Aus für die "neue" Rechtschreibung?
#1 Gast_Frank W. Haubold_*
Geschrieben 06 August 2004 - 21:16
#2
Geschrieben 06 August 2004 - 21:43
#3 Gast_Frank W. Haubold_*
Geschrieben 06 August 2004 - 22:02
Ist mir nicht bekannt, allerdings war es bei Anthologien schon häufig so, daß die "neue" Rechtschreibung vorausgesetzt wurde. Im Grunde ist es ja auch kein großes Problem, Texte aus der "alten" in die "neue" zu konvertieren. Das Umgekehrte funktioniert allerdings nur manuell - wegen der idiotischen Getrennt-Schreibregeln. Dort, wo ich es selbst bestimmen konnte (bei den Erzählungsbänden), habe ich natürlich immer die "alte" Rechtschreibung benutzt. Was ich auch in Zukunft tun werde. Jetzt erst recht. Gruß T.Gab es Fälle, bei denen Geschichten abgelehnt worden sind, weil sie der im Verlag benutzten Rechtscheibregel nicht entsprechen?
#4
Geschrieben 06 August 2004 - 23:41
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 06 August 2004 - 23:43.
/KB
Yay! Fantasy-Reimerei Mitte August...
[..] Verzweiflung beschlich sie im Stillen.
Da ergriff eins der kleinsten das Wort:
"Wenn sich all unsere Wünsche erfüllen,
dann wünschen wir einfach mit Willen
die Wünsche-Erfüllung fort!"
Sie befolgten den Rat und von Stund an war
wieder spannend das Leben und heiter.
Die Kinder war'n froh wie vor Tag und Jahr
und vielleicht gar ein wenig gescheiter.
(BewohnerInnen der Stadt der Kinder, aus der "Geschichte vom Wunsch aller Wünsche", aus Die Zauberschule & andere Geschichten, Neuauflage im Thienemann-Verlag, S. 93, von Ende)
#5
Geschrieben 07 August 2004 - 10:09
sehr schön, vielleicht kann der Untergang des Abendlandes doch noch abgewendet werden.Nach der konservativen FAZ haben heute die Verlage Spiegel und Springer angekündigt, zur bewährten Rechtschreibung zurückzukehren. Die"Süddeutsche Zeitung" und andere wollen folgen.
Im Normalfall fordert der Verlag den Autoren (bzw. Übersetzer) auf, den Text selber in die vom Verlag gepflegte Rechtschreibung umzubauen. Ob der Autor die Forderung nachkommt hat dann was mit dem Vertrag und dem (nicht) vorhandenen Rückrad des Autoren zu tun. Gruß RonniGab es Fälle, bei denen Geschichten abgelehnt worden sind, weil sie der im Verlag benutzten Rechtscheibregel nicht entsprechen? :lookaround:
#6
Geschrieben 07 August 2004 - 11:41
Bearbeitet von Trurl, 07 August 2004 - 11:43.
Wie die Welt noch einmal davonkam, aus Stanislaw Lem Kyberiade
- • (Buch) gerade am lesen:Jeff VanderMeer - Autorität
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• (Buch) Neuerwerbung: Ramez Naam - Crux, Joe R. Lansdale - Blutiges Echo
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• (Film) gerade gesehen: Mission Impossible - Rogue Nation
#7
Geschrieben 07 August 2004 - 12:50
#8 Gast_Frank W. Haubold_*
Geschrieben 07 August 2004 - 12:52
Das ist schlicht und ergreifend falsch. Die einzigen, die überhaupt Sachargumente vorgetragen haben, waren die Gegner dieser hirnrissigen Pseudoreform. Oder gibt es gute Gründe, ein frischgebackenes Ehepaar in ein "frisch gebackenes" (frisch aus dem Ofen) zu verwandeln? Die Beispiele für den sprachzerstörerischen Übermut der Bürokratenmafia, die diesen Unsinn verzapft hat, sind Legion. Die Schriftsteller dieses Landes haben sich in seltener Einmütigkeit gegen dieses von schwervermittelbaren Pseudowissenschaftlern ersonnene Vorhaben gewandt, was - wie in einer Bürokratie üblich - niemanden in der Politik interessiert hat. Na ja, es gibt halt nicht viele Dinge, über die wir einer Meinung sind. Gruß T.Fakt ist doch, dass sich im Grunde nur die diejenigen wirklich aufregen, die sich an die bisherige alte so gewöhnt haben, dass ihnen deren Unlogik überhaupt nicht mehr aufgefallen ist und die jetzt partout keine Lust haben sich auf die Neuerungen mental einzulassen.
Bearbeitet von Tiresias, 07 August 2004 - 13:34.
#9
Geschrieben 07 August 2004 - 13:23
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#10 Gast_Frank W. Haubold_*
Geschrieben 07 August 2004 - 13:51
Okay, ich hab's gerade abgemildert. Andererseits sehe ich mich häufig mit Pauschalaussagen wie den von Trurl getroffenen konfrontiert (Reformunfähigkeit, Lernfaulheit, mangelnde Flexibilität), daß ich es bald nicht mehr hören kann. Was soll an einer Reform um der Reform willen positiv sein? Warum soll man etwas Miserables um jeden Preis behalten, nur weil ein paar unterbeschäftigte Bürokraten es den Schülern aufs Auge gedrückt haben?mal wieder sagst Du das Richtige im falschen Tonfall.
Das höre ich oft, aber, bitte, worin liegt der Fortschritt dieser Regelung? Entweder man schafft das ß ab oder nicht. Ein bißchen abschaffen macht m. E. keinen Sinn. Außerdem wird Bus nach wie vor mit einem s geschrieben, während Kuss (ß) mit zwei s bzw. ß geschrieben wird. Ich sehe da nach wie vor keine Logik. Das Ganze ist ein beispielloses Dilettantenstück, und ich finde es schade, daß sich selbst hier noch Teilnehmer finden, die so etwas unterstützen. Gruß T.Mit anderen Teilen der Reform kann ich mich dagegen ganz gut anfreunden: Die Reduzierung des "ß" aud diejenigen Worte, bei denen es Sinn macht (sprich: wenn es lang gesprochen wird wie in "Fuß", nicht kurz wie in "Fass") finde ich sinnvoll.
Bearbeitet von Tiresias, 07 August 2004 - 13:51.
#11
Geschrieben 07 August 2004 - 14:49
(Georg Christoph Lichtenberg)
#12
Geschrieben 07 August 2004 - 15:11
die Abschaffung des ß ist aus Sicht des Buchgestalters natürlich eine Katastrophe, da das ein Aussterben der Hälfte aller noch lebenden Ligaturen bedeutet. Um die Arterhaltung bemüht, Ronnidaß man versäumte, das ß ganz abzuschaffen
#13
Geschrieben 07 August 2004 - 16:50
Finde ich schon. Man betrachte z.B. die Aussage "Bier ist gesund, wenn man es in Maßen trinkt". Wenn ich hier die "Maßen" durch "Massen" ersetze ... (In Bayern hilft da natürlich auch das "ß" nicht, denn hier trinkt man Bier aus der "Maß" (= 1 Liter).) Erklärtes Ziel der Reform war ja, dass jemand, der ein Wort hört, möglichst gleich erkennen sollte, wie es sich schreibt. Zwischen "Maßen" und "Massen" ist ein hörbarer Unterschied, der sollte sich also auch schriftlich ausdrücken, und dafür ist das "ß" gut geeignet. Ich sehe da keinen zwingenden Grund, es abzuschaffen. Das Heil lose durch Einander bei der getrennt Schreibung läuft dieser Ziel Setzung eines konsequenten zusammen Hangs zwischen Sprache und Schrift da gegen voll kommen zu wider! -- tichyDas höre ich oft, aber, bitte, worin liegt der Fortschritt dieser Regelung? Entweder man schafft das ß ab oder nicht. Ein bißchen abschaffen macht m. E. keinen Sinn.
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#14
Geschrieben 07 August 2004 - 20:01
auch wenn ich mit meiner Position allein auf weiter Flur stehe, ich sehe die Rechtschreibreform nicht so negativ, wie die meisten. Erstens war eine Reform schon seit langem überfällig, zweitens bringt sie Verbesserungen und Modernisierungen der Sprache, drittens ist dort wo sie vielleicht nicht logisch durchgängig ist auch nicht schlechter als die alte Orthographie und viertens und letztens sind alle Regeln Gewöhnungssache, auch deren Mängel.
Mich nervt an der ganzen Debatte, die jetzt auf einmal wieder so heiß hochkocht, dass die Rechtschreibreform, von der ich glaube, dass sie summa summarum nicht schlechter, sondern besser ist als die bisherige über hundert Jahre alte Orthographie, die noch auf Konrad Duden zurückgeht und dem damaligen Kaiserreich ebenso "zwangsverordnet" wurde, dass diese Reform, jetzt auf einmal in Frage steht, weil einigen konservativen Strömungen in diesem Land die Ungereimtheiten der neuen Orthographie zur Schicksalsfrage wird an der die deutsche Sprache zugrunde gehen wird. Überraschend fand ich, dass die Süddeutsche Zeitung die Kehrtwendung ebenfalls mitmacht. Dieses Hin und Her regt mich wiederum weit mehr auf als das Akzeptieren der neuen Mängel. Ich kann gut damit leben, in 10-20 Jahren haben sich alle daran gewöhnt, der Rest stirbt weg. Um es noch mal klar zu sagen: ich will die alte Rechtschreibung auf keinen Fall mehr.
@Tiresias:
Ich habs natürlich geahnt, dass ich da einen wunden Punkt anspreche, ich wollte auf eine zuspitzende Formulierung aber nicht verzichten.
Ach hols der Teufel Tiresias, wir müssen nicht einer Meinung sein. Es macht doch so viel mehr Spass.Na ja, es gibt halt nicht viele Dinge, über die wir einer Meinung sind.
(Ich habe allerdings von dir schon Statements gelesen mit denen ich durchaus konform gehe)
Trurl
Wie die Welt noch einmal davonkam, aus Stanislaw Lem Kyberiade
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#15
Geschrieben 07 August 2004 - 23:00
Ich schreibe zur Zeit für eine Publikation einen Text aus dem 18. Jahrhundert (mit einer "eigenen" Rechtschreibung) in eine moderne Version um. Deswegen nutze ich seit zwei Wochen die Gelegenheit, um die neue Rechtschreibung zu erlernen. Jetzt kann ich sie schon so gut, dass ich anfange, die alten Regeln zu vergessen.
Soll ich jetzt die Notbremse ziehen, alles wieder abändern, nochmals umlernen?
Ich hoffe nicht. Die neue Regelung ist offiziell und die Übergangsphase ist nächstes Jahr vorbei. Ich bringe bald ein Buch heraus, es gibt eine gegenwärtige offizielle Regelung, also muss ich den Text so bringen, wie in 2005 verlangt wird. Eine andere Möglichkeit sehe ich eigentlich nicht.
Das heisst aber nicht, dass ich Fan von der neuen Rechtschreibung bin.
Beim Lernen sind mir viele eigenartige Regeln aufgefallen. Meiner Meinung nach ist eine Reform zwar notwendig, dafür aber eine vollständige. Ich bevorzuge klare Regeln. Die deutschsprachigen Staaten können Beispiele zur Genüge sammeln bei den anderen europäischen Sprachen.
Ein weiterer Gedanke: Mir fällt auf, dass viele Leute in Foren und auch sonst wo die Grossschreibung oft ignorieren. Ich sehe hier eine Entwicklung ... Tatsächlich wird die neue Rechtschreibung oft nicht akzeptiert, die alte wird aber auch ignoriert. Gut möglich, dass eines Tages eine "logische" Rechtschreibung empfohlen und auch gefolgt wird. Es gibt ja kein Gesetz und auch keine Komma-Polizei, die uns in eine Rechtschreibzelle wirft, wenn wir im Privat- oder Geschäftsleben so schreiben, wie wir selbst wollen.
Hier folgen meine eigenen (groben) Ideen zu einer richtigen Reform:
ß
Haben wir in der Schweiz schon längst abgeschafft. Das offizielle schweizerische Schriftdeutsch kennt nur "ss". Mit gutem Grund. Nehmen wir das Wort "Strasse". In Deutschland sagt man tatsächlich Straaaaaaaaaaaaaaase, in der Schweiz Strà sse. Ihr versteht. Für jemand, der hier aufwächst, ist es oft eine Unmöglichkeit zu erraten, wenn es denn ein "langes A" sein sollte (für mich als Fremdsprachiger ist es noch schwieriger).
Gross- und Kleinschreibung
Die schweizer haben den deutschen boden abgekauft.
Mein Lieblingssatz ... Okay, klar, ohne Grossschreibung kann man Unterschiedliches lesen. Aber hier würde eine Stilregel in Wirkung treten: Es ist Pflicht, einen Satz so zu schreiben, dass er im Kontext verständlich ist.
Eine ernste Reform hätte als Erstes die Grossschreibung abgeschafft. Gewisse Regeln bei Namen, Satzanfang u.ä. würden natürlich existieren.
Komma
Einfacher zu erlernen als früher, aber trotzdem oft schlecht erklärt.
Auch hier könnte man schöpfen bei anderen Sprachen. Im Sinne von: Kommas bei Aufzählungen, Satzteilen mit Verb oder Sprechpausen.
Zusammen- und Getrenntschreibung
Auch hier wäre Klarheit bevorzugt. Erstaunlich, wie viele Ausnahmen und Unterregeln es bei Adverbien, Adjektiven, Partizipien, usw. gibt.
Schön wäre beispielsweise: Partikeln - entweder zusammen oder getrennt. Die "92-Liste" ist unmöglich auswendig zu lernen. Ich will entweder hinuntergehen und aneinanderschreiben oder ich will hinunter gehen und auseinander schreiben. Alles klar?
Wörter
Wenn man in einer Kneipe oder im Betrieb oder auf einem Familienfest die neue Rechtschreibung diskutiert, fällt man hauptsächlich darüber, wie man die Wörter schreibt. "Lächerlich! Stopp schreibt man jetzt mit zwei P, Känguru ohne H. Könnt ihr so etwas verstehen?"
Ich selbst habe entdeckt, dass die Liste der neuen Wortschreibungen recht übersichtlich ist. Sie sind noch am einfachsten zu erlernen.
Nicht, dass es etwa nicht schwachsinnig aussehen würde, stopp mit zwei P zu schreiben ...
Es gibt ja so Einteilungen für Wörter. Fremdwörter und Lehnwörter sind zwei, die mir einfallen. Wenn ich mich richtig erinnere, sind Fremdwörter eher neu übernommene Wörter aus anderen Sprachen (z.B. Spaghetti). Lehnwörter dagegen sind Wörter, die schon vor einiger Zeit übernommen wurden und inzwischen verdeutscht sind (z.B. Kusine).
Das Problem ist klar, es ist nicht immer einfach zu spüren, welches Wort als "neu aus einer fremden Sprache" und welches als "eigentlich ein deutsches Wort" gilt.
Diese neuen Erklärungen - z.B. beim Stammprinzip: Stoppen (aha, zwei P), also ist Stopp (als Ableitung) auch mit doppeltem P -, halte ich selbst für unschön. Lieber nachschlagen im Wörter- oder Etymologiebuch, weshalb ein ursprünglich fremdes Wort so oder so geschrieben wird. Das ist Rechtschreibung, das ist Sprache, das ist spannend, da gilt es zu lernen und nachzuschlagen.
So, jetzt kennt ihr meine Meinung. Die eigentliche, ursprüngliche Frage von Tiresias war aber: Welche Folgen hat das für die hiesigen Buchverlage?
Gute Frage! Dass ein paar Zeitungchen aus dem grossen nördlichen Kanton sich ein bisschen quer legen, kümmert mich ja nicht. Für mich wäre es aber ein sehr ernsthaftes Problem, wenn Buchverlage anfangen würden, ihr eigenes Süppchen zu kochen. Was mache ich dann? Umsteigen? Meine "eigene" Wunschrechtschreibung anfangen? Auswandern?
#16
Geschrieben 07 August 2004 - 23:56
warum mußt Du, denn Du schreibst wenig später:Ich bringe bald ein Buch heraus, es gibt eine gegenwärtige offizielle Regelung, also muss ich den Text so bringen, wie in 2005 verlangt wird.
Wenn Du Dich aus geschäftlichen, ideologischen oder praktischen Gründen für die alte oder neue Rechtschreibung entscheidest, ist das natürlich Dein Bier, aber zwingen tut Dich keiner dazu. Gruß RonniEs gibt ja kein Gesetz und auch keine Komma-Polizei, die uns in eine Rechtschreibzelle wirft, wenn wir im Privat- oder Geschäftsleben so schreiben, wie wir selbst wollen.
#17
Geschrieben 08 August 2004 - 08:55
Diskussionen über die Rechtschreibreform führen immer wieder zu dem gleichen Punkt, an dem ich schon seit Beginn des Themas immer wieder die gleiche Frage stelle, vielleicht kann sie mir hier jemand beantworten:
Warum eigentlich meinen wir, eine richtige, verbindliche Schreibweise zu benötigen? Kann ich es einem Autor nicht freistellen ob er hinuntergehen oder hinunter gehen will?
Von Shakespeare sind meines Wissens 11 verschiedene Schreibweisen seines Namens belegt, gelegentlich unterschrieb er z.B. mit "Shaxpear". Das mag zwar mit den Zweifeln daran zusammenhängen, ob wirklich alle Shakespeare-Werke tatsächlich aus der gleichen Feder stammen, aber jedenfalls gilt er bis heute als einer der besten Autoren der Geschichte -- trotz dieser laxen Einstellung gegenüber einer Einheitlichkeit der Schreibweise.
Wie rocky schrieb: "Es ist Pflicht, einen Satz so zu schreiben, dass er im Kontext verständlich ist." Im Rahmen dieser Regel würde ich es einfach jedem Autor selbst überlassen, welche alten Regelungen er beibehält und welche neuen er übernimmt. Und mit der Zeit wird sich dann schon herauskristallisieren, welche dieser Freiheitsgrade nicht genutzt werden und abgeschafft werden können.
Einigen Interviews in der heutigen Sonntags-FAZ zufolge wird es bei den nun umgeschwenkten Zeitungsverlagen übrigens auf eine solche Kompromisslösung hinauslaufen: Einige neue Regelungen werden übernommen, andere nicht.
-- tichy
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#18
Geschrieben 08 August 2004 - 09:32
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)
#19
Geschrieben 08 August 2004 - 10:39
der deskriptive Weg ist uns leider versperrt, weil zuvor eine einzige Schreibweise und Grammatik als verbindlich erklärt wurde. Die Sprachrealität entspricht daher diesem Regelwerk (und wo nicht, betrachtet man das als Fehler). Genau deshalb halte ich das Lockern der Zügel ja für sinnvoll: Damit die Sprache wieder ihre eigenen Wege finden kann.
Das Problem entsteht, weil manche Leute gerne hätten, dass Sprache logisch sei. Sprache ist aber nie logisch. Wenn ich mal aus Wolf Schneiders amüsantem Buch "Deutsch für Profis" zitieren darf:
Eine Sprache zu lernen bedeutet also: Auswendig lernen, bewusst oder unbewusst, da liegt Trurl ganz richtig. Wenn man aber versucht, diese bestehende deskriptive Ordnung durch einen Satz logischer Regeln zu ersetzen, dann wandelt man auf dünnem Eis. Wer immer eine neue Regel aufstellen will, muss dabei auf sein Sprachgefühl hören, sonst entsteht ein Esperanto: eine vielleicht wunderbar logische, aber langweilige Sprache, die keiner benutzen will.Der Tomatensaft ist aus Tomaten, der Hustensaft nicht aus Husten. Im Kinderbett liegt meistens nur ein Kind; im Kindbett darf es nicht liegen, in dem liegt die Mutter; die liegt überdies im Wochenbett. Der Schoßhund sitzt auf dem Schoß, aber der Schäferhund nicht auf dem Schäfer. Die Feuerwehr bekämpft das Feuer, die Bundeswehr hoffentlich nicht den Bund. Eine Arbeitspause ist eine Pause zum Nichtarbeiten, eine Atempause jedoch keineswegs eine Pause zum Nichtatmen, sondern zum Atmen -- ist nun eine Denkpause eine Pause zum Denken oder zum Nichtdenken?
Nun wurden diese neuen Regeln ja nicht von einem einzelnen Menschen aufgestellt, sondern von einer bunten Kommission. In der z.B. auch radikale Stimmen sitzen, die gerne eine generelle Klein- und Getrenntschreibung einführen wollen. Das war so natürlich nicht umsetzbar, aber da wir in einer Konsensdemokratie leben (nicht ganz so schlimm wie Ihre Schweizer, rocky, aber dennoch ), muss jedes Kommissionsmitglied sich am Ende zumindest ein bisschen durchgesetzt haben. Und so, scheint es mir, entstand ein Kompromiss-Flickenteppich, der keine Rücksicht auf ein Sprachgefühl nehmen konnte.
Ich möchte als Autor eines Forumsbeitrags, eines Briefes, eines Zeitungsartikels, eines Buches die Freiheit haben, einen Satz so zu formulieren, wie er nach meinem Empfinden den gewünschten Inhalt am treffendsten vermittelt, auch wenn ich dadurch gegen irgendeine Regel verstoße. Und diese Freiheit habe ich auch! Denn muss ich eine Grammatikpolizei, eine Interpunktions-Gestapo, ein Rechschreibungsgericht fürchten? Warum also soll ich einen Schüler bestrafen, der "hinuntergehen" statt "hinunter gehen" schreibt?
Natürlich brauche ich gewisse Eckwerte, die festlegen, was definitiv nicht zulässig ist (für den Zusammenhalt der Sprachgemeinschaft, für die Didaktik, als roter Faden für die nicht wenigen Menschen mit weniger ausgeprägtem Sprachgefühl). Aber diese Eckwerte können doch einen gewissen Bewegungsspielraum zulassen.
Ich zitiere nochmal aus dem obengenannten Buch, das hier seinerseits Kleist zitiert (ich habe das Original, ich gestehe es, noch nicht gelesen):
Wow. Das ist wahres Können. Atemlos, verschachtelt, trotzdem wunderbar lesbar. Nicht obwohl, sondern weil es wahrscheinlich gegen unzählige alte und neue Regeln verstößt.... und sprengt auf sie ein, sprengt, so wahr Gott lebt, auf sie ein und greift sie, als ob er das ganze Hohenlohische Korps hinter sich hätte, an; dergestalt, dass, da die Chasseurs, ungewiss, ob nicht noch mehr Deutsche im Dorf sein mögen, einen Augenblick, wider ihre Gewohnheit, stutzen, er, mein Seel, ehe man noch eine Hand umkehrt, alle drei vom Sattel haut, die Pferde, die auf den Platz herumlaufen, aufgreit, damit bei mir ...
-- tichy
Bearbeitet von tichy, 08 August 2004 - 15:58.
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#20
Geschrieben 08 August 2004 - 15:49
Keineswegs. Für verbindlich erklären kann man Vieles, aber es ist allenfalls ein Leitfaden, wenn eine Sprachgemeinschaft es nicht umsetzen will oder nicht umsetzen kann. Wie gut es mit Rechtschreibung und Grammatik beim Ottonormalbürger bestellt ist, habe ich gerade eben wieder bei einem kurzen Streifzug durch das Angebot bei eBay erleben dürfen - was gemeint war, habe ich trotzdem erfassen können. Weiterhin gilt die Regelung nur für die Schriftsprache, während die Entwicklung fast vollständig über das gesprochene Wort bzw. über die Verbindung von gesprochenen Wörtern in einer Syntax erfolgt. Tatsächlich macht die Sprachgemeinschaft schon immer, was sie will - und das mit Recht. Kommissionen, egal wie groß oder durchmischt siesind, repräsentieren in jedem Fall nur einen verschwindend geringen Teil der Sprachgemeinschaft. Die Dynamik innerhalb der Gemeinschaft ist selbststeuernd, womit sämtliche Präskriptionen eigentlich eher Hilfestellungen sind, die es Angehörigen verschiedener Sprachgemeinschaften ermöglichen, anhand einer rudimentären Regelhaftigkeit Kommunikation zu betreiben. Das merkt man sehr schön daran, daß Ausländer häufig die geschriebenen Regeln einer Sprache häufig besser verinnerlichen als die Muttersprachler, aber andererseits die Sprache dennoch nicht besser beherrschen. Die Unwägbarkeiten der nicht existenten Sprachlogik gibt es natürlich nicht nur im Deutschen. Siehe dazu: time flies like a plane fruit flies like a bananader deskriptive Weg ist uns leider versperrt, weil zuvor eine einzige Schreibweise und Grammatik als verbindlich erklärt wurde.
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)
#21
Geschrieben 08 August 2004 - 16:40
Um das noch einmal in Erinnerung zu rufen: Die neuen Regeln wurden gemacht für Leute, die die deutsche Rechtschreibung lernen sollen, nicht für die, die sie schon können und ja bis zu ihren Lebensende weiter "alt" schreiben können.
Solche Lernenden gibt es zweierlei: Schüler und Ausländer. Letztere haben mit der hochkomplizierten, oft mit dem Lateinischen verglichenen deutschen Grammatik aber viel mehr zu kämpfen als mit der Rechtschreibung, die im Vergleich zum Englischen geradezu lachhaft simpel ist. Man lese dazu die köstlichen Erfahrungen von Mark Twain, als er seinerzeit versuchte, deutsch zu lernen: hier.
Bleiben also diejenigen, die Deutsch schon sprechen, aber lernen sollen, es zu schreiben: die Schüler. Der Erfolg der Reform sollte sich daran messen lassen, ob die Schüler nach den neuen Regeln weniger Fehler machen als nach den alten, denn das war ja das erklärte Ziel der Reformierung.
Dazu höre ich erstaunlicherweise bisher wenig Erkenntnisse, und die, die ich höre, geben kein klares Bild ab. Und das darf niemanden wundern, denn bei der ganzen Reform hat man, so scheint es mir, eine wichtige Gruppe ausser acht gelassen: die Lehrer. Gerade diejenigen, die diese neuen Regeln vermitteln und vorleben sollen, kennen sie großteils nicht und lehnen sie ab. Wie soll das dann bei den Schülern ankommen?
Nun kann man den Schwarzen Peter bei den Lehrern lassen, denen ja gerne vorgeworfen wird, sie sträubten sich gegen jegliche Veränderungen, sei es die neue Rechtschreibreform oder das G8. Aber hat sich mal jemand überlegt, was man den Lehrern da abfordert? Sie haben Jahre und Jahrzehnte die alten Regeln gelernt und gelehrt und müssen jetzt nicht nur die neuen lernen und vermitteln, sondern das auch noch auf dem schwankenden Grund der seit 5 Jahren schwelenden Debatte und der ständigen, klammheimlichen Nachbesserungen. Selbst die sinnvollste Reform hätte so einen schweren Stand. Die Verantwortlichen hätten das in ihre Plaung einbeziehen müssen.
Ich bleibe dabei: Große Teile der Reform waren höchst sinnvoll (oder hat jemand, warum es nach den alten Regeln zwar "Schiffahrt", aber "Pappplatte" heissen sollte? Oder war das andersrum?) und sollten beibehalten werden. Ich sehe aber keinen Grund, warum nicht beide Möglichkeiten gleichberechtigt nebeneinander gelten sollten.
-- tichy
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#22
Geschrieben 08 August 2004 - 18:54
Während der Übergangsphase von sechs Jahren wurde die alte Rechtschreibung nicht als Fehler benotet. Rot angestrichen vielleicht, aber nicht bestraft.Ich hätte zu dem Thema noch eine Frage: Ab August 2005 soll die neue Schreibweise ja nun "verbindlich" werden. Was genau heisst das? Für Lehrer, Schüler und Schulbuchverlage ist sie ja doch jetzt schon ziemlich verbindlich, oder?
Stimmt. Dies sind zwei sehr grosse Gruppen, für die es klare Regeln geben soll, weil sie sonst verwirrt sind. Es gibt noch eine grosse Gruppe Leute, die zwar nicht mehr lernen, aber unbedingt wissen müssen, wo es langgeht. Dies sind die Leute, die professionell Texte schreiben. Jetzt kann man schon sagen: Der eine Verlag macht es so, der andere so. Aber dies ist eine unzufrieden stellende Antwort. Einem Texter von Gebrauchsanweisungen ist es beispielsweise nicht zuzumuten, heute für eine Firma eine bestimmte Rechtschreibung und morgen für eine andere Firma eine andere Rechtschreibung anzuwenden. Deswegen finde ich Tiresias ursprüngliche Frage auch so interessant: Welche Folgen hat das für die hiesigen Buchverlage? Um es mal anders zu fragen: Wie sollten Profitexte aussehen?Solche Lernenden gibt es zweierlei: Schüler und Ausländer.
Das unterschreibe ich jederzeit. Die deutsche Grammatik ist wirklich schwierig. Aber vergesse nicht, dass wir Ausländer trotzdem auch die Rechtschreibung dazulernen müssen, die oft ungewöhnlich (Grossschreibung) erscheinen mag.Ausländer. Letztere haben mit der hochkomplizierten, oft mit dem Lateinischen verglichenen deutschen Grammatik aber viel mehr zu kämpfen als mit der Rechtschreibung.
Lese ich das jetzt richtig oder meinst du es ironisch? Du sagst, die deutsche Rechtschreibung ist einfacher als die englische??? Wie kommst du denn darauf? Zur Bemerkung von Ronni:Rechtschreibung, die im Vergleich zum Englischen geradezu lachhaft simpel ist.
Richtig, es zwingt mich niemand, aber ich möchte (und muss) natürlich wissen, was der Markt verlangt. Auch ich bin verunsichert über diese plötzlich auftauchende, unerwartete Diskussion. Zuvor dachte ich (eher im Unterbewusstsein): Die früheren Texte bleiben in der alten Rechtschreibung, die neu geschaffenen Texte werden nur noch in der neuen Rechtschreibung abgeliefert.Wenn Du Dich aus geschäftlichen, ideologischen oder praktischen Gründen für die alte oder neue Rechtschreibung entscheidest, ist das natürlich Dein Bier, aber zwingen tut Dich keiner dazu.
#23
Geschrieben 08 August 2004 - 20:30
Wenn ich der Spiegelumfrage trauen kann, halten sich Pro und Contra neue Rechtschreibung die Waage, oder anders gesagt, die Hälfte des Marktes hätte lieber so oder so die andere Rechtschreibung. Persönlich stelle ich mal die Vermutung auf, daß Bücher, die sich eher an ältere Leser wenden besser mit der alten Rechtschreibung gemacht werden, Bücher für jüngere Leser in der neuen. Auf die Frage, wie die Verlage es handhaben sieht es bei Shayol (der nun zugegebenermaßen alles andere als repräsentativ ist) so aus, daß der Autor, bei Sammelwerken der Herausgeber, bestimmt, welche Rechtschreibung verwendet wird, wobei die beiden Cheflektoren Hannes Riffel und Bernhard Kempen die neue Rechtschreibung lieber sehen, nicht weil sie sie mögen, sondern weil sie im Normalfall Manuskripte für andere Verlage in der neue Rechtschreibung abliefern müssen. Gruß RonniRichtig, es zwingt mich niemand, aber ich möchte (und muss) natürlich wissen, was der Markt verlangt. Auch ich bin verunsichert über diese plötzlich auftauchende, unerwartete Diskussion. Zuvor dachte ich (eher im Unterbewusstsein): Die früheren Texte bleiben in der alten Rechtschreibung, die neu geschaffenen Texte werden nur noch in der neuen Rechtschreibung abgeliefert.
#24
Geschrieben 08 August 2004 - 22:26
Jemand, der jetzt in die 6. Klasse kommt, hat nur die neue Rechtschreibung gelernt. Alle anderen mussten die letzten 5 Jahre umlernen. Also nur, weil so ein Arsch von Springer Verlag glaubt, der müsse sein unterentwickeltes Ego aufpolieren, bricht er diese neue Diskussion los, die absolut sinnlos ist, denn die neu Rechtschreibung wird bleiben. Das einzige, was erreicht wird, ist, dass das Chaos noch größer wird. Super! Aber wir wissen ja, was wir von der Bild zu halten haben. Die ganze Diskussion wird auf einen erstaunlich niedrigen Level geführt. Meist läuft es auf ein "Versteh ich nicht" oder ein "Das haben wir schon immer so gemacht" heraus. Ich habe mich mit der neuen Rechtschreibung befasst und ich kann folgendes dazu sagen: Erstens: Er wurde viel vereinfacht und viel Ausnahmen von der Ausnahme der Ausnahme der Ausnahme gestrichten. Die Intention: Nicht mehr ganze Generationen von Schülern mit Müll belasten, der vollkommen unwichtig ist. Zweiten: Vieles ist nun von der Schreibweise intuitiver. Das hilft uns natürlich nichts. Wir haben uns mit Mühe und Not teilweise wahrhaft schwachsinnige Schreibweisen angewöhnt. Aber ist das ein Grund das weiterhin so zu belassen? Drittens: Die Änderungen sind weit weniger umfassend als im allgemeinen getan wird. Viertens: Die Grundsatz Diskussion, an denen der Erfolg der Rechtschreibreform geknüpft wird, beschäftigen sich mit ein paar Bugs, die aber jeder Deutsche im Gegensatz zu den neuen Regeln zu kennen scheint. Fazit: Wir Deutschen sind ein verbohrtes Volk, dem man in dieser Hinsicht nur den Bankrot bescheinigen kann. Die größte Lachnummer seit Jahren. PS: Die Letzte große Rechtschreibreform liegt knapp 100 Jahre zurück. Damals war das gequatsche ähnlich bescheuert. Andere Länder sind mit ihrer Sprache sehr viel flexibler. Nicht aber wir Deutschen. Alles muss in Regel gefasst werden, die wir dann, wenn sich herausstellt, dass dies Schwachsinn war, nicht mehr ändern können. Irgendwie komisch, findet ihr nicht.Ich hätte zu dem Thema noch eine Frage: Ab August 2005 soll die neue Schreibweise ja nun "verbindlich" werden. Was genau heisst das? Für Lehrer, Schüler und Schulbuchverlage ist sie ja doch jetzt schon ziemlich verbindlich, oder?
#25
Geschrieben 08 August 2004 - 22:39
Bearbeitet von Theophrastus, 08 August 2004 - 22:42.
#26 Gast_Frank W. Haubold_*
Geschrieben 09 August 2004 - 05:12
Wird sie. Wie man an Deinen Einlassungen leicht feststellen kann. Wenn man schon den Terminus "Arsch" verwendet, dann triff dieser aus meiner Sicht doch wohl eher auf die anmaßenden Bürokraten der KMK und die verbeamteten Sprachverstümmler der "Rechtschreibkommission" zu, die diesen diesen kostspieligen Unfug der Pseudoreform zu verantworten haben. Was Deine (wie auch immer begründete) These, die neue Rechtschreibung würde bleiben, anbetrifft, gilt m. E.: Wetten, daß nicht? Gruß T.Jemand, der jetzt in die 6. Klasse kommt, hat nur die neue Rechtschreibung gelernt. Alle anderen mussten die letzten 5 Jahre umlernen. Also nur, weil so ein Arsch von Springer Verlag glaubt, der müsse sein unterentwickeltes Ego aufpolieren, bricht er diese neue Diskussion los, die absolut sinnlos ist, denn die neu Rechtschreibung wird bleiben. Das einzige, was erreicht wird, ist, dass das Chaos noch größer wird. Super! Aber wir wissen ja, was wir von der Bild zu halten haben. Die ganze Diskussion wird auf einen erstaunlich niedrigen Level geführt. ...
Bearbeitet von Tiresias, 09 August 2004 - 06:02.
#27 Gast_Frank W. Haubold_*
Geschrieben 09 August 2004 - 06:11
#28
Geschrieben 09 August 2004 - 08:47
Ja, die deutsche Rechtschreibung ist sehr einfach im Vergleich zur englischen. Es besteht ein stark regelmäßiger Zusammenhang zwischen der Aussprache eines Wortes und seiner Schreibweise, mit verhältnismäßig wenigen Ausnahmen. Ganz im Gegensatz dazu das Englische, das Vokabeln aus so vielen anderen Sprachen, Dialekten und Slangs aufgenommen hat, dass man oft aus der Schreibweise nicht mehr erkennen kann, wie sich das Wort ausspricht, und umgekehrt. Bekanntestes Beispiel ist die Silbe "ough", die auf 14 unterschiedliche Weisen ausgesprochen werden kann:Du sagst, die deutsche Rechtschreibung ist einfacher als die englische???
Ich bin ein Jahr in den USA in die Schule gegangen. Die Eselsbrücken-Merksprüche, die die Kinder dort pauken sollen, um die Unregelmäßigkeiten ihrer Sprache unter Kontrolle zu bringen, sind beeindruckend. Die Schulen halten regelmäßig Buchstabier-Wettbewerbe (spelling bees) ab. Trotzdem findet man in englischen Foren Beiträge von englischen Muttersprachlern, bei denen selbst Ausländern ganz anders wird vor lauter Fehlern.Rough-coated, dough-faced, thoughtful ploughman John Gough strode through the streets of Scarborough; after falling into a slough on Coughlin road near the lough (dry due to drought), he coughed and hiccoughed, then checked his horse's houghs and washed up in a trough.
Das stört mich auch. Die Chefredakteure, die jetzt umgeschwenkt sind, bringen als Argument immer wieder: "Wir haben gemerkt, dass alle unsere Mitarbeiter immer noch alte Rechtschreibung schreiben, nur der Computer bringt das dann in die neue Rechtschreibung." Diese Leute übersehen völlig, dass diese Reform nicht für sie gemacht wurde. Sondern für die Schüler! Dass ein altgedienter Journalist sie nicht verinnerlicht, sagt nichts darüber aus, ob sie für die Schüler sinnvoll ist. Nur: Um für die Schüler sinnvoll zu sein, muss man erstmal die Lehrer gewinnen. Siehe oben.Meist läuft es auf ein "Versteh ich nicht" oder ein "Das haben wir schon immer so gemacht" heraus.
Ich sehe aber noch ein anderes Problem. Als Knigge seinerzeit sein berühmtes Manieren-Buch herausbrachte, ging es ihm nicht um die Pflege der Benimmregeln, sein Anliegen war ein viel edleres: Er wollte den "einfachen" Menschen die Möglichkeit geben, sich in "höheren" Schichten bewegen zu können, ohne negativ aufzufallen. Er wollte also die gesellschaftlichen Schichten nach oben durchlässiger machen. Ein hehres Ziel, das aber natürlich so nicht erreicht werden kann: Die höheren Schichten wollen unter sich bleiben und werden neue, nicht imitierbare Merkmale definieren, an denen sie ihresgleichen erkennen können.
Das mit der Sprache wurzelt vielleicht in einer ähnlich egalitaristischen Einstellung: Viele Schüler kapieren die Rechtschreibung nicht. An guter Sprache erkennt man die intelligenteren und/oder gebildeteren Menschen. Also mache ich die Rechtschreibung einfacher, damit alle gleich schlau und gebildet aussehen können. Kann das funktionieren?
-- tichy
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#29
Geschrieben 09 August 2004 - 09:27
#30
Geschrieben 09 August 2004 - 11:53
Du bist nicht alleine. Ich fand die neue Rechtschreibung auch nicht so schlimm. Tatsächlich war hier ein für allemal die Schreibweise des „ß“ nach einer logischen Regel geklärt. Leider blieben dabei so einige anderen Regeln auf der Strecke.
Nur: Nach fünf Jahren (!) finde ich eine Abkehr und zurück zur alten Rechtschreibung - die auch alles andere als logisch ist - für einen Riesenfehler. Die armen Kinder, die in der Schule nach der neuen Rechtschreibung beurteilt werden, und die von den Eltern immer noch die Alte auf die Augen gehauen bekommen.
Auf der anderen Seite: Sprache ist dazu da, um sich zu verständigen. Wenn man sich versteht - was nämlich auf beiden Seiten der Gesprächsfront einen entsprechenden Willen voraussetzt - dann kann man eigentlich schreiben wie mal will.
Bis dennen,
Henrik Fisch
Gregory Benford, Larry Niven, "Himmelsjäger"
Gerade am Lesen
Gregory Benford, Larry Niven, "Sternenflüge"
Gerade gesehen
Serie "Mad Men"
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