Da stellt sich natürlich die Frage, welchem Zweck Literaturkritik dient? Geht es um eine rein fachliche Beurteilung eines Buchs? Wenn ja, wer ist das Zielpublikum? Der Autor? Der Verlag? Anderer Literaturkritiker? Oder - ich traue mich fast nicht, es auszusprechen - etwa der Leser?
Wenn es für den Leser bestimmt ist, welche Funktion soll die Kritik dann für ihn erfüllen? Am Ende läuft es doch auf die Frage hinaus, ob er sich das Buch kaufen soll oder nicht?
Und wenn man Literaturkritik im Fernsehen präsentiert, muss die Kritik verkürzt und verdichtet ausfallen, und vor allem muss sie unterhaltsam präsentiert werden. Sonst schalten die Meisten der Wenigen, die überhaupt noch Literatursendungen gucken, wieder ab.
Denis Scheck macht das in meinen Augen genau richtig. Elke Heidenreich ist in dem Beispiel eindeutig über das Ziel hinausgeschossen. Es sollte das Buch besprochen werden, nicht der Geisteszustand der Autorin.
Ich würde dem gar nicht widersprechen, aber um als Kaufempfehlung zu dienen, muss ich eben etwas über das Buch erfahren. Und das muss mehr sein als "Ich habe dieses Buch ganz toll gefunden". Jemandem, den ich gut kenne, kann ich schon ein Buch empfehlen, ohne es genauer zu begründen ("Ich denke, das gefällt dir."), aber das ist nicht die Situation des Kritikers.
Wobei ich das mit der Kaufempfehlung auch relativieren möchte: Zumindest für mich dienen Rezensionen oft dazu, schlicht etwas zu erfahren. Darüber, was aktuell veröffentlicht wird, über kulturgeschichtliche Zusammenhänge etc. Um das jetzt mal altmodisch schulmeisterlich zu sagen: Von einer guten Kritik werde ich nicht bloss unterhalten, ich lerne auch was.
Mir ist schon klar, dass fürs Fernsehen etwas andere Regeln gelten, aber: Eine Sendung wie der Literaturclub gehört zu den ganz wenigen Angeboten des Schweizer Fernsehens, die nicht fürs Massenpublikum gedacht sind. Wenn man da das Niveau der Diskussion dann auch noch auf Massentauglichkeit runterschraubt, ärgere ich mich. Es gibt genug Anspruchsloses am Fernsehen, da darf auch mal ab und zu ein bisschen - ein ganz kleines bisschen - intellektuell gefordert werden.
Bearbeitet von simifilm, 07 September 2016 - 11:44.