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Karla Schmidt (Hrsg.) - Hinterland, Teil 1


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215 Antworten in diesem Thema

#181 Jakob

Jakob

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Geschrieben 14 Januar 2011 - 12:18

Zunächst muss ich voraussetzen, dass alle Leser und Autoren dieselbe Definition von "Übernatürlich" verwenden. Das ist offensichtlich nicht der Fall, also gehe ich von der allgemeinen Definition aus ("den bekannten Naturgesetzen widersprechend").

Ich möchte - insbesondere in Bezug auf Dein Beispiel aus Hyperion, Karla - ausdrücklich betonen, dass ich nicht das geringste Problem damit habe, wenn übernatürliche Phänomene in der SF vorkommen. Ganz sicher nicht, wenn sie (wie bei den Zeitgräbern oder auch der "Macht" bei Star Wars oder oder oder) wesentliche, originelle Bestandteile der Handlung sind.


Mich interessiert allerdings, wie du in Bezug auf SF-Literatur diese Definition von "Übernatürlich" sinnvoll halten willst. Ich glaube nicht, dass ich jemals eine SF-Story oder gar einen Roman gelesen habe, in der nicht zumindest ein wissenschaftlich mindestens extrem unwahrscheinliches Element auftaucht. So ziemlich alles, was mit virtuellen Realitäten oder Klonen zu tun hat, widerspricht z.B. dem, was man derzeit weiß oder zumindest mutmaßt (soweit ich das Überblicke, und natürlich abhängig davon, die Argumente z.B. welcher Hirnforscher man jetzt überzeugender findet). Wenn einen alles, was man wissenschaftlich unglaubwürdig oder zumindest eher für von Scharlatanerie oder Schlampigkeit als von seriöser Wissenschaft inspiriert hält, rausreißt, gibt es dann noch SF, die sich "realistisch" anfühlt?

Ich orientiere mich da mehr an dem Modus: Ein Buch, in dem z.B. Äther als Bindemedium existiert, kann für mich absolut SF sein und sich realistisch anfühlen, wenn das Element eine Konsistenz wahrt und mir gemäß wissenschaftlicher Erkenntnismethoden präsentiert wird - wenn die Geschichte also in einer Welt spielt, in der Äther eine wissenschaftliche Realität ist und keine magische Realität.

Wenn das Phantastische nur zum Sammelbegriff für das wissenschaftlich Unglaubwürdige macht, tut man ihm doch zumindest im Rahmen der Literatur Unrecht, dann ist es (auch, wenn man dabei nicht wertet) ein Defizitbegriff: Etwas, dem es an Glaubwürdigkeit mangelt. Fände ich schade, und ich glaube, es ist auch nicht besonders sinnvoll, Literatur in dieser Weise in direkten Bezug zur Wirklichkeit zu setzen. Dann wirft man wissenschaftliche Was-wäre-wenn-Szenarien, die den Naturgesetzen bewusst widersprechen, in einen Topf mit magischen Geschichten, die eine ganz andere "Weltlogik" aufbauen.
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

R. Scott Bakker

"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama

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#182 Heidrun

Heidrun

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Geschrieben 14 Januar 2011 - 12:42

Gestern war ich auf Dienstreise, heute wieder krümelkackend am Start.
Ich habe meinen Kommentar zu "Lebenslichter" nicht bei der Hand, aber der ging etwa so: "Das mit den Gefühlsbrillen ist natürlich Mumpitz, aber die Story ist gut." Deshalb ist sie im Buch gelandet, denn ohne Brillen keine Story. Bei der Erlösungsdeadline sind die Brillen nicht nötig. Die Story würde auch funktionieren, wenn Veronique nur das PMC (?) manipuliert. Als nörgelnder Lektor hätte ich eine Streichung angeregt.

Ich glaube, es gibt ungefähr vier Zustände von Literatur mit phantastischen Elementen:
- Fantasy: macht sich die Regeln selbst und macht das deutlich, z. B. durch Vampire in der Großstadt. Aber auch da gibt es eine innere Logik. Ich wäre enttäuscht, wenn Vampire plötzlich kein Blut söffen und tagsüber nicht in der Gruft, sondern in der Sonne lägen.
- SF: erwartet normalerweise eine hohe Plausibilität. Deshalb steht da das "S" wie science. Das ist eben nicht Fantasy mit Raumschiffen. Das Spiel mit den Möglichkeiten macht einen Teil des Spaßes aus.
- Dinge, die sich nicht beweisen lassen: Warp-Antrieb, Umspeichern von Psychen in andere Leute, Beamen, Gefühlsbrillen - alles hochgradig zweifelhaft, aber halbwegs mit dem Weltbild vereinbar, wenn alles andere stimmt.
- Fehler: supraleitende Heizdrähte, Stürme auf dem Mars, Sonnenbrand auf dem Jupiter, Hafnium, das bei Röntgenbestrahlung explodiert und die Welt verwüstet. Das sind Dinge, die einfach nicht gehen, weil sie den Erkenntnissen der Wissenschaft widersprechen. So wie Äpfel halt auf den Boden fallen und nicht in 1.5 m Höhe um den Baum kreisen.
Mit 1 und 2 habe ich kein Problem, 3 ignoriere ich, wenn mir die Story gefällt, und 4 treibt mich auf die Bäume.
Mit "Hyperion" kann ich leider nicht dienen. Es gibt Bücher, die ich nicht gelesen habe. Sogar eine ganze Menge. Aber verratet das nicht.

So, und jetzt noch eins aus der Kategorie "Schulterklopfen":
Mein heimischer Nur-Leser hat sich den Band geschnappt und "Tief-Blau" lobend erwähnt: "Böse, aber gut". Allerdings merkte er an, als die Rede davon war, mit Satelliten metallische U-Boote zu orten, da war ihm klar, daß da unten ein nicht-metallisches U-Boot sein muß. Der Wink mit dem Zaunspfahl war wohl zu deutlich. (Das war nicht der schlimmste Anfall von Hellseherei. Bei meinem Fernseh-Krimi hat er nach einer Minute trompetet, daß er weiß, wer der Mörder ist - "Der ist es nämlich immer!". Und er hatte auch noch recht http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/sad.png )
Außerdem war er von "Müller-Brot" begeistert, über das wir später reden, befürchtet jedoch Interventionen von einem mit "Müller" beginnenden Lebensmittelkonzern. :o
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#183 Armin

Armin

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Geschrieben 14 Januar 2011 - 12:52

Ich habe meinen Kommentar zu "Lebenslichter" nicht bei der Hand, aber der ging etwa so: "Das mit den Gefühlsbrillen ist natürlich Mumpitz, aber die Story ist gut." Deshalb ist sie im Buch gelandet, denn ohne Brillen keine Story.

So war dein Kommentar, ich kann mich gut erinnern. Als Nicht-Physiker haben mich die Brillen nicht gestört, weder hier noch da.

#184 Jakob

Jakob

    Temponaut

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Geschrieben 14 Januar 2011 - 12:59

- Dinge, die sich nicht beweisen lassen: Warp-Antrieb, Umspeichern von Psychen in andere Leute, Beamen, Gefühlsbrillen - alles hochgradig zweifelhaft, aber halbwegs mit dem Weltbild vereinbar, wenn alles andere stimmt.


Aber zerstören diese Dinge wegen ihrer Unwahrscheinlichkeit ein glaubwürdiges SF-Feeling, oder ist das nicht eher Geschmackssache, bei welchem Motiv man sich eher mit der theoretischen Möglichkeit anfreunden kann und bei welchem weniger? Die Gefühlsbrillen stören mich z.B. kein bisschen, weil ich denke: "Klingt unwahrscheinlich, aber könnte durch unerwartete wissenschaftliche Erkenntnisse auch ins Reich des wahrscheinlichen rutschen, ohne, dass mein persönliches Weltbild erschüttert würde". Bei Umspeichern von Psychen würde ich dagegen sagen: "Das ist wissenschaftlich so ein hahnebüchener Blödsinn, das kann eigentlich auch nicht wahrscheinlich werden, gibt aber ein nettes Gedankenspiel ab". Trotzdem würde ich das aber nicht als phantastisches oder übernatürliches Element bezeichnen, es sei denn es wird im Modus des Phantastischen geschildert (also z.B. als Folge eines magischen Rituals).
Es gibt ja einen ziemlich prinzipiellen Unterschied zwischen einer Wirklichkeit, die man anhand wissenschaftlicher Kriterien erschließen kann, in der also Ursache und Wirkung eine Verkettung potentiell messbarer Übertragungen von Energie und Materie sind, oder einer magischen Wirklichkeit, in der Ursache und Wirkung synbolisch verknüpft sind (ich piekse in eine Voodoo-Puppe, und dem Opfer meines Zaubers tut der Rücken weh). Wenn man das Unglaubwürdige und das Übernatürliche in einen Topf wirft, dann verliert man diesen Unterschied aus den Augen, und in der Literatur würde das zu ziemlich seltsamen Ergebnissen führen, wenn man Werke, deren ganze Ästhetik der SF entspricht (fast alles von Asimov, viel von Lem, ganz zu schweigen von Dick) plötzlich der Phantastik zuschlagen oder mindestens sagen müsste, dass sie voll mit Elementen des "Übernatürlichen" sind.

Kurz:Ich finde, der Unterschied zwischen einer "pseudowissenschaftlichen" Gefühlsbrille und einem Zauber, mit dem man die Gefühle eines anderen Menschen lesen kann, ist ästhetisch viel gewaltiger als der Unterschied zwischen einer Gefühlsbrille und einem real existierenden Lügendetekor.
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#185 Nadine

Nadine

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Geschrieben 14 Januar 2011 - 13:35

@Nadine „Dass es ein schlechtes Ende gibt, stört mich dagegen überhaupt nicht (Das ist ja realistisch).“
Wie? Gute Enden sind demzufolge stets unrealistisch?

Ok. Fettnäpfchenzielsprung. Ich finde ein Ende, das für den Protagonisten und vielleicht für die ganze Sache an sich "schlecht" ausgeht realistischer als ein positives Ende. Es gibt unheimlich schöne Beispiele ind er Wirklichkeit, wie Menschen für etwas kämpfen und etwas bewegen und ich habe immer wieder das Gefühl, Teile der Welt werden wieder "besser", aber die Wahrscheinlichkeit, dass jemand das Ökodorf plattmacht, weil er dort Raps für Biosprit anbauen und teuer verkaufen kann (obwohl er genau weiß, dass vielleicht Leute Hungern, die hier kein Essen mehr anbauen können und die Autofahrer sich lieber einschränken sollten), ist meines Erachtens wahrscheinlicher. Positive Enden gefallen mir auch nur dann richtig gut, wenn jemand etwas dafür getan hat und nicht einfach nur Glück hatte, dass der Bösewicht im richtigen Moment an seine Omi zurückdenkt oder sich den Ärmel in der Kreissäge einklemmt. Am liebsten sind mir Teilenden: Die Geschichte an und für sich endet zum Beispiel für den Protagonisten positiv, aber man ahnt, dass jetzt weitere Dinge in Gang gesetzt werden. (Aus Sicht der CUSA ist es ja ein gutes Ende).

Im Endeffekt macht es die Mischung: Eine ganze Anthologie nur mit positiven oder negativen Enden wäre auch nichts. Das Ende muss zur Geschichte passen. Mir fällt nicht ein, wie Otta ohne Deus ex machina hätte entkommen können, also finde ich den Schluss realistisch, wie er ist.

Europa ist nicht nur ein Kontinent.

 


#186 T. Lagemann

T. Lagemann

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Geschrieben 14 Januar 2011 - 13:50

Kuerzer Einwurf von mir ... muss gleich runter und in der Jugendbib Beratung machen:


Ja, das sind auch meine Einwände. Aber das Dilemma mit der Glaubwürdigkeit funktioniert auch bei anderen Dingen. Wenn sich z.B. ein Charakter plötzlich um 180 Grad dreht und es psychologisch einfach völlig unglaubwürdig ist oder völlig unmotivierte Bösewichte (Es passt halt in die Handlung. Haha. Deshalb finde ich die meisten Hollywoodfilme doof). Kann acuh mal nett sein und wenn die Story einen absolut in den Sessel bannt und man ein bisschen abschalten möchte, dann ist es auch ok.


Das ist doch ein grundsätzliches Problem aller Texte - die Glaubwürdigkeit. Und damit meine ich nicht, ob etwas wissenschaftlich möglich ist oder nicht bzw. im Bereich der SF möglich sein könnte oder nicht. Es geht um Glauben, um das Akzeptieren der im Text gegeben Informationen. Natürlich ist manches nur in gewissen Genres möglich - in Bond-Filmen z.B. geschieht allerlei physikalisch unmögliches, in chinesischen Filmen, in US Actionstreifen etc. pp. ... Sobald ich diese Dinge aber "glaube", sei es auch nur für den Zeitraum des Films, funktioniert der Film dennoch. Und er unterhält. In einem Tatort sähe es mit derartigen Unmöglichkeiten anders aus.

Bei SF bin ich entsprechend großzügig, auch wenn das Science enthalten ist, es ist doch auch Fiction. Und meist spielen derlei Texte ja nicht heute. Also glaube ich auch an Dinge, die heute nicht vielleicht nichtmal denkbar sind, aber es vielleicht morgen oder übermorgen sein können.

Habe letztens übrigens einen Nicht-SF Roman gelesen, in denen ein kleines Kerlchen mit Laterne eine überaus wichtige Rolle spielt (ein "Tomte"). Anzunehmenderweise gibt es die nicht wirklich, aber sein Erscheinen hat dem Text eine doch ganz besondere Note gegeben. Der Roman wäre für mich ohne Tomte übrigens unglaubwürdiger geworden.

Lektoren sehen diese Problematik gewiss mit anderen Augen, eben weil ein Text ja auch ökonomisch sein müssen (Heidrun hat ja darauf verwiesen). Details, gerade wenn sie unglaubwürdig sind oder möglicherweise unwissenschaftlich, müssen da wohl geopfert werden. Das ist für manchmal bestimmt auch schade, weil eben da wohl auch manches rausfliegt, das für Leser vielleicht doch Sinn macht.

Ach ja, ich glaube übrigens auch an diesen Blödsinn, den Romeo und Julia gemacht haben, obwohl ein derartiges Verhalten für mich absolut undenkbar ist. Und nur deshalb funktioniert das Ende des Stücks für mich.

Viele Grüße
Tobias
"Wir sind jetzt alle Verräter."
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."

(James Corey, Calibans Krieg)

"Sentences are stumbling blocks to language."

(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)

"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"

(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")
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#187 Naut

Naut

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Geschrieben 14 Januar 2011 - 18:48

Ich glaube, meine Position ist gar nicht so weit von Jakobs entfernt, auch wenn er scheinbar gegen mein Statement argumentiert. Ich sehe Genre nämlich als eine Achse in einem Vektorraum, in dem John Brunner irgendwo ganz auf der SF-Seite steht, Michael Ende ganz weit auf der Fantasy-Seite, und die Space-Opera mit ihren FTLs irgendwo in der Mitte. Und ja, natürlich gibt es Fantasy, die sich wie SF anfühlt, "Bas Lag" zum Beispiel. Und es gibt SF, die sich wie Fantasy anfühlt, "Pliocene Exile" etwa. Es geht um die Zerstreuung des Unglaublichen; klar, dass es Meister gibt, die einem auch ganz absurde Dinge unterschieben können. Was ich aber absolut hasse sind Dinge, die absolut unnötig falsch sind. Sprechende Bienen, die eine industrielle Produktion betreiben in "Bee Movie" finde ich absolut in Ordnung, der Hut geht mir erst hoch, wenn Gras(!) mangels Bestäubung(!!) innerhalb von Stunden(!!!) eingeht. Das ist so schlecht, dass mir gar keine Elative zum Beschimpfen dazu einfallen. Von diesem Kaliber ist eine nette Gefühlsbrille zum Glück nicht.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#188 karla

karla

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Geschrieben 14 Januar 2011 - 20:13

Nabend ... hier geht es ja ab. :D <_<

Nochmal ganz kurz zu Uwe, und nur zu Sachen, die noch nicht von andern gesagt wurden:

Aus meiner Sicht wäre die Lösung offensichtlich: Brillen streichen, Lähmung streichen, Ende umschreiben -> Perfekte Geschichte ;)


Nein, nein, nein! Es wäre dann vielleicht eine gefälligere Geschichte. Aber auch eine ganz andere. Die Lähmung hat nichts damit zu tun, dass die Hauptfigur passiv wäre. Dass sie nicht passiv ist, aber gelähmt, das macht ja gerade dieses Ende aus. Menno. Das Ende absolut zwingend aus der Story hervor. Anders gehts nicht.

Aber nach Deinen Erläuterungen liegt für mich die Erklärung nahe, dass die Geschichte im Vakuum einfach nicht so gut funktioniert. Wenn ich sie mir als Teil eines Romans oder Novellensammlung vorstelle, sieht die Sache ganz anders aus.


Mal sehen, wie es wird, wenn ich die andern Stories beisammen habe ...

Zu den Sonnenbrillen bei Erlösungsdeadline: Seit John Carpenters „Sie Leben“ stehe ich auf Sonnenbrillen mit dem gewissen Extra. Von daher stellen die Brillen ein nettes add-on dar.


Ahhhh! Das tut mal gut. :)

Als Nicht-Physiker haben mich die Brillen nicht gestört, weder hier noch da.


Uff! Ich bin erleichtert ...

Ich sammele einfach mal weiter, was mir gefällt. Eingefügtes Bild

Kurz:Ich finde, der Unterschied zwischen einer "pseudowissenschaftlichen" Gefühlsbrille und einem Zauber, mit dem man die Gefühle eines anderen Menschen lesen kann, ist ästhetisch viel gewaltiger als der Unterschied zwischen einer Gefühlsbrille und einem real existierenden Lügendetekor.


Bei SF bin ich entsprechend großzügig, auch wenn das Science enthalten ist, es ist doch auch Fiction. Und meist spielen derlei Texte ja nicht heute. Also glaube ich auch an Dinge, die heute nicht vielleicht nichtmal denkbar sind, aber es vielleicht morgen oder übermorgen sein können.


... der Hut geht mir erst hoch, wenn Gras(!) mangels Bestäubung(!!) innerhalb von Stunden(!!!) eingeht. Das ist so schlecht, dass mir gar keine Elative zum Beschimpfen dazu einfallen. Von diesem Kaliber ist eine nette Gefühlsbrille zum Glück nicht.


Ich fühle mich ... irgendwie erlöst. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/cool.png

LG, Karla

Bearbeitet von karla, 14 Januar 2011 - 20:45.


#189 fahrenheit.451

fahrenheit.451

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Geschrieben 14 Januar 2011 - 21:14

- alles hochgradig zweifelhaft, aber halbwegs mit dem Weltbild vereinbar, wenn alles andere stimmt.
ignoriere ich, wenn mir die Story gefällt

Genau das ist der Punkt. In einer guten Geschichte kann man mir, wenn's gut verkauft wird, fast alles unterjubeln. Mit Betonung auf "gute Geschichte".
Und deswegen hat mich die Brille nicht gestört.

So wie Äpfel halt auf den Boden fallen und nicht in 1.5 m Höhe um den Baum kreisen.

Coole Idee, Heidrun. Krieg ich die?

Außerdem war er von "Müller-Brot" begeistert, über das wir später reden, befürchtet jedoch Interventionen von einem mit "Müller" beginnenden Lebensmittelkonzern. <_<

Grüße an den Nur-Leser... Und nein, die haben nicht die Rechte an allem, was mit Müller anfängt...
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#190 †  a3kHH

†  a3kHH

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Geschrieben 14 Januar 2011 - 22:42

Tief-Blau
Wie?? Die Bösen gewinnen?? Merke: Falls mal die Bösen gewinnen sollten, so niemals absolut! In Ihrem Sieg muss stets der Keim zum Untergang stecken. Und wenn schon die Heldin stirbt, dann sterben gefälligst alle!

Wie kommst du zu dieser Meinung?

Wüsste ich auch gerne. Wieso dürfen die Bösen nicht "ganz und gar" gewinnen?

Weil das unmoralisch ist und SF eine zutieftst moralische Literaturgattung darstellt.

#191 karla

karla

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Geschrieben 15 Januar 2011 - 00:31

Weil das unmoralisch ist und SF eine zutieftst moralische Literaturgattung darstellt.


http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/laugh.png :) <_<

@Karsten: Danke. :D

Bearbeitet von karla, 15 Januar 2011 - 00:32.


#192 karla

karla

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Geschrieben 15 Januar 2011 - 01:17

Darauf muss ich mal noch eingehen ...

Ich orientiere mich da mehr an dem Modus: Ein Buch, in dem z.B. Äther als Bindemedium existiert, kann für mich absolut SF sein und sich realistisch anfühlen, wenn das Element eine Konsistenz wahrt und mir gemäß wissenschaftlicher Erkenntnismethoden präsentiert wird - wenn die Geschichte also in einer Welt spielt, in der Äther eine wissenschaftliche Realität ist und keine magische Realität.


Das halte ich für zentral: Es geht letztlich um die Erzählhaltung, mit der etwas gezeigt wird. Je selbstverständlicher mit Hilfe einer Erzählhaltung eine beliebiege Gegebenheit gezeigt wird, desto authentischer wirkt sie auch. So jetzt mal die These.
Das heißt: Wenn meine "Erzählhaltung" von einem magischen Weltbild ausgeht, dann erkläre ich das nicht groß. Es ist einfach da und tut seine Wirkung. Ebenso, wenn die Erzählhaltung grundlegend realistisch ist.
Wenn ich dann aus dieser Grundhaltung heraus "nichtrealistische" Elemente einbinde, wirken sie dennoch realistisch, weil der Erzähler sie so betrachtet. Sei es die "Macht", seien es "Zeitgräber" o.a. Durch die Erzählhaltung wirkt es als gegeben, und das genügt, um Leser für den Moment zu überzeugen.

Und wenn ich beides mische? Ich mag die Irritation, die aus so etwas entsteht.

LGK

#193 b_streun

b_streun

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Geschrieben 15 Januar 2011 - 01:26

So, nun bin ich auch mal wieder hier!


zu Erlösungsdeadline

Das sehe ich auch so: Janus ist am Tiefpunkt. Für mich aber eben im eindeutig tragischen Sinne. Er ist gescheitert, er wird nicht wieder aufstehen. Punkt. Von daher empfinde ich das Ende nicht als absolut offen.

das ist aber schade†¦ nun kann natürlich eine Story mit dem Tod des Helden enden (gibt es ja einige tote Helden hier in der Anthologie :)), aber wenn ich nun weiß, dass die Story weiter geht, dann fehlt mir jetzt mein Held†¦. Oder ist es eher als eine Art „Triptychon“ (auch wenn†™s mehr Storys gibt) zu verstehen?

Offen bleibt aber natürlich, was mit den anderen Figuren passiert. Dass zumindest Véronique gut durchkommt, weiß man (so man die Story kennt), aus "Lebenslichter†¦..

mhm†¦ nun kenne ich „Lebenslichter“ (noch) nicht†¦ und so fehlt mir natürlich der background...
Aber auf die Folgestorys bin ich dann natürlich sehr gespannt!! <_<


Und um auf diese Brillen zurückzukommen:
Ich halte das gar nicht für absurd.
Kirlianfotografie, Nacktscanner, Lügendetektoren†¦. gibt es. Und diese ominöse Software, die aus Passanten „verdächtiges Verhalten“ rausfiltern soll†¦ man mische das alles, rühre ein wenig um†¦ warum soll man nicht irgendwann die „emotionale Gefühlsbefindlichkeit“ eines Menschen irgendwie sichtbar machen können†¦ und dann in solche Brillen verpacken?
- Grausliche Vorstellung†¦ aber gar nicht esoterisch oder übernatürlich. Nur extrapolierte Gegenwart.
Also, da sind alle Warpantriebe u.ä. weit unrealistischer.

Vielleicht sollten die Brillen eine wichtigere Rolle spielen, damit man sie nicht als verzichtbar ansehen kann†¦

Aber, ganz allgemein zur „Esoterik": ich glaube, wir haben einige Stories in der Anthologie, die im weitesten Sinne die Esoterik streifen†¦. Es muss halt in der Story selbst stimmig sein.



Heute morgen fiel mir noch, dass ich vergessen hatte, dass ich die Idee in On Idle, dass die Ziele/Emotionen/Gedanken/Aufgaben des zeitreisenden Ichs auf das gegenwärtige Ich übertragen werden, recht originell finde.

danke http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/wink.png (obwohl das recht esoterisch ist)

Klasse Story. Abschluss frei nach dem Motto „Pech gehabt“. Kein übertriebenes Technobabbel und keine unnötige Gewalt. Eine meiner Lieblingsstorys dieser Sammlung.

oh, das freut mich, danke :D

#194 karla

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Geschrieben 15 Januar 2011 - 20:22

Hallo Leute,

gerade habe ich gesehen, dass Rusch für den zweiten Abschnitt der Leserunde einen neuen Thread aufgemacht hat: Hinterland 2

Gute Idee, Danke!

Was haltet Ihr davon: Wer noch etwas zu den Geschichten 1-10 loswerden möchte, kann das hier tun.
Ansonsten machen wir ab morgen nebenan mit 11 bis 20 weiter. Dann wirds wieder etwas übersichtlicher.

Bis morgen, Liebe Grüße, Karla

#195 Jaktusch † 

Jaktusch † 

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Geschrieben 15 Januar 2011 - 21:33

Und um auf diese Brillen zurückzukommen:
Ich halte das gar nicht für absurd.
Kirlianfotografie, Nacktscanner, Lügendetektoren†¦. gibt es. Und diese ominöse Software, die aus Passanten „verdächtiges Verhalten“ rausfiltern soll†¦ man mische das alles, rühre ein wenig um†¦ warum soll man nicht irgendwann die „emotionale Gefühlsbefindlichkeit“ eines Menschen irgendwie sichtbar machen können†¦ und dann in solche Brillen verpacken?
- Grausliche Vorstellung†¦ aber gar nicht esoterisch oder übernatürlich. Nur extrapolierte Gegenwart.
Also, da sind alle Warpantriebe u.ä. weit unrealistischer.


Ich empfinde das auch so. Aber Uwe oder Heidrun haben eben einen anderen "Blick".
(toll war ja Karlas Konter neulich, ob diese Sicht der Dinge denn überhaupt geisteswissenschaftlich fundiert sei...)

Jaktusch
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#196 methom

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Geschrieben 15 Januar 2011 - 22:19

Also, da sind alle Warpantriebe u.ä. weit unrealistischer.


Aus heutiger Sicht vielleicht (oder wahrscheinlich) ja. Aus der Sicht, der Welt, die in der Geschichte präsentiert wird, nein. In Star Trek (oder eine beliebige andere Space Opera) passt ein Überlichtantrieb wunderbar hinein. Er ist vor dem Hintergrund der geschilderten Technologie plausibel. Die Welt ist in sich schlüssig. (Auch wenn das dann vielleicht eher Fantasy mit Raumschiffen als Science Fiction ist, aber was soll's.)

Vor dem Hintergrund einer Welt, die sehr dicht an der unseren dran ist, nur wenige Jahre in der Zukunft, aber nach allem was geschildert wird, in allen Aspekten auf der heutigen Realität fußend, erscheint die Stimmungsbrille mir (und offensichtlich einigen anderen) als unglaubwürdig. Sie zwingt mich dazu, darüber nachzudenken, ob das überhaupt möglich ist, und reißt mich aus dem Kosmos, in den ich eingetaucht bin, und zwingt mich, mir auf der Metaebene Gedanken über diesen Kosmos zu machen. Das empfinde ich als störend.

Natürlich ist der Grad dessen, was in einer Geschichte als konsistent angesehen wird, völlig subjektiv und sicherlich von unzähligen Faktoren abhängig. In diesem Fall bleibt und daher meiner Meinung nach festzuhalten, dass die Stimmungsbrillen von der Leserschaft recht unterschiedlich auf- uns angenommen werden.

edit: Tippfehler korrigiert.

Bearbeitet von methom, 16 Januar 2011 - 10:02.

Biom Alpha ist im Sonnensystem angekommen. Jetzt auf eigener Seite und auf Twitter @BiomAlpha


#197 b_streun

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Geschrieben 16 Januar 2011 - 01:16

Natürlich ist der Grad dessen, was in einer Geschichte als konsistent angesehen wird, völlig subjektiv und sicherlich von unzähligen Faktoren abhängig. In diesem Fall bleibt und daher meiner Meinung nach festzuhalten, dass die Stimmungsbrillen von der Leserschaft recht unterschiedlich auf- und angenommen werden.

Ja, so ist es wohl. Ich halte solche Brillen in 17 Jahren schon für möglich...

Aber, das ist ein gutes Schlusswort für die Brillendiskussion!
:P

#198 Heidrun

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Geschrieben 16 Januar 2011 - 15:51

Und diese ominöse Software, die aus Passanten „verdächtiges Verhalten“ rausfiltern soll†¦

Da muß ich noch einen loswerden, weil ich kürzlich zu einem Forum über Bildverarbeitung war (für einen SF-Autor ein Anlaß zu Paranoia ...). Hab mit verschiedenen Leuten geredet, die sich mit Bewegungs- und Mustererkennung an Menschen beschäftigen. Einhellige Meinung: Es ist nahezu unmöglich, bei einem einzelnen Menschen vorherzusagen, was er im nächsten Moment tun wird. Menschen sind zu unlogisch. Die Automobiltypen hätten zu gern eine Software, die vor auf die Straße laufenden Leuten warnt, kriegen es aber nicht hin. Das beruhigt einen dann wieder.

@Karsten: Die Äpfel gehören mir. Basta! Irgendwann brauche ich die mal.
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#199 Naut

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Geschrieben 17 Januar 2011 - 07:41

Da muß ich noch einen loswerden, weil ich kürzlich zu einem Forum über Bildverarbeitung war (für einen SF-Autor ein Anlaß zu Paranoia ...). Hab mit verschiedenen Leuten geredet, die sich mit Bewegungs- und Mustererkennung an Menschen beschäftigen. Einhellige Meinung: Es ist nahezu unmöglich, bei einem einzelnen Menschen vorherzusagen, was er im nächsten Moment tun wird.

Als jemand, der sich beruflich mit dem Kram befasst, kann ich diese Aussage voll und ganz bestätigen. Man kann ziemlich genau vorhersagen, wieviele Menschen am Ende des Tages was gemacht haben werden, aber für ein Individuum zu sagen, was es im nächsten Moment tun wird, ist eine ganz andere Sache.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#200 karla

karla

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Geschrieben 17 Januar 2011 - 08:34

@Naut und Heidrun: Glaube ich Euch sofort, dass man konkrete, einzelne Handlungen kaum oder gar nicht vorhersehen kann.

Wenn ich das richtig sehe, dürfte es aber kein Problem sein, im Bedarfsfall ein Gesetz zu zimmern, dass es erlaubt, Leute "rauszuziehen", deren mentaler oder emotionaler Zustand zu Wünschen übrig lässt, denn sie könnten ja potentiell Verbotenes tun.
Nehmen wir eine Flughafenkontrolle in, na, sagen wir zwei Jahrzehnten. Ein bisschen unterschwellige Aggressivität in der Warteschlange, ordentlich Angstschweiß vor dem Nacktscanner, eine Verspannung bestimmter Gesichtsmuskeln beim Versuch zu lächeln, ein offensichtlicher Drang zur Toilette und zusammengekniffene Aftermuskeln ... und dann läuft der Kerl auch auch noch mit Talibart und Turliban rum?! Potentieller Attentäter! Vorsichtshalber erstmal festsetzen! Kann ja sein, dass er eine Bombe im Arsch hat. :)

Mehr müssen solche Geräte - ob man sie in eine Brille oder in andere "Scanner" packt - doch eigentlich gar nicht können: Nur Zustände beschreiben, die als gefährlich oder fragwürdig gelten und den entstprechend Befugten einen Anlass geben, sich näher mit ihnen zu befassen.
Man könnte sich z.B. auch vorstellen, dass Psychiatereinheiten Jagd auf Leute machen, die nicht ganz in Balance sind, um sie - zum ihrem eigenen Besten - zwangszutherapieren ... oder so.

LGK

#201 Naut

Naut

    Semantomorph

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Geschrieben 17 Januar 2011 - 09:06

@Naut und Heidrun: Glaube ich Euch sofort, dass man konkrete, einzelne Handlungen kaum oder gar nicht vorhersehen kann.

Wenn ich das richtig sehe, dürfte es aber kein Problem sein, im Bedarfsfall ein Gesetz zu zimmern, dass es erlaubt, Leute "rauszuziehen", deren mentaler oder emotionaler Zustand zu Wünschen übrig lässt, denn sie könnten ja potentiell Verbotenes tun.
Nehmen wir eine Flughafenkontrolle in, na, sagen wir zwei Jahrzehnten. Ein bisschen unterschwellige Aggressivität in der Warteschlange, ordentlich Angstschweiß vor dem Nacktscanner, eine Verspannung bestimmter Gesichtsmuskeln beim Versuch zu lächeln, ein offensichtlicher Drang zur Toilette und zusammengekniffene Aftermuskeln ... und dann läuft der Kerl auch auch noch mit Talibart und Turliban rum?! Potentieller Attentäter! Vorsichtshalber erstmal festsetzen! Kann ja sein, dass er eine Bombe im Arsch hat. :)

Mehr müssen solche Geräte - ob man sie in eine Brille oder in andere "Scanner" packt - doch eigentlich gar nicht können: Nur Zustände beschreiben, die als gefährlich oder fragwürdig gelten und den entstprechend Befugten einen Anlass geben, sich näher mit ihnen zu befassen.
Man könnte sich z.B. auch vorstellen, dass Psychiatereinheiten Jagd auf Leute machen, die nicht ganz in Balance sind, um sie - zum ihrem eigenen Besten - zwangszutherapieren ... oder so.

LGK

Ja, diese Technologie ist absolut plausibel (und etwas ähnliches wird tatsächlich schon erprobt). Aber das ist nicht die Funktionsweise, die Du in Deinen Geschichten beschreibst, denn da funktioniert die Brille ja tatsächlich absolut zuverlässig als eine Art "Gedankenleser". Es sind ja oft nur ganz feine Nuancen, die die Grenze zwischen plausibel/unplausibel definieren.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#202 Rusch

Rusch

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Geschrieben 17 Januar 2011 - 10:05

Ich bin noch meine Meinung zu den letzten Geschichten der ersten Hälfte schuldig: On Idle Eine gut erzählte Zeitreisegeschichte. Nicht mehr und nicht weniger. Ich meine, das Thema war schon in den 1960er Jahren vollständig abgehandelt. Alles was wie heute noch lesen können sind nur noch Variationen. Der Saxophonist vom Rathaus Neukölln Eine Geschichte mit viel Athmosphäre mit einem Ende, das für mich zu aufgesetzt wirkt. Erlösungsdeadtline Hierzu wurden ja so 80 bis 100 Postings verfasst. Wieder eine gute Geschichte mit vielen parallelen zu Lebenslichter. Mir gefiel das mit der Erlösersekte recht gut und auch die Tatsache, dass der Leser keine Antworten erhält. Vielleicht liefert Karla diese ja noch nach. :)

#203 Rusch

Rusch

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Geschrieben 17 Januar 2011 - 10:05

Ich bin noch meine Meinung zu den letzten Geschichten der ersten Hälfte schuldig: On Idle Eine gut erzählte Zeitreisegeschichte. Nicht mehr und nicht weniger. Ich meine, das Thema war schon in den 1960er Jahren vollständig abgehandelt. Alles was wie heute noch lesen können sind nur noch Variationen. Der Saxophonist vom Rathaus Neukölln Eine Geschichte mit viel Athmosphäre mit einem Ende, das für mich zu aufgesetzt wirkt. Erlösungsdeadtline Hierzu wurden ja so 80 bis 100 Postings verfasst. Wieder eine gute Geschichte mit vielen parallelen zu Lebenslichter. Mir gefiel das mit der Erlösersekte recht gut und auch die Tatsache, dass der Leser keine Antworten erhält. Vielleicht liefert Karla diese ja noch nach. :)

#204 Heidrun

Heidrun

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Geschrieben 17 Januar 2011 - 12:21

Ja, diese Technologie ist absolut plausibel

Was sind wir uns heute wieder einig! Daran glaube ich auch sofort: Schweißgeruch, falscher Gesichtsausdruck, Händezittern ...
Als Attentäter würde ich erst einmal ein Beruhigungsmittel einwerfen.
Im Übrigen bin ich aus schierer Dusseligkeit jahrelang mit einem Taschenmesser im Handgepäck geflogen, und keiner hat es je gemerkt. Wenn das kein Vertrauen schafft! Dafür mußte ich regelmäßig mit meiner Fotokamera ein Bild verballern, um zu beweisen, daß es keine Bombe ist. Als müßte man dazu das "Klick" abschalten. Und mein Laptop wird IMMER gescannt.
  • (Buch) gerade am lesen:Gene Wolfe "Sword and Citadel"

#205 Jaktusch † 

Jaktusch † 

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Geschrieben 18 Januar 2011 - 01:11

Aber das ist nicht die Funktionsweise, die Du in Deinen Geschichten beschreibst, denn da funktioniert die Brille ja tatsächlich absolut zuverlässig als eine Art "Gedankenleser".


Über "absolute Zuverlässigkeit" wird meiner Erinnerung nach nichts ausgesagt. Könnte durchaus sein, dass die Daten, die die Brille anzeigt, nur recht "wacklig und ungefähr" sind. Oder, dass einige wenige tatsächlich messbare Daten durch ein "Auslegungsprogramm" auf Angaben wie "zufrieden+7" extrapoliert werden.

Jaktusch
Man erwirbt keine Freunde, man erkennt sie.

#206 b_streun

b_streun

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Geschrieben 18 Januar 2011 - 02:34

...zu den Brillen fällt mir noch gerade die kürzlich gesendete TV-Serie "Alpha 0.7" ein, wo es um Gehirnscans geht mit dem Anspruch präventiver Kriminalitätsbekämpfung... spielt 2017.
http://www.mdr.de/tv/7881324.html

Da wäre es sicher kein Problem, per Scan erhobene Daten in Farbspiele umzuwandeln und daraus ein nettes Brillengadget zu basteln...

Momentan funktioniert das alles zum Glück (noch) nicht, das ist in der Tat beruhigend.
Aber es wird bereits in der Richtung geforscht und da kann sich viel tun in den nächsten Jahren, wenn denen nicht das Geld ausgeht (aber vielleicht will der sicherheitsindustrielle Komplex durch diese Forschungen vor allem seine eigene Existenz sichern - und man wird irgendwann kopfschüttelnd zurückblicken auf diese Irrwege :()

@Rusch
thanx :help:

#207 karla

karla

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Geschrieben 18 Januar 2011 - 07:47

Ja, diese Technologie ist absolut plausibel (und etwas ähnliches wird tatsächlich schon erprobt). Aber das ist nicht die Funktionsweise, die Du in Deinen Geschichten beschreibst, denn da funktioniert die Brille ja tatsächlich absolut zuverlässig als eine Art "Gedankenleser".


Hm ... ich erinnere mich gar nicht, das behauptet zu haben. Oder bin ich schon so löchrig im Hirn?

Was sind wir uns heute wieder einig!


Ist doch auch mal ganz schön. :help:

Über "absolute Zuverlässigkeit" wird meiner Erinnerung nach nichts ausgesagt. Könnte durchaus sein, dass die Daten, die die Brille anzeigt, nur recht "wacklig und ungefähr" sind. Oder, dass einige wenige tatsächlich messbare Daten durch ein "Auslegungsprogramm" auf Angaben wie "zufrieden+7" extrapoliert werden.


Da wäre es sicher kein Problem, per Scan erhobene Daten in Farbspiele umzuwandeln und daraus ein nettes Brillengadget zu basteln...


Genau. Eingefügtes Bild

So, rüber ins andere Hinterland ...

LGK

#208 Pepe Metropolis

Pepe Metropolis

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Geschrieben 19 Januar 2011 - 11:44

Oh, shame on me,
ich habe ja noch gar nix zur Erlösungsdeadline
gesagt.
Mir hat die Story gut gefallen. Mit Janus hat die
Geschichte einen Protagonisten, der sicher jedem
Leser Empathie entlockt.
Zudem beinhaltet die Geschichte den für mich
»besten« Satz der Anthologie. Er steht auf Seite 224.
Eine simple, auf den ersten Blick unscheinbare, Formulierung,
aus der dennoch eine tiefe prophetische Wirkung von Bedrohlichkeit
entspringt, und die in wenigen Worten das Wesen von Janus
und der gesamten Geschichte »essenziert«.

Wenn ich das richtig sehe, dürfte es aber kein Problem sein, im Bedarfsfall ein Gesetz zu zimmern, dass es erlaubt, Leute "rauszuziehen", deren mentaler oder emotionaler Zustand zu Wünschen übrig lässt, denn sie könnten ja potentiell Verbotenes tun.

Das »potentiell« könnte meiner Ansicht nach
die Lösung für das Brillen-Problem sein.
Angenommen, die Brille liefert nicht
absolute, hundertprozentig richtige,
sondern potentielle Ergebnisse,
also Wahrscheinlichkeiten, dann wäre
eine solche Technologie doch durchaus denkbar.
Neben optischen Auswertungsverfahren von
Mimik und Gestik, könnte es ergänzend noch
chemische Sensoren geben, die das Hormon-Niveau
einer Person messen.
Viele Endorphine: Person freut sich, mich zu sehen.
Adrenalinschub: Person steht unter Stress. usw.
Natürlich bliebe alles reine Interpretation.
Eine Maschine wird vermutlich nie eine menschliche
Intuition ersetzen können.
Aber auf Basis einer Datenbank etwa könnte eine
solche Brille Wahrscheinlichkeiten errechnen
und sich somit der Wahrheit zumindest annähern.
Natürlich gebe es auch Störfaktoren.
Eine Person könnte botoxverseucht oder gelähmt sein,
und die chemische Lokalisierung hätte sicher zu kämpfen,
wenn zu viele Menschen in den Radar ihrer Sensoren
kämen.
Für möglich halte ich es dennoch.

Gruß
Pepe

#209 karla

karla

    Cybernaut

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Geschrieben 19 Januar 2011 - 12:02

Zudem beinhaltet die Geschichte den für mich
»besten« Satz der Anthologie. Er steht auf Seite 224.
Eine simple, auf den ersten Blick unscheinbare, Formulierung,
aus der dennoch eine tiefe prophetische Wirkung von Bedrohlichkeit
entspringt, und die in wenigen Worten das Wesen von Janus
und der gesamten Geschichte »essenziert«.


Meinst Du etwa den Satz mit dem Bier? :P

#210 Pepe Metropolis

Pepe Metropolis

    Nanonaut

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Geschrieben 19 Januar 2011 - 12:31

Meinst Du etwa den Satz mit dem Bier? :P

:fun:

So isses.
Ein Satz wie die japanische Küche:
einfach, alles auf das Wesentliche reduziert
und dennoch tiefgründig.


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