Woher kommt der Strom? 26. Woche und ein Besuch bei Fridays-for-Future
Es war eine schöne Sommerwoche. Die Sonne schien kräftig. Der Wind frischte ab und zu auf, um dann alsbald wieder abzuflauen. Vor allem zum Wochenende. Ab Freitagmittag gab nur noch eine recht schwache Windstromerzeugung. On- wie Offshore. Entsprechend groß war die Stromunterdeckung. Sah es zum Wochenbeginn noch so aus, als würden Wind- und Sonnenstrom plus konventioneller Stromerzeugung - ohne die in Deutschland sofort die Lichter ausgehen würden - den Bedarf annähernd decken, gab es ab Dienstag jeweils ab spätem Nachmittag bis etwa 9:00 Uhr des Folgetages regelmäßige Unterdeckungen mit zum Teil erheblichen Stromimporten. Die Unterdeckung verschärfte sich zum Wochenende hin. Diese Tabelle sowie der daraus generierte Chart zeigen die Stromerzeugungs- und Importdaten en Detail pro Tag.
Sonntag, 23.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 61,16 Prozent
Der bedarfsarme Sonntag und die recht ordentliche Wind- und - als dieser etwas schwächelte - Sonnenstromproduktion führten zu einer Überproduktion, die um 15:00 und 16:00 Uhr zu negativen Strompreisen und damit zu Bonuszahlungen für die abnehmenden Länder. Insgesamt erreichte die eigene Stromproduktion den Bedarf. Regelenergie = die Netzausregelungsreserve wurde gleichwohl immer importiert und bei Nichtverwendung wieder exportiert. Ausnahme 12:00 bis 15:00 Uhr. Da war genügend eigener Strom vorhanden, der billig verkauft oder sogar mit Bonus abgegeben werden musste.
Montag, 24.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 59,29 Prozent
Nahezu konstante Windstromerzeugung und eine kräftig scheinende Sonne schafften es auch heute nur über Tag, den Strombedarf inklusive konventioneller Stromerzeugung zu decken. Von 02:00 bis 09:00 Uhr und von 18:00 bis 21:00 reichte die eigene Stromerzeugung nicht aus. Strom muss importiert werden, was am Abend zu stark steigenden Preisen führt. In der Nacht ist die Preissituation nicht so dramatisch, weil genügend Strom bei relativ wenig Bedarf im Markt ist. Erst ab 05:00 Uhr steigt der Strompreis.
Dienstag, 25.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 48,25 Prozent
Ab 06:00 Uhr flaut der Wind ab und bleibt auf niedrigem Niveau. Von 09:00 bis 17:00 Uhr kann die kräftig scheinende Sonne das Stromdefizit ausgleichen. Ansonsten Unterdeckung mit Stromimporten. Vor allem, wie auch schon vorher, aus der Schweiz und aus Frankreich. Ja, in der Tat, die kleine Nicht-EU-Schweiz als Lückenfüller für das größte EU-Land.
Mittwoch, 26.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 50.00 Prozent
Erneuerbare und konventionelle Stromerzeugung halten sich heute die Waage. Ab 09:00 Uhr führt steigende Windstromerzeugung und eine kräftig scheinende Sonne zumindest bis etwa 18:30 Uhr zur Deckung des Bedarfs in Deutschland. Es folgt eine Stromunterdeckung, die erst ab 08:00 Uhr des Folgetages mit Sonnenaufgang endet. Obwohl der Wind On- wie Offshore erfreulich stark weht. Der Chart zum Im- und Export: Hier.
Donnerstag, 27.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 54,42 Prozent
Der Donnerstag ist bedarfsstark und weist einen konstanten Stromerzeugungsverlauf der Erneuerbaren auf. Weil die konventionelle Stromerzeugung nicht ausreicht, um vor und nach Sonnenuntergang genügend Strom bereitzustellen, wird importiert.
Freitag, 28.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 43,75 Prozent
An diesem Freitag wird nur von 10:30 bis 16:00 Uhr genügend eigener Strom produziert. Das aber auch nur knapp. Denn die Stromerzeugung mittels Windkraft verabschiedet sich fast vollständig. Vor allem Offshore. Massive Importe sind notwendig, um den Bedarf Deutschlands an öffentlichem Strom zu decken.
Samstag, 29.6.2019: Anteil Erneuerbare an Gesamtstromerzeugung 49,54 Prozent
Wie immer am Wochenend-Samstag sinkt der Bedarf. Da der Wind vor allem tagsüber sehr wenig Strom erzeugt, ergibt sich fast das gleiche Bild wie gestern. Nur tagsüber reicht der erzeugte Strom. Ansonsten wird importiert.
In der nächsten Woche kommt es wieder zu negativen Strompreisen. Obwohl der Wind stark auffrischt, sind wieder erhebliche Unterdeckungen mit entsprechenden Importen zu verzeichnen. In der Rückschau auf das 1. Halbjahr 2019 werde ich dieses Phänomen untersuchen. Auch unter dem Aspekt, wie es in dieser Hinsicht im Vergleichszeitraum 2018 aussah.
Fridays-for-Future-Workshop in Aachen
Die Mitglieder der Aachener Fridays-for-Future-Gruppe veranstalteten am Dienstag, den 2.7.2019, den für alle Bürger offenen Workshop „Energiewende“. Referent war Dr.-Ing. Peter Klafka, Mitinhaber einer Firma, die unter anderem Software zwecks Abrechnung von Stromlieferungen erstellt. Mit über 100 Mitarbeitern ist Dr. Klafka gut im Geschäft. Der studierte Elektrotechniker vermittelte die Informationen und das Basiswissen, welches zum Verständnis seiner Ideen nötig ist, in jeder Hinsicht korrekt.
Zu bemängeln war lediglich, dass die Quellen seiner Daten - unter anderem vom Fraunhofer ISE - nicht ausdrücklich benannt wurden. Nicht in seiner Verantwortung liegt hingegen, dass ein großer Teil der Zuhörerschaft, die fast ausschließlich aus wirklich noch recht jungen Leuten bestand, angesichts der geballten Informationen und vor allem auch Dimensionen wahrscheinlich heillos überfordert war. Wer hat schon eine Vorstellung von der Größenordnung einer Terawattstunde Strom, welche am Ostersonntag ausgereicht hat, um Deutschland komplett mit Strom zu versorgen. Am Ostermontag war der Bedarf etwas höher, so dass die erneuerbaren Energieträger - obwohl mit 0,98 TWh Stromerzeugung extrem stark - unterm Strich „nur“ 77 Prozent der erzeugten Gesamtstrommenge erreichten. An einigen Tagen im Jahr 2019 lag die Stromerzeugung durch Erneuerbare sogar noch höher, der Bedarf allerdings auch. Deshalb ergab sich da kein spektakulärer Prozentwert.
Ziel des Workshops war es, einen Weg aufzuzeigen, wie erneuerbare Energieträger allein ausreichen könnten, um den Bedarf an Strom im öffentlichen Stromnetz Deutschlands nahezu komplett zu decken. Achtung: Durchaus nicht, um den Gesamtenergiebedarfs Deutschlands oder auch nur den Gesamtenergiebedarf allein der 41,3 Millionen Haushalte in Deutschland zu decken. Es ging wirklich nur um den Strom im öffentlichen Stromnetz. Zur Unterscheidung mehr dazu unten.
Da der Ausbau der Stromerzeugung durch Biomasse und Wasserkraft nahezu ausgeschöpft ist, beschränkte sich Dr. Klafka auf Wind- und Sonnenstromerzeugung. Seine Idee (Klafka-Modell): Die bisherige installierte Leistung Wind/Sonne muss mit Faktor 5 ausgebaut werden.
Konkret: 53 GW installierte Leistung Windkraft x 5 auf 265 GW, 47 GW installierte Leistung Sonnenkraft x 5 auf 235 GW. Macht zusammen 500 GW. Damit könnten insgesamt, wenn immer ausreichend Wind weht und immer die Sonne scheinen würde, 500 GW x 8.760 Jahresstunden = 4.830 TWh Strom erzeugt werden. Was bei einem aktuellen Bedarf von 550 TWh netto in Deutschland etwas überdimensioniert erscheint. Auf der anderen Seite ist der Wirkungsgrad von Wind- und Sonnenkraftwerken recht gering. 2018 waren es bei Windkraftanlagen 21,5%, bei Sonnenkraftanlagen 11,5%. Was nichts anderes bedeutet, dass 10 Windräder gebaut werden müssen, um im Durchschnitt den möglichen Strom zweier Windräder tatsächlich zu erzeugen. Da die Sonne max. 50% des Tages überhaupt scheint, ist die Stromausbeute aus Sonnenkraftwerken noch geringer.
„Einer muss ja mal anfangen!“
Ich habe das Klafka-Modell durchgerechnet. An 169 von 180 Tagen bis zum 29.6.2019 hätte die Erzeugung Wind- und Sonnenstrom ausgereicht, um den jeweiligen Tagesbedarf zu decken. Der Stunden-, Minuten- oder Sekundenbedarf könnte durchaus nicht erreicht werden. Das liegt an der möglichen, starken Schwankungsbreite der Stromerzeugung durch erneuerbare Energieträger über den Tag. Nur an 11 Tagen hätte es in Summe nicht gereicht. An diesen 11 Tagen hätten insgesamt 11,21 TWh Strom zusätzlich durch Gaskraftwerke erzeugt werden müssen. Was nicht viel ist, bezogen auf einen Halbjahresbedarf von aktuell 266 TWh. Dafür allerdings muss ein Gas-Kraftwerkspark Stand-by zur Verfügung stehen, der den Gesamtbedarf Deutschlands erzeugen kann.
Dr. Klafka meinte trocken, dass diese installierte Leistung Gas praktisch nur für Nichtproduktion bezahlt werden müsste. Was meine Rechnung eindrucksvoll belegt. Wann und wieviel von den 11,21 TWh erzeugt werden müssen, ist vorher natürlich nicht bekannt. Beträchtlich ins Gewicht fallen auch die 232 TWh Stromüberproduktion. Zuviel Strom, den im Prinzip zunächst niemand braucht, kostet viel Geld, wie der 8.6.2019 eindrucksvoll belegt. Aber: Mit der Strom-Überproduktion könnte man auch sicher etwas machen. Doch sobald dieser Strom regelmäßig, zum Beispiel für die E-Mobilität verwendet wird, steigt natürlich auch der Bedarf an installierter Leistung Gas. Die so hoch sein muss, um den höchsten Bedarf an einem Tag ohne Wind- und Sonnenstrom zu decken. Und wenn es auch nur für ein paar Stunden ist. Und natürlich müssten zusätzliche Wind- und Sonnenkraftwerke installiert werden. Wenn man das nicht täte: Warum dann jetzt der Faktor 5?
Das alles (ab Konkret:) hat Dr. Klafka den Mitgliedern der Fridays-For-Future-Gruppe Aachen nicht erzählt. Eine Abschätzung des wirtschaftlichen Aufwands war den Teilnehmern kaum möglich und wahrscheinlich nicht erwünscht. Lediglich die Menge der Windkraftanlagen wurde thematisiert. Flächen stünden genügend zur Verfügung. Was so nicht der Fall ist. Die neuen Anlagen seien zwar 200 Meter hoch, Probleme gäbe es aber kaum. Außer mit Bürgerinitiativen. Moderne 3-MW-Windkraftanlagen würden zum Erreichen der installierten Leistung nicht so viele gebraucht wie heute. Dass das trotzdem fast 90.000 Windräder bei Verfünffachung der installierten Leistung wären (heute 30.000), wurde nicht erörtert.
Er würde sich immer freuen, so Dr. Klafka, wenn er die Windräder im Aachener Münsterwald sehe. Deshalb kam meine Frage, was denn unsere europäischen Nachbarn angesichts des bisherigen und zukünftigen massiven Aufwands in Deutschland in Sachen Erneuerbare tun, auch irgendwie nicht gut an. Als ich dann noch erläuterte, dass Deutschland gerade mal 2 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes zu verantworten habe, da kam das, was eigentlich immer kommt, wenn die Absurdität von extrem teuren, im Prinzip aber bezogen auf das Weltklima nahezu nutzlosen CO2-Vermeidungsstrategien Deutschlands immer kommt: Moral, Schuld und das berühmte: „Einer muss ja mal anfangen!" (Trotz schlechter Qualität bitte bedingt diesen Originalausschnitt anhören).
Das Ausnutzen mentaler Dispositionen junger Menschen
Dass diese Kriterien nahezu unangreifbar sind, dass junge Menschen in dieser Hinsicht einen anderen Blickwinkel haben als ich, ein 65 Jahre alter weißer Mann, ist durchaus verständlich. Dass aber ein gestandener Elektroingenieur diese Aspekte im Zusammenhang mit meiner Frage bringt, ist nicht nur ein Armutszeugnis. Nein, es ist das bewusste Ausnutzen mentaler Dispositionen junger Menschen. Er reiht sich damit in die Linie der Leute ein, die Idealismus und guten Willen, den Willen, die Welt nicht nur zu verbessern, sondern zu retten - ja, soweit ist die geschürte Hysterie bereits gediehen - weiter zu befeuern. Zu befeuern trotz besseren Wissens und wahrscheinlich auch aus schnödem wirtschaftlichem Interesse. Je mehr Sonnen- und Windkraftanlagen existieren, desto mehr muss abgerechnet und vieles mehr organisiert werden. Genau das ist das Geschäft von Dr. Klafka und seiner Firma.
In der Pause kam ein junger Mann auf mich zu und bekräftigte, das „Einer muss ja mal anfangen!". Ich antwortete, dass z.B. China gem. Pariser Klimaschutzabkommen bis 2030 zusätzlich zum bisherigen Ausstoß mehr CO2 dazu erzeugen dürfe, als Deutschland insgesamt produziert. In dem Beitrag „Alte Wärme im Meer und neue Kälte im Wohnzimmer“ schrieb Fritz Vahrenholt auf Achgut.com:
[†¦] Aber wir retten das Klima. Wirklich? Für 80 Milliarden Euro Steuergelder werden die heutigen Emissionen von 256 Millionen Tonnen aus dem Stromsektor auf etwa 100 Millionen Tonnen reduziert, denn ohne teurere Gaskraftwerke (mit der Hälfte der CO2-Emission wie Steinkohlekraftwerke) - das sieht selbst die Kohle-Ausstiegs-Kommission - geht es ganz und gar nicht. Das sind also etwa 500 Euro pro Tonne CO2. Der heutige CO2-Preis liegt bei 20 €/t. Es geht also nicht um Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit, es geht um den spektakulären Vorgang des Aussteigens, Abschaltens, Stillegens.
Aber wir wollen ja ein Vorbild sein. Für wen? Bis 2030 bauen China mit 280.000 MW und Indien mit 174.000 MW die zehnfache Kohlekapazität auf. Woher ich die Zahlen habe? Das sind die offiziellen Notifizierungen zum Pariser Klimaschutzabkommen durch China und Indien. Wir sparen 150 Mio. Tonnen ein, und China wird bis 2030 10 Milliarden Tonnen zusätzlich ausstoßen. In 62 Ländern der Erde werden in den nächsten Jahren 1.600 Kohlekraftwerke gebaut. Viele davon mit chinesischer Hilfe. [†¦]
Oben, im ersten Abschnitt des Zitats, sind nur die Kosten für die tatsächlich geplanten Maßnahmen genannt. Das Klafka-Modell würde ein Vielfaches kosten. Besonders wichtig: Der Bereich Raumwärme und vieles mehr wäre mit diesem Model überhaupt noch nicht abgedeckt. Bei 479 TWh lag die Energie, die 2017 für das Heizen aufgewendet wurde. Alle Zahlen des gesamten Energieverbrauchs allein der 41,3 Millionen Haushalte im Jahr 2017 finden Sie hier - diese brauchen von den knapp 550 TWh Gesamtbedarf Deutschlands an Strom übrigens nur 129 TWh.
Zum Schluss möchte ich angesichts der Zahlen allein in Deutschland und den Absichtserklärungen der übrigen Länder nochmal darauf hinweisen, dass ohne eine verbindliche und weltweite Abstimmung bezüglich der Reduktion von CO2 ein praktisch alleiniges Vorgehen Deutschland oder Europas - wenn Europa denn mal mitmachen würde - vollkommener Unfug ist. Folge wäre nicht die Rettung der Welt - die geschürte Weltuntergangshysterie ist ohnehin nur perfides Manipulationstheater -, sondern der Untergang Deutschlands und Europas als großer Industriestandort, einhergehend mit massiven Wohlstandsverlusten.
Meiner Meinung nach wäre eine praktikable Lösung nahezu CO2-freier Energiegewinnung der Aufbau von ausreichender Stromversorgung durch Kernkraftwerke neuester Bauart. Wie es der IPCC ausdrücklich und auch Greta Thunberg zumindest ansatzweise ins Spiel gebracht haben. Darüber hinaus wäre die großangelegte, industrielle Speicherung von CO2 (Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) mit Bioenergie und CCS mit fossilen Brennstoffen) notwendig. Auch das liegt im Rahmen des IPCC. Doch leider ist Deutschland ideologisch so verbohrt, dass allein das Erwähnen von Kernenergie massive Gegenbewegungen auf den Plan ruft.