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Der Genderswapped Podcast fragt: Ist die Progressive Phantastik gescheitert?


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61 Antworten in diesem Thema

#31 Naut

Naut

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Geschrieben 04 September 2024 - 20:21

Erstmal ist "progressiv" als Gegensatz zu "Mainstream" gar nicht problematisch, denn wenn man einfach die Definition "nicht Mainstream" verwendet, ergibt sich kein Widerspruch. Der entsteht erst, wenn man "progressiv" als eine ewige Kategorie ansieht, was von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, siehe der sehr ähnliche Begriff der "Moderne" (mittlerweile sind wir ja über die Postmoderne bei der Metamoderne angekommen:) ).
"Progressiv" kann also immer nur im zeitlogischen Hinblick auf das Jetzt gesehen werden.

Die Behauptung, dass "progressiv" eine geschichtliche Richtung unterstellt, stimmt sicher für manche, die sich selbst als progressiv sehen, und das als einen Wert für sich definieren.
Ich würde "progressiv" aber lediglich als ein Wegbewegen (Fortbewegen, das heißt es ja) vom Ist-Zustand ansehen, was meiner Meinung nach auch schon gut genug ist, weil es Stillstand ausschließt. Ob dabei etwas "Besseres" entsteht, wird - wie gesagt - wieder auf ganz anderen Achsen festgelegt. Bzw. hier kommt noch ein weiterer Aspekt dazu, nämlich die Metrik, die Bewertung. Und das hat uns ja die Postmoderne gelehrt: Solche Metriken sind ihrerseits Gegenstand stetiger Veränderung und Verhandlung, eben diskursiv.

Also: Progressiv ist gut, weil es Gutes hervorbringen kann, und nicht, weil es zwangsläufig zum Besseren führte.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#32 lapismont

lapismont

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Geschrieben 04 September 2024 - 21:13

Erstmal ist "progressiv" als Gegensatz zu "Mainstream" gar nicht problematisch, denn wenn man einfach die Definition "nicht Mainstream" verwendet, ergibt sich kein Widerspruch. Der entsteht erst, wenn man "progressiv" als eine ewige Kategorie ansieht, was von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, siehe der sehr ähnliche Begriff der "Moderne" (mittlerweile sind wir ja über die Postmoderne bei der Metamoderne angekommen:) ).
"Progressiv" kann also immer nur im zeitlogischen Hinblick auf das Jetzt gesehen werden.

Die Behauptung, dass "progressiv" eine geschichtliche Richtung unterstellt, stimmt sicher für manche, die sich selbst als progressiv sehen, und das als einen Wert für sich definieren.
Ich würde "progressiv" aber lediglich als ein Wegbewegen (Fortbewegen, das heißt es ja) vom Ist-Zustand ansehen, was meiner Meinung nach auch schon gut genug ist, weil es Stillstand ausschließt. Ob dabei etwas "Besseres" entsteht, wird - wie gesagt - wieder auf ganz anderen Achsen festgelegt. Bzw. hier kommt noch ein weiterer Aspekt dazu, nämlich die Metrik, die Bewertung. Und das hat uns ja die Postmoderne gelehrt: Solche Metriken sind ihrerseits Gegenstand stetiger Veränderung und Verhandlung, eben diskursiv.

Also: Progressiv ist gut, weil es Gutes hervorbringen kann, und nicht, weil es zwangsläufig zum Besseren führte.

Ich kann das nur subjektiv beurteilen. Was ich als progressiv empfinde, hängt stark davon ab, was ich kenne, oder zuletzt las und nicht las.

Derzeit lese ich ja die Flüchtigen, die sowohl stilistisch als auch typographisch für mich etwas Neues darstellen und insofern progressiv.

Vielleicht gabs das so schon, nur für mich isset neu.

Mich thematisch zu überraschen, könnte hingegen schwierig sein.


Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.

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#33 Jannis

Jannis

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Geschrieben 05 September 2024 - 06:27

Der Begriff "progressiv" ist an sich schon ein Problem. Er unterstellt einen geschichtlichen Determinismus.

 

Es bedeutet ja fortschrittlich. Die eigene Weltsicht wird als positiv angesehen (das ist ja nicht verwunderlich, sonst hätte man die ja nicht), und die gesamte Historie wird als quasi-zwangsläufiger Prozess interpretiert, der immer weiter in Richtung der vertretenen Ideale führt, zu diesen hin fortschreitet.

 

Das ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht der Fall.

 

Das verstehe ich nicht. Geschichte ist doch per Definition deterministisch = "das anorganische, organische, kulturelle und psychische Leben ist eine dichte Folge von Ursache und Wirkung", also z.B. es gibt eine Dürreperiode und das Leben der Menschheit ändert sich. Es wird etwas erfunden (Strom, Automobil, Atombombe) und das Leben der Menschen verändert sich --> das ist doch genau das, was "Geschichte" ausmacht?

 

Und wieso sollte der Fortschritt (=Progressivität) nicht positiv in der Entwicklung der Menschheit sein?  Wir fi**en nicht mehr kleine Jungs, wie die antiken Griechen, wir verdammen Gewalt und die Todesstrafe und wir beginnen 50% der Bevölkerung (=Frauen) als gleichwertige Mitmenschen wahrzunehmen und zu behandeln.  Ist das nicht ein positiver Fortschritt?  Wir leben aktuell, in der besten aller Zeiten der gesamten Menschheitsgeschichte.

 

Siehe: Factfulness


Meistens gut gelaunt, offen für sehr viel und immer für eine angeregte Diskussion zu haben!

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#34 Michael Böhnhardt

Michael Böhnhardt

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Geschrieben 05 September 2024 - 06:57

Die Behauptung, dass "progressiv" eine geschichtliche Richtung unterstellt, stimmt sicher für manche, die sich selbst als progressiv sehen, und das als einen Wert für sich definieren.
 

 

Meiner Beobachtung nach ist das die übliche Art, Progressivität für sich zu definieren.

 

Beim Rest deines Postings würde ich schon mitgehen. Allerdings denke ich, dass eine Gesellschaft beides braucht, verändernde Kräfte und bewahrende Kräfte.



#35 Rezensionsnerdista

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    Yvonne

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Geschrieben 05 September 2024 - 07:00

[...] und wir beginnen 50% der Bevölkerung (=Frauen) als gleichwertige Mitmenschen wahrzunehmen und zu behandeln.  Ist das nicht ein positiver Fortschritt?  Wir leben aktuell, in der besten aller Zeiten der gesamten Menschheitsgeschichte.

 

Siehe: Factfulness

 

Ich feiere, dass du geschrieben hast "und wir beginnen", und nicht, dass es schon so weit ist. 


Podcast: Literatunnat

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#36 Michael Böhnhardt

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    Giganaut

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Geschrieben 05 September 2024 - 07:01

Das verstehe ich nicht. Geschichte ist doch per Definition deterministisch = "das anorganische, organische, kulturelle und psychische Leben ist eine dichte Folge von Ursache und Wirkung", also z.B. es gibt eine Dürreperiode und das Leben der Menschheit ändert sich. Es wird etwas erfunden (Strom, Automobil, Atombombe) und das Leben der Menschen verändert sich --> das ist doch genau das, was "Geschichte" ausmacht?

 

 

Ich halte es da eher mit Theodor Lessing: "Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen".

 

 

Und wieso sollte der Fortschritt (=Progressivität) nicht positiv in der Entwicklung der Menschheit sein?  Wir fi**en nicht mehr kleine Jungs, wie die antiken Griechen, wir verdammen Gewalt und die Todesstrafe und wir beginnen 50% der Bevölkerung (=Frauen) als gleichwertige Mitmenschen wahrzunehmen und zu behandeln.  Ist das nicht ein positiver Fortschritt?  Wir leben aktuell, in der besten aller Zeiten der gesamten Menschheitsgeschichte.

 

 

Wir bezahlen für diesen Fortschritt einen hohen Preis, und was geschehen wird, wenn die Ressourcen für diesen Fortschritt verbraucht sein werden, werden wir sehen.

 

PS:

Übrigens möchte ich dann doch feststellen, dass ich schon immer Frauen (sogar jeden Menschen) als gleichwertige Menschen wahrgenommen und behandelt habe und mich auch nicht zu einem "wir" zugehörig fühle, dass das nicht tut oder erst damit langsam beginnt.,


Bearbeitet von Michael Böhnhardt, 05 September 2024 - 07:12.


#37 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 05 September 2024 - 07:37

Es gibt eine Menge unbewusste Nicht-Gleichberechtigung (systemischer Sexismus, systemischer Rassismus), was (kurz gesagt) ein Sexismus ohne Sexisten ist. Das ist doch ziemlich komplex.

 

Gestern stand ich ungefähr vier Minuten an der Kasse beim Supermarkt und habe einmal Rassismus miterlebt (von einer älteren Person gegenüber einem BiPoc gelesenen Mann um die Mitte dreißig) und einmal Sexismus (mir gegenüber seitens des ca. siebzigjährigen Mannes, der hinter mir stand). Ich wette, dass diese beiden nicht per se rassistisch oder sexistisch sind, sie verhalten sich unbewusst einfach Frauen und BiPoc Menschen gegenüber anders, ohne dies selbst zu merken.

An derselben Kasse hat sich vor einigen Wochen eine äußerst nette Kassiererin rassistisch geäußert, auch, ohne das selbst zu merken oder das böse zu meinen.

 

Da gibt es eine Menge unterschwellig, und ich will mich da auch gar nicht rausnehmen, mir geschieht das auch (sogar Sexismus, obwohl ich selbst eine Frau bin). 

 

 

Eine Äußerung wie "Ich behandle alle Menschen gleich" oder "Für mich sind alle gleich viel wert" muss ich daher mit einer Prise Salz lesen.

 

Ich zähle mich also definitiv zu diesem "wir", das Jannis meint (leider!) und hoffe, ich kann mich in diesem Leben noch deutlich steigern.


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#38 Michael Böhnhardt

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Geschrieben 05 September 2024 - 07:41

 

Da gibt es eine Menge unterschwellig, und ich will mich da auch gar nicht rausnehmen, mir geschieht das auch (sogar Sexismus, obwohl ich selbst eine Frau bin). 

 

 

Das habt ihr übrigens in diesem Thread schön demonstriert, indem ihr euch so herrlich über Literatur aufgeregt habt, die explizit für junge (offenbar als dumm gelesene) Frauen geschrieben wird.



#39 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 05 September 2024 - 08:01

Meinst du eine Art von Belehrungsliteratur zur Erziehung des Lesers?

 

Andererseits ist Stephen King ein gutes (aber nicht progressives) Beispiel.

In seinen Büchern kommt häufig die Minderheit der  Alkoholiker vor - nasse und nüchterne. Aber ob die Empathie erregen - eher nicht.

 

 

Das hatte ich noch auf dem Schirm.

 

Ich hoffe nicht, dass ich Belehrungsliteratur meine (das finde ich übel, wie vermutlich die meisten, die gern lesen). Da bin ich mehr Team Stephen King.

 

Nein, ich meine, dass ich dadurch, dass ggf. die Perspektivfigur Probleme hat, mit denen ich mich nicht auskenne, etwas lerne. Nicht belehrt werde! Ich will bitte trotzdem gute Storys.

 

Wo wir schon bei Stephen King sind:

Die Figur Susannah aus der dunkle Turm sitzt im Rollstuhl und ist die meiste Zeit in sehr unwegbaren Gegenden auf Reisen. Ihre Probleme damit mit Rollstuhl oder Tragegeschirr fand ich schon super dargestellt. 

 

 

In Depart! Depart! von Sim Kern ist die Perspektivfigur ein trans Mann, der nach einer Naturkatastrophe gemeinsam mit hunderten anderen in einem Flughafen evakuiert wird. Er hat keinen Zugriff mehr auf seine Hormone (was dazu führt, dass er wieder menstruiert) und er kann nicht duschen, weil es nur Frauenduschen und Männerduschen gibt und keine Einzelkabinen. Er hat vor beiden Gruppen Angst. Das war schon sehr eindrücklich dargestellt. Kern hat es aber auch nicht versäumt, rund um diese individuellen Probleme der Hauptfigur noch eine spannende Story zu erzählen. Belehrt habe ich mich nicht gefühlt, gelernt habe ich einiges.


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#40 Naut

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Geschrieben 05 September 2024 - 08:01

Meiner Beobachtung nach ist das die übliche Art, Progressivität für sich zu definieren.

Kommt auf den Kontext an. Im politischen, sicher. Im kulturellen/künstlerischen ... na ja. Da gibt es schon Leute, die reflektiert genug sind, um das anders zu verstehen.
 

Beim Rest deines Postings würde ich schon mitgehen. Allerdings denke ich, dass eine Gesellschaft beides braucht, verändernde Kräfte und bewahrende Kräfte.

Wieso allerdings? Ich habe nichts anderes behauptet.
Es ist sogar so, dass eine "rein progressive" Kunst ein Ding der Unmöglichkeit ist. Ein Kunstwerk, das in *allen* Aspekten vom Gewohnten abweicht, wäre für niemanden anschlussfähig, es wäre wie der Ozean in Lems "Solaris", ein unverständlicher Blob. Kunst ist Kommunikation und Kommunikation konsolidiert sich aus Anschlussfähigkeit (siehe Luhmann, Maturana, etc.).
Jegliche Neuerung in der Kunst muss auf Vorherigem aufbauen, sonst wird sie für die Rezipienten uninteressant.

Das habt ihr übrigens in diesem Thread schön demonstriert, indem ihr euch so herrlich über Literatur aufgeregt habt, die explizit für junge (offenbar als dumm gelesene) Frauen geschrieben wird.

Nö. Man kann eine bestimmte Art von Literatur für sich ablehnen ohne dabei die potentiellen Rezipienten für "dumm" zu halten. Und außerdem wurde Twilight *nicht* überwiegend von jungen Frauen gelesen, sondern zu einem großen Anteil von Frauen mittleren Alters, die darin Ablenkung von ihrem Alltag als Managerin, Mutter oder Lehrerin suchten.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#41 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 05 September 2024 - 08:11

Jegliche Neuerung in der Kunst muss auf Vorherigem aufbauen, sonst wird sie für die Rezipienten uninteressant.
 

 

Das glaube ich auch, zumindest gilt das unbedingt für mich!


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#42 Michael Böhnhardt

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Geschrieben 05 September 2024 - 08:17

Nö. Man kann eine bestimmte Art von Literatur für sich ablehnen ohne dabei die potentiellen Rezipienten für "dumm" zu halten. 

 

Ich muss diesen Satz mit einer Prise Salz lesen. Da passiert so viel unterschwellig ...


Bearbeitet von Michael Böhnhardt, 05 September 2024 - 08:17.


#43 rostig

rostig

    Temponaut

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Geschrieben 05 September 2024 - 08:33

Große Kunst muss mit allem Vorherigen brechen um genau das zu sein "groß". Beispiele sind Impressionismus, Kubismus oder in der SF Cyberpunk.



#44 T. Lagemann

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Geschrieben 05 September 2024 - 08:52

Hallo zusammen,

 

wenn man da -> https://www.tor-onli...astik-schreiben liest, was "Progressiven Phantastik" ist bzw. sein soll, macht es durchaus Sinn, sie mit der aktuell sehr beliebten Form der Romance/Romantasy zu vergleichen. Gerade auch weil sich aus dem Vergleich Gründe für das Scheitern der Progressiven Phantastik herausarbeiten lassen. Okay, viel Arbeit ist da nicht nötig: Offenbar ist gerade "Keep it simple" gefragt. Das ist nicht neu, das gab es schon beim Landser Roman, beim Arzt Roman, beim Adels Roman, bei Konsalik und und und ... Im Fernsehen waren es die Tele Novelas/Seifenopern. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Neuerscheinungslisten: Das weite Feld der SF scheint unter Flächenstilllegung zu leiden. Und das führt zu Hobbysierung der SF.

 

Viele Grüße

Tobias


"Wir sind jetzt alle Verräter."
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."

(James Corey, Calibans Krieg)

"Sentences are stumbling blocks to language."

(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)

"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"

(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")

#45 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 05 September 2024 - 09:02

Ja, klingt so, Tobias.

 

Ich bedauere das immer noch, auch wenn ich längst einsehen sollte, dass ich dagegen ja eh nichts machen kann. 

 

Es gibt ja immer noch "den geilen Scheiß" und manchmal wird er ja auch übersetzt (siehe the Expanse, was du ja so schön in deinem Abbinder hast). Ein extrem geniales Werk zum Thema Rassismus, gut gemacht, imho :-)


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#46 ChristophGrimm

ChristophGrimm

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Geschrieben 05 September 2024 - 09:05

Hallo zusammen,
 
wenn man da -> https://www.tor-onli...astik-schreiben liest, was "Progressiven Phantastik" ist bzw. sein soll, macht es durchaus Sinn, sie mit der aktuell sehr beliebten Form der Romance/Romantasy zu vergleichen. Gerade auch weil sich aus dem Vergleich Gründe für das Scheitern der Progressiven Phantastik herausarbeiten lassen. Okay, viel Arbeit ist da nicht nötig: Offenbar ist gerade "Keep it simple" gefragt. Das ist nicht neu, das gab es schon beim Landser Roman, beim Arzt Roman, beim Adels Roman, bei Konsalik und und und ... Im Fernsehen waren es die Tele Novelas/Seifenopern. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Neuerscheinungslisten: Das weite Feld der SF scheint unter Flächenstilllegung zu leiden. Und das führt zu Hobbysierung der SF.
 
Viele Grüße
Tobias


Unter dem Aspekt „Keep it simple“ würde ich allerdings viele Werke, die sich der progressiven Phantastik zuordnen, einordnen. Wenn ich bspw. Melanie Vogltanz und Aiki Mira - beide lese ich sehr gerne! - vergleiche, dann sind die Werke von Melanie geradliniger und übersichtlicher. Als „progressiv“ würde ich bei ihr eher Ideen, Figuren und „Grundhaltung“ sehen, weniger die Umsetzung.

Aber mal so dazwischen gefragt: „Ziehen“ Thriller und Krimi nicht mehr? Mehr als Romance müsste es doch schon auf dem Mainstream-Sektor sein …
„Alien Contagium: Erstkontakt-Geschichten“: https://eridanusverlag.de | "En passant - Die Reisen des Sherlock Holmes": https://burgenweltverlag.de<p>Kostenloses SF/Fantasy-Literatur-Webzine: https://weltenportalmagazin.de
  • (Buch) gerade am lesen:„Psyche mit Zukunft“ (Anthologie), „Marple“ (Anthologie)
  • (Buch) als nächstes geplant:„Die dunkle Seite der Erde“ (Achim Stößer), "Proxi" (Aiki Mira)

#47 Naut

Naut

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Geschrieben 05 September 2024 - 09:15

Ich muss diesen Satz mit einer Prise Salz lesen. Da passiert so viel unterschwellig ...

Verstehe ich nicht. Willst Du das genauer erläutern?


Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#48 Uwe Post

Uwe Post

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Geschrieben 05 September 2024 - 09:17

 

 

Man braucht ja nur in Bus und Bahn nachsehen, wie viele Leute darin noch lesen und wie viele auf ihr Smartphone starren.

Manche hören tatsächlich Hörbücher, was ja dem Lesen recht nahekommt.

 

Ansonsten bin ich bei Naut: Wenn du dein Geschreibsel verkaufen willst, schreib das, was die Leute wollen, also süße Vampire oder, was die deutschsprachige SF angeht, geradlinige Weltraum-SF (Joshua Tree, Philip Peterson, Brandon Q Morris und Co verkaufen zigtausende von ihren Werken!). Wenn du was anderes schreiben willst, mach das, aber erwarte nicht, daran mehr als eine Runde Pizza zu verdienen. Sich ner Illusion hingeben und dann meckern wenn's nix wird... find ich etwas albern.


Herausgeber Future Fiction Magazine (deutsche Ausgabe) ||| Aktueller Roman: ERRUNGENSCHAFT FREIGESCHALTET ||| uwepost.de ||| deutsche-science-fiction.de

#49 Naut

Naut

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Geschrieben 05 September 2024 - 09:21

Große Kunst muss mit allem Vorherigen brechen um genau das zu sein "groß". Beispiele sind Impressionismus, Kubismus oder in der SF Cyberpunk.

Das ist ein netter Satz für ein Manifest, in seiner Konsequenz aber falsch. Alle Kunst steht auf den Schultern von Riesen.

 

Beispiel Kubismus: Der Kubismus bricht zwar mit bestimmten Konventionen voriger Kunstformen wie z.B. der naturalistischen Perspektive, ist aber großenteils gegenständlich, es werden also Personen, Tiere, Objekte dargestellt. Andernfalls wäre er nicht anschlussfähig gewesen.

 

Beispiel Cyberpunk: Gebrochen wird hier nur mit der Konvention der Perspektive, also der Verschiebung auf die Underdogs, statt von den Weißkitteln und Technokraten zu erzählen. Etliche inhaltliche Elemente werden aber beibehalten, und die Erzähltechniken waren längst in der Literatur außerhalb der SF etabliert.


Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#50 Mammut

Mammut

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Geschrieben 05 September 2024 - 09:32

Unter dem Aspekt „Keep it simple“ würde ich allerdings viele Werke, die sich der progressiven Phantastik zuordnen, einordnen. Wenn ich bspw. Melanie Vogltanz und Aiki Mira - beide lese ich sehr gerne! - vergleiche, dann sind die Werke von Melanie geradliniger und übersichtlicher. Als „progressiv“ würde ich bei ihr eher Ideen, Figuren und „Grundhaltung“ sehen, weniger die Umsetzung.

Aber mal so dazwischen gefragt: „Ziehen“ Thriller und Krimi nicht mehr? Mehr als Romance müsste es doch schon auf dem Mainstream-Sektor sein …

Unter dem Aspekt „Keep it simple“ würde ich allerdings viele Werke, die sich der progressiven Phantastik zuordnen, einordnen. Wenn ich bspw. Melanie Vogltanz und Aiki Mira - beide lese ich sehr gerne! - vergleiche, dann sind die Werke von Melanie geradliniger und übersichtlicher. Als „progressiv“ würde ich bei ihr eher Ideen, Figuren und „Grundhaltung“ sehen, weniger die Umsetzung.

Aber mal so dazwischen gefragt: „Ziehen“ Thriller und Krimi nicht mehr? Mehr als Romance müsste es doch schon auf dem Mainstream-Sektor sein …

Hier die Spiegel Bestseller 2023:
https://www.buchrepo...ller/paperback/

Und das die aktuelle Liste:
https://www.bestsellerliste.de/

bzw. das Börsenblatt:
https://www.boersenb...eller-hardcover

Bearbeitet von Mammut, 05 September 2024 - 09:55.


#51 Michael Böhnhardt

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Geschrieben 05 September 2024 - 09:51

Verstehe ich nicht. Willst Du das genauer erläutern?

 

Das variiert Yvonnes Satz:

 

 

Da gibt es eine Menge unterschwellig, und ich will mich da auch gar nicht rausnehmen, mir geschieht das auch (sogar Sexismus, obwohl ich selbst eine Frau bin). 

 

 

Eine Äußerung wie "Ich behandle alle Menschen gleich" oder "Für mich sind alle gleich viel wert" muss ich daher mit einer Prise Salz lesen.

 



#52 Naut

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Geschrieben 05 September 2024 - 10:05

Das variiert Yvonnes Satz:

Ach so. Na ja, meine Aussage war eine sehr verkürzte Form von: "Ich bemühe mich stets, Werk und Rezipienten zu trennen. Ich bemühe mich, wenn ich Kunstwerke dumm finde, dies nicht auf ihre Fans zu übertragen." Ich glaube, zumindest meine Aussagen in diesem Thread sind mit dieser Einstellung konsistent, aber ich verstehe auch, wenn Du das nicht so gelesen haben solltest, weil die Berichterstattung im Kontext "Twilight" ja sehr polarisiert ist.

 

Allerdings finde ich, dass es schon eine andere Aussage ist zu sagen: "Ich finde Twilight dumm, halte aber seine Fans nicht für dumm"

als

"Ich behandle alle Menschen gleich."

Das erste ist praktikabel und möglich, das zweite nicht.


Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#53 Michael Böhnhardt

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Geschrieben 05 September 2024 - 10:07

 

Allerdings finde ich, dass es schon eine andere Aussage ist zu sagen: "Ich finde Twilight dumm, halte aber seine Fans nicht für dumm"

als

"Ich behandle alle Menschen gleich."

Das erste ist praktikabel und möglich, das zweite nicht.

 

Das stimmt. Allerdings hatte ich in dem Post, auf den sich Yvonne wiederum bezog, auch gesagt:

 

dass ich schon immer Frauen (sogar jeden Menschen) als gleichwertige Menschen wahrgenommen und behandelt habe

 

Das ist schon was anderes. Und auch praktikabel.


Bearbeitet von Michael Böhnhardt, 05 September 2024 - 10:08.


#54 Naut

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    Semantomorph

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Geschrieben 05 September 2024 - 10:11

Das stimmt. Allerdings hatte ich in dem Post, auf den sich Yvonne wiederum bezog, auch gesagt:

 

dass ich schon immer Frauen (sogar jeden Menschen) als gleichwertige Menschen wahrgenommen und behandelt habe

 

Das ist schon was anderes. Und auch praktikabel.

Da stimme ich Dir auch zu. Ich habe das auch immer so gesehen, allerdings beobachte ich retrospektiv, dass sich in mein Verhalten in der Vergangenheit doch immer wieder mal Ungleichbehandlungen eingeschlichen haben, auch abhängig von den Gruppen, in denen ich mich bewegt habe. Da kann ich nur dafür plädieren, sich selbst gegenüber kritisch zu bleiben und eigenes Verhalten immer mal wieder zu reflektieren.


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#55 Michael Böhnhardt

Michael Böhnhardt

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Geschrieben 05 September 2024 - 10:13

 Da kann ich nur dafür plädieren, sich selbst gegenüber kritisch zu bleiben und eigenes Verhalten immer mal wieder zu reflektieren.

 

Das ist eigentlich in jeder Situation eine empfehlenswerte Verhaltensweise.



#56 J. A. Hagen

J. A. Hagen

    Cybernaut

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Geschrieben 05 September 2024 - 10:45

Gemäß der Hegelschen Dialektik wird jede These eine Antithese erzeugen.
D. h., dass es immer Ideen gibt, die den Status quo hinterfragen bzw. eine Alternative zu ihm bieten wollen.
Logischerweise kann das nur von Leute ausgehen, die mit dem Status quo nicht zufrieden sind.

Kann die Progressive Phantastik gescheitert sein, da sie offensichtlich Impulse geliefert hat?


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#57 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 05 September 2024 - 10:49

Kann die Progressive Phantastik gescheitert sein, da sie offensichtlich Impulse geliefert hat?

Guter Punkt! Bei mir hat sie jedenfalls Eindruck hinterlassen.

 

Und in anglo-amerikanischen SF-Romanen auch, da ist (vernünftige) Casual Queerness jedenfalls sehr üblich geworden (in dem, was ich so lese). Diversität (bei schreibenden Menschen und auch den Figuren) kommt mir auch besser vor als noch in den neunzigern. 

 

Teile der Progressivität sind also im Mainstream angekommen. Sogar bei uns. Siehe Tachyon von Morris, das fand ich schon cool. Oder der blinde Pilot in Die Schmiede Gottes (auch Morris).


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#58 T. Lagemann

T. Lagemann

    Pausenclown

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Geschrieben 06 September 2024 - 10:51

Hallo Naut,

Das ist ein netter Satz für ein Manifest, in seiner Konsequenz aber falsch. Alle Kunst steht auf den Schultern von Riesen.

 

Beispiel Kubismus: Der Kubismus bricht zwar mit bestimmten Konventionen voriger Kunstformen wie z.B. der naturalistischen Perspektive, ist aber großenteils gegenständlich, es werden also Personen, Tiere, Objekte dargestellt. Andernfalls wäre er nicht anschlussfähig gewesen.

 

Beispiel Cyberpunk: Gebrochen wird hier nur mit der Konvention der Perspektive, also der Verschiebung auf die Underdogs, statt von den Weißkitteln und Technokraten zu erzählen. Etliche inhaltliche Elemente werden aber beibehalten, und die Erzähltechniken waren längst in der Literatur außerhalb der SF etabliert.

ah, Cyberpunk. Da wurde mehr gebrochen als nur die Konvention der Perspektive. Das Buch -> https://scifinet.org...ction/?hl=gözen befasst sich intensiv mit den medientheoretischen Konzepten, die hinter Cyberpunkt standen. Ja, standen. Denn es wirkt ja durchaus so, als würde inzwischen die Verwendung eines Nadlers bzw. eines Decks durch einen Underdog (natürlich im Kampf gegen Konzerne) schon ausreichen, um einen Roman oder eine Erzählung mit "Cyberpunk" zu labeln.

 

Viele Grüße

Tobias


"Wir sind jetzt alle Verräter."
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."

(James Corey, Calibans Krieg)

"Sentences are stumbling blocks to language."

(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)

"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"

(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")

#59 Naut

Naut

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Geschrieben 06 September 2024 - 11:44

Hallo Naut,

ah, Cyberpunk. Da wurde mehr gebrochen als nur die Konvention der Perspektive. Das Buch -> https://scifinet.org...ction/?hl=gözen befasst sich intensiv mit den medientheoretischen Konzepten, die hinter Cyberpunkt standen. Ja, standen. Denn es wirkt ja durchaus so, als würde inzwischen die Verwendung eines Nadlers bzw. eines Decks durch einen Underdog (natürlich im Kampf gegen Konzerne) schon ausreichen, um einen Roman oder eine Erzählung mit "Cyberpunk" zu labeln.

 

Viele Grüße

Tobias

Ja, ist mir bewusst, und zwar beides: Dass da ursprünglich mehr dahinter war, und dass Werke wie Shadowrun das dann sehr auf ein ausschließliches Setting kanonisiert haben. Mir geht es aber darum zu betonen, dass auch im ursprünglichen Cyberpunk weitaus mehr Konventionen übernommen als gebrochen wurden. Das gilt für jede neue Kunstrichtung, weil sie sonst eben völlig unverständliche Werke (Luhmann und andere nennen das "Rauschen" in Analogie zur Nachrichtentechnik) erzeugen würde.


Bearbeitet von Naut, 06 September 2024 - 11:44.

Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#60 Mammut

Mammut

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Geschrieben 06 September 2024 - 12:15

Das neue Literatur auf etwas älteres aufbaut, sieht man auch an den Kurzgeschichten von William Gibson. Als ich König in Gelb las, habe ich viele Parallelen zu seiner ersten Geschichtensammlung entdeckt:
http://defms.blogspo...ig-in-gelb.html


Das neue Literatur auf etwas älteres aufbaut, sieht man auch an den Kurzgeschichten von William Gibson. Als ich König in Gelb las, habe ich viele Parallelen entdeckt:
http://defms.blogspo...ig-in-gelb.html

Bearbeitet von Mammut, 06 September 2024 - 12:50.



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