Klaus, ich habe gehört du hast eine Freund, der PR liest und immer mal wieder gute Artikel in respektierten Zeitungen absondert.
Es ist der Mann, der folgendes meint:
Ich will mich nicht ärgern. Ich will mich nicht ärgern. Ich will mich nicht ärgern.
Aber kommen wir jetzt zu PR 2690, "Der fünfte Akt" oder so.
Ich war mal, unter anderem, Theaterkritiker. Das belastet meine Sicht der Dinge. Ich habe Puppenspiel gesehen, Kammerspiel, Oper, Musical, Kabarett, Shakespeare, Brecht, Müller und unbekanntere Autoren.
Und vielleicht deshalb ist mir beim Lesen so klar, dass MAH noch nie, oder mindestens nicht als Erwachsener, ein Theaterstück gesehen hat. Aber er schreibt eins. Und das ist, ganz ehrlich, so schmerzhaft, so schlimm, so aus der Form geraten, dass es mir unmöglich war, diese Passagen zu lesen.
Herren imitiert seitenweise seine Vorstellung vom Theater. Er baut Szenen, die keinerlei Dramaturgie folgen, gibt unmögliche Regieanweisungen, vor allem aber: gibt Dialoge, die nicht funktionieren. Im Theater ist der Dialog tragend, der Rythmus des Dialogs bestimmt den Rythmus der Erzählung. Herren weiss das nicht, oder kann es nicht. Relativ wild gibt es Monologe, rhetorische Fragen*, krude Dialoge, halt irgendwie zusammengerührt, wird schon stimmen.
Und die Sprache! Herren imitiert ein gestelztes Deutsch, das auf Bühnen noch nie gesprochen wurde. Es schwimmen kleine Bröckchen Goethe drin ("mich dünkt"), vermutlich weil er auch in der Schule den "Faust" lesen musste. Es soll als Ganzes wohl shakespearianisch sein (ich bezweifle, dass Herren je Shakespeare gesehen hat), verweist aber grundsätzlich auf die Idee einer Theatertradition, die reines Klischee vom veralteten Geschwurbel ist. Darin vermengt ist ungesunder Proletensprech, was die komische Wirkung des blöden Geschwurbels nur noch erhöht.
Hätte jemals irgendein Publikum dieses Stück gesehen, es hätte sich vor Lachen auf den Bänken gebogen.
Im "Raub der Sabinnerinnen" findet sich das wunderbare Lob der Schmiere:
STRIESE. Schmierentheater! – Hören Sie, jetzt läuft mir die Galle über! Wissen Sie denn überhaupt, was eine Schmiere ist? Es ist wahr, wir ziehen von einem Ort zum andern; aber mein erhabener Kollege, der Herzog von Meiningen, machte es ja ebenso. – Es ist wahr, daß ich meinen Schauspielern fast gar keine Gage bezahlen kann, aber dafür leisten sie desto mehr. Da ist zum Beispiel mein erster Held – ein früherer Apotheker, – das ist ein Beleuchtungsinspektor, wie Sie ihn suchen können; mit Hilfe einer einzigen Petroleumlampe und einer roten Glasscheibe läßt Ihnen der die Sonne untergehen, daß es Ihnen nur so vor den Augen flimmert. Und dabei das Familienleben unter meinen Leuten! Meine Frau kocht für die ganze Gesellschaft, damit meine Sozietäre sich an Entbehrungen gewöhnen. Der Charakterspieler ist nicht zu stolz, die Kartoffeln zu schälen, und mein Jüngster kann gar nicht einschlafen, wenn nicht der Intrigant, der gute Kerl, ihn vorher eine Stunde lang in der Stube herumträgt. Und wie anhänglich mir die Leute sind. Meine jugendlich-naive Liebhaberin ist nun bald achtzehn Jahre bei mir, sie denkt gar nicht daran, wegzugehen. Und was schließlich meine Frau anbelangt – – nicht nur, daß sie das Kassenwesen besorgt, den Schauspielern die Haare brennt, in der Stadt die Requisiten zusammenborgt und abends die größten Rollen spielt, nein, sie hat trotz dieser Ueberbürdung im Laufe der Jahre noch Zeit gefunden, mich mit einer Schar lieblicher Kinder zu beschenken. Sehen Sie, Herr Doktor, das wird an einer Schmiere geleistet, und ich bin der Direktor! Empfehle mich!
http://www.zeno.org/...kt/12.+Auftritt
Aber Herrens Stück ist nicht mal Schmiere, weil er anders als der Schmierendirektor Striese gar nicht wahrzunehmen scheint, mit wie begrenzten Mitteln er arbeitet. Striese sieht, dass das, was er macht, kein großes Theater ist. Herren dagegen glaubt scheinbar wirklich, dass Theater so aussieht, wie er es schreibt.
Aber selbst wenn nicht (vielleicht irre ich mich ja): der Text als solches war so gewaltiges AUA, um nicht zu sagen AUA-AUA-AUA, das geht gar nicht.
* Genau wie Montillon hat Herren einen Hang zu rhetorischen Fragen im Übermass. Nicht nur im Stück tauchen sie ohne Zahl auf, auch im Fließtext. (Das macht fiktives Stück und Fließtext quasi ununterscheidbar und zerbricht die eh schon kaputte Illusion zweier Texte endgültig.) Seite 42/ 1. Spalte etwa besteht praktisch komplett aus einer Anhäufung von rund zwanzig rhetorischen Fragen. Es ist konjunktivisches Erzählen: "ask, don't show" statt "show, don't tell".
© der bös schauende aber das völlig zu recht Guy.
http://forum.sf-fan....=5461&start=105
Dort postest du ja eh nicht. Aber das sogar Ellen dir in den Weg kotzt, gibt dir das nicht zu denken, oh du großer allüberstrahlender Chefredax?
Bearbeitet von 64Seiten, 04 Mai 2013 - 01:07.