Also für mich hört sich IMAGON nach der typischen "Ungeheuer im Eis"-Geschichte an. Kann jemand dies zerstreuen und ein paar Argumente für das Buch bringen? Ich konnte mich bisher noch nicht für einen Kauf erwärmen.
Holger hat ja in seiner Rezension die Handlung ziemlich gut wiedergegeben, da kann man nichts hinzufügen ohne noch mehr zu verraten. Wenn das als Appetitanreger immer noch nicht ausreicht, kann ich vielleicht versuchen mein Interesse für das Buch transparent zu machen. Ob das allerdings ausreicht ... man wird sehen.
Um von vorherein ein Missverständnis auszuräumen:
Imagon ist
kein übernatürlicher Horror-Roman im eigentlichen Sinn, er ist viel eher ein SF-Wissenschaftsthriller mit Horror-Schock-Effekten (Anleihen bei Carpenters Verfilmung von Campbells
Ding aus einer anderen Welt sind sicher nicht unbeabsichtigt). Es passieren Schauer erregend grauenhafte Dinge, aber die sind alle nicht wirklich
über-natürlich, sondern lediglich abgrundtief fremdartig für unseren menschlichen Verstand...
Das Ding im Grönland-Gletscher ist natürlich ein Ungeheuer im Eis und wer mit einem solchen Szenario partout nichts anfangen kann, sollte lieber die Finger von
Imagon lassen. Ob es allerdings eine
typische Ungeheuer-im-Eis-Geschichte ist, möchte ich bezweifeln. Das Ding ist kein gewöhnliches Monster. Es ist derart fremdartig, dass es unmöglich aus unserer Welt, unserem Bereich des Universums stammen könnte.
Kern und Angelpunkt von
Imagon ist Lovecrafts Cthulhu-Mythos. Das Ding im Eis ist ein Wesen das jeder, der mit Lovecrafts Kosmos vertraut ist und der dessen
Berge des Wahnsinns gelesen hat, nur zu gut kennt. Diesem Ding in unserer Zeit zu begegnen hat schon seinen grauenhaften Reiz. Es ist deshalb auch für mich schwer nachzuvollziehen wie Marraks Roman auf jemand wirkt dem der ganze Lovecraft-Hintergrund fehlt.
Der Reiz von
Imagon liegt vor allem darin zu sehen wie Marrak Lovecrafts Cthulhu-Mythos in die moderne Welt überträgt, die Anspielungen auf Lovecraft zu entschlüsseln, die Lovecraftschen Monster nicht über die Distanz der Jahre zu betrachten, sondern ihnen praktisch hautnah gegenüber zu stehen. Seit den Zeiten Lovecrafts hat sich unser Wissen stark vermehrt, es gibt nicht mehr so viele weiße Flecken auf der Landkarte, die Antarktis ist keine Terra Incognita mehr, das heißt ein Roman der Lovecrafts leicht angestaubtes Bestiarium wiedererweckt muss diesem Fortschritt Rechnung tragen. Deshalb fährt Marrak die ganze Palette moderner Wissenschaft auf um dem Wesen des Dinges im Eis auf den Grund zu kommen - und lässt sie scheitern. Moderne Gentechnik und Physik sind (noch) nicht in der Lage die Fremdartigkeit des Dinges zu enträtseln. Das ist natürlich kein Wunder wenn man die Natur und die Herkunft des Dinges kennt (ich muss hier ein wenig um den heißen Brei herumreden, weil ich natürlich nicht zu viel verraten will).
Aufmerksam wurde ich auf
Imagon auch erst nachdem mir bekannt war das Marrak so etwas wie eine Neuerzählung der
Berge des Wahnsinns versuchte und da hatte er bei mir leichtes Spiel, weil gerade diese Lovecraft-Erzählung so ziemlich meine Lieblingsgeschichte ist.
Lovecrafts Cthulhu-Mythos ist im Kern reine SF, das darf man nicht vergessen, das habe ich auch weiter oben bereits skizziert. Ich zitiere mich mal eben selbst:
Der Hintergrund des lovecraftschen Universums ist eigentlich ein typisches SF-Szenario. Es geht meist um kosmische, unglaublich fremdartige Wesen aus fernen Bereichen des Universums bzw. anderen Dimensionen, die seit Jahrmillionen im Verborgenen, unerkannt auf der Erde leben (bzw. gelebt haben) und von denen manchmal einige arme Zeitgenossen einen winzigen Hinweis ihres Wirkens erleben. Der reicht aber in der Regel völlig aus sie in den Wahnsinn zu treiben. In Lovecrafts Universum ist die Menschheit nur eine unbedeutende Randnotiz in der Geschichte der Erde und hinter der Realität unserer Existenz lauern unglaubliche Wesenheiten, die seit Äonen darauf warten die Herrschaft über die Erde wieder anzutreten.
Genau hier setzt auch Marrak an, er spinnt den Cthulhu-Mythos weiter, lässt ihn in der Gegenwart ankommen, damit die Cthulhus endlich...
P.S. Ich hoffe ich muß mich als Lemling nicht für meine irrationale Lovecraft-Begeisterung rechtfertigen...
Trurl
Bearbeitet von Trurl, 03 April 2004 - 21:16.