@ alle:
Ich glaube nicht, dass es Amtraniks Absicht ist, jemanden zu beleidigen oder irgendetwas zu verharmlosen.
@ Amtranik:
Ich denke, du hast verstanden, was ich meinte: Eine Auseinandersetzung mit diesem speziellen Teil der deutschen Geschichte ist wichtig, war es immer und wird es noch lange bleiben.
D'accord?
(Ich hätte nur gerne EINMAL von dir gelesen, dass wir darin übereinstimmen. Anderenfalls müsste ich annehmen, dass du mir unterstellen wolltest, ich hielte nur die kabarettistische Auseinandersetzung mit dem Thema für wichtig. Okay?)
Ich halte auch (! - nicht nur, auch!) die kabarettistische Auseinandersetzung mit dem Thema für wichtig. Dabei sind Filme wie "Iron Sky", "The Third Reich" usw. usf., gleich, ob es sich um eher SF-orientierte oder sonstige humoristische Auseinandersetzungen mit dem Thema des Dritten Reichs, des Nationalsozialismus usw. handelt, keine kabarettistische Auseinandersetzung, sondern schlicht und ergreifend Bullshit, noch dazu solcher, der das tun möchte, was du kritisierst, nämlich Kohle machen.
Das Buch, um das es hier geht, wie auch das Hörbuch kenne ich nun noch nicht. Das Hörbuch liegt vor, aber das sind 7 Stunden Material, die ihre Zeit haben wollen. Morgen vielleicht, am hellblauen Sonntag.
Ansonsten gehe ich aber z.B. davon aus, dass ein Christoph Maria Herbst einer der Kabarettisten (nicht Comedians!) Deutschlands ist, der sich auf adäquate Weise mit dem Thema auseinandersetzen kann. Die Art seiner Lesung - die ich bislang nur auszugsweise (max. 10 Minuten in Ausschnitten) kenne - des Buches ist ganz sicher eine andere Art der Beschäftigung mit dem Thema, als ein Film wie "Iron Sky" demselben angedeihen lassen kann oder überhaupt will.
Ein weiteres, sehr schönes Beispiel einer gezielt ernsthaften, dennoch kabarettistischen Auseinandersetzung mit dem Thema sind die einschlägigen Programme des Serdar Somuncu, die man als Silberscheiben unter den Titeln "Serdar Somuncu liest aus dem Tagebuch eines Massenmörders" (es geht um "Mein Kampf"), "Hitler Kebap" (es geht da vor allem um das, was mehr als 1500 "Mein Kampf"-Aufführungen mit Somuncu als Menschen angestellt haben) und "Diese Stunde der Idiotie" (eine Beschäftigung mit der berühmten "Wollt ihr den totalen Krieg?"-Rede von Goebbels).
Amtranik, ich für meinen Teil meinte hier ausdrücklich eben NICHT irgendwelche Filme, die letzten Endes zur Einbringung der Produktionskosten und eines Profits nicht das leisten können, was z.B. ein Kabarett leistet. Die sinnvolle und durchaus notwendige Auseinandersetzung mit dem Thema auch heute noch - oder gerade heute! - sollte Büchern, dem Kabarett, (kommentierten) Lesungen usw. vorbehalten sein, wo sich die Möglichkeit zwischen den Beteiligten bietet, miteinander zu kommunizieren und nicht einfach nur zu konsumieren.
(Insofern fände ich die geplante Veröffentlichung einer kommentierten Version von "Mein Kampf" in oder nach 2015 durchaus von großer Bedeutung, nicht, um der bayerischen Staatsregierung einen auswischen zu können [oder zu genießen, dass es jemand anderem gelungen ist], sondern weil bei einer sorgfältigen Auswahl der kommentierenden Autoren und einer besonderen Begutachtung dessen, was und wie da kommentiert wird und wurde [eine Begutachtung, die ausdrücklich nicht von Politikern vorgenommen werden sollte] eine wirkliche Aufklärungsarbeit geleistet werden könnte, z.B. auch darüber, was "Mein Kampf" tatsächlich darstellt [was nämlich keine Nazi-Bibel ist, auch wenn alle Neonazis und CSUler deutschlandweit da glauben, sondern ein Psychogramm eines bedauerlichen Menschen, dem erlaubt wurde, viel zu viel Macht auszuüben und viel zu viel Leid über die Menschheit zu bringen].)
Um zu deiner eigentlichen Frage zurückzukehren: Über die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dem Thema sind wir uns einig? Ich halte auch die kabarettistische Auseinandersetzung (und ich muss dich leider bitten, den Begriff des "Kabaretts" nicht zu weit zu fassen und nicht falsch zu definieren) für wichtig, weil es insbesondere für uns Deutsche wichtiger wäre, ein entspannteres Verhältnis zu unserer Geschichte, insbesondere dieser Zeit zwischen 1933 und 1945 zu entwickeln, einfach, um auch die letzten Facetten der Aufarbeitung und die wichtigsten Aspekte der "Wehret den Anfängen"-Strategien einen fruchtbareren Nährboden zu bieten.
Ich will dazu nur ein Beispiel bringen (es gäbe viele mögliche): Heutzutage rennen Neonazis mit T-Shirts, Klamotten, Fahnen, Plakaten und Bannern herum, die oft genug in Frakturschrift beschriftet sind.
Die Neonazis sind dämlich genug, keine Ahnung zu haben, was sie da tun. Sie kennen nicht nur die sehr viel längere Geschichte der Angriffe gegen die gebrochenen, die sogenannten "Judenschriften" (eine der beliebtesten "Feindschriftarten" war die "Schwabacher"), als die Nazis eine Geschichte hatten, sie wissen auch nicht, dass es Martin Bormann und Adolf Hitler waren, die durch einen Erlass 1932 dafür sorgten, dass die gebrochenen Schriften aus dem Schriftbild deutscher Publikationen verschwanden. (Und ja, auch der "Völkische Beobachter" hat dafür mehr als ein Ei mit dem rostigen Messer lassen müssen, auch wenn er sich notorisch dagegen wehrte, weil das seine Corporate Identity gewesen sei.)
Schlimmer aber ist, dass irgendwelche 0815-Deutschen, die weder mit braunem Gedankengut noch mit anderen dem rechten Spektrum zuzuordnenden Denkweisen zu tun haben, glauben, dass jeder, der mit einem mit Frakturschrift beschrifteten T-Shirt herumläuft oder mit einem so beschrifteten Auto herumfährt, automatisch ein Neonazi ist. Denn DAS ist es, was von dem eklatanten Unwissen in der Bevölkerung zeugt, und DAS ist es, was eine öffentliche, kabarettistische Auseinandersetzung mit dem Thema ändern könnte, nämlich vor allem, dass das WISSEN um das, worum es eigentlich geht, nicht mehr von irgendwelchen NPD-Kappen und deren journalistischen Schwanzlutschern vermittelt wird, sondern von Leuten, die sich auf die unterschiedlichste Weise mit dem Thema auseinandersetzen, und das gerne auch auf eine Weise, die bestimmte Aspekte des Themas mit Humor beleuchtet. (Hör dir die Somuncu-Scheiben an, dann weißt du, was ich meine. Ich bin dir gerne behilflich, wenn du das machen möchtest. Meine Emailadresse ist michael [at] haitel.de.)
My.
P.S.: Und Alfred, entschuldige, aber "Iron Sky" ist kein "antifaschistischer Film". Ich habe eher den Eindruck, dass die Macher den Wortteil "faschi" in irgendeinen Zusammenhang mit "fashion" zu bringen versuchten.
Bearbeitet von My., 14 Dezember 2013 - 17:29.