Exodus 47
11/2023
ISSN 1860-675X
Preis: 15,90 €
Cover: Ikonen 13 - Eine junge Frau, die den Betrachter ansieht. Erst auf den zweiten Blick sieht man, dass es neben ihrem Gesicht noch weitere gibt.
Rückseite: Mela Purgatorium 02 – Eruptionen auf mehreren Planeten. Mit eines meiner Lieblingsbilder in diesem Band.
Storys
Michael Schneidberg - Die Frau in der Wand
Fabian, ein wissenschaftlicher Assistent, hört eines Tages die Stimme einer Frau in seiner Wohnung. Nachdem die anfängliche Verwunderung Neugierde gewichen ist, lernt er sie besser kennen. Er mag sie immer mehr. Zuerst hält er sie für die Überreste einer KI, aber dann erzählt sie ihm, sie sei eine Frau, die in einer Klinik am Stadtrand liege. Er möchte sie besuchen und wagt sich in die inzwischen verwaiste Vorstadt und entdeckt, dass sich dort eine psychiatrische Einrichtung befindet.
Darauf angesprochen behauptet die Frau, sie habe ihren Partnern die Köpfe abgeschnitten. Obwohl sie später so tut, als wäre das eine Lüge gewesen, ist die Frau Fabian nun nicht mehr geheuer und er zieht um, ohne sich von ihr zu verabschieden.
Der Autor zeichnet eine düstere Welt, in der es kaum noch Zweisamkeit gibt. Wodurch Fabian die Frau, in die er sich zuerst verliebt hat, plötzlich als Bedrohung erkennt, ist mir nicht so ganz erkenntlich. Obwohl ich die Geschichte gerne gelesen habe, ließ mich das Ende ein wenig ratlos zurück.
Ich hätte sie wahrscheinlich bedrückender gefunden, wenn er trotz der Gefahr bei ihr geblieben wäre.
Illu: Dirk Berger
Wir sehen einen Mann in einer Wohnung. An den Wänden zeigt sich eine Frau.I Ich fand das Bild perfekt zur Story.
Hans Jürgen Kugler – Mach hin!
Ein Geschwindigkeitsjunkie hatte einen Unfall und sitzt im Rollstuhl. Seine Pfleger schließen ihn immer wieder an die X-Box an, damit er nach wie vor seiner Leidenschaft frönen kann.
Ich sehe in der Story ein Plädoyer für Geschwindigkeitsbeschränkungen, aber mir kommt das zu sehr mit dem Holzhammer rüber.
Illu: Mario Franke
Ein Rollie, der hinter einem Auto steht. Passt perfekt.
Yvonne Tunnat – Trauergeschäfte
Eine Frau hat ihren dreijährigen Sohn verloren und wird von einem Trauerarbeiter auf die Ersatzlösung angesprochen. Der Mensch braucht sich seiner Trauer nicht mehr zu stellen, sondern bekommt einen künstlichen Ersatz.
Interessante Idee, bei der mich interessieren würde, ob der Trauernde sich langfristig damit überhaupt einen Gefallen tun würde. Das könnten Therapeuten sicher besser beurteilen.
Illu: Jan Hoffmann
Ein kleiner Ersatzsohn. Passt für mich auch perfekt zur Story.
Steine by Volker Toons
Ich liebe diese Steine! Die sind so süß, dass sie mich zu meiner diesjährigen Weihnachtkarte inspiriert haben.
Wolf Welling – Stulpa
Einmal mehr eine Story über die Erschaffung eines Wesens durch Dr. Frank N. Stein. Unterhaltsam geschrieben, aber sowohl der Name des verrückten Doktors als auch die »Schöpfungsgeschichte« bieten für meinen Geschmack nichts Neues. Mir war die Story stellenweise zu plakativ.
Illu: Jan Hoffmann – Frank N. Stein mit außerirdischen Wesen.
Victor Boden – Der Garten
Eine Kolonie auf einem unwirtlichen Planeten. Um genug Nahrung für alle produzieren zu können, müssen alle mitarbeiten. Das ist allerdings nicht mehr möglich, seit dem sich etliche Leute Linsen aus Meteoriten haben einsetzten lassen, die ihnen eine schönere Welt vorgaukeln. Diese Menschen vergessen, dass sie Bedürfnisse haben und vegetieren vor sich hin. Daraufhin wird beschlossen, die Meteoriten zu sprengen.
Ich fand die Geschichte im Großen und Ganzen gut, weil sie die Frage aufwirft, was man bereit ist zu tun, um einer harten Realität zu entkommen, aber für meinen Geschmack kamen viel zu viele Personen darin vor, sodass man den Überblick schnell verlieren konnte.
Auch den Gedanken, dass die Menschheit sich wohl immer und überall selbst zerstören wird, fand ich interessant. Wohin religiöser Wahn führen kann, wurde dagegen mehr oder weniger nur angerissen, indem wir nicht erfahren, wie es mit den »Sehenden« weitergeht.
Illus: Victor Boden – die haben mir alle außerordentlich gut gefallen.
Norbert Stöbe – Irgendwann vielleicht
Eine Kolonie auf einem fremden Planeten. Obwohl die Menschen schon in zweiter Generation dort leben, haben sie ihr neues Zuhause noch nicht erforscht. (Was ich für unglaubwürdig halte.) Angeblich, weil sie zu beschäftigt damit sind, zu überleben. Pilzgewächse dominieren die Gegend und werden zu allem Möglichen verarbeitet. Glom heißen die Wesen, die diesen Planeten neben den Menschen bevölkern und über die ansonsten nicht bekannt ist. Ein Schüler, Nectar, quält eines dieser Wesen nur zum Spaß und hat seinen Klassenkameraden Xaver unter einem Vorwand mitgenommen. Als der Glom im Wasser unterzugehen droht, hauen die anderen alle ab und überlassen ihn seinem Schicksal, nur Xaver rennt zur Fabrik, in der sein Vater arbeitet und holt Hilfe. Nectar ist nach dem Vorfall wie ausgewechselt, was Xaver aber nicht beeindruckt.
Aus meiner Sicht ist Xavers Ablehnung des Übeltäters völlig in Ordnung, denn kaum einer wird über Nacht vom Sadisten zum Glom- und Menschenfreund, aber ich gehe mit dem Autor und sage, irgendwann vielleicht, wird er ihm die Wandlung abkaufen. Dann, wenn er weiterhin dabei bleibt und keine anderen Wesen mehr zu Spaß quält. Für mich ist gerade das Ende gut, denn damit entgeht der Autor einer Schwarz-Weiß-Malerei.
Illu: Lothar Bauer
Eine fremdartige Pilzlandschaft. Gefällt mir gut und passt zur Story.
Corinna Griesbach – Die Kugel (Wasauchimmer)
Seltsame Kugeln tauchen auf der Erde auf. Mancher hält sie für Wetterballons, andere glauben an Außerirdische. Als die Dinger verschwinden, macht sich niemand mehr Gedanken darüber. Der Erzähler beweist, dass das ein Fehler war.
Ha, ha, wenn da mal nicht aktuelle Nachrichten als Paten für diese Story standen ...
Illu: Mario Franke
Toller Himmel, Verweis auf Japan und Kugel, sehr schön.
Toni Frey – Die Patientin
Eine lange Geschichte über den Untergang eines Universums. Ein schwarzes Loch verschlingt alle Planeten, aber der Planet, auf dem die Patientin lebt, die mehr über diese Vorgänge zu wissen scheint, hat Glück und landet durch ein weißes Loch in einem neuen und jungen Universum.
Einmal mehr wird die Frage aufgeworfen, ob die vermeintlich Verrückten nicht doch mehr wissen, als wir ihnen zugestehen möchten.
Warum diese Frau in einer SF Story permanent mit Fräulein angeredet wurde, habe ich nicht verstanden.
Illu: Robert Straumann – haben mir alles gut gefallen und ich fand sie auch passend.
Dieter Korger – Godwans Skyway
Ein Transportergespann, Charlie und Moritz, soll eine Kiste mit unbekanntem Inhalt in einem Biotechnischen Betrieb abliefern. Sie fahren über den Godwana Skyway, eine Brücke zwischen dem Senegal und Brasilien. Quasi aus dem Nichts taucht eine junge Frau auf, die behauptet, sie hätte den Auftrag sie zu begleiten. Ein Rückruf in der Zentrale bestätigt dies.
Dann geht alles sehr schnell und war für mich unbefriedigend, weil eine der beiden Hauptfiguren, die andere »versehentlich« tötet und dann beide komplett vergessen werden und weil dieses Wesen aus der anderen Welt gelogen hat. Gut, das wird wohl eine Notlüge gewesen sein, hat mich aber trotzdem enttäuscht zurück gelassen. Wahrscheinlich wäre die Story ohne den Nachtrag doch besser gewesen.
Illu: Lothar Bauer
Wir sehen die riesige Brücke und den stürzenden Container, schön, auch wenn die Größenverhältnisse natürlich nicht stimmen.
Christian Endres – Sprich nicht mit der Katze
Ein gefeuerter Forscher findet einen Weg, sich mit seiner Katze zu unterhalten, sein Therapeut hält es für Fantasie. Nette kleine Story.
Illu: Detlef Klewer
Mensch – Katze – gefällt mir auch und passt zur Geschichte.
Peter Schattschneider – Genesis reloaded
Sehr amüsante Story um einen Buchhaltungsroboter, der aus Versehen in einem Lager des Frankfurter Flughafens landet und dort verschrottet werden soll, sich aber zu helfen weiß.
Mir haben alle Roboter gut gefallen, obwohl sie natürlich allesamt vermenschlicht wurden. Wie der Buchhalter sie alle koordiniert, wie er Menschenwissen, umbiegt und für seine Zwecke nutzt ... Herrlich! Humor ist oft nicht mein Ding, aber dieser hier hat mich voll abgeholt. Mein Favorit im Heft.
Illu: Dirk Berger
Ein Roboter hält eine Buchhaltevorrichtung hoch. Das Bild bekommt erst zusammen mit der Story die richtige Bedeutung. Sehr schön.
Angelika Brox – Junimond
Rio sitzt im Jugendknast, weil er (wahrscheinlich) seinen Vater getötet hat, um seiner Mutter beizustehen. Eines Tages lässt der alte Wärter alles Insassen frei, weil sowohl die Russen, als auch die Amis auf den roten Knopf gedrückt haben. Der Wärter möchte in der herrschenden Panik nicht, dass die Jugendlichen im Knast vergessen werden und verhungern. Alle flüchten, manche plündern, was noch zu plündern ist. Andere stehlen Autos, um möglichst schnell weit weg zu kommen. Rio nimmt ein Motorrad. Er landet auf einem Gnadenhof und trifft dort ein Mädchen. Die Betreiber des Hofs sind reiche Leute und längst geflüchtet. Das Mädchen möchte bei den Tieren bleiben und Rio beschließt, ihr Gesellschaft zu leisten.
Ich glaube, dass es hier nicht um die realistische Darstellung der nuklearen Katastrophe geht, sondern um die Frage, was man mit seinem Leben anfängt, wenn man weiß, dass man nicht mehr lange zu leben hat. Hat mir auch gut gefallen.
Illu: Mario Franke
In der Ferne sieht man einen Atompilz, im Vordergrund Rio mit dem Mädchen und den Hunden. Passt perfekt.
Galerie von Ingo »Kriminalkin« Lohse
Die Galerie ist für mich immer ein Highlight. Auch dieses Mal konnte ich mich kaum an den Bildern sattsehen. Ich fand erstaunlich, was man mit Buntstiften alles so leisten kann und bewunderte oft die unglaublich feinen Details. Ja, ich zeichne auch hin und wieder mit Finelinern, aber so exakt? Nein, das kriege ich beim besten Willen nicht hin. Insofern: Hochachtung!