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Adam Roberts – Polystom (2003)

Steampunk Alternative Physik alternative Realität

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#1 head_in_the_clouds

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    Yoginaut

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Geschrieben 07 Mai 2024 - 12:10

spoilerarm

 

Ãœber den Autor:

 

Roberts ist Professor für Literatur des 19. Jahrhunderts an der University of London und SF-Autor, der seine beiden Karrieren als Schriftsteller als auch Kritiker im Genre erfolgreich verbinden konnte. Im selben Jahr mit der Veröffentlichung seines ersten Romans „Salt“ (2000) publizierte er auch sein erstes wissenschaftliches Werk, „Science Fiction“ (2000; „Science Fiction“: Second Edition 2006). Sein aktuelles Werk ist „The This“ von 2022. Roberts führt die Tradition der Ideen-SF fort. So hat er u.a. mit „The Thing itself“ 2015 die eigentlich schwer verdauliche Metaphysik Kants bezüglich der Frage der Realität („Was können wir wissen über das den Erscheinungen zu Grunde liegende, außerhalb unseres Bewusstseins existierende Wirkliche?“ ) in einem SF-Roman thematisiert!

 

Inhalt:

 

Der Protagonist Polystom (kürzlich gewordener Vollwaise , reich und der herrschenden Klasse angehörig die Roberts in etwa der Elite der Großindustriellen im 19. Jahrhundert nachempfindet)

lebt in einem alternativen Kosmos in dessen Sonnensystem Planeten nur Tausende von Kilometern voneinander entfernt sind und eine gemeinsame Atmosphäre haben , da es in diesem Universum kein Vakuum gibt. Daraus ergeben sich erstaunliche Möglichkeiten wie das interplanetare Reisen mit propellergetriebenen Flugapparaten oder die Nutzung von Riesenballons für Handel oder Militär.

 

Wir lernen Polystom als sich zwar seines privilegierten Status bewussten aber unsicheren Mann kennen der mit der schwer vermittelbaren , gesellschaftlich unangepassten Dame Beeswing verheiratet werden soll. Die nicht aus Liebe entstandene Verbindung offenbart aber bald seine dunkele Seite – und der Schwachheit sich gesellschaftlichen Konventionen nicht entgegenstellen zu können. Die Geschehnisse um ihre Ehe treten dann Ereignisse los deren Kontrolle Polystom zunehmend entgleitet.

 

Polystom’s Onkel Cleonicles ist ein angesehener aber von sich eingenommener Wissenschaftler und Konstrukteur einer großen Rechenmaschine die maßgeblich für militärische Zwecke eingesetzt wird (mit ihrer Hilfe soll auf dem Planeten Mudworld ein Aufstand der Leibeigenen niedergeschlagen werden) aber schlechter Ratgeber in zwischenmenschlichen Beziehungen, den er aufsucht um seine Ehe zu retten. Aber auch hier wenden sich die Ereignisse für ihn ins Düstere.

 

Um die Vergangenheit hinter sich zu lassen, sponsert Polystom eine Privatarmee aus fünfzig seiner Diener – die natürlich dabei keine Mitsprache haben -, der er als bisher dem Krieg nur indifferent Gegenüberstehender und unerfahrener Truppführer vorstehen will. Seine glorifizierten Vorstellungen von Ruhm und Ehre die er vermeintlich hier findet müssen aber bald den tatsächlichen Schrecknissen des Krieges weichen – Roberts beschwört hier die grausamen Stellungskriege analog zum 1. Weltkrieg herauf.

 

Die von Cleonicles auf Mudworld installierte Rechenmaschine der Besatzer wird zum Ziel der Aufständischen und Polystom sieht sich der Bedeutung des Computers nicht nur für den Ausgang des Krieges sondern auch des Infragestellens seines bisherigen Weltverständnisses ausgesetzt.

 

 

Kritik:

„Polystom“ greift zwar einige in der SF bekannte Muster auf (so erinnern die Propeller/ Ballonbetriebenen Fahrzeuge für interplanetares Reisen an den Äther erfüllten Kosmos in der „Ragged Astronauts Trilogie / "Die Heißluft-Astronauten“ von Bob Shaw) , interpretiert sie aber neu und verbindet es mit glaubhaften Charakteren zu einer packenden Handlung.

 

Die Geschichte verbindet zunächst Steampunk mit Anklängen von Satire , wobei der Protagonist aber über den Handlungsbogen des Romans eine Katharsis durchmachen muss. Nur zu oft möchte man Polystom durchschütteln ob seines eigensüchtigen , unentschlossenen und opportunistischen Handelns – sei es in seiner Ehe, seinem unterwürfigen Verhältnis zu seinem Onkel Cleonicles oder als unqualifizierter Offizier im Krieg.

 

Er trifft zahlreiche moralisch fragwürdige Entscheidungen , deren Konsequenzen er sich entweder nicht bewusst ist oder verdrängt. Es ist einerseits schwierig sich mit seinem schwermütigen , oft selbstmitleidigen Charakter anzufreunden, andererseits blitzt manchmal eine sanftere, poetische Ader auf die im Gegensatz zu seinem von der Gesellschaft geprägten männlichen Idealbild steht, die uns für ihn einnehmen könnte, aber letzten Endes nicht überwiegt.

 

Am Schluss entscheidet sich nicht nur Polystom’s Schicksal auf dem vom Krieg zerrütteten Planeten Mudworld. Roberts ist bekannt für Gedankenexperimente in seinen Werken und gibt dem Roman im letzten Viertel einen ungeahnten Twist der uns vermeintlich auf die wahre Realität seiner Welt zurückführt – vielleicht aber auch nicht. Er schafft so einen konzeptionellen Durchbruch der einen Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung der eigenen Welt des Lesers mit sich bringt. Dazu tragen auch die geschickt eingeworfenen Anmerkungen zum sogenannten "Polystom"- Text der dem Ganzen eine Metaebene hinzufügt als läsen wir ein Schriftstück über dessen mythischen oder realen Anteils sich die Wissenschaft nicht einig ist.

 

Neben der glaubhaften Charakterisierung Polystom’s und des Verhältnisses zu seiner Ehefrau Beeswing macht das den Roman so bemerkenswert.

 

gelesen wurde das Original Polystom (2003).

 

 

zitierte SF Romane

 

 

non fiction

 

Adam Roberts in der ISFDB


Bearbeitet von head_in_the_clouds, 07 Mai 2024 - 13:01.

"Why should one be afraid of something merely because it is strange?"

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