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Der Genderswapped Podcast fragt: Ist die Progressive Phantastik gescheitert?


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61 Antworten in diesem Thema

#1 T. Lagemann

T. Lagemann

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Geschrieben 03 September 2024 - 08:34

Hallo zusammen,

 

es geht nicht nur um die Frage, ob die Progressive Phantastik gescheitert ist, sondern auch viel um die Verlagsbranche, um Frustrationen und Selbstausbeutung (nicht nur von Autor*innen) und den Siegeszug der Romance. Ach ja, Casual Diversity wird auch erklärt.

 

Man höre da -> https://genderswappe...e.io/86-folge70

 

Viele Grüße

Tobias

 


"Wir sind jetzt alle Verräter."
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."

(James Corey, Calibans Krieg)

"Sentences are stumbling blocks to language."

(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)

"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"

(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")
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#2 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 03 September 2024 - 08:43

Habe ich am Sonntag gehört und finde die Folge auch sehr, sehr gut!

 

Ziemlich böse Schlussfolgerungen und am Tag danach erfahre ich dann, dass der ASP-Verlag dicht macht. Passt irgendwie alles zusammen. 

Selbstausbeutung seitens der Kleinverlage und der Autor:innen, und vermutlich gilt dasselbe auch für viele, die regelmäßig herausgeben. Natürlich alles neben einem Erwerbsjob, oft Vollzeit. 

 

Und "wir" kaufen es dann nicht. Ich kann nur einen kleinen Teil beitragen, um zu helfen. Bücher von Kleinverlagen, die mich interessieren, frage ich nicht als Frei-Exemplar an, sondern kaufe sie einfach. Wenn ich etwas gut finde, rezensiere ich es. Wenn ich etwas RICHTIG gut finde, lade ich die Person in den Podcast ein.

Aber ja, viel helfen wird das natürlich nicht ...

 

Ich vermute, es wird darauf hinauslaufen, dass Schreiben mehr und mehr zum unbezahlten (oder kaum bezahlten) Hobby wird. Wenige Profis sind aber schwierig, zumal das dann ja auch für Lektor:innen und co. gilt. Ich glaube, unsere Szene könnte eher mehr Profis brauchen, Leute, die halbgaren Kram in ihrer Freizeit machen, haben wir ja zu hunderten. 


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#3 Jannis

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Geschrieben 03 September 2024 - 10:50

[...]

 

Ich vermute, es wird darauf hinauslaufen, dass Schreiben mehr und mehr zum unbezahlten (oder kaum bezahlten) Hobby wird. Wenige Profis sind aber schwierig, zumal das dann ja auch für Lektor:innen und co. gilt. Ich glaube, unsere Szene könnte eher mehr Profis brauchen, Leute, die halbgaren Kram in ihrer Freizeit machen, haben wir ja zu hunderten. 

 

Das läuft nicht darauf hinaus: das ist schon längst Tatsache, dass nur ein sehr kleiner Teil von aktiven Autor*innen tatsächlich von ihren Werken leben können. Leider nimmt durch den einfachen Einstieg ins Selfpublishing die absolute Anzahl an Autor*innen und ihrer Werke ständig zu. Die Qualität, die wir aber fordern, und die man eigentlich (fast) nur als hauptberuflicher Autor*in erbringen kann, wird dann die Ausnahme bleiben (oder in kompletter Selbstaufopferung erbracht).  :bigcry:   


Meistens gut gelaunt, offen für sehr viel und immer für eine angeregte Diskussion zu haben!

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#4 Rezensionsnerdista

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    Yvonne

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Geschrieben 03 September 2024 - 11:01

Yes. Nur die Genderswapped-Leute (Judith und Lena) arbeiten als Autory (Judith auch mehrheitlich beruflich, glaube ich? Und in ähnlichen Bereichen wie Übersetzung) und das fiele dann auch weg. Also, die bereits existierende Tatsache würde sich verschlimmern.

 

 

Ja, ich habe mal von einer Autorin gelesen, die sechs Jahre lang ausschließlich sonntags an ihrem Roman gearbeitet hat, also, man kann es schaffen (ich mochte den Roman), es dauert dann eben sehr sehr lange. 


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#5 T. Lagemann

T. Lagemann

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Geschrieben 03 September 2024 - 12:25

Hallo Jannis,

Das läuft nicht darauf hinaus: das ist schon längst Tatsache, dass nur ein sehr kleiner Teil von aktiven Autor*innen tatsächlich von ihren Werken leben können. Leider nimmt durch den einfachen Einstieg ins Selfpublishing die absolute Anzahl an Autor*innen und ihrer Werke ständig zu. Die Qualität, die wir aber fordern, und die man eigentlich (fast) nur als hauptberuflicher Autor*in erbringen kann, wird dann die Ausnahme bleiben (oder in kompletter Selbstaufopferung erbracht).  :bigcry:   

unter der Fragestellung "Ist die Progressive Phantastik gescheitert?" geht es ja eben auch um die Frage, wie man vom Schreiben leben kann. Gleich zu Beginn des Podcast wird eine Agentin erwähnt, die mitgeteilt hat: "Aktuell ist nur Romance verlangt". Nur damit - und das bedauerten die Podcasterinnen - könne man also aktuell Geld verdienen und eben nicht mit Projekten, die irgendwie anders gelagert oder gar ambitioniert sind. Womit wir wieder bei der Studie des Beuaftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sind, die schon 2021 eine Förderung nicht nur der Verlagsszene und des Buchhandels vorgeschlagen hat, sondern auch eine Förderung von Autor*innen. Warum? Um die kulturelle Vielfalt zu bewahren. Und "Nur Romance" ist eben nicht Vielfalt. Klar, es gibt ambitionierte Projekte und Verlage. Wäre es anders, gäbe es wohl kaum dieses Forum. Aber am Ende ist dann doch vieles Selbstausbeutung ohne jeglichen Mehrwert. Die Podcaster*innen sagen es ja selbst: Sich gedruckt sehen, ist einfach zu wenig. Hinzu kommt, dass man selbst dafür noch mehr leisten soll, als nur "Schreiben" - die sozialen Medien sollen bespielt werden (sogar für Großverlage). Und am Ende steht man trotzdem mit leeren Händen da, hat nur Zeit investiert. Und das kann sich am Ende - so die Mutmaßung im Podcast - nur jemand leisten, der/die/das einen Job hat, der dafür Zeit übrig lässt. Damit würde Schreiben bzw. Veröffentlichen letztlich zum Hobby einer "priviligierten" Gruppe.

 

Ich hoffe, ich habe da die Thesen des Podcast nicht missverstanden, wenn aber doch, dann liegt das an der frühen Stunde, zu der ich ihn gehört habe.

 

Natürlich wäre die Lage eine andere, wenn nicht "nur Romance" ziehen würde. Vielleicht ja befassen sich die Podcasterinnen im Oktober Live-Podcast ja intensiver mit der Frage, wie man Leser*innen für Anderes als "Romance" gewinnen kann.

 

Viele Grüße

Tobias


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#6 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 03 September 2024 - 12:27

Ich hab's auch so verstanden wie T. Lagemann


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#7 Naut

Naut

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Geschrieben 03 September 2024 - 12:45

Ich habe heute meinen kulturpessimistischen Tag und denke daher, dass nicht nur progressive Phantastik, sondern deutschsprachige Literatur insgesamt gescheitert ist. Das liegt daran, *wer* überhaupt noch liest (vorwiegend junge, weibliche Personen) und *wie* diese zu ihrem Lesestoff gelangen (BookTok). Ich sehe da keinen Hebel, außer: Als trojanisches Pferd in Romance.

 

Mein nächstes Projekt wird also ein Roman, in dem sich die Seele eines unsterblichen Vampirs, der in einem Smart-Home-Toaster in der Teeküche eines Schlossinternats gefangen ist, in eine junge Schülerin verliebt und daraufhin alles daran setzt, das Hausnetz zu hacken, um so die Schule komplett zu übernehmen. Oder so.


Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#8 Mammut

Mammut

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Geschrieben 03 September 2024 - 12:53

Wellen gab es doch schon immer: HdR Fantasy, Glitzer Vampire, jetzt halt Romantasy.

Es gibt aber auch viele recht erfolgreiche deutschsprachige Phantastik, gerade SF: Eschbach, Hildebrand, die ganzen ehemaligen SPler wie Tree und Morris, Brandhorst, Moers etc.

Man muss generell fragen, was will man: Erfolgreiche deutschsprachige Phantastik oder welche, die den eigenen Ansprüchen als Autor oder Leser genügt.

Generell scheint mir, hat die Szene bezüglich Reichweite noch Luft nach oben, aber vielleicht wirkt das auch nur so.

#9 lapismont

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Geschrieben 04 September 2024 - 08:00

Was ist so schlimm daran, progressive Phantastik als Hobby zu betreiben? Personen die das schreiben und Personen, die es lesen, werden schon zusammen kommen. Dass Kunst zum Broterwerb genutzt werden muss, erscheint mir eine kapitalistische Indoktrinierung zu sein.

Klar wäre es toll, wenn sich der Staat mehr Kunst leisten würde und Personen, die sich damit befassen wollen, alimentieren würde. Nur müsste dass von einer Mehrheit im Volk oder einer Partei getragen werden.

Es gibt aber nicht mal eine Mehrheit für kostenlose Kita-Betreuung, wohl aber für Auto-Subventionen.

Wir leben nun mal in kapitalistischen Staaten.


Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.

Moderator im Unterforum Fantasyguide
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#10 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 04 September 2024 - 08:07

Seufz, leider lebe auch ich in einem Bundesland ohne kostenlose Kitas, man überlege sich, was für Bücher ich hätte kaufen können, wenn ich keinen fünfstelligen Betrag (verteilt auf knapp zehn Jahre) dafür hätte zahlen müssen.

 

However: Ich sehe das Problem, dass Menschen, die Kunst "nur" als Hobby betreiben, oft nicht genug Zeit reinstecken. Jedenfalls empfinde ich das bei unserer SF-Szene so (vor allem im Bereich Kurzprosa). 

In den USA zahlen wenigstens ein paar Magazine etwas (und mehr als die wenigen Magazine, die hier was zahlen) und die Leute scheinen da mehr Arbeit reinzustecken.

 

Es ist auch schwierig, jemandem, der das nur als Hobby betreibt, zu sagen: Mach dir mal mehr Mühe! 

(Geht nicht, sage ich seit Jahren, interessiert keinen.)

 

Dann bleibt es halt auf einem sehr kleinen Niveau.

 

Klar gibt es ein paar Leute, die zwar einen Vollzeitjob haben, aber trotzdem so viel Zeit und Schweiß reinstecken, dass sie häufig Romane machen und auch gute (wie Sven Haupt), aber die sind eher selten.

 

 

 

Etwas mehr Professionalität fände ich schon gut. Und mehr Übersetzungen. Aber wer soll das bezahlen?


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#11 Michael Böhnhardt

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    Giganaut

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Geschrieben 04 September 2024 - 09:03

 

Wir leben nun mal in kapitalistischen Staaten.

 

Ja, wie ich sie vermisse, die bunte, quirlige, progressive, sich frei entfaltende Kunst- und Kulturszene meiner Kindheit und Jugend in der sozialistischen DDR.



#12 T. Lagemann

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Geschrieben 04 September 2024 - 09:04

Hallo lapismont,

Was ist so schlimm daran, progressive Phantastik als Hobby zu betreiben? Personen die das schreiben und Personen, die es lesen, werden schon zusammen kommen. Dass Kunst zum Broterwerb genutzt werden muss, erscheint mir eine kapitalistische Indoktrinierung zu sein.

Klar wäre es toll, wenn sich der Staat mehr Kunst leisten würde und Personen, die sich damit befassen wollen, alimentieren würde. Nur müsste dass von einer Mehrheit im Volk oder einer Partei getragen werden.

Es gibt aber nicht mal eine Mehrheit für kostenlose Kita-Betreuung, wohl aber für Auto-Subventionen.

Wir leben nun mal in kapitalistischen Staaten.

im Podcast geht es auch um das, was man als "Gegenwert" für das Schreiben bekommt. Und da reicht es auf Dauer eben nicht aus, dass man seinen Namen in einem Inhaltsverzeichnis sieht. Nein, es geht den Podcasterinnen nicht um monetären Lohn, denn der fällt ja eher gering aus in der deutschsprachigen SF-(Hobby)Szene, es geht um Feedback und auch darum, dass man mit Texten etwas bewirken möchte. Und da gibt es halt ein arges Ungleichgewicht, denn man soll ja nicht nur "Schreiben", man soll auch noch die Werberühre trommeln, also doch bitte, bitte noch etwas mehr Zeit investieren.

 

In der Studie des BKM geht es weniger darum, dass Autor*innen halbwegs gut leben können, es geht um den Erhalt einer vielfältigen Literaturszene. Klar, man kann sagen, so what, warum Vielfalt, Hauptsache es wird überhaupt gelesen. Aber Literatur hat ja (hoffentlich nicht nur für mich) mehr als nur die Funktion "vorwiegend junge, weibliche Personen" zu unterhalten. Ja, ich weiß, sooooo schlimm ist es nicht und wird es wohl auch nicht werden. Aber wenn Agentinnen sagen, dass gerade nur Romance verlangt wird, dann ist das schon nachdenkenswert. Ergänzend dazu fällt mir ein, dass in einem anderen Genderswapped Podcast mal gesagt wurde, dass es aus einem Verlag hieß, dass man in Sachen History bitte nichts mit der "französischen Revolution" machen solle (wenn ich mich recht erinnere "weil zu unbekannt ..."). Da rauscht offenbar eine Welle an Simplifizierung (aka "Bitte überfordert die Leser*innen nicht, nicht sprachlich, nicht inhaltlich und überhaupt) auf uns zu, die den Korridor des Lesbaren nicht nur für mich arg einengen wird. Ja, ich weiß, ist mein Problem. Bedauern darf ich die sich ändernden Gegebenheiten dennoch.

 

Viele Grüße

Tobias


"Wir sind jetzt alle Verräter."
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"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
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#13 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 04 September 2024 - 10:27

Mir geht es da sehr ähnlich wie Tobias, wobei ich sagen muss: Ich finde durchaus noch Lesestoff, der mich sehr befriedigt.

 

Natürlich ärgere ich mich darüber, dass ich ihn nicht (oder eben selten) direkt hier in unserer Szene vor der Haustür finde. Dass ich mich darüber ärgere, habe ich ja nun auch ausreichend laut mehrere Jahre lang kundgetan und sollte jetzt mal damit aufhören, damit ich mir nicht noch mehr Feind:innen mache.

 

 

Was ich natürlich auch suche (vielleicht ist das ja speziell), Literatur, die mich verändert. Aus der ich anders herauskomme als ich hineingegangen bin. Reine Unterhaltung, reinen Eskapismus finde ich langweilig. Das kann ich mir sparen, dafür habe ich zu wenig Zeit fürs Lesen (jedenfalls deutlich weniger als ich gern hätte). Vielleicht als Hörbuch ginge es, nebenher, beim Kochen oder so. (Aber eigentlich will ich selbst dann etwas Gescheites hören.)

Ich finde sowas auch, aber selten hierzulande und meistens noch nicht übersetzt.

 

2020 habe ich mein Kaufverhalten umgestellt und angefangen statt der Romane auf Englisch, Übersetzungen oder originär deutschsprachige Romane zu kaufen, aber ich beobachte, wie dieser Anteil kleiner und kleiner wird. Insofern verliert der deutschsprachige Raum gerade meine Kaufkraft eher völlig, während ich immerhin den anglo-amerikanischen Markt mit meinem Buch-Taschengeld versorge.

 

Wenn alle so viel Geld für den Buchmarkt ausgeben würde wie ich, wäre das sicher schön. (Immer noch, trotz des hohen Anteils, das von mir dann eher nicht in Deutschland landet.) Aber so viel lesen ja doch nur wenige. 

 

 

Romance: Interessiert mich null. Ich habe Twilight seinerzeit gelesen (Neugier ist der Tod der Katze und so) und habe für mich einen Anker gefunden, trotz der Romance. Und irgendwie bezweifle ich auch, dass Romance das bietet, was ich beim Lesen suche. Ich nehme jetzt mal den ersten Teil von Twilight (mangels Alternativen, weil mir sonst aus dem Gebiet nichts einfällt, das ich gelesen habe), die Autorin hat recht gut die Stimme einer Teenagerin hingekriegt, aber die Figuren der Vampire sind doch alle eher unglaubwürdig. Verhalten sich so Wesen, die seit 100+ Jahren Lebenserfahrung sammeln konnten? Der Plot hat auch extrem viele Schwächen und das letzte Drittel mit Action ist nahezu lächerlich unglaubwürdig. Ich verstehe kaum den Erfolg dieses Buchs. 

Das ständige Geschwärme nervt.

Gut fand ich die Beziehungen zu ihren Eltern, die sind angenehm komplex und höchst interessant und das zieht sich (meiner Erinnerung nach) auch gut durch bis zum Ende der Serie. Ihre späteren Bücher und Ableger waren qualitativ besser, aber auch nicht wirklich das, was ich beim Lesen suche.

 

 

Ich denke nicht, dass ich hierzulande noch oft finden werde, was ich suche. Ausnahmen gibt es immer wieder, wie von Lena Richter oder auch Nils Westerboer. Bei den Kurzgeschichten kann ich dann Aiki Mira rauf und runter lesen (na ja, das tu ich ja auch ...). 

 

Und sooo klein ist dieses Land auch nicht. Vermutlich ist nur die SF hier zu klein.


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#14 Jannis

Jannis

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Geschrieben 04 September 2024 - 11:23

[...]

 

Romance: Interessiert mich null. Ich habe Twilight seinerzeit gelesen (Neugier ist der Tod der Katze und so) und habe für mich einen Anker gefunden, trotz der Romance. Und irgendwie bezweifle ich auch, dass Romance das bietet, was ich beim Lesen suche. Ich nehme jetzt mal den ersten Teil von Twilight (mangels Alternativen, weil mir sonst aus dem Gebiet nichts einfällt, das ich gelesen habe), die Autorin hat recht gut die Stimme einer Teenagerin hingekriegt, aber die Figuren der Vampire sind doch alle eher unglaubwürdig. Verhalten sich so Wesen, die seit 100+ Jahren Lebenserfahrung sammeln konnten? Der Plot hat auch extrem viele Schwächen und das letzte Drittel mit Action ist nahezu lächerlich unglaubwürdig. Ich verstehe kaum den Erfolg dieses Buchs. 

Das ständige Geschwärme nervt.

Gut fand ich die Beziehungen zu ihren Eltern, die sind angenehm komplex und höchst interessant und das zieht sich (meiner Erinnerung nach) auch gut durch bis zum Ende der Serie. Ihre späteren Bücher und Ableger waren qualitativ besser, aber auch nicht wirklich das, was ich beim Lesen suche.

 

[...]

 

Bei der Nennung von Twilight kann ich nicht die Füße stillhalten (sorry für den rant).

 

Ein Geschichte, in der der Leserin (bewusst weibliche Form!) klar gesagt wird, dass es okay ist, wenn der massiv kontrollsüchtige und stalkende brutale Partner einen (metaphorisch) schlägt, dann trägt man halt mehr Mascara auf und lächelt brav weiter und nimmt den Schläger in Schutz (er kann ja nichts dafür, sondern es war _ihre_ verdiente Schuld) und sagt auch nichts den Eltern, die sie vielleicht aus dieser toxischen Beziehung herausholen könnten, spricht mich nicht gerade an und hat leider das Menschenbild von vielen jungen Frauen für eine lange Zeit weltweit in einen unguten Bereich verschoben :( 

 

Relationship Violence in “Twilight” | Psychology Today

 

Twilight's Edward and Bella: analysing their lack of personal boundaries and toxic manipulation tactics (hercampus.com)

 

Let’s talk about Twilight – oder auch die Verklärung einer toxischen Beziehung | Die Zeitlos | Das Studierendenmagazin

 

Bis(s) in alle Ewigkeit!? – Ein Kommentar zur Darstellung toxischer Beziehungen in der modernen Popkultur – Psycho-Path WordPress-Seite

 

Wie die Film- und Fernsehwelt toxische Männer romantisiert – Generation Tochter (generation-tochter.de)


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#15 Naut

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Geschrieben 04 September 2024 - 11:31


Romance: Interessiert mich null. Ich habe Twilight seinerzeit gelesen (Neugier ist der Tod der Katze und so) und habe für mich einen Anker gefunden, trotz der Romance. Und irgendwie bezweifle ich auch, dass Romance das bietet, was ich beim Lesen suche. Ich nehme jetzt mal den ersten Teil von Twilight (mangels Alternativen, weil mir sonst aus dem Gebiet nichts einfällt, das ich gelesen habe), die Autorin hat recht gut die Stimme einer Teenagerin hingekriegt, aber die Figuren der Vampire sind doch alle eher unglaubwürdig. Verhalten sich so Wesen, die seit 100+ Jahren Lebenserfahrung sammeln konnten? Der Plot hat auch extrem viele Schwächen und das letzte Drittel mit Action ist nahezu lächerlich unglaubwürdig. Ich verstehe kaum den Erfolg dieses Buchs. 

Das ständige Geschwärme nervt.

Gut fand ich die Beziehungen zu ihren Eltern, die sind angenehm komplex und höchst interessant und das zieht sich (meiner Erinnerung nach) auch gut durch bis zum Ende der Serie. Ihre späteren Bücher und Ableger waren qualitativ besser, aber auch nicht wirklich das, was ich beim Lesen suche.

Ich hab's nicht gelesen, sondern mir die "besten" Stellen vorlesen lassen ... ich muss sagen, wir hatten Spaß. Das war eine Erfahrung auf Schlefaz-Format, Dauergänsehaut, weil ich nicht wusste, ob ich mich dafür schämen sollte, mir so einen Schund (in mehrfacher Hinsicht, Jannis hat ja die inhaltliche Ebene angesprochen) zu geben.
Konsequenterweise bewegt sich der Film auf ähnlichem Niveau, den musste ich dann nach ca. 30 Minuten abbrechen,

 

Die Frage ist, was, wenn überhaupt, wir daraus lernen können. Meiner Meinung nach nicht allzu viel, außer, dass Bücher (genau wie Musik und alle kulturellen Kunstformen) für einzelne sehr unterschiedliche Funktionen erfüllen können. "Twilight" erfüllt für mich exakt keine der Funktionen, die ich mir von Literatur erwarte, aber für viele Nachbarinnen(sic!) hat es funktioniert.

 

Aus diesem Grund ist es auch müßig, "Romance" mit der Art von Büchern zu vergleichen, die etwa Judith übersetzt und die ich gern lesen würde. Das ist, als würde man Beatrice Egli mit Napalm Death vergleichen.


Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#16 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 04 September 2024 - 11:35

Ja, ehrlich gesagt habe ich den ersten Teil von Twilight sogar deswegen in diesem Jahr erneut gelesen (hatte dann aber keine Lust auf mehr), weil ich mir mal anschauen wollte, was an der Beziehung eigentlich toxisch ist. Das Stalking ist mir auch aufgefallen. Vieles andere kommt ja erst später, daher fand ich diesen Artikel sehr gut in seiner Zusammenfassung (für Leute, die die Handlung nicht kennen oder schon wieder vergessen haben).

 

 

Ich bin mir aber unsicher, ob "unser" Bild von Männern nicht vorher schon echt blöde war. Ich bin vermutlich beeinflusst von sowas wie Dirty Dancing und für mich sahen die beide gleich erwachsen aus, als ich das angeschaut habe (ich war elf oder so), aber der Mann war hier ja auch viel, viel älter.

 

 

 

In den USA finde ich eben jetzt extrem empowernde Prosa, die gleichzeitig mega spannend und gut geschrieben ist (siehe Sim Kern, Sarah Langan), aber das wurde noch nicht übersetzt. Bei mir geht es in die Richtung, dass ich eigentlich nur noch sowas lesen will und nichts, was mich nach dem Lesen nicht wenigstens ein bisschen verändert und erleuchtet zurücklässt.


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#17 Naut

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Geschrieben 04 September 2024 - 11:59


In den USA finde ich eben jetzt extrem empowernde Prosa, die gleichzeitig mega spannend und gut geschrieben ist (siehe Sim Kern, Sarah Langan), aber das wurde noch nicht übersetzt. Bei mir geht es in die Richtung, dass ich eigentlich nur noch sowas lesen will und nichts, was mich nach dem Lesen nicht wenigstens ein bisschen verändert und erleuchtet zurücklässt.

Genau das ist der Punkt, denn da stecken zwei Voraussetzungen drin:

1. Du willst durch Literatur "verändert" werden,

2. Du startest von einem gewissen Punkt.

 

Schon 1 ist für viele Leute gar nicht gegeben, die betonen dann "dass sie nur unterhalten" werden wollen. Das ist zwar von ihrer Seite ziemlich kurz gedacht, weil sie damit unterstellen, dass ich z.B. das nicht will. (Spoiler: Ich will auch unterhalten werden, aber das, was diese Leute unterhält langweilt, ärgert oder stört mich nur.) Es beinhaltet aber oft, dass sie eben explizit nicht dadurch verändert werden wollen. Und das ist schon eine andere Funktion als Du, Tobias oder ich in Literatur suchen.

 

Zu 2: Selbst wenn sich die Rezipienten eine Veränderung durch Literatur wünschen, starten sie aus einer anderen Sozialisation. Das ist der Grund, warum viel YA-Titel für uns "ganz nett" sind, wogegen sie für Teenager evtl. völlige Game-Changer sein können. Es ist eben ein Unterschied, ob man "Dune" mit 15 im Original gelesen hat oder heute gerade die Verfilmung ansieht, anderer Startpunkt.


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#18 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 04 September 2024 - 12:20

Absolut. Sehr schön strukturiert analysiert! 

 

Klar, auch ich will unterhalten werden und das ist durchaus möglich. Man sieht mich regelmäßig begeistert von Büchern (kürzlich, sogar übersetzt, von Das andere Tal). Ich kann sogar ganz massiv von Büchern beeindruckt und begeistert sein (leider noch nicht übersetzt: The Deluge von Stephen Markley, aber auch Luftschlösser von Hilary Leichter, bereits übersetzt). Diese drei Bücher habe ich in den letzten Monaten zweimal bzw. sogar dreimal (Luftschlösser) gelesen bzw. gehört und gelesen, teilweise in beiden Sprachen.

 

 

Mein Spektrum ist aber entsprechend groß. Ich kann megamäßig begeistert sein (ich lese ja nun mal auch wirklich extrem gern und so viel man mich zu Hause irgendwie lässt) und quasi 50 Sterne geben, aber ich bin eben auch oft sehr underwhelmed. Oder breche gelangweilt ab und gehe woanders hin. 

 

 

Ein Punkt, der mir heute im bilateralen Gespräch noch mal klar gemacht wurde (implizit wusste ich das) und den du auch nun wieder ansprichst mit der Bemerkung zu YA:

Ich stehe eben an einem bestimmten Punkt.

 

Eigentlich will ich nicht mehr YA lesen (und mache es zwischendurch aus Versehen doch, wie kürzlich Something Kindred und Pet), denn die Probleme, die da adressiert werden, habe ich normalerweise schon vor 25 Jahren hinter mich gebracht. Das heißt nicht zwingend, dass ich nur noch Bücher lesen will mit Perspektivfiguren Mitte vierzig und Familie (Beware!). 

Die Wahrscheinlichkeit, dass mich eine erwachsene Perspektivfigur abholt, die ähnliche Hintergründe hat wie ich, ist ziemlich hoch, aber es gibt auch viele Gegenbeispiele (die Figur in Das andere Tal ist in der ersten Hälfte sechzehn Jahre alt). 

 

Dune könnte ein echter Game Changer sein, wenn man es rechtzeitig liest. Ich mochte es, war aber zu spät dran. 

 

Mein ältestes Kind hat zwischen fünf und sieben Harry Potter gelesen und das war für sie ein absoluter Game Changer. So spannend kann Lesen sein? Inzwischen ist sie weitergezogen und findet das nicht mehr sonderlich interessant, sie hat nun Herr der Ringe entdeckt und erwachsene SF und ist davon viel beeindruckter (wobei HP auf dem Weg dorthin sicher wichtig und sinnvoll war). 

 

Auch ich finde manchmal Bücher und denke dann "Das geht auch? Wow!". Solche Erlebnisse suche ich (und finde sie auch immer wieder), aber es gibt eben verdammt viel Literatur, die habe ich nach einem halben Jahr halb wieder vergessen (ach, da war ja was ...). 

 

 

Um noch mal die Brücke zum Podcast zu schlagen: Die haben ja irgendwie keine Lust mehr auf die ewig gleiche Heldenreise eines able-bodied weißen Mannes. Die haben Lust auf andere Storys. Aber das Publikum hat dabei nicht mitgezogen.

Ich finde beispielsweise Apokalypse aus Sicht von trans Figuren hammer geil, wenn das Buch eben gut ist (siehe Manhunt). Das berührt mich dann auf eine andere Weise als das Buch, das ich gerade lese, das mich ziemlich kalt erwischt, weil es meiner Lebensrealität streckenweise recht nah kommt (A Better Life von Sarah Langan). 

Progressive Phantastik und Prosa mit queeren Figuren ist ja nicht per se gut, nur weil sie queer ist. Sie muss eben zusätzlich noch gut sein. Und sowas gibt's ja, siehe Mein letztes Lied von Lena Richter. Ich habe aber auch in diesem Jahr wieder einen gefeierten queeren Roman aus dem Genre Phantastik gelangweilt abgebrochen und habe keine Ahnung, wer das spannend findet. (Das ist einer, der sich sehr gut verkauft, also gibt es dafür ein Publikum, vielleicht ist das auch zu sehr YA.)

 

Jedenfalls war früher vermutlich nicht alles besser. 

 

Es gab schon immer progressive Phantastik und oft war sie auch mega erfolgreich. Herr der Ringe war damals progressiv. Hobbits sind ja nun wirklich nicht die typischen Helden! Also, manchmal klappt's. Vielleicht haben wir das richtige Buch noch nicht gefunden, das der Game Changer der Szene wird.


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#19 T. Lagemann

T. Lagemann

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Geschrieben 04 September 2024 - 12:32

Hallo zusammen,

 

-> https://www.phantast...uerscheinungen/

 

Ich bin ja seinerzeit über das sehr große Regal in unserer Stadtbücherei zur Science-Fiction gekommen, hatte dabei zugleich das Glück, dass ich so quasi ohne Zutun in die Boom-Phase deutschsprachiger SF hinein geschleudert wurde: Ziegler, Pukallus, Hahn, Anton. Das war sooooo wohltuend anders! Da fand SF ja irgendwie vor Ort statt. In einer Sprache, die ich kannte und verstand. Und was haben die Verlage seinerzeit nicht sonst alles veröffentlicht. Boah! Wenn ich das damalige - breite - Spektrum mit dem vergleiche, was die phantastik-couch - siebe obig - an Neuerscheinungen auflistet, frage ich mich nun natürlich, was sich geändert hat. Klar, die Erwartungen an Bücher. Aber warum und wie ist das geschehen? Ja, ich weiß, wir haben das Future Fiction Magazin und wir haben Nova und die Queer*Welten und Kapsel und und und ... Seinerzeit gab es aber auch schon Magazine, die ambitionierte SF veröffentlichten, aber zugleich eben auch ansonsten ein sehr weites Feld (an SF). Jetzt reicht es wohl gerade noch für einen Gemüsegarten, der nach Feierabend gehegt und gepflegt wird.

 

Viele Grüße

Tobias


"Wir sind jetzt alle Verräter."
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."

(James Corey, Calibans Krieg)

"Sentences are stumbling blocks to language."

(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)

"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
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#20 Michael Böhnhardt

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Geschrieben 04 September 2024 - 12:39

Seinerzeit gab es aber auch schon Magazine, die ambitionierte SF veröffentlichten, aber zugleich eben auch ansonsten ein sehr weites Feld (an SF). Jetzt reicht es wohl gerade noch für einen Gemüsegarten, der nach Feierabend gehegt und gepflegt wird.

 

 

Ich denke, es ist offensichtlich, dass das Lesen an sich inzwischen durch andere Medien ersetzt worden ist.

 

Man braucht ja nur in Bus und Bahn nachsehen, wie viele Leute darin noch lesen und wie viele auf ihr Smartphone starren.

 

Die Zeit, die früher die Masse der Leute dem Lesen gewidmet hat, verbringt sie heute in Social Media, mal ganz grob gesprochen. 



#21 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 04 September 2024 - 12:50

Was mir gerade noch eingefallen ist, auch im Zwiegespräch (eigentlich ist es nicht mir eingefallen):

 

Wenn wir progressive Phantastik lesen, können wir auch Empathie entwickeln, beispielsweise für marginalisierte Personen (im Rollstuhl, chronisch krank usw.). Das ist ja beispielsweise in Wasteland / Laylayland auch Thema gewesen (von den Vögten). 


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#22 Naut

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Geschrieben 04 September 2024 - 13:41

Ich denke, es ist offensichtlich, dass das Lesen an sich inzwischen durch andere Medien ersetzt worden ist.

 

Man braucht ja nur in Bus und Bahn nachsehen, wie viele Leute darin noch lesen und wie viele auf ihr Smartphone starren.

 

Die Zeit, die früher die Masse der Leute dem Lesen gewidmet hat, verbringt sie heute in Social Media, mal ganz grob gesprochen. 

Stimmt auch. Für wichtiger halte ich aber, wer diese verbliebenen Leserinnen (die sind es vorwiegend) überhaupt sind, und eben welche Funktion Literatur für sie hat. Rein zahlenmäßig dürften es nämlich nach wie vor viele sein. Aber die wollen nicht die Art von SF lesen, die wir gut finden. Als Beleg dazu dienen die Amazon-Bestsellerlisten, die Mammut ja immer hier schön verlinkt.

 

Yvonnes Punkt mit der Empathie ist interessant: Zugespitzt würde ich sagen, dass die "normale" Literatur eine Empathie mit mir (dem armen [wasauchimmer]) leistet, die progressive Phantastik eine Empathie mit dem anderen.

Das ist aber überspitzt und lässt sich in der Konsequenz sicher nicht belegen. :)


Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#23 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 04 September 2024 - 14:11

[...] Zugespitzt würde ich sagen, dass die "normale" Literatur eine Empathie mit mir (dem armen [wasauchimmer]) leistet, die progressive Phantastik eine Empathie mit dem anderen.

Das ist aber überspitzt und lässt sich in der Konsequenz sicher nicht belegen. :)

 

Zugspitzt ist es aber super.

 

Ich meine, progressive Phantastik könnte ja auch eine Hauptfigur haben, die gebeutelt ist von Neurodermitis, dann wäre ich trotzdem sehr nah dran (selbst von Neurodermitis gebeutelt), aber um das Buch zu verkaufen, reicht es nicht, dass nur Menschen mit Neurodermitis das kaufen, es müssten auch eine Menge hautgesunder Menschen das Buch kaufen und dann Empathie mit dem für die anderen haben (mit uns hautkranken Menschen). 

 

So wie ich jetzt beispielsweise Bücher kaufe und lese über trans Menschen, BiPOC Menschen und Menschen mit Behinderung. Habe ich selbst alles nicht, interessiert mich aber. 

 

 

 

Bücher mit Figuren wie

 

fähiger, weißer, starker Mann

oder

hübsche, clevere junge Frau

 

verkaufen sich vermutlich per se ganz gut, erstens, weil es von der Sorte mehr gibt und zweitens, weil die Menschen, die dem zwar nahe kommen (aber nicht ganz treffen) das trotzdem gern lesen, weil sie gern so wären. 

 

Insofern haben wir vermutlich eine Kategorie vergessen, wir (oder viele von uns) lesen gern Bücher über Figuren, zu denen wir aufblicken, die wir bewundern oder bei denen wir sagen "So wäre ich auch gern".

 

Um noch mal das Twilight Beispiel zu nehmen: Bella wird ja als sehr schön und schlank dargestellt. Als ich das gelesen habe, war ich zum Glück kein Teenager mehr, sondern eine noch recht junge Erwachsene. Ich konnte mich gut mit ihr identifizieren (wenn auch eher, weil auch nicht mit meinem leiblichen Vater aufgewachsen bin). Ihren Männergeschmack habe ich nicht wirklich geteilt. :-)

Ich kenne aber eine Menge, die Edward richtig toll fanden und das waren Frauen in meinem Alter. Eine sagte, ich zitiere (vermutlich wörtlich) "Oh nein, nichts geht über Edward!"

 

 

Eine Liebesgeschichten von eher unvollkommenen Menschen verkauft sich weniger gut. Was eigentlich schräg ist. Wenn ich in die Fußgängerzone gehe, sehe ich haufenweise unvollkommene Paare. Wäre deren Love Story nicht viel cooler?


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#24 Susanne11

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Geschrieben 04 September 2024 - 14:34

Zugspitzt ist es aber super.

 

Ich meine, progressive Phantastik könnte ja auch eine Hauptfigur haben, die gebeutelt ist von Neurodermitis, dann wäre ich trotzdem sehr nah dran (selbst von Neurodermitis gebeutelt), aber um das Buch zu verkaufen, reicht es nicht, dass nur Menschen mit Neurodermitis das kaufen, es müssten auch eine Menge hautgesunder Menschen das Buch kaufen und dann Empathie mit dem für die anderen haben (mit uns hautkranken Menschen). 

 

 

 

Meinst du eine Art von Belehrungsliteratur zur Erziehung des Lesers?

 

Andererseits ist Stephen King ein gutes (aber nicht progressives) Beispiel.

In seinen Büchern kommt häufig die Minderheit der  Alkoholiker vor - nasse und nüchterne. Aber ob die Empathie erregen - eher nicht.



#25 Naut

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Geschrieben 04 September 2024 - 14:40

Meinst du eine Art von Belehrungsliteratur zur Erziehung des Lesers?

Sicher nicht, eher das Gegenteil. :)
 

Andererseits ist Stephen King ein gutes (aber nicht progressives) Beispiel.
In seinen Büchern kommt häufig die Minderheit der  Alkoholiker vor - nasse und nüchterne. Aber ob die Empathie erregen - eher nicht.

Stimmt so nicht. Gerade King wählt als Protagonisten oft Underdogs, die dicken, nerdigen oder eingeschränkten Kinder. Und mit denen leiden wir durchaus mit. Und progressiv war King in den 70ern doch sehr, verglichen mit dem, was da sonst im Mainstream los war.
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#26 Michael Böhnhardt

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Geschrieben 04 September 2024 - 14:51

Yvonnes Punkt mit der Empathie ist interessant: Zugespitzt würde ich sagen, dass die "normale" Literatur eine Empathie mit mir (dem armen [wasauchimmer]) leistet, die progressive Phantastik eine Empathie mit dem anderen.

Das ist aber überspitzt und lässt sich in der Konsequenz sicher nicht belegen. :)

 

Tut mir Leid, das ist dir mal schnell nebenbei eingefallen und es klingt auch gut,

aber ich denke nicht, dass du mit dieser Unterscheidung wirklich weit kommst.

 

Jede Art von Literatur lebt davon, dass der Leser die Handlungsweise der Figuren nachvollziehen kann, also Empathie entwickelt.

 

Und progressiv zu definieren, dass die Figuren möqlichst anders sind als der Leser.:

Dann dürfte ja eine queere Person einen queeren Protagonisten gar nicht als progressiv empfinden.



#27 Naut

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Geschrieben 04 September 2024 - 15:08

Tut mir Leid, das ist dir mal schnell nebenbei eingefallen und es klingt auch gut,
aber ich denke nicht, dass du mit dieser Unterscheidung wirklich weit kommst.

Hab ich doch selbst schon geschrieben.
 

Jede Art von Literatur lebt davon, dass der Leser die Handlungsweise der Figuren nachvollziehen kann, also Empathie entwickelt.
 
Und progressiv zu definieren, dass die Figuren möqlichst anders sind als der Leser.:
Dann dürfte ja eine queere Person einen queeren Protagonisten gar nicht als progressiv empfinden.

Deshalb vermute ich, dass die Achse "progressiv" auch gar nicht so weit führt, es sei denn, man will sie als Unterscheidungskriterium gegen "Mainstream" benutzen. Ich denke, Literatur spannt sich auf anderen Achsen auf, z.B. "affirmativ" vs. "disruptiv" usw.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#28 Michael Böhnhardt

Michael Böhnhardt

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Geschrieben 04 September 2024 - 15:12

Deshalb vermute ich, dass die Achse "progressiv" auch gar nicht so weit führt, es sei denn, man will sie als Unterscheidungskriterium gegen "Mainstream" benutzen. 

 

Und was ist, wenn das, was man für progressiv hält, inzwischen Mainstream ist?

 

Ich denke, Literatur spannt sich auf anderen Achsen auf, z.B. "affirmativ" vs. "disruptiv" usw.

 

Die Unterscheidung finde ich auch analytisch hilfreicher.



#29 Rezensionsnerdista

Rezensionsnerdista

    Yvonne

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Geschrieben 04 September 2024 - 16:46

Ich denke, dass vieles, das mal progressiv war heute Mainstream ist

Wie Hobbits oder Frauen als Helden.

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#30 Michael Böhnhardt

Michael Böhnhardt

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Geschrieben 04 September 2024 - 16:58

Der Begriff "progressiv" ist an sich schon ein Problem. Er unterstellt einen geschichtlichen Determinismus.

 

Es bedeutet ja fortschrittlich. Die eigene Weltsicht wird als positiv angesehen (das ist ja nicht verwunderlich, sonst hätte man die ja nicht), und die gesamte Historie wird als quasi-zwangsläufiger Prozess interpretiert, der immer weiter in Richtung der vertretenen Ideale führt, zu diesen hin fortschreitet.

 

Das ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht der Fall.




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