Nuggnugg schrieb vor einiger Zeit: "Die literarischen Stärken der Autoren waren aber nicht das, was mich an PR fasziniert hat. Das hatte andere Gründe." Ich denke, das darf man verallgemeinern.
Und damit kommen wir auch schon zu meiner längeren Replik. Auf mich sollte man sich in seinem Unmut besser nicht berufen, dann steht man nämlich gleich wieder allein da.
Ich habe meine sehr eigenen Probleme mit dieser Serie im Bande des HErrn (Frick) 2728. Die aktuelle Serie interessiert mich nicht, bzw. nur indirekt über der Dramen die täglich über die Serie im Internet aufgeführt werden. Es ist ganz einfach so: wenn man nach Kiel will und dafür in einen Bus steigt, und sieht da Leute, die sich darüber an die Gurgel gehen, ob man nun nach Unterammergau oder Oberammergau fahren soll, dann macht es wenig Sinn, da auch noch mitzuschreien, sondern man sollte schnell wieder aussteigen, offensichtlich sitzt man im ganz falschen Bus. Kann aber trotzdem amüsant sein, sich das Gezeter anzuhören!
Klaus Frick macht meiner Beobachtung nach einen guten Job als Redakteur. Was er lassen sollte, ist sich in Foren rumzutrieben. Er hat eine Serie zu verkaufen und kann in dieser Position nicht den Fan markieren. In meiner Freizeit will ich mich nicht mit Leuten unterhalten, die unter Sachzwängen argumentieren, ich lasse mich in meiner Kneipe ja auch nicht von Vertretern der Brauerei anquatschen. Bei der Konzeption der Serie macht er aber eben einen guten Job: Der Leser bekommt im Großen und Ganzen was er will bzw. verdient. Das Problem ist nicht Klaus Frick sondern der Leser, bzw. der ist natürlich auch nicht das Problem, er bezahlt ja die Serie, die er haben will und darf auch bis dass der Tod sie scheidet mit der Serie glücklich sein. Das letzte ist natürlich ein Witz, der Leser ist zum Glücklichsein gar nicht fähig. Insofern hat Klaus Frick auch einen undankbaren Job. Zur Publikumsbeschimpfung dann später mehr, ich schreibe mich ja gerade erst warm.
Was der Geist der Serie ist, weiß ich nicht, vielen von Quintos Thesen würde ich glatt widersprechen, andere Kritkpunkte sind mir so egal, dass ich nicht mal eine Meinung dazu habe. Bei wieder anderen würde ich eventuell einen Mangel empfinden, wenn ich in der luxuriösen Position wäre, nicht ganz andere Probleme mit der Serie zu haben. Die habe ich aber.
Warum ich mal PR gelesen habe, hat einen sehr einfachen Grund: mich hat diese gigantische, und vom Umfang her in der Tat alternativlose future history fasziniert. Das ist sie aber eben nicht mehr. Viel andere Ansprüche hätte ich auch nicht. Allerdings bedeutet das auch nicht wenig.
Um wie "Geschichte" zu wirken bedarf es einer spezifischen Mischung von Konstanz und Veränderung. PR ist heute das Gegenteil davon. Die Konstanten werden in Heft xx00 aus dem Hintern gezogen und in Heft xx99 wieder entsorgt. "Guck mal, ein Jahrmillionenaltes Ferntransport-System! Oh, schade, schon wieder kaputt." Wo Geschichte fließen sollte, da stockt sie aber. Eine Parade von Reminiszenzen an die Frühzeit folgt der anderen. Und wenn mal
ein Charakter über den Jordan geht, dann geht gleich das Abendland unter.
Das Ende der future history kam wohl mit dem Cantaro-Zyklus, der erste große Reset, das erste Mal, dass Redaktion und Expokratie beschlossen, unter Minimalaufwand einfach was ganz anderes zu hinzustellen. Zeitsprung, fertich. Bzw eigentlich: eben nicht was ganz anderes, sondern bloß ein chirurgisches Rausopereien, was ihnen nicht gefiel. Man vergleiche dies mit den Umbruch von Scheer zu Voltz, der sich über
Zyklen hinstreckte. Und bei Robert Feldhoff ist das Resetten dann ja zu einer Kunst gemacht worden.
Seitdem steckt die Serie in einer Zeitschleife. Man vergleiche mal das Setting der ersten 50 Heften mit dem von Band 4xx oder das mit Band 9xx oder 12xx. Eine ganz andere, fremde Welt, auch
weil sie erkennbar auf der (neu hinzugekommen) Vergangenheit beruht. Mache man aber einmal den gedanklichen Sprung von einem Band aus dem Linguiden-Zyklus ins Heute, das ist grob
die Hälfte der Serie. Was ist neu? Merkt man, dass man nicht bloß 100 Hefte weiter ist? Ich behaupte: nein, in keinster Weise. Man wundert sich höchsten über USO und Lineartriebwerke. "Äh, was? Die gibt es doch schon lange nicht mehr! Hat da der Lektor geschlafen?" Behaupten muss ich da eigentlich gar nichts. Ich habe es ja probiert mit der neuen Serie, und genauso war es.
Aber, und jetzt kommen wir langsam zur Publikumsbeschimpfung:
der Leser will es ja so. Genau so. Er ist ja froh über die Resets, weil was immer im Zyklus passiert ist, es ist nicht von Scheer erfunden worden, also ist es Dreck. Weg damit! Lieber will man was über den Nachfahren von Leutnant der Solaren Flotte x aus Band y lesen, oder nochmal von der einen Provinzwelt, auf der Perry in Band z mal Wasser abgeschlagen hat. Überhaupt, es gibt doch noch soviele offene Fäden aus dem ersten 400 bis 1000 Bänden, da darf der Castor nicht ruhen, bis
genau all jene Geschehenisse aus 20 Jahrmillionen, von denen wir etwas wissen aus
genau all denen Galaxien, in die PR mal seinen Fuß gesetzt hat, auf irgendeine haarsträubende Weise zusammenhängen. Die aktuelle Handlung ist dem Leser nicht wirklich wichtig, die rauscht so vorbei, man merkt nur auf, wenn der Autor etwas seniles Geblödel einstreut. Das stärkt das kuschelige Gemeinschaftsgefühl, und darum geht es ja nur. Ich sage aber, liebe Macher: Wenn in einer SF-Serie ein hummerartiger Charakter
Doktor Zoidberg heißt, dann erwarte ich eine Komödie, und bekomme sie auch. Wenn ein Charakter aus einem vor Millionen Jahren von der menschlichen Rasse abgespaltenen Seitenzweig
Dorksteiger heißt, und die Serie ist keine Kömödie, jedenfalls nicht absichtlich, dann ist mir die Zeit zu schade, das auch nur mit dem Arsch anzugucken.
Aber gerade dieser Charakter ist ja sehr beliebt. Also richtig gemacht! Die Koalistionsverhandlungen der Blues Mürkyl und Stüynbryk interessieren mich auch nicht.S owas kommt doch bestimmt in einem der nächsten Bände, gell? Und wird mit viel Schenkelklopfen begrüßt werden!
Ich mache mich zwar immer lustig über die Vergreisung der Leserschaft. Tatsache ist: es ist weitaus schlimmer. Der Durchschnittsforist ist ja eben nicht 80, sondern eher um die 50 oder so. Ich bin nicht soviel jünger als das. Aber eine so konsequente, wütende Verweigerung der Gegenwart gegenüber einer Jahrzehnte zurückliegenden Vergangenheit ist mir fremd, sie passt eher ins Altersheim. Das kann ich mir nicht leisten, und auch nicht in 5 bis 10 Jahren, ich muss Geld verdienen und kann meinen Chef vermutlich schlecht davon überzeugen, mein Team in Fortran entwickeln zulassen. Eine PR-Serie, die nach Band 1399 konsequent Neues gemacht hätte, und mich Jahrzehnte später mit spannenden Veränderungen erschlagen hätte, täte ich begrüßen. Terra in die Luft gesprengt,
Rhodan tot, mein Gott, von mir aus. Aber eine wiederholte Wiederaufführung des MdI-Zyklus brauche ich
nicht, ich habe ja das Original.
Vielleicht will es der Leser aber ja auch nicht, er ist ja in Scharen weggelaufen. Aber was war Ursache, was Wirkung? Keine Ahnung. Die Behauptung, die bildungsfernen Schichten seien zum RTL-Glotzen übergegangen, glaube ich jedenfalls nicht. Dann müssten ja im Umkehrschluss nur die Geistesriesen übrig sein. Wie jemand, der in der ZEIT immer zuerst das Feuilleton liest, kommt mir der Verlagsforist aber nicht vor. Es ist ja auch egal. Die Reaktion macht es entweder richtig und die Leute kaufen, oder die Serie stirbt. Besser als wenn die Serie vom Zentralkomitee der Altleser geplant wird, die müssen es nämlich nicht ausbaden, wenn sie die Serie and ie Wand fahren. Obwohl, wie dann die Hexenjagd nach dem Schuldigen losgeht, das wäre dann wieder sehr amüsant.
Ich sollte noch sagen, dass es mir so vorkommt, als würde sich das jetzige Expoduo bei der Serienentwicklung eher an Voltz als an Mahr/Vlcek orientieren, ein eher sanfter Übergang zu etwas neuen. Trotz einer Fanbasis, die das Gegenteil behauptet und die Zeter und Mordio schreit, weil ein Schiff und ein ZA-Träger über den Jordan ist. Und wenn das letzte Wort auch noch lange nicht gesprochen ist und ich es halt nur von außen beurteilen kann. Das ist löblich, lieber Montillon und Vandeman, der Faden ist aber nunmal abgerissen. Das Kind hat jedoch die Milch schon vor langer Zeit verschüttet und ist dann in den Brunnen gefallen, und ihr werdet die Serie auch nicht mehr jungfräulich vögeln können.
Auch die Autoren sind besser, dass macht die Sache aber manchmal auch schlimmer. Im 35. Jahrhundert saßen die Terraner planetenweit in ihrer Freizeit vorm Trivid, wie das deutsche Bürgertum. Nicht als ideologisches Statement oder aus sturer Weltverweigerung, das war halt eben der Horizont der Autoren
und der Leser. Und es war ja Trivid und vermutlich 6 statt 3 Kanäle, also toll zukünftig, gell. Und heute? Heute brüsten die Autoren sich damit, ja solche tollen Türkei-Kenner zu sein, und deshalb Istanbul anno 5000 n. Chr. beschreiben zu können, hohoho. Nicht, weil
die Autoren ernsthaft glauben, dass die Welt so funktioniert, sondern weil die Leser bedienen, und weil
der Leser furchbare Angst vor Veränderung, und sich eine Zukunft, in der der Türk nicht der Türk ist, und huch, vielleicht der Deutsche auch nicht der Deutsche, nicht vorstellen
wollen.
Aber die Cover sind meistens top, viel besser als bei Bruck. Wenns nur nicht soviele Raumschiffe vor blauen Nebeln wären. Aber immer noch bessser als spitze Felsen und Männer mit offenen Mündern.
Alles in allem sind die verkauften Rheumadecken jedenfalls von hoher Qualität. Ich gucke 2040 noch mal rein in die aktuelle EA, da bin ich im richtigen biologischen, und leider vermutlich auch im richtigen geistigen Alter.
Bearbeitet von Nuggnugg, 08 Dezember 2013 - 15:05.