Besondere Umstaende

Stross hat augenscheinlich ein gutes Gespür dafür, die Absurditäten der Gegenwart in die nahe Zukunft zu tragen, und angemessen zu verfeinern. Meine "Lieblingsidee" ist bislang folgende: Die "Kartelle" der Musikindustrie sind an ihrem überalterten Geschäftsmodell (respektive Gier) gescheitert. Das "Flickwerk von Urheberrechten" ist auseinander gefallen, und die Künstler sind dazu übergegangen, "sich selbst online zu vermarkten und auf Technologien zu verlegen, in denen Urheberrechte keine Rolle mehr spielen". Also verkauft die Musikindustrie ihr Geschäftsmodell an die einzigen, die wirklich dafür geeignet sind, das Urheberrecht angemessen zu schützen: Die Mafia. Und die rückt mit schwer bewaffneten Schlägertrupps aus ...

Wer die Tagespresse verfolgt wird sich nun verwundert an der Stirn kratzen. Denn fast, so könnte man meinen, hat die Wirklichkeit den guten Stross eingeholt. Man bedenke nur: Staatsanwaltschaften und Ordnungshüter wurden schon vor Jahren zu willfährigen Handlangern von IFPI und Konsorten degradiert. Die vollständige Kriminalisierung des Kunden ist so gut wie abgeschlossen: Nach P2P-Börsen, Musikforen und Webseiten mit Songtexten sind nun Projekte wie MySpace und YouTube an der Reihe. Unlängst ließ Universal-Chef Morris verkünden, man habe aus den Fehlern mit MTV gelernt, die quasi umsonst ein Multimilliarden-Unternehmen mit Universals Musik aufgebaut hätten. Unglaublich welcher Logik man auf dem sinkenden Dampfer folgt.

Ich kann nur die Daumen drücken, dass Stross' Vision (die "echte" Mafia ausgenommen) möglichst schnell Formen annimmt. Gerne bin ich bereit, per Kreditkarte direkt auf der Webseite des Künstlers einen angemessenen Obolus zu entrichten, und mir sein Werk ohne DRM (und ohne GEMA-Gebühr) zu laden.

Ach ja, man bedenke: Lädt man heute bei iTunes, Musicload oder Konsorten einen Song für 99 c, dann verdient die Plattenfirma daran prächtig, denn in den seltensten Fällen wurden adäquate neue Verträge mit den Künstlern für den digitalen Vertrieb abgeschlossen. Mit einem Teil des Umsatzes lässt sich die Industrie CD-Herstellungs-, Logistik- und Vertriebskosten vergüten, die niemals angefallen sind. Accelerando!

Charles Stross
Accelerando

Hab nun endlich Zeit gefunden, mit Accelerando anzufangen. Dabei versuche ich, Stross ungefiltert im Original zu lesen. (Downloadlink zum kompletten Originaltext: bitte klicken.)
Da ich auch die Heyne-Ausgabe besitze, hab ich die Möglichkeit immer mal zu überprüfen, ob ich auch wirklich alles verstanden habe. Interessant ist übrigens auch die Dimension des Textes: das Original-PDF mit eng beschriebenen "DinA4"-Seiten zählt 157 Seiten Text, das Heyne-Buch natürlich weit über 500. So bin ich bei meinem Ausdruck (ja, ich brauche Papier!) irgendwo auf Seite 12, während ich im Heyne-Buch auf Seite 42 hänge!

Meine ersten Eindrücke: Phantastisch! Manfred, so eine Art Open-Source Gott der nahen Zukunft, ist in Amsterdam unterwegs und wird von einer russischen KI kontaktiert, die offensichtlich Produkt eines Uploads neuronaler Netze von Hummern ist. Irgendein fieser Stalker ist auf Manfreds Spur und belästigt ihn mit den sezierten Gehirnen von Kätzchen. Außerdem trifft Manfred "rein zufällig" auf seine (Ex-)Verlobte /Domina Pam ...

Aufregend ist die Handlung augenscheinlich auf diesen knappen Seiten nicht. Dafür ist es elektrisierend, wie Stross die nahe Zukunft beschreibt: Datenbrille mit Webinterface, ständiges Ringen um Bandbreite, allgegenwärtiger Kampf von Firewall vs. Spam, unentwegtes Bloggen, um alle Welt zu integrieren und sich doch abzugrenzen. Interessant auch Mannies Job bzw. Lebensführung. Besonders cool fand ich den Künstler, der alles mit Gummi überzieht (dachte schon, ich hätte da im Original etwas mißverstanden).

Jaja. So schnell kanns gehen!

Schon ist es wieder passiert: wir haben alles überarbeitet und präsentieren das Forum in neuem Look und mit neuer Software. Dass der Schnitt dieses mal etwas härter ausfällt, ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass wir die Software "zukunftsfähig" halten müssen.

Das letzte Update lag weit zurück und mit der alten Portalsoftware und den alten Skins war kein Update möglich. Deswegen entschieden wir uns für eine Komplettsanierung. Zukünftig werden wir dann in der Lage sein, jedes Softwareupdate mitzunehmen und stets auf dem laufenden zu sein. Das ist dieser Tage angesichts fieser und sehr raffinierter Spam- und Bot-Attacken einfach unvermeidlich.

Das Scifiboard und das SF-Buchforum haben wir wiederbelebt, um beide Bereiche ("Literatur" und "Medien") in Zukunft weiter ausbauen zu können. Unter den alten Bedingungen wäre der Boardindex einfach zu unübersichtlich geworden.

Ich bin mal sehr auf eure Reaktionen gespannt und freue mich schon auf den "Forenaltag"!

So. Am Samstag geht's los. Zwei beschauliche Urlaubswochen auf Korfu. Neben jeder Menge köstlichem Mythos und Heineken (hüstel), Kubikmetern an Gyros und griechischen Salaten (grüner, Gurke, Paprika, Zwiebel, Feta, Essig und Öl) bedeutet das vor allem: Lesen.

Meine ultimative Liste:

1. R.C. Wilson - Spin
2. Iain Banks - Blicke Windwärts
3. Perry Rhodan - Der Schwarm (Moewig, Teile 1 und 2)
4. John C- Wright - The Golden Age (noch fertiglesen)
5. Michael McCollum - Lebenssonden

Damit ich nicht völlig verblöde:

1. Calvin/Ojemann - Einsichten ins Gehirn (noch fertiglesen)
2. die aktuelle Ausgabe des Rolling Stone Magazins

Mal gespannt, wie weit ich komme.

Meine Güte! 5 Jahre Scifiboard/SF-Buchforum/SF-Netzwerk, wie auch immer! Das ist schon was. Jueps erinnert uns in einem eigenen Thread daran, dass es Zeit ist, sich selbst zu feiern. Allerdings kann ich mich da nur äußerst kleinlaut anschließen, bin ich mir doch darüber bewußt, wie rar ich mich in den letzten Wochen, mittlerweile sind es schon Monate, mache.

Aber so ist das wohl: Die Arbeit kommt einem ins Gehege, hinzu gesellt sich meine jährlich (Vor)weihnachts-Fantasy-Leselust/-SF-Leseunlust und schwups ...! Dennoch lasse ich es mir auch im höchsten Stress und tiefsten Motivationsloch nicht nehmen täglich mehrmals vorbeizugucken. Und (jetzt kommt's) dann sehe ich jedesmal, was für ein schönes Fleckchen Internet wir da zusammen haben.

Der Laden ist mittlerweile ein Selbstläufer (was nicht immer so war - als ich 1998 das SF-Buchforum startete musste ich noch sämtliche Beiträge alleine verfassen, selbstverständlich unter wechselden Namen!) Auch wenn die Postingzahlen bei StarTrek, Star Wars und Konsorten unsere scheinbar verhöhnen: die Qualität der Beiträge, der Umgang miteinander, all das funktioniert mE ganz ausgezeichnet und um das Moderatorenteam dürfte uns bestimmt so manche Community beneiden!

In diesem Sinne, mein Dank an alle die mitgeholfen haben das ganze hier aufzubauen und am Leben zu halten (wo ist der Pathos-Smily eigentlich hin?).

For Those About To Rock, I Salute You!

Immerhin: Bis Dezember 2005 stehen die Neuerscheinungen. Das Programm für das Frühjahr 2006 lege ich in den nächsten Tagen nach. Sehr nett, dass mir Kopernikus bei der Zusammenstellung der Titel hilft, das nennt man Einsatz.


Wenn ich nun das Jahresprogramm überblicke fällt mir auf, dass es ein sehr gutes war. Da sind viele interssante Titel dabei (gewesen) und auch ein paar Highlights bzw. Überraschungen. Auf der anderen Seite sticht allerdings ins Auge, dass relativ wenig neue Namen auftauchen. Altbewährtes als Weg aus der Krise?

DIE LETZTEN TAGE DER SCHÖPFUNG von Jeschke als "Meisterwerk der SF" zu verkaufen ist eine nette Geste von Heyne. Man muss allerdings kritisch darauf hinweisen, dass sich der Verlag bis zum Erscheinen vom CUSANUS-SPIEL (bei Knaur) nicht sehr um Jeschkes Arbeiten bemühte. Böse Zungen könnten hier Opportunismus unterstellen.

Ansonsten bin ich froh, einen netten Stapel an interessanten Romanen vorbereitet zu haben. Der Dezember sieht nämlich ein bisserl mau aus (sehen wir mal von Brins Comeback mit COPY) ab.

Ich muss gestehen, dass sich diese Episode aus dem Kulturuniversum doch ein wenig zieht. Nach 400 Seiten überzeugt Banks den Leser nicht eindringlich genug, Lesezeit in weitere 200 Seiten zu investieren. Schade.

Mein Hauptproblem ist schnell umrissen: Ich vermisse irgendeine Form der "Tuchfühlung". Unter anderem fasziniert mich an der Kultur das Alltagsleben der Menschen (einen guten Einblick gewährt zum Beispiel DAS KULTURSPIEL, oder auch EINSATZ DER WAFFEN). Wie beispielsweise leben die Menschen auf einem Allgemeinen System Fahrzeug (ASF) und wie ist das Verhältnis zwischen Maschinen (also den empfindungsfähigen Drohnen und Gehirnen) und Menschen. Wieso eigentlich diese Koexistenz, wenn die Maschinen doch offensichtlich keine Menschen brauchen und ohne sie ebensogut oder gar besser zurechtkämen?

In EXZESSION vernachlässigt Banks diese Frage sträflich, er klammert die Menschen sogar vollkommen aus. Pläne werden ausschließlich von den Gehirnen geschmiedet und die gigantischen ASF tummeln sich um die Exzession wie Fliegen um den Hundehaufen. Durch diese radikale Rationalisierung seiner ursprünglichen Vision von eigentlich unvorstellbaren Raumkreuzern und Orbitalen nimmt sich Banks selbst die Butter vom Brot. Warum nämlich sollte die Kultur mit ASF operieren, wenn es ein kleiner effizienter Kreutzer von 30 m Länge, der Platz für ein Gehirn und einen Antrieb bietet, ebenso tut? Die Menschen werden erstmalig völlig zu Statisten degradiert, die schlicht keinen Platz mehr im Konzept haben und die Kultur zu einer Maschinenkultur, die Menschen als Besatzung (wofür?) mitschleppt.

Vielleicht bemerkts ja der ein oder andere, aber im Moment feile ich hier und dort noch ein wenig an Board, Portal und Blog und halte mich mit kosmetischen Kinkerlitzchen auf. Habe die letzten zwei Abende noch über meiner Rezi zu Stross' Supernova gebrütet. Und gerade will ich das Ding in die Buchdatenbank kloppen und werde unsanft daran erinnert, dass dort auch noch einiges im Argen liegt. Auweia. Ich hoffe, ihr habt noch etwas Geduld mit uns!