simifilm schrieb am 11 Mai 2021 - 05:57:
Das ist ja kein Phänomen, das irgendwie auf SF oder deutsche Kulturerzeugnisse beschränkt wäre. Wie viele deutsche, französische, indische, arabische oder russische Autorinnen, Filmemacher oder Sängerinnen setzen sich international durch? Von StanisÅ‚aw Lem, der im deutschen Sprachraum eine Zeit lang als das Nonplusultra anspruchsvoller SF gehandelt wurde, war auf Englisch nie auch nur annähernd so vollständig verfügbar wie auf Deutsch (und hat es auch nie auf nennenswerte Verkaufszahlen gebracht).
Das kommt extrem auf den Bereich an. Von einem Musikstudenten, der sich auf Gitarre spezialisiert hat, habe ich mir zum Beispiel sagen lassen, dass Spanien und Deutschland die beiden Länder seien, in die man gehen müsse, wenn man auf Weltklasseniveau Gitarre lernen wolle (das Gespräch ist allerdings 15 Jahre her). Im Bereich der klassischen Literatur sind Hermann Hesse und Franz Kafka Namen von weltweiter Bedeutung - wer sich für Hochliteratur interessiert, kennt die. Im Comicbereich zeigt Japan, wie man mit einem eigenen Stil international erfolgreich sein kann.
Die rege Übersetzungstätigkeit im deutschsprachigen Raum ist ein weiteres Phänomen, das auch im Literaturbetrieb stark diskutiert wird. Der deutschsprachige Markt scheint groß genug zu sein, um Übersetzungskosten einzuspielen, und das Publikum scheint eine starke Präferenz zu haben, Geschichten in seiner Muttersprache aufzunehmen. Das ist z.B. in Skandinavien grundlegend anders, dort liest bzw. schaut man oft lieber im englischsprachigen Original. Das bleibt dann aber eben oft auch bei Englisch, Werke aus anderen Sprachen haben es auch dort schwer - die bekommt man eher auf Deutsch ...
In den USA als größtem englischsprachigen Markt wiederum gibt es 1) eine große Grund-Begeisterung für alles, was dort entsteht und 2) eine andere Kultur bei Übersetzungen. Bei Filmen zum Beispiel gibt es die starke Auffassung, dass sie durch Synchronisierung "Intensity" verlören, weswegen man oft lieber untertitelt. Das wiederum ist aber vergleichsweise anstrengend für das Publikum.
Ich glaube, der grundlegende Schritt, um als "deutschsprachiges SF-Biotop" international erfolgreich zu sein, ist eine große und aktive deutschsprachige SF-Szene. Dazu wiederum müsste die SF-Szene sehr viel positiver - oder, wie Uwe vielleicht formulieren würde: begeisterter - sein. Einfach Sachen gut finden, die hier gemacht werden, die Qualität herausstellen (hier kann ich gern noch mal PERRY RHODAN als auch international herausragendes Phänomen nennen - es ist ein Witz, wie wenig das sichtbar gemacht wird). Was nicht heißt, dass es hier nicht auch Schrott gibt. Der kann gern unter den Tisch fallen, aber darauf herumreiten muss man auch nicht.
Wenn man den Eindruck hat, es macht Spaß, in der SF-Szene mitzumachen, und man kann dort tolle Sachen entdecken und erleben, ist das ein Weg, um Leute dafür zu interessieren.
Meine Prognose nach über 30 Jahren Fandom: Es wird nicht passieren, die Meckerkultur wird weiter andauern. Einzelne werden fantastische Sachen machen, und an denen werde ich mich auch weiterhin freuen, aber es wird keine tragfähige Fan-Szene für deutschsprachige SF geben. Nichts, was annährend mit der Manga-Szene in Japan vergleichbar wäre. Ich lasse mich aber gern eines Besseren belehren.
Frank Lauenroth schrieb am 11 Mai 2021 - 06:40:
im Verlag sieht man kein kommerzielles Potential von SF-Anthologien
Das hatte ich befürchtet, aber, ganz im Ernst: Danke für den Versuch.