Die Forderung nach einem garantierten Grundeinkommen krankt an vielen Defiziten in der Umsetzung und der Folgenabschätzung - an so vielen, dass ich sie gar nicht alle aufzählen kann. Ich beschränke mich daher auf einige Schlaglichter:
1. Die Annahme, dass die Einführung eines solchen Einkommens zu massiven Einsparungen im Sozialbereich (Verwaltung, Transfers) führen werde, ist irrig. Zum einen müssen ja all die freigesetzten Mitarbeiter irgendwo hin. Ein signifikanter Anteil dürfte, durchaus verbittert darüber, rausgeworfen worden zu sein, sich in exakt die Hängematte legen, die zu ihrer Entlassung geführt hat. Dadurch werden neue Kosten entstehen. Dann ist zu bedenken, dass unser Sozialsystem nicht nur aus dem Transfer von ALG 2 besteht. Gerade angesichts der Tatsache, dass spezielle Zielgruppen weiterhin eine Sonderbehandlung einfordern werden - Behinderte, Senioren (ein Altenpflegeplatz ist deutlich teurer als ein garantiertes Grundeinkommen) - wird es eine Sozialverwaltung geben. Was ist mit der ganzen präventiven Sozialpolitik? Verbraucherschutz? Gesundheitsvorsorge? Niedrigschwellige Sozial- und Gemeinwesenarbeit? Jugendarbeit? Wird alles abgeschafft? Das kann auch Jakob nicht ernsthaft glauben. Fazit: Die Kosten eines garantierten Grundeinkommens werden die Einsparungen um ein Vielfaches übersteigen.
2. Jakob meint, dass viele die Einführung des Mindesteinkommens zum Anlass nehmen werden, ihre Produktivkräfte zu entfalten. Aber im Gegensatz zur sozialistischen Idealvorstellung wollen viele Menschen vor allem deswegen ihre Produktivkräfte entfalten, weil sie gerne einen Mercedes SLK mit Nappaledersitzen und Wurzelholzausstattung hätten. Sobald sie aber merken, dass ein Großteil dessen, was sie über das Mindesteinkommen hinaus verdienen, ihnen vom Staat aber zur Finanzierung exakt dieses Einkommens wieder abgenommen wird (oder in Punkt 3 gesteckt werden muss), werden viele Ausweichstrategien fahren: sie werden entweder nicht mehr arbeiten - es lohnt sich ja offenbar nicht -, sie werden schwarz arbeiten (was der Finanzierung des Systems auch nicht hilft) oder sie werden in ein Land auswandern, das ihre Qualitäten besser zu honorieren weiß. Es ist interessant, dass die Finanzierungsfrage beim Mindesteinkommen oft so diskutiert wird, als käme das Geld aus der Luft und müsse nur abgesogen werden. Wer ernsthaft glaubt, dass ein produktiver und kreativer Teil der Menschen nur deswegen zu arbeiten bereit ist, um einer großen Schicht an Empfängern und Nichtstuern ein schönes Leben zu ermöglichen, der hat die politische Diskussion der letzten Jahre nicht verstanden. Man kann das Problem natürlich kurzzeitig durch intensives Gelddrucken lösen...
3. Das garantierte Mindesteinkommen heizt die Preisspirale und Inflation ja sowieso schon an. Ich will nur kurz auf Sekundäreffekte eingehen wie z. B. die vollständige Eliminierung des Niedriglohnsektors, der vor allem Dienstleistungen teurer machen wird, was dann dazu führt, dass die Empfänger des Grundeinkommen laut ihre Teilhaberechte einklagen und eine kontinuierliche Anpassung des Einkommens nach oben fordern werden, was wiederum die Kosten von Dienstleistungen und Produkten wieder nach oben treiben wird, da man Leuten, die noch kellnern wollen oder die Straße von Hundekacke befreien exorbitante Löhne zahlen müsste, um sie zur Arbeit zu bewegen. Und so weiter, immer nach oben.
4. Ein garantiertes Mindesteinkommen führt als Insellösung zur Einwanderung ins Sozialsystem. Bevor da Irritationen ausbrechen: das ist eine absolut rationale und verständliche Handlungsweise. Gut, man könnte sagen: nein, das Einkommen ist nur für Staatsbürger. Dann hätten wir zum einen ein verfassungssrechtliches Problem (auch Menschen mit geregeltem Status haben die gleichen sozialen Rechte wie Staatsbürger), aber wir schaffen sofort die Zweiklassengesellschaft - natürlich eine schöne Lösung für den Niedriglohnsektor, denn für den hätten wir dann ja die Migranten. Wollen wir nicht? Dann erzeugen wir den von mir genannten Einwanderungssog. Wir geben den Leuten einfach keine Aufenthaltsgenehmigung? Dann erzeugen wir massive illegale Einwanderung. Und bis die auch in Nigeria und Bangladesh das garantierte Mindesteinkommen eingeführt haben, das dürfte noch eine Weile dauern (von Bosnien und Albanien mal ganz zu schweigen). Ich könnte auch noch anfangen von dem Anstieg an Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu reden, wenn z. B. die Regierung die Forderungen nach einer Erhöhung des Einkommens abschlägig beantwortet, weil die Anzahl der Empfänger durch Zuwanderung nach oben geklettert ist und daher das Geld nicht reicht.
5. Die politischen Konsequenzen schildert Jakob gar rosig, ich befürchte, dass man auch ein anderes Szenario bedenken muss: das garantierte Mindesteinkommen schafft eine Klasse von Dolisten, die alle viel Zeit haben, sich gut organisieren können, um ihre Forderungen dem Staat gegenüber zu formulieren und in der Demokratie daher ständige Druckmittel zur Erhöhung ihrer Bezüge in der Hand haben - ohne etwas dafür tun zu müssen, denn es ist ja alles "garantiert". Oh Freude. Und der Staat kann mit den Geldscheinen wedeln und sich damit die Zustimmung zu Dingen erkaufen, die er sonst noch gerne zu tun hätte, wie z. B. Vorratsdatenspeicherung, Schnüffelaktionen ohne Gerichtsbeschluss, Zensurmaßnahmen usw. usf. Da haben dann alle was davon. Schöne neue Welt. Außer natürlich, wir werden künftig von wohlwollenden KIs statt von Menschen regiert (und außer natürlich, wir werden alle zu neuen Menschen mit dem richtigen Bewusstsein, aber das hat schon mal nicht geklappt).
Fazit: Ich bin der Auffassung, dass die Einführung eines garantierten Mindesteinkommens früher oder später in einer ökonomischen, sozialen und politischen Katastrophe enden wird. Und daher hoffentlich das wirre Hirngespinst bleibt, das es zur Zeit ist.
Bearbeitet von Diboo, 18 März 2011 - 08:30.