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Autoren als Kritiker


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107 Antworten in diesem Thema

#31 J. A. Hagen

J. A. Hagen

    Cybernaut

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Geschrieben 26 September 2024 - 08:12

@Maximilian Wust:

Ich möchte das kurz halten, weil es eine Abschweifung ist, aber mich trotzdem interessiert:
 

, dass ein Grain-Filter im Hintergrund eine Zerstufung (Kunstwort für Farbbrüche) des Verlaufs verhindert hat, die oft bei einem Farbverlust von über 20% eintritt.

 

Meinst Du damit Banding, also Tonwertabrisse, die zur Streifenbildung führen?


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#32 Rezensionsnerdista

Rezensionsnerdista

    Yvonne

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Geschrieben 26 September 2024 - 08:13

Definitiv. Bei Julia A. Jorges hatten wir ja beide das gleiche Erlebnis: Die Geschichte in Zwielicht 20 fanden wir mega, der Roman "Hochmoor" gefiel uns dann beide im Lesezirkel nicht.

 

Genau.

 

Ich würde auch gern mal auf den Beitrag von Maximilian eingehen, weil ich den sehr interessant finde. Da stecken viele gut beobachtete Punkte drin. 

Witzigerweise habe auch ich Schwierigkeiten mit Sven Haupts Romanen (Autorin hin oder her), lese aber auch Joshua Tree nicht, mag aber viele Romane von Brandon Q Morris. Insofern ist es da wohl schwer, eine allgemeingültige Regel zu finden, was Leute mögen, die gern selbst schreiben usw..

 

Schön ist die Analogie, was Maximilian aufgrund seiner Profession bemerkt, was mir persönlich völlig schnuppe ist, weil ich mich damit nicht auskenne. 

Vieles, was mich an Prosa nervt (Phrasen, falsche Inquits, Infodump in Dialogen) ist vermutlich der Allgemeinheit genauso komplett wurscht wie mir Farbgebung bei Plakaten. 

 

 

Kritisieren von Anthologiegeschwistern: Tja, eigentlich sollten wir alle kräftig Werbung dafür machen, oder? Damit es sich gut verkauft und es Folge-Beiträge gibt. Ich glaube aber nicht so wirklich an die Werbekraft hier in diesem Forum. Klar, bei den Podcasts und den Rezensionen sehe ich schon eine stark ansteigende Reichweite, da würde ich dann auch keine Anthologien kritisieren, in denen ich selbst vertreten bin. Das wäre irgendwie unsportlich.

Doch es sollte meiner Meinung nach einen Ort geben, in dem ich offen sprechen kann. Wo, wenn nicht hier? Natürlich lesen Leute mit, aber nun lesen in diesem Thread beispielsweise gerade mal drei Leute mit, nur einer davon ist ein unangemeldeter Gast. So dick ist die Reichweite nicht. 

 

Das Ding ist, wenn alle, die in Anthologien vertreten sind, zum Schweigen verdonnert werden, dann gibt es kaum noch andere Stimmen. Ich war in genügend Anthologien, in denen sich NUR Mit-Autor:innen zu Wort gemeldet haben. Und davon auch nur drei oder vier. Wären die auch noch weggefallen, es wäre so, als würde ich für den schweigenden Raum schreiben. Klar, kann ich machen, manchmal will die Story eben einfach nur raus, aber eigentlich finde ich etwas Feedback doch ganz gut. 


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#33 Maxmilian Wust

Maxmilian Wust

    Infonaut

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Geschrieben 26 September 2024 - 10:05

Meinst Du damit Banding, also Tonwertabrisse, die zur Streifenbildung führen?

Exakt das, ja. In der Agentur, in der ich am längsten war, haben wir das eine Zerstufung genannt (erfunden von einer Photografie-Praktikantin, die damals mit mir zusammen angefangen hat). Ich fand das Wort klasse.

 

Du bist, soweit ich weiß, kein Grafiker. Wie kommt's, dass du so spezifisches Fachwissen mitbringst?

 

Aber ja, wir sollten hier nicht vom Thema ablenken.

 

 

@Yvonne:

Was das Kritisieren von Anthologiegeschwistern angeht (ich mag den Begriff Toc-Mates immer noch ganz gern), meinte ich das nicht so sehr in Nullen und Einsen.

 

Dass man sagt, was einem nicht gefiel oder vielleicht schreibtechnisch nicht funktioniert, finde ich legitim. Ich persönlich will das auch hören, zumal ich mich in einem Entwicklungsprozess sehe, während es andere auch gebrauchen könnten. Andersherum glaube ich sogar, dass auch die Großen der BuCon-Phantastik gerne Kritik zu ihren Werken lesen, weil es ihrem Reflektorium dient.

 

Mir geht es eher darum, wenn die Kritik in Richtung aggressiven Verriss geht. Weil man eben das eigene Werk zusammen mit dieser ach so furchtbaren Geschichte veröffentlicht wurde. Was auch immer also diese Person falsch gemacht hat, ich selbst stehe nur ein paar Zeilen im Inhaltsverzeichnis von ihr entfernt. Ich bin nicht unbedingt besser als sie – ich verstehe lediglich meine Geschichte besser, weil ich sie geschrieben habe. Und der Herausgeber schien uns jedenfalls beide für geeignet gehalten zu haben und er oder sie hat mit Sicherheit mehr Erfahrung darin, als ich. Deshalb wirkt es auf mich immer etwas bedenklich oder manchmal sogar arrogant, wenn man auf dem Level eines Angriffs gegen seine Toc-Mates schießt. Besonders wenn die Aussagen in Richtung "Du musst echt zurück in die Schreibkurse!" gehen – die ich übrigens in allen drei Blasen, in denen ich unterwegs bin, schon gelesen habe.

 

Ein Angelus: Deine Kritiken, Yvonne, meinte ich zudem überhaupt nicht. Diese waren bisher eigentlich immer sachlich und meines Wissens noch nie herablassend, polemisch oder zynisch. Eher, als würdest du in der Mittagspause über die Bücher reden, die du in letzter Zeit gelesen hast.


"Part Five: Boobytrap the stalemate button!"


#34 Rezensionsnerdista

Rezensionsnerdista

    Yvonne

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Geschrieben 26 September 2024 - 10:23

Ich bin nicht unbedingt besser als sie – ich verstehe lediglich meine Geschichte besser, weil ich sie geschrieben habe. 

 

Ja, das gilt eigentlich immer. Das finde ich auch gut. Als Gedanke ist das herrlich, ich wundere mich so oft, warum etwas nicht verstanden wurde, aber klar: Für mich ist es ja auch leicht.

 

 

Ansonsten denke ich eigentlich, dass ein kompletter Verriss immer blöd ist. Auch ein kompletter Verriss vom neuen Stephen King (den das ja nicht kratzt, es könnte aber Fans stören). Wenn irgendwo hier ein böses Wort "passiert", dann ist das Wohl eher der Eifer des Gefechts.

Was aber teilweise bei BookTok so los ist: Da macht der Ton wohl die Klicks.

 

Meines Erachtens habe ich nur einmal etwas wie einen Verriss gemacht (siehe hier) und es hat krass viele Klicks. 760, offenbar. Meine Rezension von Eschbachs neuem Roman von gestern hat 160 oder so. Und den damaligen Verriss habe ich gemacht, weil ich es wichtig fand, vor dem Herausgeber (!) zu warnen, der keine Einheitlichkeit hergestellt hat und offenbar auch kein Lektorat / Korrektorat. Da ging es weniger um die Texte, sondern darum, dass ich einen schlechten Eindruck vom HG hatte. Der hat vierzig Storys gedruckt und es machte den Eindruck, als sie schon die Vorauswahl nicht allzu streng gewesen. 

 

 

However, ein böses Wort im Eifer des Gefechts ist auch mir schon passiert, jedenfalls haben diejenigen es so aufgefasst, die auf der anderen Seite saßen (Autor:innen, Herausgebende). Insofern, mehr Maßhaltung ist immer gut, auch bei mir. Aber danke!


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#35 Maxmilian Wust

Maxmilian Wust

    Infonaut

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Geschrieben 26 September 2024 - 13:07

Normalerweise, so lautet eigentlich meine Faustregel, lese ich jede Anthologie und jedes Magazin, in dem ich veröffentlicht werde. Diese war eine von zweien, bei der ich in der Mitte abgebrochen habe. Mir hat sich ehrlich gesagt auch nicht ganz der Zweck dieser Sammlung erschlossen, also wo der Herausgeber eigentlich hinwollte – außer vielleicht, um auf seinen eigenen Text aufmerksam zu machen.

 

Dein Verriss ist aber noch harmlos. Da kenne ich weit, weit bösere Sachen. Unter anderem von mir selbst, Anfang der Nullerjahre.


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#36 Udo Klotz

Udo Klotz

    Yoginaut

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Geschrieben 26 September 2024 - 13:30

Ich sehe hier (Autoren als Kritiker) eigentlich zwei Aspekte, die ein bisschen vermischt werden:

 

A) Sind Autor*innen per se gut geeignet, andere Texte zu beurteilen, also letztendlich gute Kritiken oder Rezensionen zu schreiben?

Die Antwort ist für mich eindeutig ja. Was befähigt denn, eine gute Rezension zu schreiben? Das sind m.E. zwei Dinge, ein geübter Umgang mit der Sprache und Vielbelesenheit. Ersteres, um Schreibstile beurteilen zu könnnen, aber auch, um die eigene Meinung in der Kritik nachvollziehbar darstellen zu können. Und letzeres, um das Gelesene einordnen zu können, vergleichen zu können, sagen zu können, ob etwas originell oder stereotyp ist. Beide Fähigkeiten treffen auch auf erfahrene Autor*innen zu. Ergo bringen diese das Werkzeug mit, um gute Rezensionen zu schreiben. Und schaut man in die Literaturgeschichte, findet man viele berühmte Autor*innen, die dutzende oder hunderte von Rezensionen verfasst haben, die in Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt waren, denn deren Leser haben die Meinungen von Autor*innen geschätzt, denn sie wurden als Expert*innen angesehen. Wenn mir einzelne Rezensionen als besonders gut aufgefallen sind, inhaltlich und stilistisch, und ich dann nachgesehen habe, wer diese verfasst hat, dann waren das meist auch erfolgreiche Autor*innen.

 

B) Soll man ein Werk rezensieren, mit dessen Autor, Verlag oder Herausgeber man irgendwie verbunden ist?

Auch hier lautet meine Antwort: Ja, warum denn nicht! Die dt. SF-Szene ist viel zu klein, um nicht irgendeine Verbindung herzustellen. Würde man alle Rezensionen löschen, wo es Verknüpfungen zwischen Rezensent*in und dem Werk, seinem*r Autor*in oder dem zugehörigen Verlag gibt, müsste man wahrscheinlich 90% aller Online-Posts und Rezensionen in Fanzines löschen. Wichtig ist doch, dass man versucht, diese Verbindungen beim Rezensieren zu ignorieren, um eine faire Besprechung des Textes zu erstellen. Wie die Leser*innen das im Wissen um die Verbindungen beurteilen, kann man nicht beinflussen. Da unterstellt sowieso jede*r, was er*sie will. Dagegen hilft nur, möglichst genau zu begründen, am bestem mit Zitaten, warum man den Text so beurteilt hat.

 

Das Nebenthema, das hier auch immer wieder angeschnitten wird, also wie respektvoll, sachlich und unpersönlich man rezensiert (und diese Rezension dann auch liest), spielt natürlich auch eine Rolle, ist aber keine Antwort auf die Fragen unter A) und B). Yvonne hat es mit der Schilderung ihrer Live-Begegnungen angedeutet: Man sollte die Rezension so formulieren, dass man sie auch dem*der Autor*in direkt ins Gesicht sagen könnte. Autor*innen haben immer wieder gesagt, dass sie sich ihre Testleser*innen so aussuchen, dass sie sich ein ehrliches Feedback erhoffen. Die Rezensent*innen kann man sich nicht aussuchen, daher sollten diese darauf achten, dass ein ehrliches Feedback kommt, keine Lobhudelei, kein neidischer Verriss, sondern begründetes Lob und begründete Kritik. Und dann ist dies unabhängig davon, ob man den*die Autor*in persönlich kennt, in der gleichen Anthologie oder im gleichen Verlag veröffentlicht hat, oder zuvor noch nie von ihm*ihr gehört hat.

 

Das Schlimmste, was einem*r Autor*in passieren kann, ist gar kein Feedback auf eine Veröffentlichung. Nicht zu wissen, warum keine*r reagiert. Wenn dann jemand schreibt, warum bei ihm*ihr diese Geschichte nicht angekommen ist, dann ist das zwar entmutigend, aber auch hilfreich, weil man erfährt, wo man ansetzen kann, um es das nächste Mal besser zu machen. Oder andere zu fragen, ob sie der Kritik zustimmen oder nicht.

Ich habe Cons erlebt, da wurde in einer Programmschiene ein Buch nach dem anderen vorgestellt, jedes vor einem sehr kleinen Publikum. Wären alle Autor*innen, die hier ihr Buch präsentiert haben, auch bei den anderen anwesend gewesen, hätten sie die Zuhörerzahl verdreifacht und aus einer deprimierenden Programmschiene eine akzeptable gemacht. Daher: Wenn man als Autor*in einer Story in einem Magazin oder einer Anthologie auf Feedback und Rezensionen warten, wäre es doch logisch und naheliegend, erst mal eine eigene Rezension zu den anderen Storys zu verfassen. Wenn das alle Mitwirkenden so machen, hat man dann schon das erste Dutzend Meinungen zur eigenen Geschichte.


Udo

#37 Maxmilian Wust

Maxmilian Wust

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Geschrieben 26 September 2024 - 19:29

@Udo:

Das war gerade eine Sammlung aus sehr interessanten und schönen Gedanken. Ist selten, dass ich so viel aus einem einzigen Post in mein Blackbook mit aufnehme.

 

Nur, um dir auch ein Feedback zu geben  ;)


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#38 Jol Rosenberg

Jol Rosenberg

    Temponaut

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Geschrieben 27 September 2024 - 08:23

Ich lese die Gedanken auch mit Interesse, besonders die von Udo und von Maxmilian haben mich nochmal auf Aspekte hingewiesen, die ich so noch nicht bedacht hatte. Da fällt es dann auch schwer, dem neue Aspekte hinzuzufügen. Also benenne ich ein paar alte. ;)

 

Auch ich finde, dass Autor*innen generell kritisieren können und sollten. Aus dem einfachen Grund, dass wir einander gut Feedback geben können und dass es die Szene lebendig hält, wenn wir über Texte sprechen. Ich bin ja auch und vor allem Leser*in und warum soll ich das, was ich denke, nicht zur Verfügung stellen? Es ist auch so, dass ich selbst mir Feedback zu meinen Texten wünsche und dann denke, dass andere sich das auch wünschen. Wenn alle Autor*innen, Herausgeber*innen, Verlegende usw. schweigen würden, wäre es sehr still hier.

 

Für mich gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen meinem Blog und dem Forum hier. Im Blog bemühe ich mich darum, dass Rezensionen freundlich und nachvollziehbar und fair sind. Ich veröffentliche keine Schnellschüsse und nehme mir Nachdenkzeit. Oft gibt es Testleser*innen. Hier im Forum ist das eher wie Gespräche am Wasserkocher im Pausenraum: Da gibt es manchmal Dynamiken, die dafür sorgen, dass sich etwas mehr zuspitzt als gut ist. Da fallen dann auch mal harschere Worte. Oder habe ich haue schnell etwas raus, was mir so durch den Kopf schießt. Finde ich das gut, wenn es zu hart wird? Nein. Finde ich das verzeihlich? Ja.

Die Alternative wäre, sich wesentlich weniger zu beteiligen und vor jedem Post einen Tag lang nachzudenken. Ich habe mir gerade mal wieder vorgenommen, das mehr zu machen, aber die Idee, jeden Post hier wie eine ausgewachsene Rezension zu behandeln, strengt mich doch eher an. Ich hoffe doch, dass Lesende unterscheiden zwischen Blog und Schnack und auch die Dynamik in Threads mit im Blick haben.

 

Was ist mit Rezensionen von Anthos, in denen ein Text von mir stand?

Ich habe das anfangs immer gemacht. Einfach weil ich es fair fand, die Texte aller zu lesen. Ausführliche Rezis zu Anthos gibt es kaum und ich nahm an, dass alle Autor*innen und die Herausgebenden wollen, dass das gelesen wird. Allerdings kam ich recht bald zu der Frage, was ich mache, wenn mir in einer Antho mit, sagen wir, 20 Texten, 15 nicht gefallen. Und 5 davon vielleicht so, dass ich sie nichtmal zu Ende lesen mag? Ich habe angefangen, nur noch über die Texte zu schreiben, die mir gefallen, und wenn das zu wenige sind, zu schweigen. Dann bekam ich die Rückmeldung, dass das schade wäre und ich doch wieder ausführlicher rezensieren solle. Andererseits gibt es auch hier im Thread Stimmen, die meinen, ich solle lieber schweigen, wenn ich Teil der Antho bin. Oder im selben Verlag veröffentlicht habe.

Ich denke: Man kann es nie allen recht machen. Aber ich bemühe mich darum, meine Eindrücke, ob nun gut oder schlecht zu begründen, so dass niemand auf die Idee kommt, es handele sich um einen Verriss oder ein Lob aus strategischen oder Sympathiegründen. Interessanterweise fiel mir vor diesem Thread hier (und dem zur Exodus) nichtmal ein, dass ich aus strategischen Gründen in Rezensionen lügen könnte. Das liegt mir einfach enorm fern.

Es kann natürlich sein, dass mir nicht bewusste Dinge mit hinein spielen und es da Verzerrungen gibt. Und ebenso natürlich möchte ich den Text einer Person, die ich mag, mögen. Das ist mir bewusst. Trotzdem geht es mir oft so, dass ich die Texte dann nicht mag. Was nun tun? Wenn ich bemerke, dass es die Person sehr kränkt, wenn ich dann etwas schreibe, dann schweige ich. Meistens halte ich aber über Texte sprechen immer noch für wichtiger als über Texte schweigen.

 

Der wichtigste Aspekt hier im Forum ist für mich, dass ich hier bin, weil ich es liebe, mich über Texte auszutauschen. Wie Leute etwas ganz anders gelesen haben als ich, andere Aspekte im Text gefunden haben oder auch die gleichen, das interessiert mich sehr. Ich bin also hier, weil ich leider keinen Pausenraum voller SF-Leser*innen habe und ihr mein virtueller Pausenraum seid. Und wie das in so einem Pausenraum so ist, wünsche ich mir da eine Freundlichkeit und Neugier aufeinander, aber auch, dass nicht jedes Wort so aufgenommen wird, als habe ich drei Tage darüber nachgedacht. Und auch, dass verschiedene Vorlieben nebeneinander stehen können: eine Person mag Horror in SF, eine andere nicht, eine mag progressive SF, eine andere nicht. In Threads zu Anthos kommen wegen der Textmischung die verschiedenen Vorlieben zusammen, da müssen wir dann besonders vorsichtig miteinander sein. Aber insgesamt finde ich es immer bereichernd, wenn alle Texte ihre Fans finden und ich lesen kann, was User xy an einem Text, mit dem ich gar nichts anfangen konnte, toll fand.


Bearbeitet von Jol Rosenberg, 27 September 2024 - 08:24.

Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/

 

Science-Fiction-Buchblog: https://www.jol-rose.../de/rezensionen

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#39 Rezensionsnerdista

Rezensionsnerdista

    Yvonne

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Geschrieben 27 September 2024 - 08:37

Das mit dem virtuellen Pausenraum ist ein schönes Bild!

Ich bin inzwischen dazu übergegangen, im Blog auch einfach mal eine Kurzgeschichte einzeln zu rezensieren, die mich begeistert. Und sei es nur eine pro Ausgabe oder Anthologie. Mir egal. Ich schwärme gern

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#40 Nina

Nina

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Geschrieben 27 September 2024 - 18:49

 

 

Meines Erachtens habe ich nur einmal etwas wie einen Verriss gemacht ...

Das ist kein Veriss, sondern eine Analyse, die auch beispielsweise die soziale Verantwortung miteinbezieht. Also so als würde ich eine Restaurantkritik schreiben und die Arbeitsbedingungen nebenbei erwähnen.

Verriss hat für mich etwas von sich lustig machen oder plakative Ausdrücke verwenden. Und ehrlich gesagt, habe ich das schon mal gemacht, ich meinte, das Cover eines Buches würde wie von einer Zeitschrift der Zeugen Jehovas aussehen. Ich war allerdings auch mal jünger und streitlustiger. Ich glaube aber, dass man das als Frau in der Szene auch sein muss, wenn man da reinwill und nicht nur als Dekor bei Treffen und als stille Bewunderin von irgendwelchen Autoren dienen will. Ich habe aber auch mal abbekommen, mit meiner zweiten Anthologieveröffentlichung (eher mehr ein Heftchen), da war von "Katzengold" die Rede. Also wertloses Zeug. Ein gewisser Autor (der mitliest) musste sich mal gefallen lassen, dass seine Publikation "Augenkrebs" verursacht. Und so was ... na ja, darf man das schreiben? Darf man mal einen auf Stefan Raab der Phantastikszene machen? No go? Oder cool? Juckt mal der Finger beim Rezensieren? - Tja.- Findet man es daneben, liest es aber trotzdem fertig?



#41 ChristophGrimm

ChristophGrimm

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Geschrieben 27 September 2024 - 20:11

Das ist kein Veriss, sondern eine Analyse, die auch beispielsweise die soziale Verantwortung miteinbezieht. Also so als würde ich eine Restaurantkritik schreiben und die Arbeitsbedingungen nebenbei erwähnen.
Verriss hat für mich etwas von sich lustig machen oder plakative Ausdrücke verwenden. Und ehrlich gesagt, habe ich das schon mal gemacht, ich meinte, das Cover eines Buches würde wie von einer Zeitschrift der Zeugen Jehovas aussehen. Ich war allerdings auch mal jünger und streitlustiger. Ich glaube aber, dass man das als Frau in der Szene auch sein muss, wenn man da reinwill und nicht nur als Dekor bei Treffen und als stille Bewunderin von irgendwelchen Autoren dienen will. Ich habe aber auch mal abbekommen, mit meiner zweiten Anthologieveröffentlichung (eher mehr ein Heftchen), da war von "Katzengold" die Rede. Also wertloses Zeug. Ein gewisser Autor (der mitliest) musste sich mal gefallen lassen, dass seine Publikation "Augenkrebs" verursacht. Und so was ... na ja, darf man das schreiben? Darf man mal einen auf Stefan Raab der Phantastikszene machen? No go? Oder cool? Juckt mal der Finger beim Rezensieren? - Tja.- Findet man es daneben, liest es aber trotzdem fertig?

Mir kommt bei der Frage nach launigen Kritiken oft der Pixarfilm „Ratatouille“ und seine Kritikerfigur Anton Ego in den Sinn. Mir hat insbesondere die Selbstreflektion in seiner Abschlusskritik imponiert:

„Die Arbeit des Kritikers ist in vieler Hinsicht eine leichte. Wir riskieren sehr wenig und erfreuen uns dennoch einer Überlegenheit gegenüber jenen, die ihr Werk und sich selbst unserem Urteil überantworten. Am dankbarsten sind negative Kritiken, da sie leicht zu schreiben und amüsant zu lesen sind.“

Tatsächlich halte ich von Kritiken, in denen sich Kritiker:innen wohl eher gerne reden hören oder um des billigen Applauses wegen draufhauen, relativ wenig.
In meiner Jugendzeit gab es die SPACE VIEW - (deren letztes Kernteam später die besser strukturiertere GEEK! aus der Taufe hob) -, bei welcher so einige diesen billigen Ingo Appelt/Stefan Raab/Harry Knowles-Stil hatten. (Claudia Kern war und ist mit ihren „Kernspaltereien“ die Einzige, die tatsächlich Humor hat). Wegen dem unsäglichen Christian Langhagen, der sich selbst wohl für witzig hielt, habe ich der Redaktion sogar mal einen (nicht abgedruckten) Leserbrief geschrieben.

Über Kritik im Allgemeinen schließe ich mich ansonsten komplett dem Beitrag von Udo Klotz an.

Was mich persönlich betrifft: Wenn es nicht gerade die Einzelstücke einer Anthologie oder einer Magazinausgabe sind, ist es mir eine schlechte Leseerfahrung oft nicht wert, darüber ein oder zwei Stunden eine Rezension auszuarbeiten. Für „Weltenportal“ habe ich daher von Beginn an einen „empfehlenden Charakter“ vorgegeben: Ich wollte Besprechungen und Vorstellungen für Werke, die jemandem überwiegend positiv aufgefallen sind. Gewissermaßen eine „begründete Leseempfehlung“. Mir erschien es sinnvoller, den Leser:innen ein Dutzend Tipps zu geben, anstatt ihnen von Enttäuschungen abzuraten.
Bei den Rezensionen, die ich mittlerweile regelmäßig für die „Andromeda Nachrichten“ einreichen darf - (Danke, Sylvana :)) - halte ich es genauso.

Bearbeitet von ChristophGrimm, 27 September 2024 - 20:19.

„Alien Contagium: Erstkontakt-Geschichten“: https://eridanusverlag.de | "En passant - Die Reisen des Sherlock Holmes": https://burgenweltverlag.de<p>Kostenloses SF/Fantasy-Literatur-Webzine: https://weltenportalmagazin.de
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#42 Nina

Nina

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Geschrieben 28 September 2024 - 22:03

Ja, da bin ich ganz Deiner Meinung. Eine seriöse Rezension, die negativ ausfällt, macht viel Arbeit. Manchmal weiß man selbst auch nicht, eigentlich ist das Buch wichtig und richtig, ein aktuelles Thema, gut geschrieben - aber ich persönlich mag es halt nicht und hab es mal weggelegt. Vielleicht habe ich mich zum Fertiglesen gezwungen, vielleicht auch nicht. Und dann wird es wirklich schwierig. 

 

Oder auch so Bücher aus Serien - puh. Liest eigentlich wer Band 5, der Band 1, 2, 3 und 4 nicht kennt, wie sinnvoll ist das Rezensieren von Band 5? (Ohne die anderen Bände zu kennen.) Ich habe eine gewisse Zeit über Bücher rezensiert, die von Verlagen kamen. Ich habe auch mal für ein Mainstream-Magazin gearbeitet, die auch ein Blog hatten. Das war auch sehr cool, weil ich auch mal Kleinverlagspublikationen einschmuggeln konnte, aber ich habe halt teils ... na ja, Bücher bekommen, wo ich nicht so die Zielgruppe war. Der Chefredakteur hat alles geschickt, was für so 14jährige Mädels war, keine blöde Idee, weil an und für sich kann sich eine Frau, die nie so richtig erwachsen wurde, sich vermutlich besser in die Lebewelt der Charaktere einfühlen. - Das ist aber wieder eigentlich gegen professionelle Kritiker, die bekommen Bücher, wo sie nicht zur Zielgruppe zählen. Und: Man muss sich auch fragen, wenn man Last Minute vor Redaktionsschluss noch ein Buch in Kurzrezension einbringen soll, wie seriös das ist. Klar kann man die Nacht wachbleiben oder so. Aber: Es ist kein Job mit Sicherheit und man schreibt soundso wenige Zeichen runter, weil da noch diese kleine Ecke gefüllt werden soll. Dahingehend ist der nicht-professionelle Kritiker, der in seinem Blog halt schreibt, was er will, so lange er will, vielleicht sogar besser.  

 

Ich bin übrigens nicht so jung. Die Space View kenne ich noch. Ich hatte auch mal einen Beitrag mit Foto da drin, ich habe etwas über weibliche Trekkies gesagt! - Ich habe sie dann aber nicht mehr gekauft, nachdem die Cover keine SF mehr hatten. Ich wollte eine SF-Zeitschrift. 

 

Und ja, lieber die AN. Ich habe da auch ab und an dafür geschrieben. 



#43 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 29 September 2024 - 06:06

Was für ein interessanter Thread! Ich lege auch mal los:

 

Kritikeri wird sicher vieles unterstellt, kritisierenden Autori erst recht. Neid, Profilierung, Mobbing, Sensibilitätsmangel ... you name it. Die Erwartungen an sie sind speziell und divers. Doch wenn alle, die Texte kommentieren, sich deshalb enthalten würden, was wäre dann? Es würde einiges fehlen z.B. erste Anhaltspunkte zur Textauswahl, Anregungen zur Textinterpretation und ganz speziell bei Kurzgeschichten: Rückmeldungen, und zwar nicht nur positive. Aus meiner Sicht brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Rezensionen, sowohl direkt aus dem Herzen einfacher Leseri als auch professionelle Reflektionen, öffentlich oder unter vier Augen.

Wenn ich öffentlich einen belletristischen Text kommentiere, gehe ich davon aus, dass meine Meinung für den Markt unmaßgeblich ist, die Person, die den Text geschrieben hat, meinen Kommentar vielleicht gar nicht mitbekommt, und die Anzahl der Interessierten überschaubar ist. Dennoch empfinde ich eine Verantwortung gegenüber den Autori, aber auch den Leseri, und versuche, meine Perspektive möglichst fundiert und nachvollziehbar darzulegen, wobei mir das sicher nicht immer und für jeden Menschen gelingt. Deshalb bin ich natürlich für Rückfragen und Anmerkungen offen, gleich von welcher Seite, denn mir geht es darum, zu verstehen und verstanden zu werden. Dazu gehört auch Kritik an meiner Kritik, wobei ich mich immer über einen wohlwollenden und kundigen Austausch freue. Achtung vor den anderen ist für mich eine Selbstverständlichkeit und allzu launige Kritiken, so unterhaltsam sie beim Lesen, aber auch beim Schreiben sein können, werdet Ihr von mir deshalb nicht bekommen.

Ich kann dennoch verstehen, dass es Menschen gibt, die auf ihre Kommentare lieber keine Reaktion erhalten möchten, z.B. weil sie sich mit der Materie unsicher fühlen oder negative Erfahrungen gemacht haben. Wenn sie weniger zum Diskurs beitragen ist das nicht schlimm, denn man kann sich ja mit anderen Menschen austauschen. Und was den Wunsch angeht, Autori mögen zu ihren Texten und dazu geäußerten Kommentaren schweigen: Was mich angeht, bin ich immer neugierig darauf, was Autori sich bei ihren Texten gedacht haben, und finde es schade, wenn ich darüber nichts erfahre.

Schade finde ich es auch, wenn Menschen, die eigentlich anders könnten, öffentlich nur oberflächlich auf Texte eingehen. Bedauerlich wird es aus meiner Sicht, wenn die Äußerungen zudem kritisch sind und es sich bei den Kommentierenden um exponierte Menschen handelt, deren Urteil viele vertrauen wodurch eine besondere Verantwortung entsteht. Wenn die Kritik dann vage bleibt oder gar irreführend ist, hilft das weder den Leseri noch den Autori und kann letzteren sogar schaden.

Besonders vertrackt ist es, sich als Autori zu Kritiken an eigenen Texten zu äußern. Häufig gilt man als befangen und wird deshalb nicht ernst genommen, ganz gleich wie fundiert die eigenen Argumente sind, was frustran und schlecht fürs Image ist. Außerdem gibt es Menschen, die die Verantwortung für eine gelungene Kommunikation, wenn es um Belletristik geht, ausschließlich bei den Autori sehen. Das kann so weit gehen, dass jegliches Überlesen und jedes Missverständnis letztlich auf unzulängliche Prosa zurückgeführt wird. Das ist natürlich zu einseitig, aber es ist genau dann etwas Wahres dran, wenn die meisten in einer Zielgruppe einen Text nicht annähernd so dekodiert haben wie es geplant war. Dahinter steht dann ziemlich sicher ein Fehler im Design des Textes oder in der Wahl der Zielgruppe. Aber auch das können Autori nur herausfinden, wenn sie Rückmeldungen erhalten, von möglichst vielen Leseri.

Wenn Autori sich zu den Texten anderer öffentlich äußern, gehen sie noch ganz andere Risiken ein. Sie riskieren Kollegi zu verärgern, die Einfluss auf Gatekeeper haben, wenn sie nicht sogar selber welche sind, was bekanntlich nachteilig sein kann für zukünftige Publikationsbemühungen. Wie schnell das gehen kann, haben wir in diesem Forum erlebt.

Angesichts der Masse an potentiellen Problemen, die es mit sich bringt, sich als Autori kritisch über Werke anderer zu äußern, kulminierend in der Doppelbindung, sich zumindest bei Anthologien, in denen ein eigener Text vorkommt, und wo man in der Doppelrolle Autori/Leseri steckt, äußern zu sollen, aber eben auch nicht zu kritisch (und wir wissen, wie schnell ein Kommentar so empfunden werden kann), also notfalls selektiv zu schweigen, womit man sich dann trotzdem kritisch geäußert hätte ... angesichts all dessen verstehe ich diejenigen Autori und es sind ja die meisten , die zumindest das öffentliche Rezensieren lieber den anderen überlassen. Aber wie Ihr schon sagtet: In einer recht kleinen Szene kommt dann nicht mehr viel herum. Außerdem möchte ich nicht nur ernten, sondern auch säen, aus verschiedenen Gründen. Deshalb werde ich wohl weiter kommentieren und dabei auf Interesse, Fairness und Verständnis hoffen.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 29 September 2024 - 06:51.


#44 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 29 September 2024 - 06:16

Was mich persönlich betrifft: Wenn es nicht gerade die Einzelstücke einer Anthologie oder einer Magazinausgabe sind, ist es mir eine schlechte Leseerfahrung oft nicht wert, darüber ein oder zwei Stunden eine Rezension auszuarbeiten. Für „Weltenportal“ habe ich daher von Beginn an einen „empfehlenden Charakter“ vorgegeben: Ich wollte Besprechungen und Vorstellungen für Werke, die jemandem überwiegend positiv aufgefallen sind. Gewissermaßen eine „begründete Leseempfehlung“. Mir erschien es sinnvoller, den Leser:innen ein Dutzend Tipps zu geben, anstatt ihnen von Enttäuschungen abzuraten.
Bei den Rezensionen, die ich mittlerweile regelmäßig für die „Andromeda Nachrichten“ einreichen darf - (Danke, Sylvana :)) - halte ich es genauso.

 

Ein interessanter Gedanke. Allerdings sind auch negative Rückmeldungen wichtig. Wie wäre es, wenn wir positive Rückmeldungen öffentlich und negative unter vier Augen geben würden?
 


Bearbeitet von Christian Hornstein, 29 September 2024 - 06:36.


#45 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 29 September 2024 - 06:30

Hier im Forum ist das eher wie Gespräche am Wasserkocher im Pausenraum: Da gibt es manchmal Dynamiken, die dafür sorgen, dass sich etwas mehr zuspitzt als gut ist. Da fallen dann auch mal harschere Worte. Oder habe ich haue schnell etwas raus, was mir so durch den Kopf schießt. Finde ich das gut, wenn es zu hart wird? Nein. Finde ich das verzeihlich? Ja.

Die Alternative wäre, sich wesentlich weniger zu beteiligen und vor jedem Post einen Tag lang nachzudenken. Ich habe mir gerade mal wieder vorgenommen, das mehr zu machen, aber die Idee, jeden Post hier wie eine ausgewachsene Rezension zu behandeln, strengt mich doch eher an. Ich hoffe doch, dass Lesende unterscheiden zwischen Blog und Schnack und auch die Dynamik in Threads mit im Blick haben.

 
Ich würde jemanden auch im Pausenraum nicht verletzen wollen. So viel Zeit müsste für mich sein. Außerdem möchte ich dem anderen die Rezeption meiner Kritik ja erleichtern und nicht erschweren. Ich weiß, dass manche in der Szene der Meinung sind, dass wir als Autori lernen müssten, uns ein dickes Fell wachsen zu lassen, und sicher wären wir gut beraten genau dies zu tun. Das sollte aber für uns als Rezensenti kein Freibrief dafür sein, sich gehen zu lassen. Mit etwas Übung ist es nicht allzu aufwendig und schwer, den Nagel auf den Kopf zu treffen, Impulse zu zügeln und unsere Gefühle zu regulieren. Vieles hängt von der Haltung ab, mit der wir an Situationen herantreten. Und es dient schließlich nicht nur dem anderen, sondern auch unserer eigenen Entwicklung.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 29 September 2024 - 06:37.


#46 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 29 September 2024 - 06:50

Bei Autoren versus die Werke der anderen sehe ich es sogar noch drastischer: Autoren wünschen sich oft Verbesserungen, die entweder ihrem politischen Gusto entsprechen (ganz prominent: keine oder mehr Progressivität), achten auf Formulierungen, die einem S-Bahn-Leser überhaupt nicht auffallen oder vergleichen die Geschichte mit dem Fundus von Stories, die sie selbst bereits kennen. Und ja, die Kritik kann ich gleich direkt an mich selbst weitergeben: Ich habe mir schon diverse Geschichten selbst kaputt geredet, weil ich als Autor oder Redakteur an sie gegangen bin, statt als einfach nur Konsument.

 

Bestes Beispiel für einen Design-Autoren ist für mich Joshua Tree. (Falls du das hier liest, Joshua, ist keine Kritik. Aber du könntest uns mal in deinem Roman-Thread antworten ;-) ). Tree verzichtet im Regelfall auf rekursive Elemente, Meta-Ebenen, Symbolik oder ausgefallene Formulierungen und kann, wie es scheint, ziemlich gut davon leben. Ja sogar mein Schwager liest seine Werke – ohne dass ich darauf aufmerksam machen musste. Als ich ihm dagegen Sven Haupt empfohlen habe, meinte er: "Joa, bin 150 Seiten im Roman und es geht immer noch nicht los. Passiert da noch irgendwas?" Da ich kein Freund von Diskussionen über Geschmack bin (denn genauso gut könnte ich einer Katze Quantenschaum erklären), ließ ich ihn einfach reden. Sein Schlusssatz nagt bis heute an mir: "Sven Haupt ist wohl eher ein Autor, der für Autoren schreibt." Aktuell liest er den Neuesten von Q. Morris.

 
Jau. Auch Rezensionen haben ihre Zielgruppe. Ich bin ja ein Anhänger des unbeliebten und verrufenen Ansatzes, der versucht im selben Text sehr unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen, indem die verschiedenen Komponenten, mit denen die jeweiligen Zielgruppen etwas anfangen können, so kombiniert werden, dass sie sich gegenseitig nicht ins Gehege kommen. Das ist unsagbar schwer und meist fallen einem nur Designs ein, in denen die Komponenten unvereinbar sind. Selbst der Film Blade Runner von 1982, den ich als vorbildlich in der Hinsicht halte, weil er kommerzielle Beimischungen und Arthouse-Elemente ideal kombiniert, ist damals zunächst einmal gefloppt.



#47 Charline Winter

Charline Winter

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Geschrieben 29 September 2024 - 07:59

Ein sehr interessanter Thread, ich habe die verschiedenen Ansichten sehr gern gelesen.

 

Da ich wahrscheinlich mit der Grund für den Ausbruch dieser Diskussion war, möchte ich mich entschuldigen, falls ich im EXODUS-Thread mit meiner Kritik jemandem auf die Füße getreten bin. Wenn ich vorher gewusst hätte, dass a) ich den meisten Texten nicht so viel abgewinnen würde (ich habe ja immer direkt nach dem Lesen kommentiert), b) die Autor*innen mitlesen und c) Kritik gar nicht erwünscht ist, hätte ich nicht mitgemacht. Ich war wohl als Neuling ein bisschen zu vorfreudig darüber, in einer Leserunde über Kurzgeschichten zu diskutieren. Das tut mir leid.

 

Dabei bedeutet Kritik für mich, einen Text ernst zu nehmen. Klar freue ich mich als Autorin darüber, wenn jemand meine Geschichte lobt, wer tut das nicht? Aber wenn ich weiß, dass das in einer Umgebung passiert, in der Rezensierende sich nur davor fürchten, Kritik zu äußern, dann kann ich damit wenig anfangen.

 

Ich sage, dass ich Autorin bin, dabei war ich länger Leserin bzw. schreibe ich schon länger Rezensionen, aber erst seit kurzem werden Geschichten von mir veröffentlicht. Muss ich mich deshalb jetzt beim Rezensieren zurückhalten? Das käme mir unehrlich vor. Ich möchte immerhin auch zeigen, dass ich andere Autor*innen ernst nehme und nicht den Eindruck erwecken, dass ich den Menschen, die jetzt sozusagen meine Kolleg*innen sind, Honig ums Maul schmiere, um selbst bessere Chancen zu haben oder so.

 

Das alles erinnert mich an eine Diskussion, die alle paar Monate mal wieder in den sozialen Medien hochkocht, nämlich wofür Rezensionen da sind und ob man kritische Rezensionen überhaupt veröffentlichen sollte. Dabei kommen viele Menschen meist bei dem Konsens an: Rezensionen sind für die Lesenden, nicht für die Autor*innen. Das ist auch meine Auffassung, und ich glaube, es ist der Unterschied in dieser Grundeinstellung, die Diskussionen wie diese verursacht.

 

Christians Gedanke:

 

 

Wie wäre es, wenn wir positive Rückmeldungen öffentlich und negative unter vier Augen geben würden?

 

ist interessant, würde ich persönlich aber furchtbar finden. Ich finde, Kritiker*innen sollten das Recht haben, öffentlich zu kritisieren, und Autor*innen sollten das Recht haben, diese Kritik zu ignorieren. (Nicht ohne Grund sagen viele erfolgreiche Autor*innen, dass sie gar keine Rezensionen lesen.) Denn wenn ich etwas kritisiere, möchte ich damit nicht etwa erreichen, dass die Autor*innen darauf reagieren oder gar ihre Texte/ihren Schreibstil/ihr politisches Wertesystem etc. ändern. Sondern ich möchte in den Austausch mit anderen Lesenden kommen. Es ist ja auch immer sehr spannend zu sehen, wie unterschiedlich Texte gelesen werden – was ich kritisiere, kann einer anderen Person gerade gefallen.

 

Zum Rezensieren der eigenen Anthologien: Das hatte ich bisher für ein ungeschriebenes Tabu gehalten, deshalb bin ich dankbar, dass eine Diskussion darüber geführt wird. Ich habe es bisher erst einmal gemacht, weil die Anthologie bei ihrer Zielgruppe leider ziemlich untergegangen ist und ich das für die vielen guten Texte darin sehr schade fand.

 

Was die Reaktion von Autor*innen auf Kritik angeht, bin ich zwiegespalten, denn ich habe da als Rezensentin schon unangenehme Erfahrungen gemacht. In der Theorie wäre es natürlich toll, mit Autor*innen über Texte diskutieren zu können und herauszufinden, wie der Text intendiert war vs. wie er gelesen wurde. Manchmal verstehe ich ja wirklich etwas im Text falsch. Nur leider habe ich es schon erlebt, dass Autor*innen mir wütende „Du hast nur mein Buch nicht verstanden!“-Kommentare unter eine kritische Rezension gerotzt haben (natürlich ohne mir zu erklären, was genau ich denn falsch verstanden habe – das komplette Buch von vorn bis hinten?). Aber auch das Gegenteil habe ich schon erlebt: Autor*innen, die sich geradezu kleinmachen unter meiner Kritik, Besserung geloben und mir dann ihr neues Buch ans Herz legen, mit der Beteuerung, dass das viel besser sei und ich ihm doch noch eine Chance geben soll. Auch das finde ich unangenehm. Am Ende bin ich ja auch nur irgendeine Person aus dem Internet, die keine Deutungshoheit über irgendwas für sich beansprucht.



#48 Jol Rosenberg

Jol Rosenberg

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Geschrieben 29 September 2024 - 10:14

 
Ich würde jemanden auch im Pausenraum nicht verletzen wollen. So viel Zeit müsste für mich sein. Außerdem möchte ich dem anderen die Rezeption meiner Kritik ja erleichtern und nicht erschweren. Ich weiß, dass manche in der Szene der Meinung sind, dass wir als Autori lernen müssten, uns ein dickes Fell wachsen zu lassen, und sicher wären wir gut beraten genau dies zu tun. Das sollte aber für uns als Rezensenti kein Freibrief dafür sein, sich gehen zu lassen. Mit etwas Übung ist es nicht allzu aufwendig und schwer, den Nagel auf den Kopf zu treffen, Impulse zu zügeln und unsere Gefühle zu regulieren. Vieles hängt von der Haltung ab, mit der wir an Situationen herantreten. Und es dient schließlich nicht nur dem anderen, sondern auch unserer eigenen Entwicklung.

Ich glaube, wir reden aneinander vorbei. Natürlich möchte ich niemanden verletzen. Da sind wir uns einig. Nur habe ich es nicht immer in der Hand. Auch weil wir die Haltung, mit der Leute unsere Posts und Rezensionen lesen, kaum beeinflussen können.

 

 

 

Zum Rezensieren der eigenen Anthologien: Das hatte ich bisher für ein ungeschriebenes Tabu gehalten, deshalb bin ich dankbar, dass eine Diskussion darüber geführt wird. Ich habe es bisher erst einmal gemacht, weil die Anthologie bei ihrer Zielgruppe leider ziemlich untergegangen ist und ich das für die vielen guten Texte darin sehr schade fand.

 

Interessant. Das ist offenbar eine ungeschriebene Regel, die ich von Anfang an gebrochen habe, weil ich sie nicht kannte.


Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/

 

Science-Fiction-Buchblog: https://www.jol-rose.../de/rezensionen

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#49 Michael Böhnhardt

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Geschrieben 29 September 2024 - 10:15

Ich kann dennoch verstehen, dass es Menschen gibt, die auf ihre Kommentare lieber keine Reaktion erhalten möchten, z.B. weil sie sich mit der Materie unsicher fühlen oder negative Erfahrungen gemacht haben. Wenn sie weniger zum Diskurs beitragen ist das nicht schlimm, denn man kann sich ja mit anderen Menschen austauschen. Und was den Wunsch angeht, Autori mögen zu ihren Texten und dazu geäußerten Kommentaren schweigen: Was mich angeht, bin ich immer neugierig darauf, was Autori sich bei ihren Texten gedacht haben, und finde es schade, wenn ich darüber nichts erfahre.
 

 

 

Es wurde ja schon mehrfach der Grundsatz erwähnt:

Der Text steht für sich.

Es ist völlig egal, was sich der Autor gedacht haben mag, wichtig ist allein, welche Wirkung beim Leser ankommt. Selbstverständlich kannst du jetzt sagen: Wenn man weiß, was beabsichtigt war, kann man gemeinsam herausfinden, warum es nicht geklappt hat. (Dafür gibt es übrigens ein Lektorat.)

Das Problem ist aus meiner Sicht, dass sowieso bei jedem Leser etwas anderes ankommt. Die Wirkung einer Geschichte beruht zu einem sehr großen Teil auf dem, was der Leser selbst mit hineinbringt.

 

Und wenn jetzt Autor und ein spezieller Leser die Geschichte haarklein auseinandernehmen, und zwar öffentlich, zerstören sie dadurch quasi den Zauber für alle anderen Leser, die das Pech hatten, eine solche Rezension zu lesen, bevor sie die Geschichte selbst lesen konnten.



#50 rostig

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Geschrieben 29 September 2024 - 11:17

Man darf den Werbeeffekt von Rezensionen nicht unterschätzen: ich lese eher eine Geschichte, die kräftig verrissen wurde, als eine, die niemandem eine Rezension wert war. Ein origineller Verriss ist nicht erst seit dem literarischen Quartett eine interessante Leseanregung. Und der Verriss durch eine versierte Person allemal für mich lesenswert.



#51 Christian Hornstein

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Geschrieben 29 September 2024 - 11:54

Man darf den Werbeeffekt von Rezensionen nicht unterschätzen: ich lese eher eine Geschichte, die kräftig verrissen wurde, als eine, die niemandem eine Rezension wert war. Ein origineller Verriss ist nicht erst seit dem literarischen Quartett eine interessante Leseanregung. Und der Verriss durch eine versierte Person allemal für mich lesenswert.

 
Ich muss gestehen, dass es mir zuweilen auch so gegangen ist. Es kommt allerdings darauf an, worum es inhaltlich im Verriss ging.



#52 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 29 September 2024 - 12:05

Es wurde ja schon mehrfach der Grundsatz erwähnt:

Der Text steht für sich.

Es ist völlig egal, was sich der Autor gedacht haben mag, wichtig ist allein, welche Wirkung beim Leser ankommt. Selbstverständlich kannst du jetzt sagen: Wenn man weiß, was beabsichtigt war, kann man gemeinsam herausfinden, warum es nicht geklappt hat. (Dafür gibt es übrigens ein Lektorat.)

Das Problem ist aus meiner Sicht, dass sowieso bei jedem Leser etwas anderes ankommt. Die Wirkung einer Geschichte beruht zu einem sehr großen Teil auf dem, was der Leser selbst mit hineinbringt.

 

Und wenn jetzt Autor und ein spezieller Leser die Geschichte haarklein auseinandernehmen, und zwar öffentlich, zerstören sie dadurch quasi den Zauber für alle anderen Leser, die das Pech hatten, eine solche Rezension zu lesen, bevor sie die Geschichte selbst lesen konnten.

 
Da ist viel Wahres dran. Ich bin immer zwiegespalten, wenn ich jemandem meinen Text in der einen oder anderen Weise erkläre. Das sollte nicht nötig sein, soll einfach nicht sein, wie Du schon schreibst. Auch aus meiner Sicht ist ein Text eine Projektionsfläche (eigentlich jedes Kunstwerk) und jeder Mensch projiziert ein wenig etwas anderes hinein. Das macht einen wesentlichen Teil des Reizes aus, denn es ist eine kreative Leistung der Leseri. Freddie Mercury hat sich zeitlebens geweigert Bohemian Rhapsody zu "erklären". Aus gutem Grund.

 

Manche Leseri haben das Erklären aber bei mir schon öfter eingefordert, z.B. wenn sie gemerkt haben, dass da noch mehr zu erschließen war, sie es aber nicht gut fassen konnten. Diese Leseri haben den Text hinterher auch mit anderen Augen gesehen und fanden das interessant. Sie haben es als Bereicherung empfunden. Wenn andere ohne es zu wollen auf solche Hinweise stoßen, kann sie das daran hindern, eigene Deutungen zu entwickeln, was sehr schade wäre. Deshalb würde ich solche Erläuterungen im SF-Net immer in der Spoilerbox verstecken.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 29 September 2024 - 12:05.


#53 Naut

Naut

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Geschrieben 29 September 2024 - 12:10

Mir waren Reaktionen von Schreibkollegen hier im Forum immer lieber als das Gros der "Rezensionen" bei Amazon (dort ja auch gern, Nomen est Omen, als "Rezessionen" betitelt). Jeder Verriss hier im Forum ist dann doch von mehr Fachkenntnis getragen und dabei nahbarer als das halb-anonyme Abledern auf den großen Verkaufsplattformen.

Gibt es tatsächlich ein neidvolles "Wegbeißen" der "Konkurrenz"? Wer weiß. Ich habe das weder jemals erfahren noch praktiziert, aber mir sind ein paar Mitschreibende begegnet, die diesbezügliche Ängste hegten. Das mag persönliche Erfahrung oder auch Charakterstruktur sein.

Was mir allerdings durchaus begegnet ist, sind Hardcore-Fans bestimmter Autoren, die alles in Grund und Boden kritisieren, was nicht genauso schreibt wie ihre Idole. Das fand ich persönlich unangenehmer als die wenigen Mitschreibenden, die sich mal kritisch äußerten.

Insgesamt halte ich Fans mit einer Mission für schädlicher als Mitschreibende mit (vielleicht manchmal selbst überschätzter) Fachkenntnis.

Bearbeitet von Naut, 29 September 2024 - 12:14.

Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#54 Christian Hornstein

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Geschrieben 29 September 2024 - 12:11

Ich glaube, wir reden aneinander vorbei. Natürlich möchte ich niemanden verletzen. Da sind wir uns einig. Nur habe ich es nicht immer in der Hand. Auch weil wir die Haltung, mit der Leute unsere Posts und Rezensionen lesen, kaum beeinflussen können.

 

Gerade Du möchtest niemanden verletzen, das weiß ich doch, und natürlich können wir nicht gänzlich bestimmen, wie andere unsere Aussagen werten. Es gibt aber Umstände, die uns dazu verführen können, Kontrolle, die wir eigentlich haben könnten, aus der Hand zu geben, z.B. wenn uns etwas entrüstet, weil es uns sehr ungerecht erscheint. Wir können uns aber angewöhnen, wie Du es ja zuweilen auch getan hast, Zeit zu gewinnen, z.B. darüber zu schlafen, zu reflektieren, bevor wir reagieren. Sicher macht es das Ganze weniger spontan und ein wenig aufwendiger, aber ich glaube, das ist es wert, und je geübter wir dabei sind, desto leichter fällt es uns. :)
 



#55 Christian Hornstein

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Geschrieben 29 September 2024 - 13:18

Ein sehr interessanter Thread, ich habe die verschiedenen Ansichten sehr gern gelesen.

 

Da ich wahrscheinlich mit der Grund für den Ausbruch dieser Diskussion war, möchte ich mich entschuldigen, falls ich im EXODUS-Thread mit meiner Kritik jemandem auf die Füße getreten bin. Wenn ich vorher gewusst hätte, dass a) ich den meisten Texten nicht so viel abgewinnen würde (ich habe ja immer direkt nach dem Lesen kommentiert), b) die Autor*innen mitlesen und c) Kritik gar nicht erwünscht ist, hätte ich nicht mitgemacht. Ich war wohl als Neuling ein bisschen zu vorfreudig darüber, in einer Leserunde über Kurzgeschichten zu diskutieren. Das tut mir leid.

 

Ich glaube nicht, dass Kritik im Thread zu Exodus 48 von den mitlesenden Autori gar nicht erwünscht ist und ich der Einzige dort bin, der daran Interesse hat. Es geht manchen, vor allem Marianne/Fancy, wohl eher darum, wie Kritik formuliert wird. Kritik an Kritik finde ich vollkommen legitim und sie kann auch interessant sein, solange sie fair und sachkundig erfolgt. Aufschlussreich finde ich z.B., dass Mariannes Kritik an meiner Kritik zumindest teilweise darauf zu beruhen scheint, dass sie dachte, ich wollte die Texte abwerten durch das rhetorische und polemische fragen, wozu ein Text geschrieben wurde, in dem Sinne "Was soll man nur damit?". In Wirklichkeit hatte ich mich aber tatsächlich gefragt, was die Intention der Autoren war. Das Missverständnis beruhte darauf, was unter Unterhaltung gemeint ist. Marianne kennt mich halt nicht gut, sonst hätte sie gewusst, dass solche Verrisse nicht mein Ding sind und hätte erst nachgefragt. Das hat mir aber gezeigt, wo ich in Zukunft besser aufpassen sollte, wenn ich kommentiere. Solche Fragen sind offenbar irritierend, was ich durch etwas mehr Überlegung vielleicht hätte vorwegnehmen können. Jetzt weiß ich das und kann es demnächst berücksichtigen. Auf diese Weise werde ich hoffentlich zu einem besseren Kommentator.

 

Dabei bedeutet Kritik für mich, einen Text ernst zu nehmen. Klar freue ich mich als Autorin darüber, wenn jemand meine Geschichte lobt, wer tut das nicht? Aber wenn ich weiß, dass das in einer Umgebung passiert, in der Rezensierende sich nur davor fürchten, Kritik zu äußern, dann kann ich damit wenig anfangen.

 

In manchen Fällen habe ich auch den Eindruck, jemand hat Angst sich zu äußern. Wenn dem so sein sollte, wäre das natürlich nicht nur schade, sondern sogar bedenklich, denn faire Kritik ist Teil des Rechtes auf freie Meinungsäußerung. Wenn wir uns nicht einmal in einem SF-Net frei fühlen können, unsere Meinung kund zu tun, wo dann?

 

Ich sage, dass ich Autorin bin, dabei war ich länger Leserin bzw. schreibe ich schon länger Rezensionen, aber erst seit kurzem werden Geschichten von mir veröffentlicht. Muss ich mich deshalb jetzt beim Rezensieren zurückhalten? Das käme mir unehrlich vor. Ich möchte immerhin auch zeigen, dass ich andere Autor*innen ernst nehme und nicht den Eindruck erwecken, dass ich den Menschen, die jetzt sozusagen meine Kolleg*innen sind, Honig ums Maul schmiere, um selbst bessere Chancen zu haben oder so.

 

Wenn es so sein sollte, dass Autori im Schnitt kundigere Rückmeldungen geben können als Leseri, wäre es doch erst recht ein Verlust, wenn sie es nicht täten.

 

Das alles erinnert mich an eine Diskussion, die alle paar Monate mal wieder in den sozialen Medien hochkocht, nämlich wofür Rezensionen da sind und ob man kritische Rezensionen überhaupt veröffentlichen sollte. Dabei kommen viele Menschen meist bei dem Konsens an: Rezensionen sind für die Lesenden, nicht für die Autor*innen. Das ist auch meine Auffassung, und ich glaube, es ist der Unterschied in dieser Grundeinstellung, die Diskussionen wie diese verursacht.

 

Ich befürchte, wenn Rezensionen nur für Leseri erstellt würden, blieben für die Autori ziemlich viele Fragen offen. Was wäre, wenn wir unsere Rezensionen verfassen würden der Art: Rezension erster Teil für das breite Publikum, Rezension zweiter Teil mit Vertiefung für Interessierte? Aber es wurde schon mal angedeutet, dass es manchen Autori gar nicht recht sein könnte, wenn ihre Werke in der Öffentlichkeit so genau analysiert werden. Vielleicht könnte man eine Umfrage unter Autori machen und schauen, wieviel Prozent daran Interesse hätten?

 

Christians Gedanke:

 

Wie wäre es, wenn wir positive Rückmeldungen öffentlich und negative unter vier Augen geben würden?

 

ist interessant, würde ich persönlich aber furchtbar finden. Ich finde, Kritiker*innen sollten das Recht haben, öffentlich zu kritisieren, und Autor*innen sollten das Recht haben, diese Kritik zu ignorieren. (Nicht ohne Grund sagen viele erfolgreiche Autor*innen, dass sie gar keine Rezensionen lesen.) Denn wenn ich etwas kritisiere, möchte ich damit nicht etwa erreichen, dass die Autor*innen darauf reagieren oder gar ihre Texte/ihren Schreibstil/ihr politisches Wertesystem etc. ändern. Sondern ich möchte in den Austausch mit anderen Lesenden kommen. Es ist ja auch immer sehr spannend zu sehen, wie unterschiedlich Texte gelesen werden – was ich kritisiere, kann einer anderen Person gerade gefallen.

 

Das geht mir auch so, aber es gibt viele, durchaus auch legitime Motive zu kritisieren.

 

Zum Rezensieren der eigenen Anthologien: Das hatte ich bisher für ein ungeschriebenes Tabu gehalten, deshalb bin ich dankbar, dass eine Diskussion darüber geführt wird. Ich habe es bisher erst einmal gemacht, weil die Anthologie bei ihrer Zielgruppe leider ziemlich untergegangen ist und ich das für die vielen guten Texte darin sehr schade fand.

 

Ich weiß gar nicht, ob es diese ungeschriebene Regel gibt, denn das würde bedeuten, dass die allermeisten Beteiligten es immer so haben wollen. Auch da wäre eine Umfrage interessant, vielleicht auch für jede Anthologie neu und zwar vor Erscheinen des Werks. Ich habe nämlich den Eindruck, dass dieser Art Kritik eher ambivalent gegenüber gestanden wird. Kommentare, auch von Autori, sind erwünscht, weil ohnehin so wenig Resonanz kommt, und solange sie positiv sind, ist alles gut, aber je weniger positiv sie ausfallen, desto mehr besinnt man sich wieder auf eine vermeintliche Regel der Abstinenz.

 

Was die Reaktion von Autor*innen auf Kritik angeht, bin ich zwiegespalten, denn ich habe da als Rezensentin schon unangenehme Erfahrungen gemacht. In der Theorie wäre es natürlich toll, mit Autor*innen über Texte diskutieren zu können und herauszufinden, wie der Text intendiert war vs. wie er gelesen wurde. Manchmal verstehe ich ja wirklich etwas im Text falsch. Nur leider habe ich es schon erlebt, dass Autor*innen mir wütende „Du hast nur mein Buch nicht verstanden!“-Kommentare unter eine kritische Rezension gerotzt haben (natürlich ohne mir zu erklären, was genau ich denn falsch verstanden habe – das komplette Buch von vorn bis hinten?). Aber auch das Gegenteil habe ich schon erlebt: Autor*innen, die sich geradezu kleinmachen unter meiner Kritik, Besserung geloben und mir dann ihr neues Buch ans Herz legen, mit der Beteuerung, dass das viel besser sei und ich ihm doch noch eine Chance geben soll. Auch das finde ich unangenehm. Am Ende bin ich ja auch nur irgendeine Person aus dem Internet, die keine Deutungshoheit über irgendwas für sich beansprucht.

 

Hier gilt natürlich: Je ausgeglichener die Gemüter und je sachlicher und konkreter die Argumente, desto aufschlussreicher und angenehmer.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 29 September 2024 - 13:31.


#56 Gast_fancy_*

Gast_fancy_*
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Geschrieben 29 September 2024 - 13:42

Super, wie gut wir uns hier unterhalten können. 

 

Ich denke, der Vergleich, den Jol angestellt hat, mit dem Flur auf dem man sich trifft und austauscht, der passt ganz gut. Das kennt jeder aus dem Job. Da wird dann auch mal über einen Kollegen gesprochen, der nicht dabei steht. 

Wahrscheinlich wird jede Kritik besser, wenn wir so täten, als sagten wir sie dem Autor direkt ins Gesicht. 

Ich schätze, wir dürfen davon ausgehen, dass der eine ehrliche Meinung haben möchte und keinen Zuckerguss braucht, aber er möchte den Punkt verstehen und merken, dass man ihm wohlgesonnen ist. Wenn wir das beherzigen würden, wären wir einen guten Schritt weiter gekommen. Dabei ist es meiner Meinung nach egal, ob der Kritiker selbst Autor ist oder nicht. 



#57 Nina

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Geschrieben 29 September 2024 - 19:03

Grundsätzlich fällt mir immer wieder was auf: Dass Autoren das kümmern soll.

 

Natürlich wird man immer ein wenig gucken. Das ist klar.

 

Aber: Rezensionen sind für andere Leser, NICHT für Autoren! 

 

Das Buch ist ja schon draußen und lässt sich nicht mehr ändern. Außerdem ist zu wenig Platz in einer Rezension für echte Textarbeit. Natürlich gibt es auch Mischformen wie z.B. Leserunden mit Autor. Ob man das möchte, ist aber eine bewusste Vorabentscheidung. (Ich bin allerdings der Meinung, dass ein Verlag einen Autor nicht zwingen soll.) 

 

Persönlich für Autoren finde ich es aber gut, wenn ein Fehler in einem "schnellen Medium" passiert ist. Natürlich, man kennt das, da ist ein fetter Rechtschreibfehler in einem Blogbeitrag, der Finger zuckt, man möchte kommentieren ... Ich habe ein paar solcher Beiträge schon gelöscht, weil es mich selbst ärgert, wenn jemand z.B. bei einem Forenbeitrag so was macht. Muss man wirklich drunterkommentieren, wenn ein Fehler gemacht wurde? - PM tut es doch aus, natürlich auch freundlich, so in Richtung: "Finde ich nicht schlimm und ist mir auch schon mal passiert ..." und das kann im Nu editiert werden. Somit lenkt das dann auch nicht vom eigentlichen Thema ab. 


Bearbeitet von Nina, 29 September 2024 - 19:04.


#58 lapismont

lapismont

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Geschrieben 30 September 2024 - 08:21

Es gibt schon Dinge, die ich als Rezensent den Schreibenden oder Herausgebenden mitgeben möchte. Etwa wenn das Lektorat schlecht war, das Buch als Buch Mängel aufwies wie schlechte Bindung, Satzfehler etc. oder der Stil bestimmte grundsätzliche Probleme für mich hatte, die in den nächsten Werken vielleicht verbessert werden könnten.

Diese Hinweise sind für die Leserschaft der Rezension natürlich auch interessant, richten sich aber in erster Linie an die oben Genannten.

Das betrifft übrigens auch Lob, das ich gern für ein schönes Buch, tolle Titelbilder, der Editionsidee oder zusätzliche Features spende.


Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.

Moderator im Unterforum Fantasyguide
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Montbron-Blog

  • (Buch) gerade am lesen: Marc-Uwe Kling – Views

#59 ChristophGrimm

ChristophGrimm

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Geschrieben 30 September 2024 - 09:05

Ein interessanter Gedanke. Allerdings sind auch negative Rückmeldungen wichtig. Wie wäre es, wenn wir positive Rückmeldungen öffentlich und negative unter vier Augen geben würden?
 

 

Ich schätze, hier kam mein Gedanke nicht vollständig an. Ich habe für mich und mein Magazin entschieden, dass lieber Empfehlungen gegeben werden. Das liegt auch daran, dass ich eben nicht viele Rezensionen schreibe, aber weiß, dass die Absätze von Verlagen und Autor:innen unserer Szene irgendwo im dreistelligen oder niedrigen vierstelligen Bereich liegen. Sozialmedial kommt man aus der Blase von Bloggenden und Autor:innen kaum heraus, bevor nicht ein "Bestseller" gelandet wurde. Daher sehe ich in meinem bisschen Reichweite oder dem bisschen Reichweite der "Andromeda Nachrichten" eine gute Gelegenheit, auf die Werke von Autor:innen, die im Gegensatz zu einem King oder einem Eschbach schlicht wenig Leute kennen, aufmerksam zu machen.  

 

Ich sehe es auch so, dass Rezensionen für das Publikum sind. Autor:innen können und dürfen selbstverständlich gerne etwas aus den Meinungen mitnehmen, aber letztendlich sind sie an Leser:innen adressiert. Eine gute Rezension (ob positiv oder negativ) verrät mir als Leser, ob das Buch oder die Geschichte für mich interessant sein könnte. Ein Feedback, dass an Autor:innen gerichtet ist, dürfte für eine "Lesen oder nicht lesen"-Entscheidung oftmals zu speziell sein.

 

Ein Beispiel: Wenn ich einen "Whodunnit"-Krimi bespreche, könnte einer meiner Kritikpunkte sein, dass der/die Täter:in leicht zu erraten war, weil die Konstruktion wenige Alternativen zuließ oder nicht gut genug von dem/der Täter:in abgelenkt wurde.

Wenn ich diesen Punkt als Lektor oder Testleser an den/die betreffende:n Autor:in richten würde, dann läse es sich wohl so: "Du hast dich für die unauffälligste Person deiner Verdächtigen als Täter:in entschieden. Das Motiv ist absolut nachvollziehbar und die Hinweise darauf gut versteckt eingestreut. Für geübte Krimileser:innen ist es aber geraden dann am verdächtigsten, wenn die auffälligste oder die unauffälligste Person der/die Täter:in ist. Am besten sorgst du dafür, dass er/sie die scheinbar beste Gelegenheit hatte, aber die anderen Verdächtigen ihm/ihr stets ein wasserdichtes Alibi geben. Das stärkste, vermeintliche Alibi könnte ausgerechnet von der Person kommen, die deine Täter:in ohnehin nicht leiden kann. Wenn du es so gestaltest, dass dieses Alibi auch noch eher zufällig - also nicht durch die Befragung, sondern bspw. im Rahmen eines Smalltalks - zustande kommt, hast du eine gute falsche Spur gelegt. Dafür musst du den Ablauf der Tat nur geringfügig verändern. Das ist natürlich nur eine Möglichkeit ..." 


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#60 Frank Lauenroth

Frank Lauenroth

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Geschrieben 30 September 2024 - 09:50

Zu Christophs Gedanken gibt es von mir erst einmal ein fettes Amen!

 

Außerdem:

Quote: "Zum Rezensieren der eigenen Anthologien: Das hatte ich bisher für ein ungeschriebenes Tabu gehalten"

 

Ich rezensiere gerne die Geschichten von Anthologien, in denen ich selbst vertreten bin. Dabei wende ich denselben Respekt an, den ich vor jeder Geschichte habe. Ob sie mir gefällt oder nicht, ob ich darin Stärken entdecke oder Schwächen, das teile ich anderen Leseinteressierten gerne mit. Und wie immer gilt: Nur meine Meinung.

Und genauso sehe ich es auch anders herum, wenn Autori sich meinen Geschichten vornehmen. 


Bearbeitet von Frank Lauenroth, 30 September 2024 - 09:59.

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