Das mit dem "Schuldgefühl" ist vielleicht zu hart ausgedrückt. Aber immerhin bekomme ich ja etwas kostenlos. Das macht es für mich persönlich, als reinen "Hobbyrezensenten" ein wenig ... hm ... geschmacklich eingefärbt
Das hängt aber auch damit zusammen, dass ich bereits sehr viele Rezensionen / Besprechungen zu Filmen, Büchern und Musik gelesen habe, die teilweise wie aus der PR-Abteilung geklungen haben.
Irgendwann verschwimmen für mich da die Grenzen zwischen "Sponsorenkraulen" und ehrlicher Meinung.
Und ja, ich stimme deiner Meinung von einer guten Rezension uneingeschränkt zu:
Ich sehe den Unterschied eigentlich nicht. Am Ende ist bei jedem Rezensenten der persönliche Eindruck entscheidend. Ich kann ja nur meine eigene Meinung wiedergeben und nicht die eines anderen. Ein guter Rezensent kann aber begründen, wie dieser Eindruck zustande gekommen ist und damit dem Leser Hinweise geben, ob das Besprochene für ihn interessant sein könnte. Bei einer wirklich guten Rezension ist das abschliessende Urteil gar nicht so entscheidend. Entscheidend ist, dass der Leser einen Eindruck erhält, der es ihm ermöglicht zu beurteilen, ob der Gegenstand der Besprechung für ihn interessant sein könnte und bei der man vielleicht sogar noch an interessanten Beobachtungen und Überlegungen teilhaben kann (des Weiteren ist fast noch wichtiger, dass die Rezension an sich Vergnügen beim Lesen bereitet). Gerade die längeren essayistischen Rezensionen sind ja im deutschsprachigen Raum leider nicht so verbreitet wie im angelsächsischen (besonders im Bereich Film).
Jetzt aber mal ganz bewusst polemisch ausgedrückt :
Ist die wirklich gute Rezension / die eigene Meinung des Kritrikers noch gegeben, in einer Welt in der das Marketing eines Produktes / eines Firmennamens beinahe schon die Qualität einer Duellpistole hat?
Dessen Brot ich esse, dessen Hand beiße ich nicht, oder?
Daher mein Unbehagen, wenn ein Produzent für die Besprechung seines Produktes handverlesene (wohlgesonnene?) Kritiker sucht, die zudem das Produkt im Gegensatz zum "normalen" Kunden, noch nicht einmal bezahlen mussten.
Eine gute Rezension kann eben auch zur Erweiterung der eigenen Welt führen (und wie willst Du wissen, ob etwas in Deine Welt passt, wenn Du nicht von irgendwo her eine Einschätzung kriegst?).
Ja, dem stimme ich dir vollkommen zu! Das erlebe ich gerade selber, wo ich Daemon von Suarez lese. Eine Empfehlung einer Buchhändlerin, die meinen verkorksten Geschmack kennt. Sie gab mir in mündlicher Form eine Kurzrezi, ich wurde neugierig (obwohl ich Sci-Fi suchte, und keinen Thriller) und bin absolut gefangen von dem Buch.
Sicher, sie hat dadurch einen Kunden gewonnen / Umsatz gemacht, also "Gewinn" aus ihrer "Rezension" gezogen.
Aber wenn ich total unzufrieden gewesen wäre, hätte sie mich verloren, was die "Bezahlung" des Rezensenten in diesem Fall zu einer einmaligen Sache gemacht hätte. Ebenso positiv erging es mir dort schon mit vielen anderen Büchern.
Für sie stand (und steht) aber mehr auf dem Spiel, als die weitere Zusendung von Rezensionexemplaren, Eintrittskarten etc.
Wenn ich einmal enttäuscht werde ist das Pech.
Zweimal ist eigene Doofheit.
Dreimal wäre ein Grund den Laden fortan zu meiden, wie der Teufel das gesegnete Gotteshaus
Ein anderes Beispiel aus der Musik, wo die Rezi voll nach hinten losging:
Ich bin ein Metallica-Fan der ersten Stunde.
Als ich in einem Fachmagazin die Rezi zu ihrem Album "St.Anger" las, war ich hin und weg.
Back to the Roots, besser, härter, böser als jemals zuvor ...
"Must have!" leuchtete in großen Neonbuchstaben in meinem Hirn auf.
Ich stiefelte also zum nächsten Musikhändler, und erstand für 30 Kracher die Super-Duper-Deluxe-Edition.
Daheim angekommen fiel ich fast vom Glauben ab.
Unmelodiös, Drums die klangen wie die alten Dasch Waschpulvertrommeln meiner Kindheit, ein Gesang von Hammet, als wäre er im Stimmbruch ...
Das Album hätten meine Kumpels und ich vor knapp 25 Jahren in der Garage mit unserem 8-Spurbandgerät besser hinbekommen.
Ich war sauer ohne Ende.
30 Euro habe ich hingelegt.
0 Euro der Rezensent aus dem Fachmagzin.
Klar, das kann einem auch mit einer "freien" Rezi passieren, aber da hat niemand Geld / Freiexemplare dafür bekommen, dass er das Werk bespricht.
Daher mein Unbehagen, wenn ein Rezensent auf "Entlohnung" oder "Freiexemplare" pocht.
Damit möchte ich keinen "Profi" herabsetzen! Im Gegenteil, ich weiß, wieviel Arbeit eine gute Rezi macht.
Aber mir sind die Amateure und Fans da irgendwie lieber.
Die machen das aus purer Begeisterung, nachdem sie für das entsprechende Werk so wie ich Geld hingelegt haben.
Ein Redakteur / freier Journalist schielt gezwungenermaßen (!) irgendwie immer auch ein wenig auf seinen Ruf, seine Kohle ...
Einem Fan ist das Sch***egal
Der will nur, dass seine Heroes immer weitermachen (können), und ihn auch mal überraschen.
LG
Dirk
Bearbeitet von Dirk, 02 Juli 2011 - 11:16.