Ich möchte einmal kurz ein paar Textstellen aufbereiten, alle aus dem Prolog, denn danach habe ich das Buch weggelegt, weil ich offensichtlich nicht Teil der Zielgruppe bin. Woran ich das festmache, in einigen Beispielen:
"Für Äonen waren Protonen, Gas-Partikel und Elektronen..."
Protonen und Elektronen sind Gas-Partikel (im weitesten Sinne, normalerweise würde ich Atome und Moleküle darunter verstehen). Natürlich flog damals noch einiges außer Protonen und Elektronen durch die Gegend, genauer wäre z.B. gewesen, "Protonen, Elektronen und anderen Partikel" zu schreiben.
"...ehe sie in der Partnerposition des Heliumatoms..."
Falsch, Protonen und Elektronen vereinigten sich zunächst einmal zu Wasserstoff-Atomen. Helium besteht aus je 2 Neutronen, Protonen und Elektronen und entstand erst durch Kernfusion in den Sternen in größerer Menge, von Kernfusion ist aber hier keine Rede - falls es gemeint ist, ist es halt mindestens ungenau.
Dieses sehe ich auch so. Heisenberg (Unschärfetheorie, meine Damen und Herren!) hätte mit dem Buch Hammerwerfen geübt. Überdies ist Helium ein Edelgas und verhält sich absolut inert.
Damit es nicht heißt, der Physiker stellt zu hohe Ansprüche, anderes Thema, Theologie:
"...war noch niemand da, der ihre Schönheit hätte bewundern können"
etwas weiter unten kommt dann:
"... in dieser Ursuppe, über der man Gott noch schweben meinte"
Also, entweder man räumt Gott in der ganzen Sache eine Rolle ein (dann hätte er oder sie aber auch die Schönheit der ersten Galaxien bewundern können) oder man lässt ihn oder sie aus der Sache raus, zumal bisher alle Vorgänge ohne auskamen noch etwas weiter unten steht:
"...dass eben dieses Leben sich seine Genese später mit nichts anderem als einem bewussten Schöpfungsakt erklären würde" ... was ein eher atheistischer Standpunkt ist.
Hinzu kommt, dass "man" gar nicht anwesend war.
Das ist für mich einfach inkonsistent.
Das erinnert mich an das Gespräch zwischen Voltaire und Diderot:
Voltaire: "Wenn es Gott nicht geben würde, müsste man ihn erfinden!"
Diderot: "Was man ja auch tat."
Kurzer Sprung wieder zurück:
"... Wasserstoff, Kohlenstoff und Stickstoff [..], vereinigten sich..."
Ich meine, da müsste Sauerstoff an Stelle des Stickstoffs stehen, weil in diesem Zusammenhang die ersten organischen Moleküle gemeint sein dürften, also Kohlenwasserstoffe, die aus Kohlenstoff, Wasserstoff und eben Sauerstoff bestehen. Aber vielleicht auch nicht:
"...vereinigten sich zu einem Gewölbe und einem Meer..."
Dieses "Gewölbe" ist dann wohl der Himmel (Stickstoff, Kohlendioxid) oder die Erde (Silizium bzw. Silikate, nicht aufgelistet) und das Meer braucht eben abgesehen von Wasserstoff auch den in der Aufzählung fehlenden Sauerstoff.
Stickstoff verhält sich bei ca. 1000 hPa (Normaldruck) eher inert und geht nur sehr dezent Verbindungen in der Atemluft ein; wenn wir also Atem ziehen, dient der Stickstoff als Blähmedium für die Lungen (Sauerstoff fällt als solches aus, da es zu reaktionsfreudig ist ... Fische hätten ansonsten Säcke statt Kiemen an der Seite), dass der mitgelieferte Sauerstoff quasi im Huckepack - am Ende des Wegs durch die Bronchien - unsere Blastulae erreichen und sich im Hämoglobin anreichern kann; wir atmen also nicht nur CO2 aus, sondern auch Stickstoffverbindungen, die unter dem Druck und der Wärme des Körpers etwas besser entstehen können.
"...war alles Mechanik."
Stimmt nicht, da höchstwahrscheinlich kosmische Strahlung (starke und schwache Kernkraft) sowie Blitze (Elektromagnetismus) ebenfalls bei frühen chemischen Reaktionen eine bedeutende Rolle spielten.
"...weil niemand die Zeit maß und sie sich damit aus dem Ereignishorizont absentiert hielt..."
Ereignishorizont ist die Entfernung vom Zentrum eines schwarzen Lochs, bei deren Unterschreiten keine Flucht mehr möglich ist. Die Zeit kann sich nichts "absentiert halten", nur weil sie nicht gemessen wird, ist sie ja trotzdem da. Das ist für mich ein Paradebeispiel für ein total schiefes Bild. Hier wurde einfach noch ein toll nach Wissenschaft klingendes Wort eingebaut, ohne besonders auf den Sinn zu achten.
Jopp. Nur, weil wir keinen Begriff von der Zeit als Dimension haben, ist sie ja nicht irrelevant...
"Als das [...] Bakterium zum ersten Mal mit seinem Flagellum schnalzte, raste ein Impuls durch Milliarden Lichtjahre..."
Nein, kein Impuls raste durch den Kosmos. Wenn, dann eine elektromagnetische Welle, aber ich glaube eigentlich nicht, dass die genannte Bewegung eine solche aussenden kann.
Das wäre in der Tat ein Wunder, bei dem ich versucht wäre, an Gott zu glauben.
Der nächste Satz unterstellt dann, dass der Vorgang auf der Erde einmalig oder zumindest erstmalig stattfand - eine ziemlich anthropozentrische Perspektive.
Ich belasse es mal dabei. Sicher ist für euch nachvollziehbar, warum ich - als gelernter Physiker und Astronom wohlgemerkt - den Roman an dieser Stelle nur weglegen kann. Es tut einfach zu sehr weh. Kann ich nicht ändern, ich bitte dafür um Verständnis.
Ganz offensichtlich fehlt es der Autorin an dem naturwissenschaftlichen Wissen, um die kosmische Urgeschichte korrekt darzustellen. Das ist ja im Grunde auch kein Problem, wenn die Leser ebenfalls keine Ahnung haben und einfach die bildhafte Sprache toll finden, dann kann man sich einfach zurücklehnen, es genießen.
... was es für mich eher zu einem Werk der Desinformation macht. Und ja, so was IST gefährlich, gerade in diesen Zeiten. Den amerikanischen Politiker habe ich ja schon erwähnt.
Der Knackpunkt ist aber:
Am Ende des Prologs wird "Dave", also der Hauptprotagonist des Romans, als Endpunkt einer wissenschaftlich-technischen Entwicklung eingeführt. Was zum Geier soll ich jetzt von einem Roman über ein technisches Produkt erwarten, wenn der Prolog schon bewiesen hat, dass die Autorin auf eine genaue Darstellung von Wissenschaft und Technik keinen Wert legt und lieber alles mit bildhafter Sprache vollballert?
Die Antwort ist offensichtlich: Dieser "Dave" ist ein Produkt ihrer Fantasie mit ihm beliebig zugeschriebenen (da technische Belange vermutlich weitgehend ignorierend) Eigenschaften und Fertigkeiten und keine einigermaßen glaubwürdig extrapolierte technische Entwicklung. Aus erzählerischer Sicht also: ein Deus ex machina.
Tatsächlich kranken daran aus meiner Sicht sehr viele der derzeit gefühlt ununterbrochen erscheinenden Romane über starke KIs. Das ist natürlich legitim; es gibt noch keine starke KI, wird es auch so bald nicht, also kann man ihr als phantastisches Element beliebige Eigenschaften zuschreiben und drumherum jede gewünschte philosophische oder dramatische Geschichte spinnen. Ich persönlich fände aber andere Geschichten interessanter: Zum Beispiel die Frage, wie zum Geier es eigentlich dazu kommen konnte, dass jemand einer starken KI irgendwelche weitreichenden Befugnisse erteilt, ohne a) einen Not-Aus-Schalter einzubauen und b) massive Proteste von Kritikern, Anwälten(!!!), Versicherungen, Aktivisten und Medien abzuwehren. Aber das führt jetzt zu weit, bleiben wir bei diesem Buch.
ein Mensch wird immer stärker als eine KI sein, denn er weiß, wo der Schalten ist oder zieht den Stecker. Ansonsten hilft immer ein Blick zu den 3 Gesetzen der Robotik.
Selbst Commander Data lässt sich in STTNG freiwillig ausschalten, da es in der Situation der Crew hilft.
Wenn man die Wortbild-reiche Sprache genießen kann, ohne sich an dem löchrigen wissenschaftlich-technischen Unterbau zu stören, kann man den Roman vermutlich genießen. Aber wir sind hier im SF-Netzwerk. Das S steht für Science. Und mit Science (im Sinne von Technik und Naturwissenschaft) hat das Buch nicht so viel am Hut - es tut nur so (jedenfalls im Prolog). Die Autorin würde das vermutlich sogar unterschreiben, sie ist schließlich Philosophin.
... und wirft der unbedarften Hausfrau irgendwelche Brocken hin, ohne zum Diskurs einzuladen? Wenn das Adorno wüsste, könnte man seinen Sarg als Tunnelbohrmaschine benutzen...
Als philosophischen, spracherfinderischen, literarischen Roman käme man dann wohl zu einer anderen Bewertung - als SF-Roman kann ich ihn nicht loben.
Ist halt alles eine Frage der Perspektive.