Nun, inzwischen ist schon so ziemlich alles gesagt worden, was ich zur RBE angemerkt hätte, wenn auch nicht unbedingt genau im Wortlaut und dazu noch vieles andere - aber ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass ich der Diskussion noch viel Neues hinzufügen könnte, und dementsprechend breite ich die Details jetzt nicht noch mal aus. Als Fazit kann ich nur feststellen, dass die RBE sehr stark auf dem anthropologischen Weltbild beruht, das ich schon ganz als erstes bemerkt hatte. Damit erscheint dann auch Chinos Beharren auf dem "veränderten Bewusstsein" als folgerichtig, weil die RBE sich im Grunde nicht davon isolieren lässt.
Damit übertragen sich dann allerdings auch meine eingangs geäußerten Bedenken auch auf den wirtschaftlichen Kern des Modells. Es steht und fällt mit dem "neuen Menschen" - kein System, um die Menschen, wie sie jetzt sind, in ein Paradies zu führen; eher ein Modell, mit dem sich Engel ein Paradies schaffen könnten
Lustig fand ich dann noch zwei Dinge - erst mal musste ich gleich an die Vorwürfe von "SF" und "Star Trek" denken, die hier von einigen Seiten geäußert und kritisiert wurden. Aber tatsächlich war "Star Trek" genau das, was ich mir gedacht habe, als ich mir jetzt die RBE genauer angeschaut habe. Und das meine ich nicht abwertend, sondern als ernstgemeinten Vergleich.
Ich fühlte mich da an eine Aussage von Rhoddenberry erinnert, die der mal getätigt hatte auf den Vorwurf hin, seine Zukunftsversion wäre "naiv": Er meinte da sinngemäß, er ginge davon aus, dass die Menschheit, die bei Star Trek geschildert würde, nicht die heutige wäre, auch wenn sie auf den ersten Blick so aussieht. Aber er hätte sich dabei vorgestellt, dass die Menschheit sich bis dahin auch (evolutionär) fortentwickelt hätte, und zwar geistig, so dass seine Mensch klüger wären und auch moralisch weiter, so dass diese Menschen ihre materielle Gier und Geld hinter sich lassen konnten.
Also, ich habe das Gefühl, wenn irgendwelche Kritiker bei dem Konzept "Star Trek" rufen, müssen sich die Anhänger nicht beleidigt fühlen, sondern können im Grunde "stimmt" rufen.
Und lustig fand ich dann noch die Aussage:
... Andersdenkende werden also als "anormal" angesehen. Das finde ich bedenklich.
... denn seltsamerweise hatte ich an diesen und einigen anderen Stellen bei mir selbst gedacht, dass das ja gar nicht mal so neu und unrealistisch ist, und dass ich selbst in meinen Skizzen für mögliche SF-Romane selbst schon ähnliche Szenarien festgehalten habe, komplett mir technischen Details, wie so was möglicherweise funktionieren könnte.
Nur waren das Entwürfe für Dystopien, und da Ähnlichkeiten zu entdecken, fand ich dann bedenklich
Und wie mit Menschen umgegangen wird, die nicht gleich HURRA rufen, hat Chino uns gezeigt.
Hm, weggehen und sie in Ruhe lassen? So schlimm klingt das jetzt nicht ...
(Sorry, die Bemerkung konnte ich mir jetzt nicht verkneifen)
Die Frage ist doch bei all diesen Sachen: Ist das angestrebte System eine Verbesserung?
Nein, die Frage des Threads war eigentlich: Ist diese Utopie möglich?
Wenn man das für eher unwahrscheinlich hält, ist die Frage, wie gut, wünschenswert oder auch nur besser das Konzept ist, eigentlich irrelevant. Denn seine Ressourcen in eine unmögliche Sache zu investieren führt auf jeden Fall zu einer Verschlechterung, weil das Unmögliche wird man naturgemäß nicht bekommen, und die Ressourcen, mit denen man vielleicht eine mögliche, wenn auch nicht ganz so ideale Verbesserung hätte hinkriegen können, sind dann weg.
Die Geschichte kennt kein unverbindliches "Probieren wir mal". Jeder Versuch hat seinen Preis und verhindert andere mögliche Lösungen.
Manchem mag es reichen, nur auf ein sympathisches Ziel zu schauen und den Weg dahin nur mit Durchhalteparolen überbrücken zu wollen ("nicht pessimistisch sein ...", "wenn alle es wollen/anpacken ...", "nicht immer gleich miesmachen", "Lösungen wird man schon finden ...", "so wie jetzt geht es eh nicht weiter, also kann man doch mal was Neues probieren"). Das ist halt der Unterschied zwischen einer realen alternativen Gesellschaft und einer rein literarischen Utopie: Man kann die Realität nicht in leuchtenden Farben zeichnen, und dann ist sie da. Man muss dorthingehen, und meistens ohne Abkürzungen und mit blutigen Füßen. Man spart sich viel Ärger, wenn man vorher schaut, ob das schöne Ziel auch auf festem Boden steht und ob ein Weg dahin führt.
Ich hatte oben gesagt, dass ich es für ein Konzept halte, mit dem Engel sich ein Paradies schaffen können. Je mehr ich auf die Einzelheiten schaue, um so treffender finde ich den Vergleich. Ich habe nämlich das Gefühl, wenn man diesem Weg folgen und die ganze Menschheit mitnehmen will, sollte man sich sehr sicher sein, dass alles, was in der menschlichen Geschichte nicht so gut gelaufen ist, wirklich nur auf Zufälle und unglückliche äußere Umstände zurückzuführen ist und dass man tatsächlich ausschließlich mit Engeln unterwegs ist.
Und darauf würde ich zumindest nicht meine Seele verwetten wollen.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)