen Autor laut Wikipedia »als einer der bedeutendsten lebenden deutschsprachigen Science-Fiction-Autoren« gilt? Noch dazu über ein Buch, das ich vor mehr als fünf Jahren angefangen, bis zur Hälfte gelesen, beiseite gelegt und erst jetzt beendet habe?

Ich fange mal so an:

Ich stehe ja auf abgefahrene Stories. Und »Zone Null« hat nicht nur eine sehr verschwurbelte Geschichte, nein, sie ist auch noch recht verschwurbelt erzählt und geschrieben. So verschwurbelt, dass ich mich als armerer Leser nach zirka fünfzig Seiten gefragt habe, worum es denn eigentlich geht. Jetzt, nachdem ich das Buch beendet habe, denke ich, es geht vermutlich um eine weit entwickelte Gesellschaftsform, so weit entwickelt, dass das Leben an sich beliebig geworden ist. Aber die Mitglieder dieser Gesellschaft sind glücklich (mehr oder minder). In diese Gesellschaft wird jemand von außen gestoßen und fängt an, das Ganze – ohne sein eigenes Wissen – von innen her aufzurollen.

So viel zu meinen verzweifelt hilflosen Versuchen, in das Geschriebene eine Ordnung zu bringen.

Die ersten rund 100 Seiten haben mich genervt. Seitenlange Aufzählungen von Behauptungen und Adjektiven folgen weiteren Aufzählungen, ohne dass Herr Franke sich die Mühe macht, den Leser an die Hand zu nehmen. Vielleicht ist das Absicht, um bestimmte Denkprozesse beim Leser auszulösen. Bei mir hat es eher nicht funktioniert. Das mag durchaus daran liegen, dass ich ein eher einfach gestrickter Mensch bin (meine Freunde behaupten das genaue Gegenteil; meine Mutter auch). Nachdem ich diese hundert Seiten überstanden hatte, folgte ich dem Protagonisten auf seinen Abentuern in der neuen Gesellschaft. Diese Abschnitte des Buches kann ich nur als »hypnotisch« beschrieben. Mit hat's gefallen überall irgendwo herum zu tappen, ohne den Hauch einer Ahnung zu haben, warum was wie passiert. Die Auflösung des Buchs fand ich wiederum banal. Das liegt allerdings eher an dem Alter des Buches und daran, dass andere Autoren diese Idee platter als platt getreten haben. Herr Franke kann ja nichts dafür, dass er bereits 1972 eine Geschichte so enden lässt.

Was ich nicht mehr toleriere, sind Geschichten, in denen sich der Autor keine Mühe gibt, den Leser zu führen. Genau darin besteht die Kunst eines Schriftstellers. Ansonsten wäre der Beruf überflüssig und wir würden alle nur noch Abhandlungen in »Spektrum der Wissenschaft« lesen (wobei ich gestehen muss, dass ich das Magazin mindesten ein Jahrzehtn nicht mehr in Häden hielt; vielleicht sind die ja inzwischen lesbar).

Was mir sehr sehr zu denken gibt: An einer Stelle im Buch spielt der Held ein binäres Spiel. Verliert er, kann er weiter spielen, dafür wird aber der Einsatz verdoppelt. Der Held hat 20.000 von dem, was er einsetzt und beginnt mit 5. Nun hat er nach 11 Spielen bereits mehr verloren, als er besitzt; wir alle kennen ja die Geschichte mit dem Schachbrett und dem Reiskorn. Deutlich lesbar wird hier auch ausgerechnet, warum er verliert. Nämlich weil
  • 5 mal 2 hoch 10 = 20480
und er damit 480 mehr verloren hat, als er besitzt.

Ich will ja nicht kleinlich sein, aber ganz banale irdische Mathematik sollte einer Prüfung standhalten können. Und vielleicht liegt es daran, dass ich selber Computerfreak bin (heute sagt man ja »Nerd«) und alle Ergebnisse von 2 hoch 0 bis 2 hoch 16 im Kopf habe. Aber
  • 5 mal 2 hoch 10 = 5120
und nicht 20480. Ich weiß nicht, wie tolerant andere sind. Aber ich finde so etwas sehr SEHR peinlich. Das riecht ganz übel danach, dass der Autor einfach irgend etwas hingeschrieben hat. Wenn er auch bei den restlichen Gedankengängen in seinem Buch so sorgfältig vorging, dann wundert mich der Schreibstil nicht im Mindesten. Vielleicht bin ich einfach auch nur unwürdig, die Genialität dahinter zu verstehen.

Alles in allem fand ich die Lese-Erfahrung interessant. Das war für mich aber auch »Das Schloß« von Kafka. Allerdings ermunterte mich letzterer Roman durchaus andere Werke des Autors in Angriff zu nehmen. Beim Herrn Franke hat »Zone Null« den gegenteiligen Effekt.



Henrik Fisch


In unserem hiesigen Tanzcafé