Diese Schlussfolgerung kommt immer wieder durch. Also, die Aussage "Der Großteil der Lesenden ist total zufrieden mit dem, was veröffentlicht wird, Yvonne, ganz egal wie wenig gut oder originell du das finden magst."
Meine Schlussfolgerung muss dann lauten: Okay, dann bin ich vermutlich nicht die Zielgruppe der Szene und sollte aufhören, deutschsprachige Kurzgeschichten zu lesen.
Eine Szene nicht zu lesen, in der ich mich selbst bewege (auch als Kurzgeschichtenautorin) ist aber irgendwie schräg, oder?
Wenn ich mir unsere Lesezirkel so anschaue, dann scheint es aber so zu sein, dass ich doch nicht so ganz alleine bin. Bei der Anthologie Biokalypse haben viele andere dieselben Dinge bemängelt wie ich, während bei den letzten Queer*Welten und auch jetzt beim Lesezirkel zu In andere Welten ähnliches gefeiert oder angejammert wird. (Leichte Unterschiede gibt es, aber Tendenzen sind gut ablesbar).
Man könnte nun vermuten, dass die kritischen Personen in diesem Forum durchaus oft ähnliche Meinungen vertreten, aber die schweigende Masse da draußen hoch zufrieden mit deutschsprachigen SF-Anthologien ist. Dann würde die sich aber besser verkaufen, oder? Oder wir würden begeisterte Rezensionen bei amazon von uns fremden Lesenden entdecken könne, doch ist da meistens ... nichts. Eine rühmliche Ausnahme würde das Alien Contagium mit immerhin 36 amazon-Rezensionen darstellen, das ist aber auch in unserer Szene ganz gut angekommen.
Wie bereits an anderer Stelle gesagt wurde vor zwanzig Jahren schon ähnliches bemängelt, es hat sich nicht geändert, nur werden heute doppelt so viele Kurzgeschichten gedruckt. Vermutlich drucken wir 2043 dann pro Jahr fast tausend Kurzgeschichten und es wird nur noch schwieriger sein, die Perlen zu finden.
Alien Contagium hat 36 Amazon Bewertungen, aber 7 Rezensionen, das ist ein Unterschied. Das ist mir anfangs auch nicht aufgefallen, das es da einen Unterschied gibt.
Aber das Buch scheint sich ja gut verkauft zu haben. Chris hatte das ja hier irgendwo gepostet.
Auf dem Bucon hatte ich einen Programmpunkt zu Zwielicht, da waren wir mit über 20 Zuhörern gut, so dachten wir. Waspoint FiftyNine hatte über 60 Zuhörer, das ist dieses Buch:
https://leserattenve...tyNine::36.html
Woran hängt dann der Erfolg eines Kurzgeschichtenbuchs?
Wenn es das Thema ist, beide oben genannten Bücher sind Themenanthologien, dann kauft sich ja jemand nicht unbedingt das Buch wegen einzelner Kurzgeschichten. Die Leute springen ja auch auf das Thema an. Zum Teil sind es auch die Autoren, die da Zugkraft entwickeln. Eine Trillion Euro soll sich auch 4000mal über den Ladentisch geschwungen haben und "Hunger", eine Zombieanthologie, lief ausgesprochen gut, weil da bekannte Namen enthalten waren. Oft gut läuft ja auch was mit Sherlock Holmes, egal, was sich zwischen den Buchdeckel befindet.
Also den reinen "Erfolg" eines Buches an den Verkaufszahlen oder den Bewertungen auszumachen, das scheint mir ein wenig kurzgesprungen.
Wenn also 400 Kurzgeschichten im Jahr erscheinen, von denen 300 nicht so dolle sind, muss mich das als Kurzgeschichtenliebhaber ja nicht unbedingt stören.
Ich kann ja die Creme abschöpfen. Jetzt gibt es natürlich keine "Die besten Science Fiction Geschichten des Jahres" Sammlungen. Aber es gibt ja eine Häufung an Büchern, die überaus positiv wahrgenommen werden. Früher waren das vor allem Nova und die Visionen, in den letzten Jahren Exodus und die Hirnkostbücher (bezogen auf KLP und DSFP).
Meines Erachtens muss da ein "Von oben nach unten" Ansatz betrachtet werden, nicht der umgekehrte Fall, die zahlreichen Herausgeber müssen einfach bessere Bücher machen (was natürlich trotzdem zutreffend ist).
Wenn ich also mit zwei Exodus Ausgaben (11 Nominierungen der letzten 4 Jahre sowie 3 Gewinner) zufrieden bin, habe ich doch genügend guten Lesestoff.
Man kann sich schon fragen, ob Exodus die entsprechende Qualität liefert, natürlich auch, welche Publikationen da Konkurrenz machen (Nova, FFM, bestimmte Herausgeber) und ob da nicht Luft nach oben ist.
Und gerade bei den Literaturpreisgewinner muss man sich fragen, ist das wirklich die Spitzenleistung? Und findet diese Spitzenleistung, egal ob als Literaturpreisgewinner oder als Qualitätspublikum genügend positive Resonanz, um den Kreis der Lesenden zu vergrößern?
Mir persönlich ist es egal ob 300 oder 1000 Kurzgeschichten im Jahr erscheinen. Ich lese in der Regel sowieso nur 2-3 SF Kurzgeschichtenbücher im Jahr. Die pure Quantität an Veröffentlichungen stört nicht, sie kann sogar langfristig zur Qualitätssteigerung dienen. Schließlich will man als Autor ein Ziel haben und Veröffentlichungen und Rückmeldungen gehören einfach dazu.
Aber bei den Qualitätsbüchern ist meines Erachtens die Grenze nicht erreicht. Ich fand z.B. die beiden Exodusausgaben dieses Jahr doch sehr mäßig und wenig inspirierend.
EDIT: Was ich persönlich an einschränkend aus Sicht als Autor finde:
Genrekonventionen und Grenzziehungen (was ist SF und was nicht)
Zeichenbegrenzungen (20T Geschichten ähneln sich doch oft)
Bearbeitet von Mammut, 13 Dezember 2023 - 11:03.