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EXODUS Nr. 46 (05/2023)


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324 Antworten in diesem Thema

#61 Uwe Post

Uwe Post

    FutureFictionMagazin'o'naut

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Geschrieben 28 Mai 2023 - 09:48

 

 

Wäre der Wal einfach nur ein lebendiges Tier, hätte ich gut verstanden, dass es den Kindern wichtig ist, dass er lebt. Aber wahrscheinlich lebt er für die Kinder irgendwie. 

Natürlich lebt er, sonst könnte er ja nicht sterben. Es ist ein ganz normaler Wal, aus Fleisch und Blut, mit eingebauten Extras, wie alle meine "Biotools", die ich für diverse Geschichten erfunden habe. Er ist nicht mechanisch, und das steht auch nirgendwo in der Geschichte.

 

 

 

und bei Aiki fehlende Erklärungen so kommentierst: [..]

 

Es ist ein Unterschied, ob, wie bei meiner Geschichte, (bisher) eine Leserin (Du) eine Frage stellt, oder, wie bei Aikis Geschichte, mehrere Leute eine ganze Reihe von Fragen  :happy:  Aikis Erzählperspektive erlaubt nur einen sehr begrenzten Einblick ins nicht dargestellte Gesamtgeschehen (dafür ist sie ganz nah an den Emotionen der Figuren), so dass man sich sehr, sehr viel dazu denken muss - und da gibt es sicher mehrere Möglichkeiten. Das ist mehr als die von Yvonne so genannte "Leerstelle", das ist ein ganzer Leerraum. Natürlich kann man sich den selbst mit einer konsistenten, spannenden Welt ausmalen - aber dann ist es die Fantasie der Leserin, die etwas Großartiges geschaffen hat, nicht AutorX  :aliensmile: Ich finde, dass man Aiki für die Sprache und die Nähe zu den Figuren sehr loben kann, aber für großartige Plots, die im Text selbst gar nicht ausgearbeitet, sondern nur sehr sehr dünn angedeutet werden...?


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#62 scipio.rodenbucher

scipio.rodenbucher

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Geschrieben 28 Mai 2023 - 10:49


Genau. Als moderner SF-Autor kann ich mir erlauben, nicht alles zu erklären, und solange das Beschriebene nicht widersprüchlich ist, sondern nur unvollständig, darf ich hoffentlich hoffen, dass sich die geschätzte Leserschaft den Rest einfach dazu denkt   :happy:  (zumal, wie hier, die meisten Handlungsträger gar nicht den kompletten Überblick haben)

 

Interessant. Bei der Frage der Sicherheitskopien in Nanoraumschiffen klang das noch anders.

 

Und nun noch etwas zu einer ganz anderen Geschichte im Heftchen:

Ich habe mittlerweile Aiki Miras Geschichte gelesen, nachdem hier so viel über ihnsie (ist das korrekt bei einem selbsterklärten AutorX?) geschwärmt worden ist.

Triggerwarnung: (1) ich kenne mich mit deutscher SF nicht aus. Habe zuletzt als Kind und Jugendlicher amerikanische SF gelesen und danach eher Nicht-Genre-Literatur.

(2) Ich neige nicht zur Heldenverehrung weder mit noch ohne X, weder in Literatur, noch Genreliteratur, nicht einmal in der Physik (Schrödinger, verdammt).

 

Was mir sofort auffiel:  Wie wenig Aiki Mira interessiert zu sein scheint, den Ort darzustellen,  an dem sich seineihre Geschichte abspielt. Keine Beschreibungen außer ein paar Klischees (Kontrast, Durschnitts(!)entfernung, an viel mehr erinnere ich micht nicht). Die Mondlandschaften sind ihmihr egal. M.a.W. praktisch keine Außen-, nur Innenperspektive ("Hier herrscht Grausamkeit"), alles allerdings gespickt mit kühnen Metaphern (Fachbegriff, z.B. "spieße die Zeit auf", etc.), die je nach Fall leider im luftleeren Freien oder in den deprimierenden Höhlen hängen bleiben, in denen sich das Leben auf dem Mond abzuspielen scheint. Um die Chose spannend zu machen, drückt der Zeigefinger auf die moralischen Erregungstasten der Zeitläufte, bis die ganze Hand taub wird:

Artensterben natürlich, auch Wissenschaftsgeschichte vom Standpunkt des Neo-Postmodernismus (Klitoris der Schlange als Bild für die seit frühchristlicher Zeit ignorierte Klitoris der Frau? Ach, war es davor in der Antike toll, die Wandfresken von Pompei...).

Alles schön und gut, aber was spezifisch trägt SF oder der Ort Mond zur Erhellung, Klärung, Lösung, Zuspitzung des Themas bei? Was die Hauptperson außer einer gehörigen Prise Selbstmitleid? Denn muss man das alles glauben, was die Hauptperson sich bei den Gesprächen denkt? Was hat sie überhaupt auf den Mond getrieben?  Die tolle Möglichkeit, sich über Zoom mit den Houyhnhnms auf der Erde zu unterhalten? Hat sie sie sich nicht vorher überlegt? Oje, oje. Sie hat meine aufrichtige Empathie. Ok, das jetzt kommende ist vom postmodernistischen Standpunkt endgültig tabu, das ist (verbotenes Wort?) schnöde Logik, denn warum sucht sich ein reicher Mensch als Quarantäneort nicht eine tolle private Südseeinsel aus oder meinetwegen im gemässigt masochistischen Fall einen Iglu in der Antarktis? Da lassen sich Luxusgüter, Dienstboten, Ärzte, Klempner, Unterhaltungskünstler, SF -Autoren(?) doch viel leichter einfliegen, die man natürlich (nachgelieferte Erklärung) 3 Wochen ins Quarantänehäuschen auf der Nachbarinsel einsperrt, bevor man sie zu Putin vorrudern lässt.

Sorry, mir geht es wie Aiki Miras ProtagonistX: "Wie im Dunkeln suche ich." Allerdings nicht das Licht, sondern -- nur -- den Sinn hinter den kühnen Metaphern (s.o.).



#63 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 29 Mai 2023 - 14:49

Ulf Fildebrandt - Das chinesische Zimmer

Ich fand den Ansatz, welche der beiden "Erweiterungen" schützenswert erschien, interessant, weil im Prinzip viele sofort sagen würden, die im Körper und nicht die externe. Wie der Experte sich dann entschieden hat, gefiel mir irgendwie.

Ein schöner Einstieg. Der Anfang ist etwas bemüht auf Spannung gemacht. Dann wird sehr schön dargestellt, dass zwischen Schein und Sein schwer zu unterscheiden ist.
Wo fängt das Bewusstsein an? Wann wird ein Programm zum denkenden und damit zu schützenden... Lebewesen?

Eigentlich sollte die Sache einfach sein. Sowohl der verletzte und hirntote Soldat als auch die Kopie seiner Erweiterung sind eigentlich kein Lebewesen. Wenn es also um die Frage geht, lebt der Soldat noch, sollte zwischen der Cyborg Variante und der elektronischen Kopie kein Unterschied sein. Ein Rechner wird ja nicht dadurch zum Lebewesen, dass er gezüchtete Nervenbahnen als Verdrahtung bekommt. Oder würdet ihr eine Maschine, die um eine biologische Komponenten erweitert wurde, als Lebewesen beschreiben?

Ob jemals und wenn ja wann ein Programm komplex genug wird, um als Bewusstsein zu gelten und ob man das neutral von außen beurteilen kann, ist eine Frage, die wird uns ja vermehrt beschäftigen.

Also ich finde, das war ein gelungener Auftakt. Einzig was Aiden für die Rolle qualifiziert hat, die offene Frage zu beantworten, bleibt im Dunkeln. Schade eigentlich. Das hatte mich am Anfang fast aus der Geschichte geworfen.

Die Illustration von Detlef Klewer hat mich nicht überzeugt. Es liegt am Alfa Romeo, der ein Farbklecks ist y der die Phantasie leider nicht beflügelt.

Bearbeitet von Mammut, 29 Mai 2023 - 15:35.


#64 ChristophGrimm

ChristophGrimm

    Giganaut

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Geschrieben 29 Mai 2023 - 16:36

"Die Welt ist in guten Händen" (Marcel Meder)
 
Ich habe sie gelesen :D
 
Tja …
 
Der Autor beschreibt treffend den Raubbau an Natur und der Bevölkerung ärmerer Länder, skizziert die – wenn man einmal einen Schritt zurücktritt und darüber nachdenkt -  Pervertierung von Kultur in der Werbung und, was ich bemerkenswert finde, thematisiert zutreffend das Verhalten in der sozial-medialen Welt: Alle empören sich und es gibt halbgare Nicht-Entschuldigungen und Beteuerungen des Fäkalienbeworfenen. Dann, wenn Gras über die Sache gewachsen ist, wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben. (Service-Phrasen für Yvonne ;) )
 
Sprachlich und strukturell okay. Nicht herausragend, einige Längen, aber auch nicht schlecht. Was fehlt, ist eigentlich … die Geschichte.
 
Spoiler
 
… aber das ist schon ein bisschen wenig.
 
Das Ganze liest sich für mich eher wie ein Konzeptentwurf von etwas, das eine Geschichte werden könnte.

- Onlinepause -

„Alien Contagium: Erstkontakt-Geschichten“: https://eridanusverlag.de | "En passant - Die Reisen des Sherlock Holmes": https://burgenweltverlag.de<p>Kostenloses SF/Fantasy-Literatur-Webzine: https://weltenportalmagazin.de
  • (Buch) gerade am lesen:„Psyche mit Zukunft“ (Anthologie), „Marple“ (Anthologie)
  • (Buch) als nächstes geplant:„Artefakt des Todes“ (C. Gina Riot), "Die dunkle Seite der Erde" (Achim Stößer), "Proxi" (Aiki Mira)

#65 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 30 Mai 2023 - 10:42

"Hier leben nur die Enkel von Elon Musk" von Aiki Mira: Eine Art Chatroulette zwischen einer vereinsamten Person auf dem Mond und ein paar an einer Seuche aussterbenden Menschen auf der Erde. Sprachlich wie immer voller Wortverkünstelungen, die man besser nicht anfängt zu hinterfragen. Es klingt halt alles toll. Ich muss allerdings sagen, dass das Metoo-Thema mit der Schlangen-Klitoris etwas aufgesetzt wirkt, und der Schluss ist einfach nur deprimierend. Wieso sprechen die denn nicht miteinander auf dem Mond? Weil sie die Enkel von Elon Musk sind? Ist das irgendwie zwingend, logisch oder soll mir das irgendwas über Mr. Musk sagen, das ich nicht schon weiß? Na ja, jedenfalls mir alles eine Schattierung zu düster.

 

Ich fand die Geschichte unstetig erzählt. Sie beginnt und endet sehr lyrisch, zwischendurch klingt sie dann eher...hm, wie eine Erläuterung halt. Inhaltlich bietet sie m.E. nicht viel. Die Einsamkeit kommt natürlich gut rüber, aber das ist mehr ein Stimmungsbild, als das es irgendwas aussagt. 

Die Wortverkünstlungen fand ich auch nicht sonderlich gut gelungen, da sind Vergleiche drin, die haben mir die Geschichten von Beginn an verleidet.

 

Die Sache mit der weiblichen Lust und ihrer fehlenden...keine Ahnung ob die nicht genug untersucht wurde, wissentschaftlich an den Rand gedrängt ist und auch sonst nicht beachtet. Mir scheint das nicht so, aber die Geschichte erhellt die Thematik leider auch nicht sonderlich, sondern das Thema wird nur als These in den Raum geworfen, nicht mit Leben gefüllt. Zumindest ich kann mir eine Schlangenklitoris und die dadurch symbolisierte weibliche Lust (ist das ein Hinweis auf den Garten Eden?) nicht so richtig...also da geht bei mir kein Kopfkino an. 

Wenn ich drüber nachdenke, ist das eigentlich der spannendste Teil der Geschichte, aber er wird eingeschoben wie ein Infoblock, nicht so, das man da irgendwie was mitnehmen kann.

 

Na, Elon Musk war nicht so meins. Das der als ehemals reichster Mann der Welt als Synonym herhalten muss, ist ja in Ordnung. Aber so richtig fühlen, das dort eine ungeliebte Elite wohnt und auf der Erde das Fussvolk krepiert, das stand maximal zwischen den Zeilen. Der Konflikt wurde zwar benannt, aber nicht mit Leben gefüllt.



#66 Uwe Post

Uwe Post

    FutureFictionMagazin'o'naut

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Geschrieben 31 Mai 2023 - 07:49

 

 

Interessant. Bei der Frage der Sicherheitskopien in Nanoraumschiffen klang das noch anders.

Ich denke, es ist individuell unterschiedlich, wie viel sich ein Leser dazu denken möchte, ohne sich zu fragen, wieso zum Henker der Autor es nicht reingeschrieben oder zumindest angedeutet hat, wenn es doch irgendwie wichtig ist  :closedeyes:

Man sieht deutlich an Deiner (nachvollziehbaren!) Reaktion auf Aikis Geschichte, dass dieser "unerzählte Raum" dort für Dich viel zu weit war, während andere Leser (aus welchen Gründen auch immer) bereit waren, sich etwas dazu zu denken, um zu einem konsistenten Bild zu kommen - und dies dann sogar zu loben. Es ist wirklich spannend, diese Unterschiede hier mal so ausführlich zu untersuchen. Tatsächlich legst Du ja sogar den Verdacht nahe, dass es mit Sympathie für AutorX zusammenhängen könnte - nach dem Motto: Einen Haufen verdiente KLP-Nominierungen und Preise, das muss ja auch das hier toll sein  :ph34r:  Viel hängt vermutlich damit zusammen, wie die Sprachgebilde wirken. Genau wie Du und Mammut bin ich über mehrere arg gestolpert, weil ich (berufsbedingt) immer die Ist-dieses-Bild-auch-wirklich-nicht-schief?-Frage stelle. So kann mich die Sprache gar nicht so mitreißen, dass ich so tief in die Geschichte eintauche, dass ich mir den unerzählten Rest bereitwillig hinzu denke. Ich bleibe nämlich emotional weitgehend unbeteiligt. Als (zumindest eingebildet) recht objektiver Leser sehe ich hier einen Haufen teils fragwürdiger Sprachkonstrukte, ein nicht ausgearbeitet wirkendes, nicht 100% glaubwürdiges Setting, eine aufgesetzt wirkende Episode zum weit entfernten Thema "Vernachlässigung der Klitoris" und einige hoffnungslose, mir fremd bleibende Figuren. Aber weder einen Spannungsbogen noch so etwas wie eine Handlung.


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#67 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 31 Mai 2023 - 08:07

Ich mag den unerzählten Raum oft sehr. Bei Aikis Geschichte hat mich keine der Leerstellen gestört. Aber das wisst ihr ja schon. 

Der (ob explizite oder implizite) Gedanke, ich würde Aikis Prosa nur mögen, weil ich die Person mag, kommt nicht zum ersten Mal. Diskussion darüber, ob das was dran ist, sind langweilig, das ist wie Bugs Bunny und Duffy Duck, die sich nur  mit "Nein"-"Doch"-bewerfen. Ich bezweifle jedoch sehr, dass das für die vielen KLP-Befürwortenden gelten kann, so viele Menschen kennen Aiki vermutlich ja nicht mal persönlich?

 

Schiefe Bilder sind mir nicht aufgefallen, ich vertraue aber darauf, dass es welche gibt, sonst würden nicht so vielen Personen welche auffallen. Darüber hatten wir ja schon im Rahmen von DAVE diskutiert, in dem Roman waren die Bilder teilweise so gewagt daneben, dass sie mich mehrmals aus dem Lesefluss gehauen haben, zudem hatte die Autorin bei dem Roman die (eher nervige) Angewohnheit, für jedes Detail ein total nicht naheliegendes Fremdwort zu verwenden und das manchmal sogar falsch. Daneben gab es aber auch vieles, das sprachlich sehr gelungen war und ich fragte mich beim Lesen, ob es mir die vielen schiefen Bilder nicht doch wert waren, auch zwischendurch mal zu stolpern.

 

Insgesamt habe ich den Eindruck: Wir in der deutschsprachigen SF wagen sprachlich viel zu wenig! Da bewundere ich die Leute, die mutig mit Sprache experimentieren, auch wenn mal das eine oder andere nicht (für alle?) funktioniert. Und beim Roman nach DAVE (Die Inkommensurablen) hat die Autorin Edelbauer deutlich weniger sprachlich aufgetafelt, da war es dann für mich genau richtig. Experimentiert und somit eigenen Stil gefunden?

Was hast du getan, Uwe, um deinen eigenen Stil zu finden? Denn du hast einen, so viel steht fest, manchmal habe ich sogar den Eindruck, ich würde ihn wiedererkennen, wenn du anonymisiert einreichen würdest. 

 

Ich persönlich glaube, dass Aikis Prosa so einiges zu unserer SF beiträgt und unser Repertoire sozusagen erweitert. Diese Geschichte hat mich erreicht. Das klappt nicht immer (ich stehe immer noch ratlos vor der Story in Entfernte Verwandte, vielleicht erleuchtet mich ja mal jemand), aber doch meistens. Manchmal klappt es ja auch bei dir, Uwe (Digital Detox?).

 

In einer Sache stimme ich dir aber unbedingt zu:

 


 

Es ist wirklich spannend, diese Unterschiede hier mal so ausführlich zu untersuchen. 

 

 

Es passiert auch zu selten, meistens sprechen wir gar nicht in dieser Ausführlichkeit über Prosa, geschweige denn über Kurzprosa und solche eher polarisierenden Geschichten eignen sich umso besser dazu, ein wenig nachzudenken:

Warum hat mir das überhaupt gefallen? Warum hat mir das nicht gefallen?

 

Mir war das erzählende Ich total nah. Die Parallelen zu dem Leben, dass ich seit März 2020 selbst führe, sind unübersehbar. Ich sitze warm und trocken vor einem Rechner mit Cam, sei es nun im Büro oder privat, und chatte, videotelefoniere oder telefoniere mit Menschen, die sich woanders befinden. Ich bin vergleichsweise reich (im weltweiten Vergleich sogar ganz sicher), erhalte viel zu viele meiner Ressourcen von weit weg. 

Es haut nicht alles total hin, z. B. kommuniziere ich mit Menschen in einer ähnlichen Situation wie ich und nicht mit denen, die tausende von Kilometern entfernt ggf. meinen Elektromüll untersuchen. Aber Gemeinsamkeiten sehe ich doch. Und ich erkenne mich selbst in Kleinigkeiten wieder, gut beobachtete Details wie das erzählende Ich das eigene Bild der Cam prüft. Ich fühle mich sogar erwischt, glotze ich beim Videotelefonieren nicht auch manchmal nur mich selbst an und frage mich, ob ich gut rüberkomme? Und das ich, die ich daheim an den meisten Spiegeln gleichgültig vorbeilaufe und froh sein kann, wenn ich rechtzeitig bemerke, dass ich seit Stunden Spinat zwischen den Zähnen habe. Aber bei Zoom-Konferenzen werde auch ich magisch von meinem eigenen Abbild angezogen. So sehe ich also aus? Das bin ich?

 

Ich habe den Text gerade nicht mehr vor der Nase, da steckte doch einiges drin, womit ich viel anfangen konnte. 

Und auch ich rede im Büro nicht mit den anderen, gehe immer alleine essen und ignoriere die Menschen, die nur wenige Meter von mir entfernt in ihren Büros sitzen. Seltsam. Kann ich euch auch nicht gut erklären. Daher muss Aikis Geschichte mir das Verhalten des erzählenden Ichs auch nicht zwingend erklären. Ich habe eine schwammige Vorstellung davon, warum das so sein könnte.


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#68 Uwe Post

Uwe Post

    FutureFictionMagazin'o'naut

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Geschrieben 31 Mai 2023 - 08:47

 

 

Was hast du getan, Uwe, um deinen eigenen Stil zu finden?

Zwei Jahrzehnte lang viel geschrieben, verworfen, gefeilt, reflektiert, mit Autoren und Lesern diskutiert, manchmal hitzig; teils jeden Satz, jedes Thema, jeden Plot auf den Prüfstand gestellt. Ich habe einen Ordner voller Entwürfe und Ideen, die ich nicht ausgearbeitet habe, weil's einfach nicht passte. Ich schreibe nur das, was für mich "funktioniert". (Das kann stilistisch durchaus unterschiedlich sein, ich hab da so einen Wahnsinns-Regler hinterm Ohr, den man von Minimum (Flaschenwal) bis Maximum (z.B. meine Steampunk-Story) einstellen kann!)

 

 

 

Ich persönlich glaube, dass Aikis Prosa so einiges zu unserer SF beiträgt und unser Repertoire sozusagen erweitert.

Absolut. Ohne sie (die Prosa) hätten wir diese Diskussion hier nicht, und wenn nur eine Handvoll hier mitlesende Autoren sich dadurch ermutigt fühlen, bei der nächsten Story sprachlich (und emotional!) eine Schippe draufzulegen, ist uns schon geholfen! Aber bitte ohne den Plot zu vernachlässigen!!

 

 

 

 

 Und ich erkenne mich selbst in Kleinigkeiten wieder,

Interessante Sichtweise, die Story als Darstellung unseres Videotelefonie-geprägten Kommunikationsverhaltens zu betrachten. Habe ich nicht so wahrgenommen, weil es auf mich nicht zutrifft. Würde auch erklären, wieso das Mond-Setting so "leer" ist - es ist nur eine Metapher. Betrachtet man Elon Musk als Tech-Pionier (der er freilich auch ist, bei aller Kritik), sind wir im übertragenen Sinn seine "Enkel", weil wir dieses moderne Kommunikationsverhalten seit Homeoffice und Corona angenommen haben. Dann passt auch das Klitoris-Thema, das aufpoppt - und genauso schnell wieder verschwindet, wie so vieles in irgendeinem Facebook-Stream. Allerdings ist mir das als Metapher dann auch wieder zu dünn. Außerdem hat die moderne Kommunikationstechnik ja auch krasse Vorteile (ohne Videotelefonie gäbe es das Future Fiction Magazine nicht!), und wer noch ganz bei Trost ist, geht trotzdem noch raus und trifft sich mit realen Menschen, und - es ändert nichts daran, dass die Story schiefe Sprachbilder und weder Spannungsbogen noch echte Handlung hat  :happy:  Sie ist ein Bild, ein (trauriges) Stimmungsbild, aber keine starke Erzählung, weil nur etwas gezeigt wird, aber nichts geschieht. Den Weltuntergang als logische Folge hinzumalen, erscheint mir auch etwas zu einfach (da muss ich an diese aktuelle Warnung vor dem Weltuntergang wegen KI denken - an Oberflächlichkeit nicht zu überbieten). Andere Storys von Aiki haben Handlung, die gefielen mir deshalb auch weit besser.

 

 

 

Und auch ich rede im Büro nicht mit den anderen, gehe immer alleine essen und ignoriere die Menschen, die nur wenige Meter von mir entfernt in ihren Büros sitzen.

Hä, wieso das denn? Das ist jetzt eine sehr persönliche Angelegenheit, aber wenn Du es so offen schreibst, kann ich auch offen kommentierten: das ist in meinen Augen verbesserungsfähiges Kommunikationsverhalten  :blush:


Bearbeitet von Uwe Post, 31 Mai 2023 - 08:50.

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#69 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 31 Mai 2023 - 08:58

 

Hä, wieso das denn? Das ist jetzt eine sehr persönliche Angelegenheit, aber wenn Du es so offen schreibst, kann ich auch offen kommentierten: das ist in meinen Augen verbesserungsfähiges Kommunikationsverhalten  :blush:

 

Liegt wohl daran, dass ich inhaltlich mit ihnen nichts zu tun habe und auch froh bin, wenn ich inmitten meines extrem turbulenten Familienlebens mal meine Ruhe habe. Prä-Corona bin ich aber zumindest mit ihnen essen gegangen. Das hat sich irgendwie (noch?) nicht wieder so recht etabliert. Es sind immer noch echt viele echt oft im Home Office.


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#70 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 31 Mai 2023 - 09:07

Zwei Jahrzehnte lang viel geschrieben, verworfen, gefeilt, reflektiert, mit Autoren und Lesern diskutiert, manchmal hitzig; teils jeden Satz, jedes Thema, jeden Plot auf den Prüfstand gestellt. Ich habe einen Ordner voller Entwürfe und Ideen, die ich nicht ausgearbeitet habe, weil's einfach nicht passte. Ich schreibe nur das, was für mich "funktioniert". (Das kann stilistisch durchaus unterschiedlich sein, ich hab da so einen Wahnsinns-Regler hinterm Ohr, den man von Minimum (Flaschenwal) bis Maximum (z.B. meine Steampunk-Story) einstellen kann!)

 

Man kann auch nicht genug betonen, wie wichtig so etwas ist. Schreiben, schreiben, schreiben und es Leuten zeigen. Sich auszuprobieren ohne fucking Ende. 

Mein Werdegang ist ein bisschen ähnlich und doch verschieden, bei mir war weniger Internetforen und mehr Berliner Autor:innen-Gruppen mit viel Kippen und Alkohol und gegenseitigem Feedback, aber ja, Teile davon kommen mir bekannt vor.


Bearbeitet von Rezensionsnerdista, 31 Mai 2023 - 09:09.

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#71 scipio.rodenbucher

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Geschrieben 31 Mai 2023 - 18:44

Ich denke, es ist individuell unterschiedlich, wie viel sich ein Leser dazu denken möchte, ohne sich zu fragen, wieso zum Henker der Autor es nicht reingeschrieben oder zumindest angedeutet hat, wenn es doch irgendwie wichtig ist  :closedeyes:

Man sieht deutlich an Deiner (nachvollziehbaren!) Reaktion auf Aikis Geschichte, dass dieser "unerzählte Raum" dort für Dich viel zu weit war, während andere Leser (aus welchen Gründen auch immer) bereit waren, sich etwas dazu zu denken, um zu einem konsistenten Bild zu kommen - und dies dann sogar zu loben. Es ist wirklich spannend, diese Unterschiede hier mal so ausführlich zu untersuchen. Tatsächlich legst Du ja sogar den Verdacht nahe, dass es mit Sympathie für AutorX zusammenhängen könnte - nach dem Motto: Einen Haufen verdiente KLP-Nominierungen und Preise, das muss ja auch das hier toll sein  :ph34r:  Viel hängt vermutlich damit zusammen, wie die Sprachgebilde wirken. Genau wie Du und Mammut bin ich über mehrere arg gestolpert, weil ich (berufsbedingt) immer die Ist-dieses-Bild-auch-wirklich-nicht-schief?-Frage stelle. So kann mich die Sprache gar nicht so mitreißen, dass ich so tief in die Geschichte eintauche, dass ich mir den unerzählten Rest bereitwillig hinzu denke. Ich bleibe nämlich emotional weitgehend unbeteiligt. Als (zumindest eingebildet) recht objektiver Leser sehe ich hier einen Haufen teils fragwürdiger Sprachkonstrukte, ein nicht ausgearbeitet wirkendes, nicht 100% glaubwürdiges Setting, eine aufgesetzt wirkende Episode zum weit entfernten Thema "Vernachlässigung der Klitoris" und einige hoffnungslose, mir fremd bleibende Figuren. Aber weder einen Spannungsbogen noch so etwas wie eine Handlung.

Ich glaube man sollte zwei Aspekte unterscheiden Aspekt 1: die Intention des Autors im engeren positiven Sinne, d.h. welche Botschaft, welchen Eindruck, welche Atmosphäre will er erzeugen. Aspekt 2: Welche anderen, unbeabsichtigen Interpretationen seiner Geschichte möchte er vermeiden? Aspekt 1 erscheint mir der natürlichere beim Schreiben, weil er von Daneil Kahnemans System 1 (fast intuitive thinking) getrieben wird:  Man weiß, was man will, man weiß, was man denkt, man ist im Flow, man braucht Gedanken nur noch in Worte zu fassen. Aspekt 2 ist problematischer, insbesondere wenn die Hintergründe, Interessen, Kenntnisse des Lesers sich stark von den eigenen unterscheiden. Dazu braucht man wahlweise Erfahrung, Kenntnis seiner Leser, genug repräsentative Testleser, einen guten Lektor oder Glück, am besten alles zusammen. Das gilt um so mehr, weil Aspekt 2 praktisch immer mit Aspekt 1 kollidiert, zum Beispiel auf literarisch ästhetischer Ebene oder ganz konkret, wieviel Exposition man in den Text einbauen will, wie lange der Text sein darf, wieviel Platz man für Wichtigeres  zum Beispiel Figurenentwicklung braucht, etc.pp. Wenn ich z.B. mir ein Nanoraumschiff vorstelle, habe ich Schwarmtechnologie oder bilogische Schwärme im Hinterkopf, Gedankenfetzen schwirren vorbei, Fitnessbedingungen, Investitionsgrundsätze, bau billig, aber viel von dem Zeug, irgendetwas wird duchkommen. Ich erinnere mich vage an Höhenstrahlung und den damit verbundenen Effekt der Sekundärstrahlung, die Redundanzen auf kleinen Längenskalen sinnlos machen. Also langweiliges Technoklimbim, solange es keine dramatischen Konsequnezne hat.  Woran ich weniger denke ,aber manche Leser eben offenbar schon, sind die irreführenden heutigen Großsonden mit ihrem ganz anderen Sicherheitsparadigma. Und das ist ja nur ein einziges Mosaikstück im Hintergrunds einer kurzen Erzählung, das ist nicht, warum ich die Geschichte schreibe, das ist nicht, worauf ich hinaus will. Das sind ja auch nicht meine Bausteine, das sind nur Details, also der Mörtel, der die Geschichte zusammenhält oder statt dessen Risse und Falten wirft, echte, eingebildete, harmlose, katastrophale, was immer, Worte eben und manchmal Konsequenzen.



#72 Uwe Post

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Geschrieben 31 Mai 2023 - 21:52

Ja klar, man kann nicht vermeiden, dass der eine oder andere Leser über die eine oder andere Stelle stolpert. Ist ja auch nicht weiter kritisch, wenn die beabsichtigte Botschaft trotzdem ankommt oder der Leser sich zumindest gut unterhalten gefühlt hat.

Und egal, wie Du das in der Theorie betrachtest: Deine Intention als Autor kommt nie bei allen Lesern an. Damit müssen wir als Autoren halt leben.


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#73 Mammut

Mammut

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Geschrieben 03 Juni 2023 - 10:20

 
Marcel Meder - Die Welt in guten Händen
 
Ich habe die Story bis zu Ende gelesen und bin nicht auf den Gedanken gekommen abzubrechen. Ich sehe hier eine Kritik an der extremen Ausbeutung der Erde um jeden Preis. Und wenn alles abgegast ist, fährt die Karawane weiter ... 
Und wenn man möchte, kann man auch noch eine gewisse Gesellschaftskritik sehen, indem die Massen mittels manipulierter Werbeclips aufgeklärt oder aufgehetzt werden. 
 
Das war es von meiner Seite bis hier her.


Ich kam wie meine Vorredner ein wenig schwer in die Geschichte. Aber in der zweiten Hälfte nimmt einen die Geschichte mit. Das Thema hat man so oder so ähnlich schon oft gelesen und die Gorillas werden wohl normalerweise eher betäubt als gemetzelt, das erschien mir ein wenig überzogen, wie so manches der Geschichte dem Klischee verhaftet ist. Hat mir insgesamt aber gut gefallen. Den Autor kannte ich noch nicht.

#74 Sam Francisco

Sam Francisco

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Geschrieben 05 Juni 2023 - 14:13

Endlich komme ich auch zum Lesen der neuesten EXODUS. Ich weiß nicht genau warum, aber ich habe mir als Erstes die Geschichte Die Stunde des Wahnsinns von Roland Grohs vorgenommen. Nach Talion (Exodus 44) und Dornröschen, schlafe hundert Jahr (phantastisch! 87) ist dies meine dritte Story von Roland Grohs. Hätte ich mal vorher hier die Kommentare dazu gelesen, hätte ich wohl eine andere Geschichte zum Einstieg gewählt. Bereits mit den beiden vorhergenannten Stories konnte ich nichts anfangen.

Genauso ging es mir mit Die Stunde des Wahnsinns. Was will der Autor eigentlich mit der Geschichte sagen? Verschiedene Menschen sitzen in einer Sanduhr fest, die von Zeit zu Zeit umgedreht wird, damit der Sand auf die andere Seite rutscht. Beschrieben werden die Geschehnisse in der Stunde vor dem Umdrehen der Sanduhr, der Stunde des Wahnsinns. Da springen nackte Mädchen durch die Geschichte, deren Geschlechtsorgane sehr bildhaft beschrieben werden. Warum? Was bringt das für die Geschichte? Ich habe es nicht verstanden. Und so etwas möchte ich eigentlich auch gar nicht lesen.

Überhaupt habe ich das ganze Setting nicht verstanden. Warum sollen Menschen als Experiment in einer Sanduhr gefangen gehalten werden. Was soll das Experiment bringen und wer ist dafür verantwortlich?

Mein erster Gedanke nach der Geschichte war, dass der Titel der Geschichte den Zeitpunkt ihrer Entstehung kennzeichnet. Jedenfalls werde ich wohl kein Freund mehr von Roland-Grohs-Stories.

SF

Bearbeitet von Sam Francisco, 12 Juni 2023 - 16:21.

Future ist die Zukunft!
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#75 Sam Francisco

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Geschrieben 05 Juni 2023 - 16:21

Die zweite Geschichte in meiner Lesereihenfolge ist Der Flaschenwal von Uwe Post. Die Story läßt sich gut lesen, aber insgesamt fand ich sie so mittelprächtig. Unter dem Titel konnte ich mir zunächst nicht viel vorstellen, aber nach den ersten Zeilen wurde schon deutlich, worum es bei einem Flaschenwal geht. Leider wendet sich die Geschichte dann komplett den Kindern, die den Wal am Strand finden, zu und zeigt eine vom Klimawandel veränderte Welt inklusive einer anderen Sozialstruktur. Der Wal selbst ist nurmehr der Aufhänger für diese Geschichte, leider nicht die Hauptfigur. Das ist insoweit nicht schlimm, trifft aber nicht meinen Geschmack, um diese Geschichte über den Durchschnitt für mich hinauszuheben.

 

SF


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#76 Sam Francisco

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Geschrieben 05 Juni 2023 - 17:02

Wow, was war das denn? Uwe Hermanns Die End-Of-Life-Schaltung (zwischendurch auch mal End-Of-Live-Schaltung) hat mich richtig vom Hocker gehauen. Vorweg, ich mag Kurzgeschichten von Uwe Herrmann. Er trifft immer wieder genau meinen Humor. (Komisch, dass mich sein Roman Nanopark nicht überzeugt hat).

 

Hier konnte ich mich total in den alten Mann hineinversetzen, der mit beginnender Demenz kämpft und daher (gegen seinen Willen) von seinem Sohn einen Haushaltsroboter zugeteilt bekommt. Er macht sich dabei immer wieder Gedanken über vor kurzem geschehen Dinge, an die er sich nicht erinnern kann. Das hat mich total an meine Mutter erinnert, die in ihrem letzten Lebensjahr auch unter Demenz litt und sich ihrer Vergesslichkeit durchaus bewusst war. Sie hat sich genauso darüber geärgert, wie hier der Protagonist.

 

In der Geschichte trifft der Roboter von nun ab Entscheidungen über den Tagesablauf des Mannes, oftmals auch gegen dessen Willen. Auch dies passt wieder genau auf meine Mutter. Wir mussten viele Entscheidungen für sie treffen gegen ihren Willen, weil ihr das im Endeffekt - wie auch in der Geschichte dem Protagonisten - gutgetan hat, sie das aber nicht mehr verstanden hat.

 

Dies wirft das Problem der Selbstbestimmtheit auf. Wie weit ist der Wille einer Person zu berücksichtigen, auch wenn dieser Wille einem nicht gut tut und andere Entscheidungen besser wären? Ein Thema, mit dem ich mich häufiger beschäftig habe, zu einer wirklichen Entscheidung bin ich aber dabei nicht gekommen.

 

Genial fand ich dann aber die Wende der Geschichte, mit der die Beziehung zwischen dem Roboter und dem Protagonisten komplett umgekehrt wurde. Damit hatte ich nicht gerechnet und war total überrascht.

 

Uwe Herrmann versteht es, ein schwieriges Thema trotzdem humorvoll rüberzubringen. Diese Story ist bisher definitiv mein Highlight des Jahres 2023.

 

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Bearbeitet von Sam Francisco, 05 Juni 2023 - 17:49.

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#77 Sam Francisco

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Geschrieben 05 Juni 2023 - 19:36

Weiter geht es mit der Story von Andreas Eschbach Das Tor zur Goldenen Stadt. Den Sprachstil fand ich irgendwie merkwürdig. Und der Inhalt der Story war jetzt auch nicht so überwältigend, von daher für mich nur eine durchschnittliche Story.

 

Die Story ist so aufgebaut, dass ich als Leser vermutete habe, sie würde auf einem Planeten spielen. Am Ende stellt sich aber heraus, dass die Geschichte in einem (Generationen?)Raumschiff spielt. Mir ist nicht ganz klar, wozu es in einem Raumschiff eine ganze Stadt mit Gebäuden gibt, zu der der Zutritt aber verwehrt wird, und die von Wald umgeben ist. Müsste dann nicht auch der Wald (die Welt?) begrenzt sein und müsste dies den Bewohnern nicht irgendwie bekannt sein? War jedenfalls nicht so meins.

 

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#78 Sam Francisco

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Geschrieben 06 Juni 2023 - 13:42

Jetzt zu Aiki Mira mit Hier leben nur die Enkel von Elon Musk.

 

Ich verstehe den derzeitigen Hype um Aiki Mira nicht. Ihre Geschichten packen mich nicht, langweilen mich eher. So auch diese. Unbestritten, dass Aiki Mira die Sprache beherrscht und schöne Sätze schafft. Aber essentiell ist doch, dass der Leser emotional von der Story gepackt wird. Und das passiert bei mir einfach nicht. Leider.

 

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Bearbeitet von Sam Francisco, 06 Juni 2023 - 18:51.

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#79 Sam Francisco

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Geschrieben 07 Juni 2023 - 13:46

Das Chinesische Zimmer von Ulf Fildebrandt:

 

Gute, spannend zu lesende Geschichte, leider mit einem für mich unbefriedigenden Nicht-Ende.

 

Obwohl: Welche Entscheidung hätte ich getroffen? Hätte ich überhaupt eine Entscheidung getroffen? Vielleicht soll dieses Nicht-Ende einfach das Dilemma darstellen, vor welchem Aiden steht.

 

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#80 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 07 Juni 2023 - 14:01

Interessanter Ansatz, ich konnte mit dem Ende direkt nach dem Lesen nicht so Recht leben, inzwischen finde ich es nachträglich ganz okay

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#81 Uwe Hermann

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Geschrieben 12 Juni 2023 - 09:35

Wow, was war das denn? Uwe Hermanns Die End-Of-Life-Schaltung (zwischendurch auch mal End-Of-Live-Schaltung) hat mich richtig vom Hocker gehauen. Vorweg, ich mag Kurzgeschichten von Uwe Herrmann. Er trifft immer wieder genau meinen Humor. (Komisch, dass mich sein Roman Nanopark nicht überzeugt hat).

 

Hier konnte ich mich total in den alten Mann hineinversetzen, der mit beginnender Demenz kämpft und daher (gegen seinen Willen) von seinem Sohn einen Haushaltsroboter zugeteilt bekommt. Er macht sich dabei immer wieder Gedanken über vor kurzem geschehen Dinge, an die er sich nicht erinnern kann. Das hat mich total an meine Mutter erinnert, die in ihrem letzten Lebensjahr auch unter Demenz litt und sich ihrer Vergesslichkeit durchaus bewusst war. Sie hat sich genauso darüber geärgert, wie hier der Protagonist.

 

In der Geschichte trifft der Roboter von nun ab Entscheidungen über den Tagesablauf des Mannes, oftmals auch gegen dessen Willen. Auch dies passt wieder genau auf meine Mutter. Wir mussten viele Entscheidungen für sie treffen gegen ihren Willen, weil ihr das im Endeffekt - wie auch in der Geschichte dem Protagonisten - gutgetan hat, sie das aber nicht mehr verstanden hat.

 

Dies wirft das Problem der Selbstbestimmtheit auf. Wie weit ist der Wille einer Person zu berücksichtigen, auch wenn dieser Wille einem nicht gut tut und andere Entscheidungen besser wären? Ein Thema, mit dem ich mich häufiger beschäftig habe, zu einer wirklichen Entscheidung bin ich aber dabei nicht gekommen.

 

Genial fand ich dann aber die Wende der Geschichte, mit der die Beziehung zwischen dem Roboter und dem Protagonisten komplett umgekehrt wurde. Damit hatte ich nicht gerechnet und war total überrascht.

 

Uwe Herrmann versteht es, ein schwieriges Thema trotzdem humorvoll rüberzubringen. Diese Story ist bisher definitiv mein Highlight des Jahres 2023.

 

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Danke für deine tolle Kritik! Es freut mich, dass ich mit meiner Geschichte den richtigen Ton getroffen habe. Auch ich habe in meiner Familie jemanden, der an Demenz erkrankt ist und konnte deshalb viel Selbsterlebtes mit einbringen. Für Außenstehende ist es meist nicht klar, was so eine Erkrankung für die Familien bedeutet. Es ist für alle eine extreme Belastung und ich wünschte, es gäbe schon solche Haushaltsroboter. 

Und zu NANOPARK: ich schreibe einfach viel lieber Kurzgeschichten und das merkt man meinen Romanen wahrscheinlich an. :-)



#82 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 12 Juni 2023 - 09:41

Ich mag Demenz als Thema in SF auch sehr, das war schon bei Wagners Stimme so großartig. Insofern tolles Thema, Uwe! Mehr davon!

 

Nanopark hat mir als Idee zugesagt, auch die Figuren. Ich persönlich hatte nur den Eindruck, dass der Großteil des Romans auf actionbetonter Showdown abgezielt hat, viel Verfolgung und Kampf, weniger Innenperspektive und Figurenentwicklung. Das hätte mir im Kino mit Popcorn und Bier viel Freude bereitet, bei Romanen suche ich andere Inhalte. 

Es hat sich für mich gelohnt, den Roman trotzdem zu Ende zu bringen, da mir das Ende außerordentlich gut gefallen hat. 


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#83 Uwe Hermann

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Geschrieben 12 Juni 2023 - 10:59

Ich mag Demenz als Thema in SF auch sehr, das war schon bei Wagners Stimme so großartig. Insofern tolles Thema, Uwe! Mehr davon!

Nanopark hat mir als Idee zugesagt, auch die Figuren. Ich persönlich hatte nur den Eindruck, dass der Großteil des Romans auf actionbetonter Showdown abgezielt hat, viel Verfolgung und Kampf, weniger Innenperspektive und Figurenentwicklung. Das hätte mir im Kino mit Popcorn und Bier viel Freude bereitet, bei Romanen suche ich andere Inhalte.
Es hat sich für mich gelohnt, den Roman trotzdem zu Ende zu bringen, da mir das Ende außerordentlich gut gefallen hat.

Vielleicht habe ich ja Glück und Michael Bay macht einen Film daraus. ????

Bearbeitet von Uwe Hermann, 12 Juni 2023 - 11:00.


#84 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 12 Juni 2023 - 11:15

Vielleicht habe ich ja Glück und Michael Bay macht einen Film daraus. ????

 

Das habe ich beim Lesen auch mehr als einmal gedacht


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#85 Sam Francisco

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Geschrieben 13 Juni 2023 - 20:49

Die Story Ritter, Tod und Teufel von Scipio Rodenbücher war bisher für mich die schwächste nach Grohs. Ich fand sie einfach nur wirr und war kurz davor, sie abzubrechen.

 

Dafür haben mir die Geschichten von Marcel Meder Die Welt in guten Händen und von Lisa Jenny Krieg Die Todbringerin gut gefallen. Beide ließen sich gut und kurzweilig lesen. Insbesonders Die Todbringerin entsprach mit der Darstellung des Kontakts zwischen zwei unterschiedlichen Rassen, die sich gegenseitig helfen, genau meinem Geschmack.

 

Klaus N. Fricks Im Haus der vielen Fenster war hingegen nicht meins. Das war mir insgesamt zu religiös.

 

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#86 Mammut

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Geschrieben 14 Juni 2023 - 10:43

Die Todbringerin von Lisa Jenny Krieg

Habe ich abgebrochen. Sowas hat mir schon vor dreißig Jahren nicht gefallen

Der Flaschenwal von Uwe Post:

Kinder finden einen Wal der Flaschen kackt und als Belohnung dürfen sie vom blauen Land, dem Verbannungsort der Klimaleugner, zum grünen Land, wo die guten Menschen leben, werden natürlich von ihren Eltern getrennt (der Mann ist natürlich ein Fremdgänger). Die müssen weiter für ihre Verfehlungen büßen.. Die Kinder dagegen dürfen in den Garten Eden.
Ein moralisches SF Märchen mit extremer Sxhwarzweiß Zeichnung. Das war nichts. Mein Kandidat für die SF Himbeere 2023. Das ist ja plakativen als eine Schlagzeile der Bild-Zeitung.


Titelbild und Galerie von Horst Rellecke ist wirklich großartig. Da gibt es viel zu entdecken und zu interpretieren, gefällt mir außerordentlich.

Bearbeitet von Mammut, 14 Juni 2023 - 10:52.


#87 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 14 Juni 2023 - 11:00

Hui, ich wundere mich, wie nah ich an Sams Meinung bin und wie weit weg von Michael diesmal, Lisas und Uwes Storys haben mir beide ausnehmend gut gefallen.

 

Aber ich sollte mich wohl nicht mehr über abweichende Meinungen wundern. 


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#88 scipio.rodenbucher

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Geschrieben 14 Juni 2023 - 15:36

Ich wundere mich gar nicht. Die nicht-literarischen, sondern eher psychologischen Hintergründe sind absolut verständlich. Da wäre zum einen die Ambiguitätstoleranz des Lesers, d.h. die Bewertung  mehrdeutiger, komplexer, (zunächst?) schwer verständlicher Informationen und die positive oder negative Empfindung des eigenen Zustands der Ungewissheit. Die andere Ebene berührt die Bewertung moralischer Positionen, einerseits  solcher, die man selbst vertritt oder horribile dictu, anderer, fremder im Widerspruch dazu stehender Positionen oder manchmal auch nur die Einstellung zu offenem Predigen und Moralisieren. Das sind alles psychologische Kriterien, die andere literarische, ästhetische Gesichtspunkte überlagern können, Bauchgefühl also, das man nicht so leicht überwindet. Ob zu eigenem Vor- oder Nachteil mag jeder für sich selbst entscheiden.



#89 Sam Francisco

Sam Francisco

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Geschrieben 14 Juni 2023 - 16:54

 
Aber ich sollte mich wohl nicht mehr über abweichende Meinungen wundern.

Ich wundere mich nicht über abweichende Meinungen. Jeder hat schließlich einen anderen Geschmack. Und das ist auch gut so.

Natürlich freue ich mich, wenn jemand der gleichen Meinung ist wie ich.

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#90 ChristophGrimm

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Geschrieben 14 Juni 2023 - 17:58

Ich wundere mich gar nicht. Die nicht-literarischen, sondern eher psychologischen Hintergründe sind absolut verständlich. Da wäre zum einen die Ambiguitätstoleranz des Lesers, d.h. die Bewertung  mehrdeutiger, komplexer, (zunächst?) schwer verständlicher Informationen und die positive oder negative Empfindung des eigenen Zustands der Ungewissheit. Die andere Ebene berührt die Bewertung moralischer Positionen, einerseits  solcher, die man selbst vertritt oder horribile dictu, anderer, fremder im Widerspruch dazu stehender Positionen oder manchmal auch nur die Einstellung zu offenem Predigen und Moralisieren. Das sind alles psychologische Kriterien, die andere literarische, ästhetische Gesichtspunkte überlagern können, Bauchgefühl also, das man nicht so leicht überwindet. Ob zu eigenem Vor- oder Nachteil mag jeder für sich selbst entscheiden.


Wer es nicht so sieht wie ich, sieht es falsch. Sag‘ ich auch immer ;).
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