Ich bin jetzt ebenfalls durch, und es ist nicht unbedingt ein gutes Zeichen für die deutsche Phantastik, wenn die (für mich) mit Abstand beste Story eine Übersetzung ist. In Adrian Walkers Story stimmt einfach alles Atmosphäre, Personenzeichnung, Sense of wonder und (grausliche) Pointe.
Aber nun in der Reihenfolge:
Norbert Stöbe: Der Wächter: Stilsicher geschrieben, aber die Handlung überzeugte mich nicht so recht. Offenbar führen die Protagonisten in virtuellen Körpern eher ein Drohnendasein, während außerhalb der zerstörten Städte noch echte Menschen als Primitive leben. Wen der Held mit seinem "Artefakt" letztlich überzeugen wollte und mit welchen Konsequenzen, wurde mir nicht ganz klar.
Frank Neugebauer: Auferstehung des Fleisches. Neugebauers Geschichten haben ja stets eine bizarre Note, aber hier erschien mir die (pseudo)religiöse Analogie zu aufgesetzt, zumal mir auch nicht so recht einleuchten will, weshalb künstliches erzeugtes Fleisch (da gibt es ja schon praktikable Ansätze) plötzlich Sinne und Bewusstsein entfalten sollte.
Uwe Post: Die Borussia-Eskalation: Der Autor hat ja als Schöpfer schrägen SF-Humors in D beinahe ein Alleinstellungsmerkmal und agiert auch hier auf vertrautem Terrain. Die Story beginnt amüsant, allerdings wird für mich der Bogen des überdrehten Humors dann doch etwas überspannt. Eine Sternen-Liga mit derartigen Exzessen hätte wohl auch zuvor nicht lange Bestand gehabt. Aber lustig ist die Geschichte allemal.
Thomas Kolbe: Greifen Sie zu: Stlilistisch holpert es leider etwas, aber die Schilderungen der aggressiven Flora haben mir gefallen, die Pointe allerdings weniger, denn es ist eigentlich keine.
Die Steinmüllers: Begegnung im Terminal: Gewohnt souverän und pointiert geschrieben, wenngleich das Thema (Das Universum bewahrt seine Struktur und verhindert unerlaubte Eingriffe) nicht ganz neu ist.
Christian Endres: Mundtot: Flott geschrieben und ein nicht unsympathischer Protagonist mit einer gehörigen Portion Schnoddrigkeit, aber die Pointe ist dann doch etwas zu dünn, um dem Ganzen Substanz zu verleihen.
Olaf Kemmler: Wie man Liebe sichtbar macht: Ein durchaus amüsantes Szenario, vielleicht etwas zu ausführlich eingeführt, aber die Idee einer Home-KI, die Emotionen und Sympathien sichtbar zu machen vermag, hat etwas. Und die Umkehrung und ihre Folgen sind eine amüsante Pointe.
Wolf Welling; Osmose: Für mich die zweitbeste Geschichte des Heftes. Die kafkaesk anmutende Entwicklung des "fading away" des Protagonisten ist sehr überzeugend geschildert. Weniger überzeugend ist die Erklärung, denn es gibt keine.
Herbert W. Franke: Das tellurische Kabinett: Die Geschichte um einen erfolglosen Schauspieler, der in seiner neuen Rolle zwangsläufig aufgeht, ist eher eine Miniatur und behandelt ein nicht unbedingt neues Thema, dennoch lesenswert.
Bearbeitet von frankh, 07 Oktober 2018 - 17:26.