Du möchtest also allen Ernstes behaupten, es wäre den Opfern von Kriegsverbrechen eine echte Hilfe und somit gerechtfertigt, Unschuldige aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu kriminalisieren?
Selbstverständlich hilft es den Opfern, wenn verbrecherische Taten ans Tageslicht kommen, unter denen sie oder ihre Familienangehörigen gelitten haben. Ich suche vielleicht nachher oder morgen noch ein zwei Beispiele heraus, falls das wirklich nötig ist.
Komme erst jetzt dazu, hier ein aktuelles Beispiel, zornige O-Töne von den Nebenklägern im Demjanjuk-Prozess, die nun selbst alt und betagt sind. Anscheinend haben sie ...
nichts vergessen. (Der KZ-Wächter Demjanjuk wurde nunmehr wegen Beihilfe zum Mord an 28 060 Menschen im Vernichtungslager Sobibor zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt; die Strafe wurde wegen Altersgründen ausgesetzt).
Mehr als ein Dutzend von über 30 Nebenklägern sind angereist, um vor Gericht zu sprechen. Rund zwei Dutzend Angehörige und Freunde begleiten sie. Viele haben Tränen in den Augen, als die Nebenkläger nacheinander ans Mikrofon treten und ihre Schicksale schildern: Als Kinder zu Waisen geworden, traumatisiert und in unterschiedlichen Familien aufgewachsen, bestimmen die Erlebnisse von damals bis heute ihr Leben.
“Ich stehe hier als einzige Überlebende der ganzen Familie“, sagt Mary Richheimer-Amstel von Leijden. Auch wenn es in der Kürze der Zeit nicht möglich sei, die ganze Tragweite zu verdeutlichen: Für sie sei es schon ein Sieg, dass es ihr möglich sei, hier zu sprechen. “Ich habe jeden Tag die Trauer dieses Verlustes zu tragen“, ruft der 79-jährige David van Huiden Demjanjuk zu. “Er sollte schon verstehen, dass meine Familie genauso wertvoll ist wie für ihn seine Familie“, ergänzt er und wiederholt den Satz zur Bekräftigung. Doch Demjanjuk rührt sich nicht.Quelle:
http://www.tz-online...by-1204551.htmlIn diesem, konkreten Fall im reißerischen Titel. Denn alle Bilder zusammen zeigen nicht, das sämtliche Angehörigen der Wehrmacht oder auch nur ein maßgeblicher Prozentsatz dieser in die Nähe von Verbrechen gerückt werden können.
Sämtliche ganz sicher nicht; das zeigen auch nicht die vier Themenschwerpunkte der Ausstellung. Im Übrigen heißt die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" und nicht etwa "Verbrechen sämtlicher Wehrmachtsangehöriger". - Am besten ist es aber wohl, sich einfach an den
Inhalten der Ausstellung zu orientieren.
Das ist in etwa so, als ob ich fleißig authentische Fotos und Augenzeugenberichte über unangemessene Gewaltanwendung durch die bundesdeutsche Einsatzpolizei gegen friedliche Demonstranten sammle und dann eine große Wanderaufstellung "Verbrechen der bundesdeutschen Polizei" starte. Der Aufschrei wäre gewaltig. Wenn es jedoch um die Zeit des Nationalsozialismus geht, genügen 0,05 Promille Verbrecher, damit die Austellung nicht nur unter diesem Motto läuft, sondern auch vehement gegen Kritik verteidigt und jeder Versuch der Differenzierung mindestens als Relativierung abgeschmettert wird.
Nein, das ist nicht
etwa so. Dein Vergleich ist unangebracht, schon allein deswegen, weil die Kontexte ganz unterschiedlich sind. Es würde möglicherweise - ich bin kein Historiker - Sinn machen, die Rolle der Polizei und der Wehrmacht im Hinblick auf ihre Rolle im NS-Staat zu vergleichen.
Und tatsächlich wird auch hier lokalhistorisch immer mehr aufgearbeitet.
(So habe ich gelesen, dass es in der Stadtbibliothek Bremen aktuell eine Ausstellung zur Polizei im Nationalsozialismus gibt. Im Begleittext heißt es:
Polizeigewalt - Bremens Polizei im Nationalsozialismus. Ausstellung und Begleitprogramm (30. April bis 27. Mai 2011)
Unsere Ausstellung zeigt:Alle Sparten der Polizei in Bremen arbeiteten mit an der Durchsetzung der Ziele des NS-Staates. Und nichts deutet darauf hin, dass sie das nur widerstrebend oder unter Zwang getan hätten. Wen immer die Nationalsozialisten als ihre Feinde bezeichneten, der war auch der Feind der Polizei: Politische Gegner wie Kommunisten oder Sozialdemokraten, Oppositionelle etwa aus den Reihen der Kirchen. Oder Menschen, die nicht in die nationalsozialistischen Vorstellungen von der deutschen ›Volksgemeinschaft‹ passten und die als ›asozial‹ aus der Gesellschaft ausgegrenzt wurden und in den Konzentrationslagern verschwanden.Die Entrechtung, Drangsalierung und Deportation der Juden und der Sinti und Roma war wesentlich mit das Werk der Polizei. )
Wir verlieren uns in Worthülsen, fürchte ich. Eine verbrecherische Handlung ist eine Handlung, die in der Rechtsnorm ihres Tatortes und ihrer Tatzeit strafbar ist. Wenn wir von Mord reden, gilt in der Bundesrepublik Deutschland § 211 Absatz 2 des StGB: "Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet." - Wenn wir nun nicht annehmen wollen, dass beispielsweise der Schutz des eigenen Lebens oder das von Angehörigen ein niederer Beweggrund ist, muss im Einzelfall abgeklärt werden, ob ein Notstand vorlag oder nicht, bevor man Vorwürfe erhebt.
Ich gehe als gewöhnlicher Besucher (d.h. Nicht-Historiker ohne Zugang zu den Quellen ) davon aus, dass sich die ausstellenden Historiker wirklich sicher sind, wenn sie Wehrmachtssoldaten auf den, Kriegsverbrechen darstellenden Fotos identifizieren. Da der wissenschaftliche Direktor des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes eine der Hauptreden auf der 2. Wanderausstellung gehalten hat, gehe ich auch davon aus, dass seitdem keine weiteren falschen Fotos zu beanstanden waren.
(Für deine juristische Belehrung danke ich, übergehe sie jedoch; - ich nehme an, dass eine Ausstellung kein Strafprozeß wie im Falle Demjanjuk sein will / sein kann.)
Dann haben es die Organisatoren IMHO versäumt, dies zu verdeutlichen, denn soweit ich mich erinnere, wurde die Verbrechen weder in ihrer Schwere noch in ihrer Anzahl in Relation zum Vorgehen der gesamten Wehrmacht gesetzt. Generell zeigen Bilder und Augenzeugenberichte eben nur die Tat, nicht aber ihre Hintergründe.
Das weiß ich nicht. In jedem Fall sind in der zweiten Wanderausstellung weitere erläuternde Texte ergänzt worden.
Ich denke vielmehr, es wäre Zeit, eine Diskussion über Krieg als Verbrechen an sich anzustoßen, statt wahlweise sich selbst oder anderen Momentaufnahmen von Verbrechen vorzuwerfen, [b]die im Zuge jedes Krieges von allen Beteiligten begangen werden.
Ich diskutiere gerne auch über den Krieg als Verbrechen "an sich" . Dennoch stehe ich nach wie vor auf dem Standpunkt, dass zunächst die Abläufe der einzelnen Kriegsverbrechen rekonstruiert werden müssen.
Im Übrigen gilt: Die in der Wehrmachtsausstellung dokumentierten Verbrechen sind alles andere als "Momentaufnahmen". Vielleicht verstehe ich auch nicht ganz, was du mit diesem Begriff meinst.
Bearbeitet von UdoTascher, 13 Mai 2011 - 14:47.