Jordan schrieb am 26 Feb 2023 - 08:48:
Und oft findet das Fansein halt in der eigenen Blase statt - nicht nur bei PR, bei anderen SF-Universen wie z.B. Battletech-Spieler habe ich das gleiche erlebt. Es gibt da im Fandom wenig Bestreben, sich mit SF-Fans anderer Couleur auszutauschen und so für die eigene Serie "zu trommeln".
...
Was die Außenwirkung des KLP, DSFP oder anderer Genrepreise angeht: Die ist meiner Wahrnehmung nach nicht vorhanden.
Das nehme ich auch so wahr. Die Frage ist nun: Ist dieser Zustand befriedigend?
Meine Idealvorstellung ist, dass es eine aktive Science-Fiction-Szene in Deutschland gäbe. Sprich: Es gibt nicht nur vereinzelte Rezensionen zu einzelnen Werken, sondern eine rege Diskussion mit gegenseitiger Bezugnahme zu aktuellen Werken der Science-Fiction, und wenn man auf Conventions geht, kann man mit dem Großteil der Anwesenden über die bedeutendsten Werke der vergangenen Jahre in Austausch treten, weil sie eben diese Werke gelesen haben. Mit anderen Worten: Einer der Schlüssel wäre ein Kanon.
Im Grunde wäre ein Genre-Preis prädestiniert, einen solchen Kanon zu schaffen. Das ist gegenwärtig nicht der Fall, der KLP erfüllt diese Funktion nicht, der DSFP noch weniger. Das finde ich bedauerlich, weil uns (als Szene) dadurch diverse Möglichkeiten verloren gehen.
Durch Inklusion von Perry Rhodan würde die Reichweite mindestens vervierfacht, was ja schon mal nicht schlecht wäre. Dass Rhodan auch in der Altersstruktur jünger und in der Geschlechterverteilung der Fanbase diverser ist als der SFCD, wäre ein weiteres Positivum.
Man kann natürlich sagen: "Ist doch egal - irgendwer (ein größtenteils anonymes Gremium) schenkt dir 1000 Euro, wenn du gewinnst. Bedank dich höflich - und ansonsten ignoriere die doch und lass die ihr Ding machen." Das scheint unter den SF-Schaffenden (über Rhodan hinaus) eine verbreitete Einstellung zu sein - aber ich glaube, wir (als SF-Szene) könnten besser sein ...
Jordan schrieb am 26 Feb 2023 - 08:48:
Dazu kommt: Nach meiner Einschätzung entstehen bei der PR-Serie die Texte unter einem hohen Zeitdruck für die Autoren. Ich glaube, mich erinnern zu können, dass Andreas Eschbach für seinen letzten Roman kaum vier Wochen vom Erhalt des Exposes bis zum Verkaufstermin hatte.
Die vier Wochen sind tatsächlich eine Ausnahme, üblich sind 6 Wochen. Wenn wir mal bei den 4 Wochen bleiben, sind das über den Daumen 160 Arbeitsstunden (ja, jetzt höre ich alle Selbständigen lachen ...) für 120 Normseiten, was etwa 100 Taschenbuchseiten entspricht. Also müsste man etwa eine Seite pro eineinhalb Stunden schreiben.
Die Zeit für Lektorat, Korrektorat ist extra, geht also nicht von den 4 bzw. 6 Wochen ab.
Recherche und Handlungsplanung dagegen sind innerhalb dieser Zeit zu leisten, aber hier kommen die Exposés und Datenblätter ins Spiel, die viel abnehmen. Das ist wirklich gut zu schaffen ...
In meinem Fall ist es so, dass ich einen Heftroman für gewöhnlich in 7 Tagen schreibe (um da den nächsten Einwand abzufangen: Auch, wenn ich bei Publikumsverlagen veröffentliche: Ich werde besser, je schneller ich schreibe - das merke ich an den Rückmeldungen zu den entsprechenden Passagen aus dem Lektorat). In den 6 Wochen, die ich normalerweise für einen Rhodan habe, kann ich auch einen 500-Seiten-Roman schreiben, der in einem Publikumsverlag erscheint.
Also: Die Zeit ist nicht knapp.
Hinzu kommt, dass die Bezahlung pro Seite bei Rhodan im Branchenvergleich sehr gut ist. Für mich die beste Bezahlung (pro Seite) überhaupt - und ich stand siebenmal auf der Spiegel-Bestsellerliste. Bei anderen Kolleginnen und Kollegen dürfte der Vorsprung eher größer sein.
Bei den Kurzgeschichten (bei Rhodan meist Stellaris) ist das noch extremer: Für meine (allerdings längere) Rhodan-Kurzgeschichte bekam ich das Achtfache dessen, was mir ein Magazin für eine andere Kurzgeschichte gezahlt hat - und oft bekommt man für seine Kurzgeschichten lediglich ein Belegexemplar.
Bezahlung übersetzt sich für Autorinnen und Autoren oft in Schreibzeit ... Kann man den Hauptjob um einen Tag pro Woche reduzieren, den man dann ins Schreiben stecken kann? Eine solide finanzielle Basis ermöglicht auch ein gründliches Lektorat und ein ebensolches Korrektorat.
Alles Punkte, die dafür sprechen, dass die Qualität bei Rhodan höher sein müsste als irgendwo sonst auf dem deutschsprachigen SF-Markt.
Jordan schrieb am 26 Feb 2023 - 08:48:
Gewisse Handlungsmuster sind vorgegeben und können auch nicht verändert werden, um den Verkaufserfolg nicht zu gefährden. Das macht Romane oder Teile von ihnen mitunter vorhersehbar. Das wiederum scheint mir keine gute Voraussetzung zu sein, um als bester Roman des Jahres ausgezeichnet zu werden.
Bei Handlungsmustern ist das nicht der Fall - es gibt das Bad End ebenso wie das Happy End, die Tragödie ebenso wie die Komödie, die Ensemble-Geschichte ebenso wie die einsame Heldin ... you name it.
Dennoch hast Du insofern einen Punkt, dass manche Motive bei Rhodan keine Rolle spielen, und wenn man die sucht, wird man dort nicht fündig, insbesondere:
- Near Future-Stoffe mit starkem Gegenwartsbezug (einen allegorischen Gegenwartsbezug kann natürlich prinzipiell jede Geschichte bieten)
- Kommentare zu tagespolitischen Ereignissen
- Explizite Erotik
- Exzessive Gewaltdarstellung
- den großen Bereich der Climate Fiction (wenn Millionen Planeten besiedelt sind, wird eine Ökokatastrophe auf einem einzelnen Planeten zwangsläufig zu einer Randnotiz)
Dyrnberg schrieb am 26 Feb 2023 - 09:24:
Zur Qualität von Perry Rhodan kann ich nichts sagen: Ich bin - thesenhaft zugespitzt - ein "klassischer" Sci-Fi-Leser der ab 1980 geborenenen Generation, sprich: Ich hatte noch nie einen Perry Rhodan in der Hand.
Das kann ich subjektiv bestätigen, da fällst Du (nach meiner Wahrnehmung) tatsächlich in eine Lücke. Die Geburtsjahrgänge ab Mitte der 1990er scheinen wieder etwas stärker in der Fanbase vertreten zu sein - ab da auch mit auffällig höherem Frauenanteil. Es mag an Rhodans starker Social-Media-Präsenz liegen.
Dyrnberg schrieb am 26 Feb 2023 - 09:24:
Eine Serie übernimmt das vorgegebene Worldbuilding bzw. muss sie übernehmen;
Prämiert werden sollen bei KLP und DSFP die qualitativ hochwertigsten Werke. Wenn das Ergebnis zählt, müsste irrelevant sein, wie viel Aufwand von wem hineingesteckt wurde. Also "death of the author" - das Werk steht für sich allein und wird für sich allein beurteilt.
Vielmehr liegt umgekehrt die Vermutung nahe: Wenn ein Worldbuildung seit über 60 Jahren von einer Vielzahl von Personen vorgenommen, weiterentwickelt und von einer starken Fanbase über Rückmeldungen überprüft und geschärft wurde - dann ist es vermutlich ziemlich ausgereift und erwiesenermaßen tragfähig ...
Dyrnberg schrieb am 26 Feb 2023 - 09:24:
- Gibt es eigentlich einen Perry Rhodan Preis? Bei dem die Community sagt: Das war der beste Beitrag zum Perryversum in diesem Jahr!
Gab es mal und wurde auch mit Neuauflagen in einem Sonderformat kombiniert, gibt es aber aktuell nicht.
FranzH schrieb am 26 Feb 2023 - 09:38:
Bei diesen Zahlen fehlt mir in der Regel die wissenschaftliche Grundlage, sie kommen mir alle sehr hypothetisch vor.
Das sind sie auch - aber begründete Hypothesen, denn zum Beispiel die Mitgliedszahlen der PRFZ und des SFCD sind ja öffentlich zugänglich, die Verkaufszahlen kennt man zumindest größenordnungsmäßig.
Jol Rosenberg schrieb am 26 Feb 2023 - 09:48:
Wie diese Zahlen entstanden sind, die ja auch in den Artikeln genannt werden, würde mich auch interessieren. Da werden immer wieder 75% benannt, aber ich habe nicht begriffen: 75% wovon?
Im Wesentlichen:
- Größe der Fanbase (Vereine/ Vereinsmitglieder), Conventions (Anzahl und Besucherzahl), Fanzines, Foren, FB-Gruppen ...)
- Verkaufte Exemplare (letzte veröffentlichte Zahl bei Rhodan: 60.000 pro Woche in der Hauptserie, macht knapp 3 Millionen pro Jahr, plus Nebenserien, plus Einzelveröffentlichungen, plus weitere Formate; im Vergleich dazu der Jahresbestseller Belletristik 2022 lt. Börsenblatt: 450.000 Exemplare (allerdings nur Print) - und die bestverkauften SF-Titel liegen weit darunter; um auf die Bestsellerliste zu kommen, reichen in einer normalen Woche 5000 verkaufte Exemplare - die meisten SF-Bücher schaffen das nicht)
Nebenfaktoren:
- Behandlung in größeren Medien (FAZ, arte, 2DF ...)
- wissenschaftliche Arbeiten
- Präsenz in anderen Formaten (Rhodan tauchte mal im Tatort auf etc.)
Amtranik schrieb am 26 Feb 2023 - 09:58:
..., weil wir in den Statuten eindeutig die Endlosserien ausnehmen.
Beim KLP können Heftromane nominiert werden, auch Rhodan, das ist geklärt.
Beim DSFP ist die Frage, ob dieser Satzungsartikel dem Anspruch im Wege steht, die deutsche Science-Fiction abzubilden - und falls das so sein sollte und so bleiben soll, ob die Benennung des Preises dann glücklich gewählt ist.
Amtranik schrieb am 26 Feb 2023 - 09:58:
Ich halte es für sehr nachvollziehbar, dass jeder noch so gute im Rhodankosmos eingebettete Einzelroman durch die Wegnahme der Exposeleistung, des Überbaus und seiner Bedeutung laufenden Zyklus so viel verliert, dass es schlicht nicht mehr für eine Nominierung reicht.
Das vermute ich auch - aber ich alte die Wegnahme für unsinnig. Wenn das Werk zählt, ist egal, wie es zustande gekommen ist - insbesondere, wie viele Autorinnen und Autoren daran beteiligt waren und wie sie konzeptionelle, schreiberische und redigierende Tätigkeiten aufgeteilt haben. Das lässt sich im Zweifel auch bei keinem Nicht-Serien-Buch sagen (Recherchedienstleistungen können ebenso zugekauft werden wie fact checking etc.).