Einmal mehr eine interessante Verschiebung der Ebene.
Nicht wirklich. Kein Volljurist würde aus den verwenden Fachtermini und Nicht-Fachtermini eine Metaverschiebung ableiten, aber möglicherweise ist es bei Kunstwissenschaftlern anders. Weit interessanter finde ich aber, dass du besagte Phrase ja geradezu so verwendest, als sei es ein Argument - was es natürlich nicht ist.
Zuerst argumentierst du, dass es juristisch resp. philosophisch offensichtlich ist, dass Tuvix keine natürliche Person ist
Wir Volljuristen sind nun mal praxisbezogen und auf das Nützliches ausgerichtet, d.h. zuallererst wollen wir wissen, was der Fall ist. Und in diesem Fall ist nicht die Welt der Fall, sondern die Frage, ob Tuvix überhaupt ein Rechtssubjekt ist. Ist Tuvix nämlich kein Rechtssubjekt, dann kann man sich weitere Fragen ersparen. Und Tuvix ist kein Rechtssubjekt.
Soweit ich mich erinnere, geschieht die Züchtung der Klone in beiden Filmen geheim resp. illegal. Die Klone werden somit gerade nicht vom Rechtssystem erfasst. Die Tatsache, dass die Klone am Ende in beiden Filme ein freies, selbstbestimmtes Leben führen können, ist dagegen ein eindeutiger Hinweis darauf, dass sie als vollwertige Individuen angesehen werden.
Endlich mal ein Argument. Ein falscher zwar, aber immerhin ein Argument. In
The 6th Day von Roger Spottiswoode mit Arnold Schwarzenegger ist das Klonen von Menschen ganz und gar illegal, nicht jedoch in
The Island von Michael Bay mit Ewan McGregor und Scarlett Johansson. Dort handelt der Konzern, der die Arkologie für die Klone betreibt, sogar ganz ausdrücklich im Auftrag der Regierung, ebenso die Auftragskiller des Konzerns. Ja, der US-Präsidenten höchstselbst hat sogar mehr als nur ein Klon. Und Lincoln Six Echo überlebt nur deswegen, weil er sich für das Original ausgibt, worauf dieser erschossen wird. Auch in
The 6th Day überlebt der Klon von Arnold Schwarzenegger nur deswegen, weil es mit Hilfe des Originals nach Patagonien auswandert.
Zum Beispiel scheint es mir eindeutig, dass zumindest innerhalb der westlichen Rechts- und Moraltradition die Frage, ob Tuvix durch einen "Fehler" erzeugt wurde, weitgehend irrelevant ist
Da hast du sogar absolut recht, der schnöde Umstand, dass er künstlich erzeugt wurde, reicht, um ihn diverse Rechte abzuschreiten.
Das kommt auch darauf an, welcher rechtsphilosophischen Auffassung man folgt. Vertreter des Rechtspositivismus werden vermutlich relativ schnell ein eindeutiges Urteil fällen können. Andere, die das sogenannte Naturrecht als Korrektiv verstehen, werden sich gegebenenfalls über positives Recht hinwegsetzen. Das scheint hier passiert zu sein.
Du hast dich anscheinen nur theoretisch mit der Jurisprudenz beschäftigt, nicht war? Kein Volljurist verschwendet auch nur eine Sekunde mit Rechtstheorie. Relevant ist nur das geltende Recht. Und wenn jemand keine natürliche Person ist, dann kann er sich auch nicht auf die Rechte von natürlichen Personnen beziehen - so einfach ist das.
Wenn wir erst mal den Fall positiven Rechts betrachten, ist der Fall meiner Ansicht nach schnell gelöst: Die neu entstandene Person hat all die Rechte, die allgemein auch anderen Personen zustehen, insbesondere das Recht auf Leben.
Falsch. Künstliche Wesen haben nur die Rechte, die sein Erzeuger oder die Allgemeinheit ihn zugesteht. Das ist übrigens auch im Star-Trek-Universum so. Der Holodoc wird zwar von der Crew der Voyager als Individuum betrachtet, juristisch ist er aber kein Individuum, sondern Eigentum der Sternenflotte. Als er sein Holo-Roman veröffentlicht, sieht sich der Richter außerstande zu beurteilen, ob er ein Individuum ist oder lediglich programmgemäß ein Individuum hinreichend gut simuliert. Ihn wurde nur das Recht zuerkannt, als Autor zu gelten.
Bearbeitet von Ming der Grausame, 19 Oktober 2015 - 13:57.