Da bist Du komplett auf dem Holzweg. Das ist ein Zitat aus Diederichs Akte, die der StaJu-Mann vorliest. Völlig klar, dass die nicht neutral dargestellt werden, das kann man nicht dem Autor ankreiden.
Trotzdem wird genau das später wieder aufgegriffen, auf S. 23, wo seine Wandlung bereits im vollen Gange ist: "Er bemühte sich, anderen Hilfestellung zu leisten [...]"
Das kann man so oder so sehen. Als Verharmlosung oder eben als Kritik. Man kann sogar schlussfolgern, dass der Sprecher schlicht zu ängstlich ist (zu Recht), sich gegen das System zu wehren. Letztlich geht es hier um eine Frage der Anpassung, Mitläuferschaft oder Assimilation.
Für mich sieht es eher so aus, als ob Fips durchaus hinterfragt was passiert; er deutet ja auch an, daß man, wenn man hoch genug in der Hierarchie aufgestiegen ist, seine auch kritische Meinung äußern darf. Er ist sozusagen der kritische Nachwuchs, der vielleicht irgendwann die Möglichkeit hat, mit dafür zu sorgen, dass die Ungerechtigkeiten eingestellt werden. Wer weiß.
Das muss man im Zusammenhang mit dem gesamten Schlussabsatz betrachten. Diederich hat sich ja angepasst, die Stelle ist durch seine veränderte Wahrnehmung gefärbt und in meinen Augen eine passende visuelle Untermalung für den bissigen, traurigen Schluss. Diederich hat sich angepasst, er ist Teil der StaJu, hat die Seiten gewechselt.
Üblicherweise ist der Sonnenaufgang ein positiv besetztes Symbol, meist benutzt, wenn am Ende alle Feinde besiegt sind und die Helden in eine bessere Zukunft blicken. Ich verweise einfach mal auf den Artikel bei TvTropes, weil hier jede Menge Erläuterungen und Material zum Thema gesammelt sind. (Dann muss ich das nicht alles selbst erörtern :))
Zwei Forderungen die ich ablehne.
Ich möchte diesbezüglich nochmals auf die Figur des Mosche hinweisen. Sein Name weist ihn als Juden aus und charakterisiert wird er als arbeitsscheue, übertrieben lüsterne Person. Das ist es, auf was ich mich u.a. mit meiner eigentlich wohlwollenden 'Forderung' nach Klarheit und Vermeidung von Mißverständnissen bezogen habe. Denn im Prinzip entspricht eine solche Charakterisierung ganz klassischer antisemitischer Propaganda. Und hier steht der Autor in der Verantwortung, ganz egal ob das Geschriebene Resultat von Absicht oder Schludrigkeit ist.
Ansonsten habe ich irgendwie den Eindruck, dass Dirk Alt vielleicht ein wenig an Houellebecqs 'Unterwerfung' anknüpfen, bzw. einen analogen Entwurf aus christlicher Sicht schreiben wollte.
Das beschriebene Regime ist ja eigentlich kein faschistisches, es handelt sich hier um einen militaristischen, christlich-fundamentalistischen Gottesstaat. Natürlich wird in dem Text deutlich, welche extremen Methoden angewandt werden, um missliebige Personen loszuwerden, aber es werden eben auch positive Seiten dieses Systems gezeigt. Immerhin gibt es ein funktionierendes Gemeinwesen, das durchaus auf gegenseitigem Respekt basiert. Das hat ein bisschen was von "Es war ja nicht alles schlecht, damals!"
Letzten Endes dient der biblische Römerbrief als Grundlage der Novelle. Erwähnt wird er auf S. 16, als Titel eines Vortrags: "Die Bedeutung des Römerbriefs für unser Staatsverständnis". Sieht man sich Röm 12, 9-21 und Röm 13, 1-7 mal an, erkennt man, wie die Ideen daraus in "Die Läuterung" umgesetzt sind.
Dabei nehmen die Stajus die Rolle der guten Christen ein, während die Devianten die 'Bösen' sind. Klar muss man bei einem solchen Thema Unterschiede einander gegenüberstellen, sonst funktioniert ein solcher Text nicht. Aber der Autor dichtet seinen Devianten ganz objektiv schlechte Eigenschaften an, die nur zum Teil der Handlung geschuldet sind, während er die Stajus christliche Werte realisieren läßt.
Hass und impulsive Gewalt(bereitschaft) sind doch universell negativ besetzt. In dem vorliegenden Text gehen diese Gefühle und Eigenschaften ausschließlich von den Devianten aus. Natürlich ist das in einigen Fällen nachvollziehbar, aber man sollte meinen, dass es durchaus auch Mitglieder der Staju gäbe, die die Devianten als Verkörperung all dessen, was ihren Idealen widerspricht, verachten - und eben hassen. Aber das tut hier keiner der Stajus, im Gegenteil reagieren sie selbst auf Affronts noch gelassen (S. 14). Hier folgen sie auch tatsächlich den Forderungen aus dem Römerbrief.
Ebenso universell negativ besetzt ist der Neid. Ich habe da zwar schon mehrmals darauf hingewiesen, aber nochmal: Diederich kommt in der entsprechenden Szene von ganz alleine zu der Erkenntnis, dass er von Neid geprägt ist. Dies ist die Schlüsselszene, ab der er seine Unterwerfung und Wandlung beginnt. Die Textstelle (S. 20f) ist bestimmt von Diederichs eigenen Beobachtungen und seiner Selbstreflexion; von direktem Zwang ist hier nichts zu finden. Natürlich entspricht dieser Vorgang ganz gut der Stelle Röm 12, 20 - aber die kann man nicht als Gehirnwäsche interpretieren, sondern als Selbsterkenntnis verursacht durch einem entgegengebrachtes Gute. Aber es stimmt schon, dass ohne die Vorarbeit der Stajus die Wandlung so nicht hätte geschehen können. Nur basiert diese Vorarbeit eben nicht auf Gewalt (wie bei 1984).
Bearbeitet von schilling, 14 März 2018 - 12:32.