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Umsatzrückgang bei SF und Fantasy

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218 Antworten in diesem Thema

#31 halut

halut

    Ufonaut

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Geschrieben 04 Februar 2012 - 13:56

Die meisten beschweren sich doch eher, dass die anspruchsvolle, originelle und intellektuelle SF kaum eine Chance bei den Verlagen hat und stattdessen nur Action-SF und Ähnliches erscheint. Schau dir mal das Programm von Heyne an (siehe Space Action).

Ich will keine intellektuelle SF. Die meisten Autoren haben nicht das Niveau dafür. Ich möchte niveau-voll unterhalten werden. Und das ist ein Riesenunterschied. Ich will auch keine Bumm-Peng-Fiction, sie langweilt niveau-los, wenn man nicht etwas auf Unger-Western-Höhe für einen ohnehin hirntoten Tag braucht.

Im Prinzip beschwerst du dich darüber, dass die SF-Autoren bessere Schriftsteller geworden seien.

Sind sie das, wenn sie am Leser vorbeischreiben?


Die Verlage veröffentlichen das, was sich verkauft. Warum sollten sie das Gegenteil tun?

Das ist der Kardinalfehler in der Annahme, denn die Verlage verkaufen das, was der Verantwortliche will. Trifft er mehrmals daneben, muss er gehen, und der nächste Verantwortliche setzt seine Vorstellungen um, nicht die des Lesers. Deshalb wird jeder Verantwortliche extrem risikoarm entscheiden. In der Folge wird er mehr als einen möglichen Treffer nicht bekommen, weil er gar nicht erst dorthin schießt.

Der Markt regelt die Produktion also nur einseitig unvollständig.

#32 Pogopuschel

Pogopuschel

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Geschrieben 04 Februar 2012 - 14:04

Okay, die Verlage bringen das, von dem sie glauben, dass es sich verkauft. Ich muss zugeben, dass ich deine Forderung nach Hard-SF erst nach meinem Post den du oben zitierst verstanden habe. Ich dachte, du beschwerst dich darübe, dass die SF zu intellektuell geworden sei. Deine Beschwerden über zu viel Konzentration auf die Figuren, habe ich als Forderung nach Krachbumm-SF verstanden.

#33 Diboo

Diboo

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Geschrieben 04 Februar 2012 - 14:19

Das ist der Kardinalfehler in der Annahme, denn die Verlage verkaufen das, was der Verantwortliche will. Trifft er mehrmals daneben, muss er gehen, und der nächste Verantwortliche setzt seine Vorstellungen um, nicht die des Lesers. Deshalb wird jeder Verantwortliche extrem risikoarm entscheiden. In der Folge wird er mehr als einen möglichen Treffer nicht bekommen, weil er gar nicht erst dorthin schießt.

Der Markt regelt die Produktion also nur einseitig unvollständig.


Jein. Denn der Leser wird ja nicht dazu gezwungen, fickende Vampire am Band zu erwerben. Die Rückkopplung ist doch etwas enger. Und die Definition von "Erfolg" schwankt, das wiederum hängt von den ökonomischen Zielvorgaben und Notwendigkeiten ab. Und die sind Veränderungen unterworfen. Zu den Auflagen, mit denen Heftromanserien heute weiter laufen, hätte man sie in den 70ern sofort eingestellt. Neue Technologien ermöglichen neue Margen, und damit auch neue Definitionen von Erfolg. Und diese sind dann auch im Vergleich zwischen Publikums- und Genre-Kleinverlagen wieder anders verteilt. Für alle gilt: Gemacht werden kann nur, was sich langfristig ökonomisch trägt. Und dafür ist ein Wechselspiel erforderlich, Einseitigkeit kann gar nicht funktionieren, denn auch die unternehmerischen Entscheidungen des Verlages müssen sich auf dem Markt rechnen.

"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
(13. Erwerbsregel)

"Anyone who doesn't fight for his own self-interest has volunteered to fight for someone else's."
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#34 Lucardus

Lucardus

    Temponaut

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Geschrieben 04 Februar 2012 - 14:24

Ich will keine intellektuelle SF. Die meisten Autoren haben nicht das Niveau dafür. Ich möchte niveau-voll unterhalten werden. Und das ist ein Riesenunterschied. Ich will auch keine Bumm-Peng-Fiction, sie langweilt niveau-los, wenn man nicht etwas auf Unger-Western-Höhe für einen ohnehin hirntoten Tag braucht.

Es ist dein gutes Rechte dir SF zu wünschen, die deinen Ansprüchen gerecht wird. Aber das sind deine Ansprüche. Andere Leser wollen mehr oder weniger intellektuelles/gelabertes/geballertes/technisiertes/militärisiertes lesen. Ich denke, es gibt noch genug Bandbreite, auch auf dem deutschsprachigen Markt. Manchmal muss man etwas suchen. Ich glaube nicht, dass es einen großen Unterschied machen würde, wenn sich die Verlage genau nach deinen Ansprüche richten würden. Da wäre immer jemand anders der Meinung, seine Ansprüche seien unterrepräsentiert und es wäre zu viel Mist auf dem Markt.
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#35 Diboo

Diboo

    Kaisertentakel

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Geschrieben 04 Februar 2012 - 14:25

Es ist dein gutes Rechte dir SF zu wünschen, die deinen Ansprüchen gerecht wird. Aber das sind deine Ansprüche. Andere Leser wollen mehr oder weniger intellektuelles/gelabertes/geballertes/technisiertes/militärisiertes lesen. Ich denke, es gibt noch genug Bandbreite, auch auf dem deutschsprachigen Markt. Manchmal muss man etwas suchen. Ich glaube nicht, dass es einen großen Unterschied machen würde, wenn sich die Verlage genau nach deinen Ansprüche richten würden. Da wäre immer jemand anders der Meinung, seine Ansprüche seien unterrepräsentiert und es wäre zu viel Mist auf dem Markt.


So ist es. Ich will Geballer und Raumschiffe. Der naturwissenschaftliche Hintergrund ist mir piepsegal. Und jetzt?
Es bleibt eben schwierig :-)

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#36 valgard

valgard

    Revoluzzer

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Geschrieben 04 Februar 2012 - 15:05


So ist es. Ich will Geballer und Raumschiffe.

Ja!

Der naturwissenschaftliche Hintergrund ist mir piepsegal.


Nicht ganz!
Er muß nur nicht mit der Realität konform gehen, da ich Scifi lese,

lothar
  • • (Film) als nächstes geplant: Equi

#37 methom

methom

    Teetrinkonaut

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Geschrieben 04 Februar 2012 - 19:44

Wie viele? 10, 100, 1000? Nehmen wir mal 1000. Wie hoch muss die Auflage eines Buches sein? 10.000? D.h, 90% sind schon mal gar nicht hier. Sind die 1000 repräsentativ im Hinblick auf Intro- und Extrovertiertheit?

Ich wollte gar nicht behaupten, dass wir hier ein repräsentativer Querschnitt sind. Ich wollte lediglich die Absolutheit, mit der du gewisse Formen der unterhaltenden Science-Fiction offenbar ablehnst, relativieren.

Biom Alpha ist im Sonnensystem angekommen. Jetzt auf eigener Seite und auf Twitter @BiomAlpha


#38 Trurl

Trurl

    Phanto-Lemchen

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Geschrieben 04 Februar 2012 - 21:22

Hallo Halut! Nett, dass du mit dein kontroversen Ansichten die Diskussion wieder in konstruktivere Science-Fiction relevantere Bahnen gelenkt hast, obgleich du in deinem Eingangsbeitrag einige doch reichlich hypothetische und verallgemeinernde Aussagen über die Science-Fiction (und ihren mit Sicherheit auch fragwürdigen Entwicklungstrends) und deren Fans machst, die man so nicht stehen lassen kann. Du begründest, wenn ich es richtig verstanden habe, den Rückgang des SF-Konsums, mit der von den Verlagen und Autoren initiierten falschen Ausrichtung der Science-Fiction hin zu psychologisch motivierten Alltagsgeschichten, die statt in der Gegenwart angesiedelt zu sein, eben in der Zukunft oder im Weltraum spielen, anstatt dass handfeste Wissenschafts- und Technikvisionen verhandelt werden, die dem mehrheitlich introvertierten und intellektuell desinteressierten SF-Fan mehr entsprechen:

Was ist denn der SF-Fan? Weit mehrheitlich introvertiert. Was zeichnet Introvertierte aus? Sie interessieren sich herzlich wenig für ausgereifte Personenprofile ohne direkten Handlungsbezug, ebenso wenig für komplexe soziale Interaktionen, weil sie Menschen verwirrend finden; nicht zuletzt deshalb leitet sich daraus ihre Vorliebe für Wissenschaft und Technik ab. Sie mögen Leute, die sich nicht auf dem Niveau einer Doku-Soap bewegen und intelligent handeln. Das ist heute schwer zu finden;


Abgesehen davon, dass diese Einschätzung des typischen Science-Fiction Fans durchaus anfechtbar ist, trifft auch deine Einschätzung, dass die heutige Autorenschaft, im Gegensatz zum „Golden Age“ der Science-Fiction, mehrheitlich von Naturwissenschaft unbeleckt sei und an utopischen Fragestellungen kein Interesse habe, in ihrer verabsolutierenden Behauptung nicht zu. Man muss nur die kritischen Bestandsaufnahmen der Science-Fiction-Literatur jener Zeit lesen, um zu erkennen, dass in der Science-Fiction die lesenswerten Werke (von Meisterwerken will ich gar nicht reden) zu jeder Zeit, rar gesät waren.

Vielleicht ist dir ja schon mal der Gedanke gekommen, dass die Science-Fiction, wie die Literatur im Allgemeinen, aktuellen Zeitströmungen unterworfen ist und was die inhaltliche Ausrichtung angeht stets den jeweiligen Zeitgeist repräsentiert. Wir leben nicht mehr in den fortschrittsoptimistischen Zeiten der 1950er und 1960er Jahre, jener Zeit in der Technikvisionäre wie Isaac Asimov oder Arthur C.Clarke lebten und schrieben. Die Zeit der großen Technik- und Sozial-Utopien ist (vorläufig) vorbei, aber das ist ein Zeitphänomen unserer Gegenwart und kann den heutigen Autoren und Verlegern nur bedingt angelastet werden. Wenn Science-Fiction nicht mehr so geht, wie in den Hochzeiten der 70er und 80er Jahre in Deutschland, als ich mit Science-Fiction groß geworden bin, dann ist das eben so, weil sich die Zeiten geändert haben. Ich bin überzeugt wir haben genau den SF- und Fantasy-Markt den die heutigen Leser auch wollen.

Ich vermute du wünscht dir mehr Science-Fiction wie sie Asimov geschrieben hat. Ich wünsche mir Science-Fiction wie sie Stanislaw Lem geschrieben hat. Das wird aber nicht geschehen. Dennoch gibt es in der Science-Fiction, und außerhalb davon, immer wieder Schriftsteller die faszinierende Zukunftsvisionen entwickeln, bzw. die überhaupt eine Vorstellung davon haben, wie sich die Menschheit in der Zukunft weiterentwickeln könnte. Ob dir die diese Visionen unbedingt gefallen, steht auf einem anderen Blatt.

Es ist allerdings eine Tatsache, dass sich der Schwerpunkt gerade der interessantesten Near-Future Literatur, sich allmählich von den klassischen Genregrenzen wegbewegt und deren Autoren sich nicht mehr ausschließlich dem Science-Fiction Genre zugehörig empfinden, obwohl diese Werke streng genommen der Science-Fiction zugeordnet werden müssten. Das heißt, es ist heute schwieriger geworden interessante Werke zu finden und man muss zunehmend außerhalb des Genres suchen um fündig zu werden. Und wenn dir das, was derzeit als klassische Science-Fiction verkauft wird nicht passt, dann ignoriere es und suche woanders.

Wie schon gesagt, es gibt immer noch genügend originell, spannend und auch psychologisch plausibel Erzähltes zu lesen. Und wenn man der englischen Sprache mächtig ist und wenigsten gedrucktes lesen kann, gibt es im englischen Original einiges zu entdecken, das noch immer (vielleicht für immer) auf eine Übersetzung wartet. Ich beginne gerade wieder mich verstärkt für die Science-Fiction zu interessieren und habe inzwischen bestimmt ein gutes Dutzend neuerer Werke entdeckt, die sich zumindest lohnen gelesen zu werden. Wenn du Anregung suchst, schau dir doch einmal die Bücher-Liste an, die in den Neuerscheinungen-Lesezirkeln hier im Forum jeweils alle zwei Monate vorgestellt werden. Dort sind hochinteressante Werke aufgeführt, die zum großen Teil außerhalb der etablierten Science-Fiction Reihen der großen Verlage erschienen sind.

Eingefügtes Bild

LG Trurl
»Schau dir diese Welt nur richtig an, wie durchsiebt mit riesigen, klaffenden Löchern sie ist, wie voll von Nichts, einem Nichts, das die gähnenden Abgründe zwischen den Sternen ausfüllt; wie alles um uns herum mit diesem Nichts gepolstert ist, das finster hinter jedem Stück Materie lauert.«

Wie die Welt noch einmal davonkam, aus Stanislaw Lem Kyberiade
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#39 alexandermerow

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    Giganaut

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Geschrieben 04 Februar 2012 - 22:57

Ob sie intellektuell sind, sei einmal dahingestellt. Dass Autoren wie Abnett stellenweise aber sehr intelligent schreiben und die Texte erkennbar nicht einfach nur runtergerotzt sind, dürfte unumstritten sein.


Abnett kann schreiben. Auf jeden Fall. Seine Romane sind fast immer ein Highlight, wobei gerade bei Warhammer inzwischen `ne Menge runtergeschriebener Füllstoff erscheint. Die Horus-Heresy Reihe ist diesbezüglich ja schon regelrecht mutiert, was mich als anfangs begeisterten Leser inzwischen abgeschreckt hat.

Denn der Leser wird ja nicht dazu gezwungen, fickende Vampire am Band zu erwerben.


Hmmm...Mein heutiger Gang durch den Buchladen hat mir noch einmal vor Augen geführt, wie dominant das Genre der "hübschen, muskulösen Vampirboys" mittlerweile ist. Fast zwei Drittel des Fantasyregals waren mit vampirischen Lovestorys vollgestellt. Es scheint jedenfalls ein großer Markt dafür zu existieren, sonst würden die Verlage das Zeug nicht in diesem Ausmaß anbieten.

Bearbeitet von alexandermerow, 04 Februar 2012 - 23:02.

"Jedes Zeitalter strahlt am hellsten vor seinem Untergang!"
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#40 derbenutzer

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    Phagonaut

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Geschrieben 05 Februar 2012 - 00:17

Haluts Beitrag ist meiner Meinung nach - abgesehen davon, dass er ein wunderschönes Beispiel für ausgesprochen befruchtend wirkende Polemik ist - AUCH ein Schrei nach Sense of Wonder. Dass solche diesen beinhaltende (auch jüngst verlegte) Werke der technisch orientierten SF dennoch - eher mühelos - zu finden sind, halte ich für ein Faktum. Ich meine damit selbstverständlich anspruchsvolle ... Aufgrund des Hinweises auf "Quest" tippe ich daher eher auf eine Andeutung diesbezüglicher Mängel in deutscher SF ... @Halut Lieber Halut! Liege ich da falsch? LG Jakob

Bearbeitet von derbenutzer, 05 Februar 2012 - 02:13.

Austriae Est Imperare Orbi Universo


#41 Amtranik

Amtranik

    Hordenführer

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Geschrieben 05 Februar 2012 - 01:07

Dass solche diesen beinhaltende (auch jüngst verlegte) Werke der technisch orientierten SF dennoch - eher mühelos - zu finden sind halte ich für ein Faktum. Ich meine damit selbstverständlich anspruchsvolle ...


Hierin absolute Zustimmung von meiner Seite. Es ist schon richtig das der Genre-Freund in Buchhandlungen kaum noch fündig wird und selten genug steht heutzutage SF noch als Label irgendwo drauf wie es vom Inhalt her eigentlich angebracht wäre. Man bräuchte allerdings nur alleine mal dieses Forum hier genauer zu durchforsten und würde mit SF-Stoff totgeschlagen noch und noch. Soviel kann ein Mensch eigentlich in einem Leben nicht bewältigen. Mal ganz davon abgesehn das sich die von Halut erwähnte SF-Sorte auch noch massig in alten Klassikern finden und entdecken läßt.
Ich persönlich habe im übrigen nie einen Makel dabei empfunden bekennender SF-Fan und Leser zu sein, sondern das eher immer als was tolles empfunden das ich jedem der es wissen wollte mit Stolz kundtat. Auch ich würde in heutigen Buchhandlungen lieber sehen das Bücher wie beispielswiese: "Die Landkarte der Zeit" oder "Biokrieg" oder "Die steinernen Götter" oder die "Frau des Zeitreisenden" neben Tentakelkrieg und Gibson-Büchern, neben Star Wars und Perry Rhodand, neben Klassikern wie Asimov oder Niven etc stehn würde. Die SF - Ecke wäre eigentlich keine Ecke mehr sondern ziemlich groß....

Von daher reicht es mir zu wissen wie ich mich über diese Bücher informieren kann und wo ich die kaufen kann. Die meisten Leute die diese Bücher heute im Buchladen verkaufen oder einsortieren haben eh keinen Plan davon. Wozu sich also aufregen? Ich nehme mal an der weitaus überwiegende Teil der hier im Forum vertretenen Leser macht es wie ich und bestellt und stöbert online bei diversen Großanbietern oder Antiquariaten.

Betrachtet man das ganze mal von der entgegengesetzten Warte aus dann kann man doch eigentlich stolz sein, denn SF durchdringt heutzutage fast die gesamten Genres. Das die meisten nicht wissen das Sie eigentlich gerade ein SF-Buch lesen... ist das wirklich wichtig wenn Sie nur das Gefühl haben ein tolles Buch zu lesen?

Bearbeitet von Amtranik, 05 Februar 2012 - 01:09.


#42 Heidrun

Heidrun

    Giganaut

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Geschrieben 05 Februar 2012 - 01:25

Die Diskussion kommt mir ein bisschen vor wie die über die Arbeitslosenzahlen: War letztes Jahr ein gutes Jahr, dieses aber nur Durchschnitt, dann findet sich schon ein Grund zum Jammern und Wehklagen über den Zusammenbruch der SF (und dabei fasst die Statistik das auch noch mit Fantasy zusammen).
Ich gebe Trurl recht - in der Nachkriegszeit ging es bergauf (weiter runter ging ja kaum), es gab wunderbare neue Dinge wie Autos und Fernseher und Kühlschränke für alle ... Grund zum Optimismus. Heute wissen wir, dass die strahlende Zukunft mit Hilfe der Kernenergie ganz anders aussehen könnte, als wir dachten, dass es mit dem Weltfrieden immer noch dauert, dass das Internet toll ist, aber auch heißt, dass man rund um die Uhr für die Firma erreichbar ist. Dass Seuchen dank Globalisierung in 24 h einmal rund um die Welt reisen können. Wenn mir in dieser Situation einer ein Buch über die leuchtende (nicht strahlende) Zukunft unterjubelt, dann fühle ich mich zunächst mal veräppelt.

@Halut: Nicht einmal bei den großen Verlagen sind die Startauflagen von SF-Büchern 10000 Stück (mal von Band 2 eines Bestsellers abgesehen). Das war in der Guten Alten Zeit™ vielleicht so. Der normale SF-Fan unorganisierter Art ist auch nicht unbedingt introvertiert. Ich habe da schon alle Arten von Leuten getroffen, vom 13jährigen Schüler bis hin zu meiner 70jährigen Tante.
Die Autoren hingegen sind nicht selten Naturwissenschaftler (Physiker sind eindeutig überrepräsentiert). Weiß ich, weil ich da immer ein Auge drauf habe. Die visionäreren Ideen kommen dagegen eher von unbelasteten Sprachwissenschaftlern, denen man gelegentlich Dinge wie das Gravitationsgesetz erklären muss Eingefügtes Bild . Die Klassiker der Guten Alten Zeit wie Bradbury oder Dick sind auch nicht eben Hard SF, es gab also immer solche und solche, nur dass von den Alten bis heute nur noch die Guten bekannt sind. Oder man hat sie als Schüler gelesen und war bereit, sich viel mehr beeindrucken zu lassen.
Und schließlich parasitieren die romantischen Vampire gewiss nicht an der SF, sondern am Liebesroman. Jede Zeit hat ihre Pilcherinnen und Courts-Mahlers. Es gibt ein Grundbedürfnis nach Romantik, das in der Literatur in Wellen kommt und geht. Junge Mädchen lesen nun mal mehr als Jungs, und die stehen einfach nicht so auf hyperraumschnelle Phallussymbole. Im Durchschnitt ...
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#43 halut

halut

    Ufonaut

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Geschrieben 05 Februar 2012 - 08:31

Ich dachte, du beschwerst dich darübe, dass die SF zu intellektuell geworden sei. Deine Beschwerden über zu viel Konzentration auf die Figuren, habe ich als Forderung nach Krachbumm-SF verstanden.


Ich „beschwere“ mich darüber, dass Figuren zu sehr im Vordergrund stehen. Ich will aber auch keine Krachbumm-SF. Asimovs Erstling „Havarie vor Vesta“ ist fast 75 Jahre alt, hat einen SF-Plot und Akteure mit genau so viel psychologischen Hintergrund wie nötig und eine geradlinige Handlung. Es gibt keine Rückblende, wie der Handlungsträger als Kind im Teich fast ertrunken wäre, keine akuten Eheprobleme, die ihn die ganze Zeit darüber philosophieren lassen, warum er nicht sich und seine Mithavaristen umbringt, und keine seitenfüllenden Gedankengänge, warum er hier und nicht in der Klapse ist, wo er eigentlich hingehöre.

#44 Diboo

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Geschrieben 05 Februar 2012 - 08:45

und keine seitenfüllenden Gedankengänge, warum er hier und nicht in der Klapse ist, wo er eigentlich hingehöre.


Das würde ich auch nicht lesen wollen, das stimmt.
Wie gut, dass es davon so viel auch nicht gibt und genug andere Romane, in denen die Protagonisten auch glaubhaft agieren können, ohne einen Sprung in der Schüssel zu haben (ich lese gerade Alastair Reynolds' Haus der Sonnen und würde dieses Werk dazu zählen).

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#45 halut

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Geschrieben 05 Februar 2012 - 08:52

Dass Seuchen dank Globalisierung in 24 h einmal rund um die Welt reisen können. Wenn mir in dieser Situation einer ein Buch über die leuchtende (nicht strahlende) Zukunft unterjubelt, dann fühle ich mich zunächst mal veräppelt.


Na, werfen wir doch mal einen Blick in die Wiege der SF: Weltwirtschaftskrise, Prohibition und Bandenkriege, Weltkrieg, kalter Krieg, McCarthy. Permanenter Optimismus?

#46 Diboo

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Geschrieben 05 Februar 2012 - 08:56


Na, werfen wir doch mal einen Blick in die Wiege der SF: Weltwirtschaftskrise, Prohibition und Bandenkriege, Weltkrieg, kalter Krieg, McCarthy. Permanenter Optimismus?


Gutes Argument. Heidruns pauschale Bewertung stimmt genauso wenig wie die Deine über den technisch-naturwissenschaftlichen Charakter der "alten" SF. Und was lernen wir daraus? Wir können, auf individueller Ebene, klagen, dass wir gerne mehr SF hätten, wie sie Asimov geschrieben hat (um Dein Beispiel herauszupicken). Damit kann ich gut leben. Daraus aber eine Gesamtanalyse des aktuellen Genrezustandes zu schmieden, wie Du es etwas apodiktisch gemacht hast, halte ich für problematisch.

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#47 Trurl

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Geschrieben 05 Februar 2012 - 10:32

Na, werfen wir doch mal einen Blick in die Wiege der SF: Weltwirtschaftskrise, Prohibition und Bandenkriege, Weltkrieg, kalter Krieg, McCarthy. Permanenter Optimismus?


Der Einwand ist nur bedingt stichhaltig. Auch wenn die Probleme der damaligen Zeit genauso enorm wie heute waren (vor dem zweiten Weltkrieg bestand schließlich die Gefahr eines globalen Totalitarismus), herrschte doch in Bezug auf die Zukunft (gerade nach dem überstandenen 2.Weltkrieg), nicht nur bei den Eliten, sondern auch in der Bevölkerung, die Hoffnung das Wissenschaft und Technik alles zum Besseren wenden würde. Man muß sich doch nur einmal die Technik-Visionen aus den 1960er Jahren bezüglich der Zukunft der Raumfahrt ansehen (Mondkolonien, O’Neill-Kolonien). Erst die relativ neuzeitliche Erkenntnis, dass dem nicht so sein könnte, beendete den, manche sagen „blinden“, Fortschrittsoptimismus.


Ich „beschwere“ mich darüber, dass Figuren zu sehr im Vordergrund stehen. Ich will aber auch keine Krachbumm-SF. Asimovs Erstling „Havarie vor Vesta“ ist fast 75 Jahre alt, hat einen SF-Plot und Akteure mit genau so viel psychologischen Hintergrund wie nötig und eine geradlinige Handlung. Es gibt keine Rückblende, wie der Handlungsträger als Kind im Teich fast ertrunken wäre, keine akuten Eheprobleme, die ihn die ganze Zeit darüber philosophieren lassen, warum er nicht sich und seine Mithavaristen umbringt, und keine seitenfüllenden Gedankengänge, warum er hier und nicht in der Klapse ist, wo er eigentlich hingehöre.

Das die Ausstattung der Hauptpersonen mit mehrseitigen Biografien in bestimmten Romanen bis zum Exzess getrieben wird, ohne besonderen Nutzen für den Handlungsverlauf oder den Inhalt der Geschichte, stimmt, aber nicht mehrheitlich und nicht für die guten SF-Erzählungen.

Um wen, wenn nicht um den Menschen soll es denn (auch) in SF-Erzählungen gehen? Ich sehe es nämlich im Gegenteil gerade als Mangel vieler klassischer SF-Geschichten, dass sie auf die psychologische Fundierung ihrer Figuren keinen oder nur geringen Wert legten.

Die glaubwürdige psychologische Herausarbeitung von Charakteren ist für viele Erzählungen wesentlich.Solaris ist ohne den biografischen und psychologischen Hintergrund Kris Kelvins nicht zu verstehen oder was ist Simmons Hyperion ohne die biografischen Erzählungen der Pilger? Und das sind nur herausgepickte Beispiele. Es lassen sich also problemlos zu jedem deiner Beispiele herausragende Gegenbeispiele finden. Also auch hier kann man nicht einfach so pauschalisieren.

Ich kann deinen Frust zwar verstehen, wünsche mir aber keineswegs mehr die Geschichten aus der „guten alten Zeit“ zurück, sondern Geschichten die mit modernen erzählerischen Mitteln umgesetzt werden, die auch die Psychologie des Menschen berücksichtigt.

LG Trurl
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#48 Lucardus

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Geschrieben 05 Februar 2012 - 11:31

Ich „beschwere“ mich darüber, dass Figuren zu sehr im Vordergrund stehen.

Ich muss zugeben, dass mir in letzter Zeit kein Roman in die Finger gekommen ist, bei dem das der Fall ist. Aber vielleicht filtere ich die schon raus oder deine Schmerzgrenze diesbezüglich ist deutlich niedriger. Verstehe ich das richtig? Du möchtest keine Romane lesen, die von einem Autor geschrieben wurden, der kein Gefühl für seine Figuren hat und sie mangels Ideen mit "Biographien" vollstopft, die ermüdend sind, konstruiert wirken oder einfach nach Schema-F gestrickt.

Welche Beispiele gibt es aus deiner Sicht dafür? Wenn das heutzutage so schlimm ist, muss es doch Beispiele geben. Es ist schwer sich hier an vagen Begrifflichkeiten entlang zu hangeln.
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#49 Martin Stricker

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Geschrieben 06 Februar 2012 - 19:31

Zunächst einmal: Dieses Thema entzündete sich an einem Bericht, daß der Phantastik-*Umsatz* abnimmt. Informationen über Stückzahlen fehlen - hier könnte der verstärkte Trend zu den (meist deutlich billigeren) eBooks den Rückgang erklären. Dieser Rückgang ist also nicht nitwendigerweise der Untergang des SF-Abendlandes. :P

Was ist denn der SF-Fan? Weit mehrheitlich introvertiert. Was zeichnet Introvertierte aus? Sie interessieren sich herzlich wenig für ausgereifte Personenprofile ohne direkten Handlungsbezug, ebenso wenig für komplexe soziale Interaktionen, weil sie Menschen verwirrend finden; nicht zuletzt deshalb leitet sich daraus ihre Vorliebe für Wissenschaft und Technik ab.

Ich bin SF-Fan, seit ich mit 4 oder 5 meine erste Folge "Raumschiff Enterprise" gesehen habe. Persönlichkeitsprofile als Selbstzweck lehne ich ab, eine ausreichende Charakterisierung der Protagonisten erwarte ich aber, ebenso wie eine kompetente und nicht klischeehafte Darstellung der sozialen Interaktionen. Ansonsten wäre die erschaffene Welt unglaubwürdig, und ich könnte beim Lesen nicht darin eintauchen.

Ich muß aber auch sagen, daß ich mit den Jahren kritischer und anspruchsvoller geworden bin. Bücher, die ich vor 10 oder 20 Jahren toll fand, stufe ich heute oft allenfalls als Mittelmaß ein.

Das ist heute schwer zu finden; eins der letzten Bücher neueren Datums war „Quest“.

"Quest" von Andreas Eschbach fand ich schwach - die Handlung plätscherte dahin, und die Handlungsweise der Personen war nicht wirklich nachvollziehbar, wodurch mir dieselben auch schnurzpiepegal waren. Das war das erste Eschbach-Buch, bei dem ich den Eindruck hatte, daß es nur schnell und lieblos heruntergeschrieben wurde.

Dann sollte sich mal jeder einen alten SF-Roman greifen: Die Autoren hatten eine Vision, am Ende sollte „es“ (was immer auch „es“ sein mag, häufig war es die Menschheit) ein Schritt näher an einer besseren (glücklicheren) Zukunft sein. Wo sind diese Visionen geblieben? „Kriech unten und friss Dreck“ lautet heute das Motto.

Wie sagte einst Helmut Schmidt: "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen." :P Die positiven Visionen sind selten geworden, auch wenn es sie noch gibt, z. B. "Das Tahiti-Projekt" von Dirk C. Fleck. Das liegt aber nicht an einer Unfähigkeit der heutigen Autoren/Lektoren/Verlage, sondern an der Reaktion auf den geänderten Zeitgeist. Der generelle Technikoptimismus in den westlichen Industrieländern (im Osten sah das anders aus) hat sich in einen Pessimismus gewandelt. Wenn ich mir einige Visionen von damals anschaue, waren die reichlich naiv - und ich hoffe, daß die meisten heutigen Visionen auch nicht eintreten werden!

Manchmal ist es so schlimm, dass jede Figur eines Romans, die einen Dreiseitenauftritt hat, zwei Seiten davon für eine detaillierte Beschreibung ihrer Psychomacke spendiert bekommt, um dann auf der dritten zu sterben.

Sieh es mal so - die sind wenigstens schnell wieder weg. Wie schlimm wäre es erst, wenn sie bis zum Buchende durchhielten! :P :fun: :rofl1:

Was ist nun der Schluss daraus? Der SF-Leser möchte halbwegs einfach gestrickte Freund-Feind-Charaktere, die sich nicht an der Komplexität ihrer eigenen Dummheit aufhängen, sondern intelligent handeln. Die Geschichte muss eine Vision haben. Die „intellektuelle Weiterentwicklung“ der SF-Erzeuger hat die große Masse der SF-Leser schlicht nicht mitgenommen. Das Resultat sind jetzt sinkende Umsatzzahlen.

Ich möchte keine einfach gestrickten Charaktere, das klingt mir zu sehr nach Stereotypen und Klischees, ich möchte *glaubwürdige* Charaktere. Solche, in die ich mich hineinversetzen kann.

Science Fiction hat zahlreiche Ausprägungen. Die Geschriebene ist nur eine davon. Da die SF sich ganz hervorragend zur Umsetzung in andere mediale Vermittlungsformen eignet, steht das Buch in einer sehr harten Konkurrenz etwa zum Computerspiel, zum Film oder zum Tabletop/Rollenspiel.

Richtig, Die Literatur hat gegenüber vielen anderen Medien den Vorteil, Personencharakterisierungen einfacher und weniger störend einbinden zu können. Das ist einer der Gründe, warum ich immer weniger SF-Filme und SF-Fernsehserien schaue und immer mehr SF-Bücher lese - da fühle ich mich weniger für dumm verkauft.

Nachtrag: Ich muss aber zugeben, dass die Hard-SF es heute leider sehr schwer hat und nur noch selten erscheint.

Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so stimmt. Ich glaube eher, die Hard SF ist nicht mehr so leicht zu erkennen, weil sie schließlich erkannt hat, daß nur die Technik bei klischeemäßigen "Charakteren" unbefriedigend ist und keinen mehr hinterm Ofen hervorlockt. Heutige Hard SF vernachlässigt die Protagonisten nicht mehr, und das finde ich gut.

Da wäre immer jemand anders der Meinung, seine Ansprüche seien unterrepräsentiert und es wäre zu viel Mist auf dem Markt.

Es *ist* zuviel Mist auf dem Markt. :P Das war aber immer schon so und wird auch so bleiben - schon weil die Meinungen unterschiedlich sind und damit etwas für den einen Gold und für den anderen Mist ist.

Betrachtet man das ganze mal von der entgegengesetzten Warte aus dann kann man doch eigentlich stolz sein, denn SF durchdringt heutzutage fast die gesamten Genres. Das die meisten nicht wissen das Sie eigentlich gerade ein SF-Buch lesen... ist das wirklich wichtig wenn Sie nur das Gefühl haben ein tolles Buch zu lesen?

Genau, die SF ist aus dem Ghetto ausgebrochen - oder sie wurde daraus entführt. :) Ich habe allerdings des Öfteren den Eindruck (und da schließe ich mich selbst durchaus mit ein), daß wir SF-Fans es nicht schaffen, uns aus dem Ghetto zu befreien - möglicherweise igeln wir uns sogar nur noch mehr ein gegen die ach so böse "anspruchsvolle Literatur". Als ob es im Mainstream nicht auch jede Menge Schund, einfach gestrickte Werke und Mist gäbe...

Ich muss zugeben, dass mir in letzter Zeit kein Roman in die Finger gekommen ist, bei dem das der Fall ist. Aber vielleicht filtere ich die schon raus oder deine Schmerzgrenze diesbezüglich ist deutlich niedriger. Verstehe ich das richtig? Du möchtest keine Romane lesen, die von einem Autor geschrieben wurden, der kein Gefühl für seine Figuren hat und sie mangels Ideen mit "Biographien" vollstopft, die ermüdend sind, konstruiert wirken oder einfach nach Schema-F gestrickt.

Welche Beispiele gibt es aus deiner Sicht dafür? Wenn das heutzutage so schlimm ist, muss es doch Beispiele geben. Es ist schwer sich hier an vagen Begrifflichkeiten entlang zu hangeln.

Ich fühl mich einfach mal angesprochen. :) Im Rahmen meiner Arbeit für den DSFP habe ich etliche Bücher gelesen, bei denen der Autor/die Autorin dem Irrtum aufgesessen war, eine vermurkste Vergangenheit bzw. eine vermurkste Psyche sei das, was unter Personencharakterisierung zu verstehen sei. Meiner Meinung nach ist das eines der Kernkriterien, an denen man schlechte Autoren erkennen kann. Glücklicherweise (für mich :P) habe ich die Namen dieser Werke erfolgreich verdrängt, zmal sie meist noch etliche andere Schwächen hatten. Ein Buch, bei dem mich die bekloppten Protagonisten ziemlich gestört haben, war "Blindflug (Blindsight)" vom kanadischen Autor Peter Watts. Da wird ein Raumschiff mit einem Vampir (2006, also vor dem Vampirboom, was die Sache noch unverständlicher macht), einem Biologen, der mehr Maschine als Mensch ist, einem operativ mit multiplen Persönlichkeiten versehenen Linguisten, einem pazifistischen Berufssoldaten und dem nur ein halbes Gehirn habenden Ich-Erzähler zu einem seltsamen, möglicherweise lebendigen außerirdischen Artefakt geschickt. Klingt nach Parodie/Satire? Weit gefeht, der Autor meint das ernst. Ganz zum Schluß wird klar, daß er die Fragestellung untersuchen wollte, ob ein Selbstbewußtsein, eine Persönlichkeit, sinnvoll oder ein Unfall der Evolution ist. Dafür hat er sich allerdings die völlig falschen Charaktere ausgesucht - eine Klapsmühle im Weltall bleibt immer noch eine Klapsmühle. Mag ja sein, daß ich den Roman mißverstanden habe - aber das ist es ja gerade, was ich Peter Watts vorwerfe: Daß es ihm nicht gelingt, mit seinen vermurksten Protagonisten sich mir verständlich zu machen. :P

Es gibt auch Gegenbeispiele, bei denen die starke Fokussierung auf eine oder wenige Persönlichkeiten die Geschichte unterstützt. Auf Moment fallen mir "Das Cusanus-Spiel" von Wolfgang Jeschke und "Herr aller Dinge" von Andreas Eschbach ein. In beiden Fällen erfolgt eine lange, langatmige Persönlichkeitsentwicklung (bei Eschbach habe ich mich sehr lange gefragt, ob da überhaupt noch irgendwann mal SF kommt), die dann aber vom Autor so geschickt in die Geschichte eingewoben wird, daß sie ohne die vorhergehende Charakterentwicklung nicht funktionieren würde.

Es gibt auch Geschichten, in denen der Autor/die Autorin Charakterisierung und Persönlichkeitsentwicklung einbaut, ohne daß der Leser das wirklich mitbekommt. Das wird immer mal wieder eingestreut: Action, nicht alles läuft glatt, und daraus folgend verändert sich die Persönlichkeit des Protagonisten - graduell, aber über einen längeren Zeitraum sehr schön sichtbar - und das ganz ohne seitenlanges Psychogeschwurbel. Ein schönes Beispiel ist die Serie um Kris Longknife von Mike Shepherd. Autoren, denen es nicht gelingt, ihre Protagonisten aufgrund der Erlebnisse zu ändern, sie hoffentlich wachsen zu lassen, halte ich für schlecht. Mir ist eine solche Charakterentwicklung wichtig, und die vermisse ich bei den meisten älteren SF-Romanen.

#50 methom

methom

    Teetrinkonaut

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Geschrieben 06 Februar 2012 - 19:38

Sehr schöner Beitrag, Martin.

Biom Alpha ist im Sonnensystem angekommen. Jetzt auf eigener Seite und auf Twitter @BiomAlpha


#51 Amtranik

Amtranik

    Hordenführer

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Geschrieben 06 Februar 2012 - 20:16

Ein Buch, bei dem mich die bekloppten Protagonisten ziemlich gestört haben, war "Blindflug (Blindsight)" vom kanadischen Autor Peter Watts. Da wird ein Raumschiff mit einem Vampir (2006, also vor dem Vampirboom, was die Sache noch unverständlicher macht), einem Biologen, der mehr Maschine als Mensch ist, einem operativ mit multiplen Persönlichkeiten versehenen Linguisten, einem pazifistischen Berufssoldaten und dem nur ein halbes Gehirn habenden Ich-Erzähler zu einem seltsamen, möglicherweise lebendigen außerirdischen Artefakt geschickt. Klingt nach Parodie/Satire? Weit gefeht, der Autor meint das ernst. Ganz zum Schluß wird klar, daß er die Fragestellung untersuchen wollte, ob ein Selbstbewußtsein, eine Persönlichkeit, sinnvoll oder ein Unfall der Evolution ist. Dafür hat er sich allerdings die völlig falschen Charaktere ausgesucht - eine Klapsmühle im Weltall bleibt immer noch eine Klapsmühle. Mag ja sein, daß ich den Roman mißverstanden habe - aber das ist es ja gerade, was ich Peter Watts vorwerfe: Daß es ihm nicht gelingt, mit seinen vermurksten Protagonisten sich mir verständlich zu machen. Eingefügtes Bild


Das ging mir genauso. Es ist doch schön immer wieder zu erleben das man neben konträren Sichtweisen ( Justifiers ) auch viele Schnittmengen mit anderen Foristen findet. Blindflug hatten wir ja hier einen Lesezirkel zu und ich glaube ich war der einzige der sich wirklich stark über den Vampir aufgeregt hat. Ich fand das einfach deplaziert.

#52 derbenutzer

derbenutzer

    Phagonaut

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Geschrieben 07 Februar 2012 - 00:21

@Martin Stricker Du hast ein Musterbeispiel einer elaborierten und lesenswerten Reaktion auf Haluts Polemik geliefert. Danke! Gruß Jakob

Austriae Est Imperare Orbi Universo


#53 Gallagher

Gallagher

    TI 29501

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Geschrieben 07 Februar 2012 - 07:13

Sehr schöner Beitrag, Martin.


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#54 Heidrun

Heidrun

    Giganaut

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Geschrieben 07 Februar 2012 - 13:20

Na, werfen wir doch mal einen Blick in die Wiege der SF: Weltwirtschaftskrise, Prohibition und Bandenkriege, Weltkrieg, kalter Krieg, McCarthy. Permanenter Optimismus?

Das ist mir jetzt auch zu einfach. In der Wiege der SF liegt z.B. "Der Krieg der Welten" von Wells, erschienen 1896. Einer der Klassiker, und eine Gesellschaftskritik von Anfang bis Ende. Wells sagte selbst, er wollte zeigen, wie schnell der Lack der Zivilisation ab ist, wenn etwas Außergewöhnliches passiert. Das ist Social Fiction, und für mein Gefühl ist es nach über hundert Jahren immer noch ein großartiges Buch.
Und so findet man in der SF immer wieder technikoptimistische und technikkritische Phasen. Im Moment dominiert die Kritik und die Frage, wie wir die Gesellschaft organisieren sollten, wenn wir nicht alles vor die Wand fahren wollen. Der Glaube, man könnte den Hunger in Afrika mit Kunstdünger beseitigen, ist uns abhanden gekommen. Ich bin im festen Bewusstsein aufgewachsen, dass wir im Jahr 2000 Städte auf dem Mond haben werden. Statt dessen hat man Mühe, die Leute auf der ISS kontinuierlich zu versorgen - mit Progress-Raketen, die vor 40 Jahren entwickelt wurden. Das dämpft den Glauben an ungebremstes Wachstum und rasanten Fortschritt.
Übrigens gibt es zum Thema McCarthy tolle Storys in der SF-Schublade, und die fallen dann auch in die Social Fiction.
Im Übrigen hab ich mich bei Asimovs Foundation irgendwann nach den ersten sieben oder acht Büchern gelangweilt und den Versuch aufgegeben, die restlichen aufzutreiben (was in den 80ern in Jena wirklich harte Arbeit war). Sowohl der Plot als auch die Personen waren aus dem Lego-Kasten, und die Idee, dass man alle menschlichen Interaktionen simulieren kann, nutzt sich irgendwann ab. Ich hatte das Gefühl, immer wieder das gleiche Buch zu lesen. Was mir etwa bei Dick mit seinen völlig verkorksten Protagonisten oder bei Brunner mit seinen komplexen gesellschaftlichen Konstruktionen noch nie passiert ist.

@ Martin: In einem muss ich dir widersprechen. Kommunismus, das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung. Wenn jemand geglaubt hat, mit technischem Fortschritt könnte man die Welt retten, dann waren wir das. Ich fand es immer faszinierend und unverständlich, wie die westlichen Autoren ihre Dystopien ausbrüteten.
  • (Buch) gerade am lesen:Gene Wolfe "Sword and Citadel"

#55 Nibor

Nibor

    Temponaut

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Geschrieben 07 Februar 2012 - 13:58

Wenn sie Bücher mit leeren Seiten kaufen würde, werden die veröffentlicht.



OT, sorry!

Guck mal hier: Buch mit 200 leeren Seiten ist Amazon-Bestseller.

Das schönste Buch dieser Art ist natürlich Alles was man über Düsseldorf wissen muss.
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#56 Diboo

Diboo

    Kaisertentakel

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Geschrieben 07 Februar 2012 - 14:00



OT, sorry!

Guck mal hier: Buch mit 200 leeren Seiten ist Amazon-Bestseller.

Das schönste Buch dieser Art ist natürlich Alles was man über Düsseldorf wissen muss.
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Oder "Das Bielefeld-Lexikon".

"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
(13. Erwerbsregel)

"Anyone who doesn't fight for his own self-interest has volunteered to fight for someone else's."
(The Cynic's book of wisdom)

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#57 halut

halut

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Geschrieben 11 Februar 2012 - 08:36

Betrachtet man das ganze mal von der entgegengesetzten Warte aus dann kann man doch eigentlich stolz sein, denn SF durchdringt heutzutage fast die gesamten Genres. Das die meisten nicht wissen das Sie eigentlich gerade ein SF-Buch lesen... ist das wirklich wichtig wenn Sie nur das Gefühl haben ein tolles Buch zu lesen?

Welches Gefühl „sie“ haben, interessiert mich nicht. Ich will tolle SF lesen. Zur SF kann man leider nach heutiger Definition auch James Bond und Karl May zählen.

#58 halut

halut

    Ufonaut

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Geschrieben 11 Februar 2012 - 09:15

Um wen, wenn nicht um den Menschen soll es denn (auch) in SF-Erzählungen gehen? Ich sehe es nämlich im Gegenteil gerade als Mangel vieler klassischer SF-Geschichten, dass sie auf die psychologische Fundierung ihrer Figuren keinen oder nur geringen Wert legten.

Psychologische Fundierung? Ja, so weit wie für die Geschichte notwendig. Epische Lebensgeschichten, die nicht zur Handlung beitragen? Sicher nicht.


Ich kann deinen Frust zwar verstehen, wünsche mir aber keineswegs mehr die Geschichten aus der „guten alten Zeit“ zurück, sondern Geschichten die mit modernen erzählerischen Mitteln umgesetzt werden, die auch die Psychologie des Menschen berücksichtigt.

Effi Briest im Weltraum?

Bearbeitet von halut, 11 Februar 2012 - 09:16.


#59 alexandermerow

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    Giganaut

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Geschrieben 11 Februar 2012 - 15:20

Effi Briest im Weltraum?


Hör bloß auf...

"Jedes Zeitalter strahlt am hellsten vor seinem Untergang!"
www.alexander-merow.de.tl
https://www.thalia.d...ID33696499.html

https://www.thalia.d...D143787146.html

  • (Buch) gerade am lesen:Timothy Zahn - Der Zorn des Admirals
  • • (Film) gerade gesehen: Black Mass
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  • • (Film) Neuerwerbung: Critters 3 (total uncut)

#60 raps

raps

    Scoobynaut

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Geschrieben 11 Februar 2012 - 17:27


Hör bloß auf...

Effi Briest im Weltraum? - Klar, jeden Tag. Mein (jetzt nicht mehr so) heimlicher Traum ist eine Planetary Romance, geschrieben von Alice Munro oder Anne Tyler. Eingefügtes Bild
Grüße, Rainer



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