Ich lese die Gedanken auch mit Interesse, besonders die von Udo und von Maxmilian haben mich nochmal auf Aspekte hingewiesen, die ich so noch nicht bedacht hatte. Da fällt es dann auch schwer, dem neue Aspekte hinzuzufügen. Also benenne ich ein paar alte.
Auch ich finde, dass Autor*innen generell kritisieren können und sollten. Aus dem einfachen Grund, dass wir einander gut Feedback geben können und dass es die Szene lebendig hält, wenn wir über Texte sprechen. Ich bin ja auch und vor allem Leser*in und warum soll ich das, was ich denke, nicht zur Verfügung stellen? Es ist auch so, dass ich selbst mir Feedback zu meinen Texten wünsche und dann denke, dass andere sich das auch wünschen. Wenn alle Autor*innen, Herausgeber*innen, Verlegende usw. schweigen würden, wäre es sehr still hier.
Für mich gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen meinem Blog und dem Forum hier. Im Blog bemühe ich mich darum, dass Rezensionen freundlich und nachvollziehbar und fair sind. Ich veröffentliche keine Schnellschüsse und nehme mir Nachdenkzeit. Oft gibt es Testleser*innen. Hier im Forum ist das eher wie Gespräche am Wasserkocher im Pausenraum: Da gibt es manchmal Dynamiken, die dafür sorgen, dass sich etwas mehr zuspitzt als gut ist. Da fallen dann auch mal harschere Worte. Oder habe ich haue schnell etwas raus, was mir so durch den Kopf schießt. Finde ich das gut, wenn es zu hart wird? Nein. Finde ich das verzeihlich? Ja.
Die Alternative wäre, sich wesentlich weniger zu beteiligen und vor jedem Post einen Tag lang nachzudenken. Ich habe mir gerade mal wieder vorgenommen, das mehr zu machen, aber die Idee, jeden Post hier wie eine ausgewachsene Rezension zu behandeln, strengt mich doch eher an. Ich hoffe doch, dass Lesende unterscheiden zwischen Blog und Schnack und auch die Dynamik in Threads mit im Blick haben.
Was ist mit Rezensionen von Anthos, in denen ein Text von mir stand?
Ich habe das anfangs immer gemacht. Einfach weil ich es fair fand, die Texte aller zu lesen. Ausführliche Rezis zu Anthos gibt es kaum und ich nahm an, dass alle Autor*innen und die Herausgebenden wollen, dass das gelesen wird. Allerdings kam ich recht bald zu der Frage, was ich mache, wenn mir in einer Antho mit, sagen wir, 20 Texten, 15 nicht gefallen. Und 5 davon vielleicht so, dass ich sie nichtmal zu Ende lesen mag? Ich habe angefangen, nur noch über die Texte zu schreiben, die mir gefallen, und wenn das zu wenige sind, zu schweigen. Dann bekam ich die Rückmeldung, dass das schade wäre und ich doch wieder ausführlicher rezensieren solle. Andererseits gibt es auch hier im Thread Stimmen, die meinen, ich solle lieber schweigen, wenn ich Teil der Antho bin. Oder im selben Verlag veröffentlicht habe.
Ich denke: Man kann es nie allen recht machen. Aber ich bemühe mich darum, meine Eindrücke, ob nun gut oder schlecht zu begründen, so dass niemand auf die Idee kommt, es handele sich um einen Verriss oder ein Lob aus strategischen oder Sympathiegründen. Interessanterweise fiel mir vor diesem Thread hier (und dem zur Exodus) nichtmal ein, dass ich aus strategischen Gründen in Rezensionen lügen könnte. Das liegt mir einfach enorm fern.
Es kann natürlich sein, dass mir nicht bewusste Dinge mit hinein spielen und es da Verzerrungen gibt. Und ebenso natürlich möchte ich den Text einer Person, die ich mag, mögen. Das ist mir bewusst. Trotzdem geht es mir oft so, dass ich die Texte dann nicht mag. Was nun tun? Wenn ich bemerke, dass es die Person sehr kränkt, wenn ich dann etwas schreibe, dann schweige ich. Meistens halte ich aber über Texte sprechen immer noch für wichtiger als über Texte schweigen.
Der wichtigste Aspekt hier im Forum ist für mich, dass ich hier bin, weil ich es liebe, mich über Texte auszutauschen. Wie Leute etwas ganz anders gelesen haben als ich, andere Aspekte im Text gefunden haben oder auch die gleichen, das interessiert mich sehr. Ich bin also hier, weil ich leider keinen Pausenraum voller SF-Leser*innen habe und ihr mein virtueller Pausenraum seid. Und wie das in so einem Pausenraum so ist, wünsche ich mir da eine Freundlichkeit und Neugier aufeinander, aber auch, dass nicht jedes Wort so aufgenommen wird, als habe ich drei Tage darüber nachgedacht. Und auch, dass verschiedene Vorlieben nebeneinander stehen können: eine Person mag Horror in SF, eine andere nicht, eine mag progressive SF, eine andere nicht. In Threads zu Anthos kommen wegen der Textmischung die verschiedenen Vorlieben zusammen, da müssen wir dann besonders vorsichtig miteinander sein. Aber insgesamt finde ich es immer bereichernd, wenn alle Texte ihre Fans finden und ich lesen kann, was User xy an einem Text, mit dem ich gar nichts anfangen konnte, toll fand.
Bearbeitet von Jol Rosenberg, Heute, 08:24.