Ich mag den unerzählten Raum oft sehr. Bei Aikis Geschichte hat mich keine der Leerstellen gestört. Aber das wisst ihr ja schon.
Der (ob explizite oder implizite) Gedanke, ich würde Aikis Prosa nur mögen, weil ich die Person mag, kommt nicht zum ersten Mal. Diskussion darüber, ob das was dran ist, sind langweilig, das ist wie Bugs Bunny und Duffy Duck, die sich nur mit "Nein"-"Doch"-bewerfen. Ich bezweifle jedoch sehr, dass das für die vielen KLP-Befürwortenden gelten kann, so viele Menschen kennen Aiki vermutlich ja nicht mal persönlich?
Schiefe Bilder sind mir nicht aufgefallen, ich vertraue aber darauf, dass es welche gibt, sonst würden nicht so vielen Personen welche auffallen. Darüber hatten wir ja schon im Rahmen von DAVE diskutiert, in dem Roman waren die Bilder teilweise so gewagt daneben, dass sie mich mehrmals aus dem Lesefluss gehauen haben, zudem hatte die Autorin bei dem Roman die (eher nervige) Angewohnheit, für jedes Detail ein total nicht naheliegendes Fremdwort zu verwenden und das manchmal sogar falsch. Daneben gab es aber auch vieles, das sprachlich sehr gelungen war und ich fragte mich beim Lesen, ob es mir die vielen schiefen Bilder nicht doch wert waren, auch zwischendurch mal zu stolpern.
Insgesamt habe ich den Eindruck: Wir in der deutschsprachigen SF wagen sprachlich viel zu wenig! Da bewundere ich die Leute, die mutig mit Sprache experimentieren, auch wenn mal das eine oder andere nicht (für alle?) funktioniert. Und beim Roman nach DAVE (Die Inkommensurablen) hat die Autorin Edelbauer deutlich weniger sprachlich aufgetafelt, da war es dann für mich genau richtig. Experimentiert und somit eigenen Stil gefunden?
Was hast du getan, Uwe, um deinen eigenen Stil zu finden? Denn du hast einen, so viel steht fest, manchmal habe ich sogar den Eindruck, ich würde ihn wiedererkennen, wenn du anonymisiert einreichen würdest.
Ich persönlich glaube, dass Aikis Prosa so einiges zu unserer SF beiträgt und unser Repertoire sozusagen erweitert. Diese Geschichte hat mich erreicht. Das klappt nicht immer (ich stehe immer noch ratlos vor der Story in Entfernte Verwandte, vielleicht erleuchtet mich ja mal jemand), aber doch meistens. Manchmal klappt es ja auch bei dir, Uwe (Digital Detox?).
In einer Sache stimme ich dir aber unbedingt zu:
Es ist wirklich spannend, diese Unterschiede hier mal so ausführlich zu untersuchen.
Es passiert auch zu selten, meistens sprechen wir gar nicht in dieser Ausführlichkeit über Prosa, geschweige denn über Kurzprosa und solche eher polarisierenden Geschichten eignen sich umso besser dazu, ein wenig nachzudenken:
Warum hat mir das überhaupt gefallen? Warum hat mir das nicht gefallen?
Mir war das erzählende Ich total nah. Die Parallelen zu dem Leben, dass ich seit März 2020 selbst führe, sind unübersehbar. Ich sitze warm und trocken vor einem Rechner mit Cam, sei es nun im Büro oder privat, und chatte, videotelefoniere oder telefoniere mit Menschen, die sich woanders befinden. Ich bin vergleichsweise reich (im weltweiten Vergleich sogar ganz sicher), erhalte viel zu viele meiner Ressourcen von weit weg.
Es haut nicht alles total hin, z. B. kommuniziere ich mit Menschen in einer ähnlichen Situation wie ich und nicht mit denen, die tausende von Kilometern entfernt ggf. meinen Elektromüll untersuchen. Aber Gemeinsamkeiten sehe ich doch. Und ich erkenne mich selbst in Kleinigkeiten wieder, gut beobachtete Details wie das erzählende Ich das eigene Bild der Cam prüft. Ich fühle mich sogar erwischt, glotze ich beim Videotelefonieren nicht auch manchmal nur mich selbst an und frage mich, ob ich gut rüberkomme? Und das ich, die ich daheim an den meisten Spiegeln gleichgültig vorbeilaufe und froh sein kann, wenn ich rechtzeitig bemerke, dass ich seit Stunden Spinat zwischen den Zähnen habe. Aber bei Zoom-Konferenzen werde auch ich magisch von meinem eigenen Abbild angezogen. So sehe ich also aus? Das bin ich?
Ich habe den Text gerade nicht mehr vor der Nase, da steckte doch einiges drin, womit ich viel anfangen konnte.
Und auch ich rede im Büro nicht mit den anderen, gehe immer alleine essen und ignoriere die Menschen, die nur wenige Meter von mir entfernt in ihren Büros sitzen. Seltsam. Kann ich euch auch nicht gut erklären. Daher muss Aikis Geschichte mir das Verhalten des erzählenden Ichs auch nicht zwingend erklären. Ich habe eine schwammige Vorstellung davon, warum das so sein könnte.