Campus 2049: Hochschule der Zukunft (Hg. Kai Focke, Sabine Frambach)
#31
Geschrieben 29 Oktober 2024 - 19:48
Da geht es schon sehr früh um alles (das Leben des Protagonisten Leon mit klarer Deadline).
Ein paar Wortwitze schon ganz am Anfang sind für mich etwas sehr abgegriffen (horizontales Gewebe, gehört zum Interieur usw)
Es kommen schon für meinen Geschmack recht viele strapaziert Phrasen vor.
Als dann die Dialoge anfangen, bin ich raus. Das ist einfach nicht mein Humor
PS: finde cool, dass die Vita quasi fehlt. Mal was anderes ...
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#32
Geschrieben 29 Oktober 2024 - 19:54
Das ist ja fast schon bei Autoren Namen spannend, wieso hat denn Wolf Welling hier nicht sein Pseudonym verwendet? Möchte er unerkannt bleiben?
An den Popkultur und Literatur Kanon Referenzen könnte man aber fast raten, dass er es sein könnte.
Natürlich werden einige Ideen weiter hinten in der Anthologie redundant.
Der Humor ist auch hier etwas eigenwillig. (Ich würde ja vermuten, dass es ab mir liegt, habe mich aber während dieser Zugfahrt schon über "remember you will die" sehr hörbar für alle hier amüsiert.)
Witzig fand ich immerhin die Idee, die der Zwischenüberschrift "das Prüfungsamt" folgt. Das leitet dann auch zur Pointe über
PS: der Autor outet sein Pseudonym auch in der Vita, ist also nicht wirklich inkognito
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#33
Geschrieben 31 Oktober 2024 - 16:58
"A beautiful cheat" (Alina Schad)Alina Schad: a beautiful Cheat
Ah, die erste Seite verspricht gleich ein Geheimnis und Spannung. Bin sofort geankert.
Der Ermittler Moritz muss einen (Betrugs-)Fall aufklären und das finde ich sehr interessant.
Okay. Man sagt ja immer, alle Menschen halten sich für intelligent, aber hier muss ich passen. Ich verstehe die Pointe nicht
Moritz schaut sich immer wieder die VR-Aufzeichnung einer Prüfung an, da bei einer Studentin der Verdacht eines Betrugs besteht. Bei den Wiederholungen entwickelt er eine Zuneigung zu dieser Studentin und kommt langsam hinter ihr Täuschungsmanöver.
Ich gestehe, die Geschichte musste ich mehrmals lesen. (Was ich nur gemacht habe, weil sie drei Seiten umfasst). Ich vermute, Moritz hat sich in die Studentin verguckt und lässt ihren Betrug durchgehen. Ich könnte mit dieser Interpretation falsch liegen, aber eine andere leuchtet mir nicht ein - und ja, das ist doch sehr abgedroschen. Es ist besonders schade, weil die (mir zuvor nie aufgefallene) Autorin merklich das Schreibhandwerk beherrscht. Die Grundidee ist gut, die Formulierungen sind elegant. Schade, dass der Plot und die Pointe eher generisch ausfielen.
"Ethikkommission" (Katharina Münstermann)
Mira möchte den Studiengang wechseln. Was heute noch recht problemlos geht, ist aufgrund des demografischen Wandels im Jahre 2049 (vorausgehend: Gesetz zur Wiederherstellung gesellschaftlicher Ordnung von 2040) schwierig. Mira muss ihr Anliegen vor einem Ausschuss erklären.
Ich bin bei dir Yvonne. In diesem Text steckt sehr, sehr viel und vermutlich werde ich ihn ein zweites Mal lesen müssen. Dieses 2049 ist dystopisch, denn die freie Entscheidung, die wir heute genießen - allen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und strukturellen Problemen zum Trotz - ist im Setting der Geschichte deutlich eingeschränkt. Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel werden selten in der SF thematisiert - und wenn, dann nur, wenn Roboter und KI viel kompensieren. Dieses skizzierte 2049, bei dem unterschwellig die Rolle der Frau auch wieder mehr in Richtung "hauptsächlich Mutter" gedrängt wurde, verzichtet jedoch auf den Technikjoker. Gerade deswegen stimmt sie sehr nachdenklich.
Bearbeitet von ChristophGrimm, 31 Oktober 2024 - 17:18.
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#34
Geschrieben 01 November 2024 - 06:08
Aber was anderes fällt mir auch nicht ein
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#35
Geschrieben 01 November 2024 - 11:00
Kai Focke: Oldschool
Jemand erinnert sich von 2049 aus zurück an ungefähr jetzt, was natürlich klasse ist. Ich erinnere mich oft von 2024 aus an 1999, was so ungefähr meine Unizeit war (also, jedenfalls Versuch 1).
Erneut: Keine Mensa, kein Präsenzbetrieb mehr. Ich kann das aber schwerlich kritisieren, heute im Büro ist auch außer dem Pförtner und mir niemand und die Cafeteria ist seit Corona dicht und niemand hat neu aufgemacht (zudem ist der Kaffee-Automat kaputt). Insofern finde ich das leider zu realistisch, um mir zu stark mal andere Szenarien für 2049 wünschen zu können (obwohl ...).
Diese Art von Dialog liegt mir irgendwie nicht. Zunächst dachte ich, es liegt daran, dass sie chatten (zunächst chattet die Protagonistin mit ihrer ehemaligen Kommilitonin Jana), aber in der "echten" wörtlichen Rede ist es dann ähnlich. Sollten sich nicht auch Chats mehr vom "echten" Dialog unterscheiden? Wenn ich in meine Chatprogramme 2024 schaue, ist das so. Nach 2049 extrapoliert wäre da glaube ich noch was drin gewesen an Detailideen.
Die Pointe fand ich ganz nett. Erinnert mich an ... nun ja, im positiven Sinne erinnert mich das ein wenig an NSA von Eschbach.
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#36
Geschrieben 02 November 2024 - 11:31
"Eindringling in Sektor G" (Lynn Weiher)
Der Retinascanner kann das zugeschwollene Auge der Dozentin Elsa nicht auswerten. Bei dem Versuch, die Sicherheitskontrolle zu umgehen und sich Zugang zu verschaffen, wird sie erwischt.
Ich glaube, diese Geschichte kann ich nicht fair beurteilen. Handwerklich gibt es nicht zu beanstanden, Formulierungen und Dialogführung sind gut geraten und im Gesamten ist die Geschichte rund. Die Satire auf Paragraphenreiter und überkorrekte Polizisten inkl. Schlussgag ist mir jedoch zu platt, um mich zu amüsieren. (Freilich würde es mich im Bürokratiedschungel Deutschland nicht wundern, sollten solche Alltagsgeschichten passieren).
"Mäuse und Menschen" (Sabine Frambach)
An Hochschulen wird das Sezieren überwiegend nicht mehr an echten Mäusen, sondern in Simulationen gelernt. Nach einer Unterrichtseinheit bemerkt Dozentin Malin, dass ihre Labormaus Freddie nicht mehr in ihrem Käfig ist. Bei der Suche findet sie das Nagetier tot in einem Mülleimer - offenbar hat ein:e Student:in sich nicht mit einer Simulation begnügen wollen.
Eine weitere, eher alltägliche Geschichte, die Sabine Frambach inkl. Schlusspointe, die mich fies grinsen ließ, solide erzählt.
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#37
Geschrieben 03 November 2024 - 23:06
„K.“ hält einen Vortrag über klassische Musik, deren Komponisten nur noch in Wien geduldet werden; in der Großdeutschen Republik aufgrund „neuweltlicher Ansichten“ jedoch verpönt sind.
Die Geschichte lässt mich unschlüssig zurück - und ich bin nicht ganz sicher, ob es eine Geschichte oder eine „fiktionalisierte Streitschrift“ ist. Handlungstechnisch passiert an und für sich nichts und der Unterhaltungswert der eher essayistischen Erzählung ist gering. Dem Autor war es wohl eher ein Anliegen, bis zum Jahr 2049 mit fiktiven, einschneidenden Ereignissen zu skizzieren. Eine besondere Betonung - ohne, dass es erwähnt wird - erfahren dabei Cancel Culture, übertriebener Aktivismus, Populismus und grundgesetzliche Änderungen.
War nicht meins.
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#38
Geschrieben 04 November 2024 - 08:12
Es geht vermutlich u a um ein fehlendes "sich-Zeit-nehmen" seitens der lesenden Person.
Auf dem Ohr bin ich sehr schwerhörig, denn wenn es in die Richtung geht, ich solle einen Text, den ich nicht lesen will, gefälligst ordentlicher lesen und da noch mehr Lebenszeit draufwerfen ... Nun ja
Habe ich nicht gemacht.
Insofern kann es möglich sein, dass der Text sein Ziel perfekt erreicht hat, aber ohne mich
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#39
Geschrieben 06 November 2024 - 23:53
Cathrin Rohlederl: Human Ressources
Da geht es schon sehr früh um alles (das Leben des Protagonisten Leon mit klarer Deadline).
Ein paar Wortwitze schon ganz am Anfang sind für mich etwas sehr abgegriffen (horizontales Gewebe, gehört zum Interieur usw)
Es kommen schon für meinen Geschmack recht viele strapaziert Phrasen vor.
Als dann die Dialoge anfangen, bin ich raus. Das ist einfach nicht mein Humor PS: finde cool, dass die Vita quasi fehlt. Mal was anderes ...
Hier sind wir gegensätzlicher Meinung - aber es ist wohl nichts so sehr Geschmacksache wie Humor.
„Ist C:rl: als Name nich‘ was wenig? So ein bis zwei Vokale könnten schon noch sein!“
Und dey so: „Gefällst mir, Budd‘! Gönn dir‘n ‚a‘. Schieb‘s dir rein, wo du willst!“
Das ist derb, aber eben auch erfrischend frech - und vor allem ungekünstelt.
Insgesamt ist „Human Resources“ eine flott geschriebene Geschichte, die mit teils schönen, teils schnoddrigen (s. o.) Formulierungen punktet. Die Autorin ist stilsicher unterwegs und scheint es zu lieben, spielerisch mit Sprache umzugehen. Mir gefällt v. a. die gelungene Darstellung eines typischen Studi-Lebens in einer erneut denkbaren 2049-Version. Die Idee der Prüfung ist originell, die Pointe sitzt.
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#40
Geschrieben 07 November 2024 - 08:20
Ja, Humor ist echt so eine Sache ... das war mir einfach zu derb
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#41
Geschrieben 09 November 2024 - 21:39
Wir befinden uns in einer Prüfung in virtueller Umgebung. Der Student Peter Striegel wird von Prof. Dr. Blaubart mündlich geprüft. Zur Überraschung des Studenten stellt der Prüfer zunächst seltsame und schließlich absurde Fragen.
Der langjährige Routinier Pippke schrieb eine unterhaltsame Kürzestgeschichte (viereinhalb TB-Seiten), die nach einem etwas drögen Start (Seite 1) in eine amüsant zu lesende Geschichte übergeht und mit einer (für mich) überraschenden Pointe endet. Gewissermaßen ist der Gedanke, den der Autor hier hatte, aber das eigentliche Highlight des Textes und hallt bei mir nach. Ob das wohl der "Trostpreis" für relative Unsterblichkeit sein könnte?
@Yvonne: Ich denke, Wolfgang hat sich bewusst dazu entschieden, sein Pseudonym nicht zu verwenden. (Könnte natürlich auch ein Versehen sein - das kann nur er beantworten). Nach meiner bisherigen Herausgeber-Erfahrung mit diversen Professorinnen, Lehrerinnen und Lehrern trennen diese ihren Klarnamen aufgrund der beruflichen Tätigkeit gerne von ihren fiktiven Werken - insbesondere wenn sie häufiger Sachtexte und Sachbücher verfassen. Wolfgangs beruflichen Hintergrund betrachtend, erscheint die Aufführung mit Klarnamen bei dieser Anthologie aber nicht abwegig.
"Oldschool" (Kai Focke)
Die Ich-Erzählerin hat aus wirtschaftlichen Gründen in ihren Vierzigern erneut studiert hat. Nun steht die Abschlussprüfung an - und die Studentin behilft sich in ihrer Nervosität mit einem Spickzettel der klassischen Art.
Es sollte mich eigentlich nicht überraschen ... aber die Pointe sitzt . Die amüsant geschriebene Geschichte begeistert über den Humor hinaus erneut mit einer schlüssig skizzierten Version des Prüfungswesens im Jahr 2049.
"Art, Smart, Love" (Uwe Schimunek)
Ivys Job ist es, einer generativen KI durch permanentes Prompten bzw. dem Anzeigen von "Fails" die Klischees auszutreiben. Sie ahnt nicht, dass die KI bereits weit mehr als ein "stochastischer Papagei" ist.
Die Perspektive einer generativen KI ist interessant gewählt. Der Autor greift hier einen Gedankengang auf, der in Bezug auf starke KI des Öfteren geäußert wird: Würde uns eine starke KI denn wissen lassen, dass es sie gibt?
Fazit
Bei Kurzgeschichtensammlungen begeistern mich selten alle Beiträge. "Campus 2049" hat nach meinem subjektiven Empfinden sechs sehr gute, vier gute, sechs durchschnittliche und zwei eher mäßige Beiträge - ein mehr als respektabler Schnitt.
Eine objektivere Betrachtung: Diese Sammlung enthält nicht einen Ausfall. Zwar wäre in manchen Fällen inhaltlich und/oder stilistisch noch mehr herauszuholen gewesen (bspw. "Janina brennt für Bücher"), aber jede einzelne Geschichte kann strukturell und handwerklich überzeugen. Kai Focke und Sabine Frambach haben bei der Auswahl ein gutes Händchen bewiesen und 18 Geschichten, die sich in angenehmen Verhältnis tonal, inhaltlich und stilistisch voneinander unterscheiden, zusammengetragen. Zwar spielt eine Form von KI in der starken Hälfte der Texte eine tragende Rolle, aber mit Blick auf die Gegenwart dürfte es unausweichlich sein, dass unser Alltag immer stärker von Künstlicher Intelligenz in den unterschiedlichsten Formen geprägt sein wird. Der Thematik "Hochschule der Zukunft" wird die Sammlung gerecht, denn fast alle Autor:innen haben merklich wohlüberlegt viele verschiedene Aspekte - Wohnsituation, Prüfungswesen, Klassismus, demografische Veränderungen, Diskriminierung, Einfluss von KI auf unseren Alltag und unser Denken etc. - berücksichtigt, und zu unterschiedlichen, aber erschreckend schlüssig anmutenden Zukünften verarbeitet.
Kurioser Nachgedanke:
Ich durfte der Vorstellung der Anthologie an der DHBW Mannheim am Veröffentlichungstag beiwohnen. Da ich Sabine, Kai und mir ein weiteres Vierteljahrhundert auf Erden zutraue - und auch wünsche - wäre es reizvoll, sich am 10. Oktober 2049 in der Hochschule der Quadratstadt auf einen gemeinsamen Kaffee zu treffen. Vermutlich werden Sabine und Kai bereits ihre Rente genießen - (in meinem Fall bin ich mir nicht sicher, aber es wird immerhin ein Sonntag ) - und hoffentlich stellen wir dann fest, dass manche der weniger schönen Szenarien Fantasie geblieben sind.
Empfehlung für das DSFP Komitee / die KLP-Nominierungsberechtigten:
Die für mich herausragendste Geschichte der Sammlung ist "Akzeptanzlücke" von Verena Schiffmann. (siehe Posting #11, Seite 1).
Bearbeitet von ChristophGrimm, 09 November 2024 - 23:35.
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#42
Geschrieben 10 November 2024 - 07:19
Ich glaube, deinen Tipp an den DSFP würde ich in den entsprechenden Thread setzen.
Und wegen KLP vielleicht im Highlight Thread Posten?
Ich habe in der Anthologie nichts, das ich beim KLP nominieren will. Da fehlt mir das herausragende Highlight
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#43
Geschrieben 10 November 2024 - 10:23
So, ich habe nun auch angefangen. Lese eure Beiträge immer erst, nachdem ich die jeweiligen Texte gelesen habe. Die Anfangsstory kam bei mir wesentlich schlechter weg als bei euch:
Esther Geißlinger: Die erste ihrer Art
Eine Person eilt in SF-Siebenmeilenstiefeln über den Campus und dabei brummt und zirpt ständig ihre Brille. Sie kommt an und wir erfahren, dass sie fast zu spät zu einer Prüfung gekommen ist. Die Prüfungskandidatin aber kommt noch später.
Achtung Spoiler: Die Prüfung, ob eine KI menschlich ist, ist ein uraltes und zig Mal verwendetes Thema in der SF. Geißlinger greift keine der altbekannten Tests auf, sondern erfindet einen neuen, wobei die Getestete nicht das Vorhersehbare tut, sondern sich einen eigenen Umgang mit dem Test überlegt: sie spielt. Das Problem an dieser Lösung ist, dass weder ich als Leserens noch das Testkomitee entscheiden kann, ob die KI gespielt oder nur ein Spiel simuliert hat. Dieses Problem greift der Text aber nicht auf.
Mich überzeugt dieser Text weder sprachlich noch inhaltlich. Auf mich wirken die Figuren aufgrund ihrer geringen Ausgestaltung wie token-Diverse, emotional hat mich der Text an keiner Stelle berührt. Witzig finde ich die Sache mit der Prüfung in einer virtuellen Umgebung, bei der aber alle real anwesend sein müssen – hier hätte man aber noch die Frage aufwerfen können (müssen?) was für eine KI reale Anwesenheit überhaupt bedeutet.
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#44
Geschrieben 11 November 2024 - 21:21
Rafael P. Bienia: Episteme einer KI-gelenkten Promotionstätigkeit
Nour möchte promovieren, ist aber dafür auf ein Stipendium angewiesen. Als sie dieses bekommt, muss sie feststellen, dass es nicht ohne Haken ist: Sie muss eine KI-Assistenz verwenden, und diese ist keine Assistenz, sondern Chefin, die ihr vorschreibt, was sie wie zu tun hat und sie dabei noch entwertet.
Die behandelten Themen dieses Textes finde ich sehr interessant: da geht es um Klassismus, Rassismus und um institutionelle Kontrolle. Die Art der Behandlung ist aber meines Erachtens nicht gelungen. Ich empfand den Text als sprachlich hölzern und umständlich, immer wieder war ich irritiert, weil Dinge nicht zusammengingen (Nour liest Braille, sieht aber dann etwas an). Die Entwertungen der KI fand ich plump und überoffensichtlich, ebenso wie die Beschreibungen, die oft reinen Aufzählungen gleichen. Weite Strecken des Textes sind aufzählungshaft: Nour tut dies, dann jenes, dann das.
Ein Weltenbau ist nicht vorhanden, wie es kommt, dass Nour sich um ein Stipendium bewirbt, dessen Rahmenbedingungen sie nicht kennt, bleibt unklar. Hinzu kommt, dass Nour als Figur für mich völlig blass bleibt und dass der Text über große Strecken nicht szenisch ist. Ich habe mich ziemlich gelangweilt.
Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich das wirklich weiter lesen mag. Wenn schon der Einstieg so langweilig ist, fürchte ich, dass ich hier wenig finden werde, was mich interessiert.
Bearbeitet von Jol Rosenberg, 11 November 2024 - 21:22.
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#45
Geschrieben 12 November 2024 - 06:32
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#46
Geschrieben 12 November 2024 - 20:52
Ha, zum Glück hab ich den nächsten noch gelesen:
Nicole Hobusch: Bei Nelly
Der Text spricht mich sofort an: Da wird eine Stimmung beschrieben, eine Figur wird lebendig. Nelly besitzt einen Kiosk, aber die ausgestellten Snacks und Getränke kauft niemand, denn eigentlich verkauft sie Drogen. Es wird gut beschrieben, wie Nelly die Spiegelung ihrer eigenen Sucht in den Student*innen sieht, die bei ihr leistungssteigernde Mittel kaufen. Wie sie meint, ihr Gegenüber retten zu müssen und dann doch einknickt.
Was ich schade finde, ist das Ende. Es schließt nicht ab, sondern öffnet eine neue Geschichte.
Bearbeitet von Jol Rosenberg, 12 November 2024 - 20:55.
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#47
Geschrieben 14 November 2024 - 16:54
Monika Niehaus: Tod einer Gleichstellungsbeauftragten
Auf einem Campus sterben drei Leute durch ähnliche Unfälle. Ein Kommissar versucht, mehr herauszufinden.
Bei einem Krimi möchte ich nicht nur die Lösung des Falls, sondern auch ein Motiv. Die Geschichte hinter dem Mord. Dieser hier liefert nur die Lösung, nicht die Geschichte oder das Motiv, und lässt mich daher enttäuscht zurück. Außerdem ist mir der Text zu phrasenlastig, die Figuren zu holzschnitthaft und ich verstehe nicht, wie die Seitenhiebe auf Personen, die Diskriminierung verringern wollen, gemeint sind. Bei aller Kritik ist festzuhalten, dass sich der Text flüssig liest und dass ich den allmählichen Perspektivwechsel am Ende recht raffiniert gemacht finde.
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#48
Geschrieben 14 November 2024 - 21:06
Kai Riedemann: Janina brennt für Bücher
Eine alte Bibliothekarin soll mit ihren Büchern in eine ungeliebte Ecke umziehen, denn heute ist alles digitalisiert. Lieber zündet sie die Bücher und sich während eines Livestreams an.
Der Text lässt sich flüssig lesen, allerdings ist für mich die Handlung der Prota nicht ansatzweise nachvollziehbar. Sie lässt mich auch völlig kalt, da mir die Figur nicht nahekommt. Auffällig ist auch die unpassende Illustration, in der eine junge (sehr normschöne) Frau in einer historisch wirkenden Bibliothek abgebildet ist.
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#49
Geschrieben 15 November 2024 - 21:54
Verena Schiffmann: Akzeptanzlücke
Eine Frau sitzt an ihrer ehemaligen Musikhochschule und trauert der Zeit nach, als sie noch jemand hören wollte. Obwohl der Text nur wenig Handlung bietet, es ist eigentlich nur ein kurzes Gespräch, hat er mich angesprochen: Ich empfinde ihn als stimmungsvoll – es wird gut eine surreale Stimmung vermittelt – und ich mochte es, wie die Hauptfigur über ihre Unzufriedenheit trotz Privilegien nachdenkt. Auch der Dialog der beiden Künstlerinnen ist gelungen, beleuchtet er doch die Frage, ob es möglich ist, Kunst durch KI zu ersetzen.
Ich mag es, wie viele Fragen der Text aufwirft. Aber warum niemand außer die Kollegin die Hauptfigur wahrnehmen kann, hätte ich doch gern gewusst.
Ich komme mir ein bissel vor, als würde ich Selbstgespräche führen. Liest hier überhaupt noch jemand mit?
Anscheinend ist das der erste Text, bei dem wir uns alle drei einig sind.
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#50
Geschrieben 16 November 2024 - 07:48
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#51
Geschrieben 16 November 2024 - 11:49
Na dann mach ich mal weiter. Vielleicht kommt ja noch jemand dazu.
Alexander Röder: Der Rosen-Algorithmus
Sprachlich fand ich diesen Text ganz großes Kino: Es wimmelt nur so vor Neologismen, Kalauern und hochsprachlichen Einfärbungen. Auch die eigenwilligen Figuren und die starken Bilder mochte ich. Leider ist der Text dadurch recht mühsam zu lesen und war für mich inhaltlich nur im Ansatz zu dechiffrieren.
Plottechnisch geht es um einen alten IT-Experten, der von der Dekanin der Universität geholt wird, um das lahmgelegte System wieder von einem Streikenden zu entkoppeln, der sich in dem System verloren hat. Was da aber genau passiert ist, verstehe ich nicht. Chris, offenbar hast du es verstanden. Magst du mich aufklären?
Auch hier fällt die Illustration dadurch auf, dass sie nur teilweise passt, denn der Nerd im Hello-Kitty-Shirt sitzt zwischen Kampfpostern und nicht, wie im Text, in den Innereien eines Riesencomputers.
Auch die Illu zum vorigen Text passte nicht recht, zeigte sie doch auch im Publikum nur Roboter.
Bearbeitet von Jol Rosenberg, 16 November 2024 - 11:50.
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#52
Geschrieben 20 November 2024 - 21:10
Katja Jansen: Digitale Distanz
Ein indischer Fernstudent an einer deutschen Uni brilliert und wird von seinem deutschen Freund beim Zocken beschissen. Eigentlich ist er verliebt in eine KI.
Dieser Text hat keinen wirklichen Plot und besteht fast nur aus Beschreibungen von Interaktionen mit Gadgets. Die wenigen Beschreibungen mit „Personen“ (eine davon ist eine KI) lassen die Figuren wenig lebendig werden. Mich hat dabei besonders die stereotype sexy Beschreibung der eifersüchtigen KI-Freundin geärgert und dass der Text zwar behauptete, in Indien zu spielen, dies aber nicht einmal ansatzweise lebendig wurde. Insgesamt habe ich mich ziemlich gelangweilt, was zum im Titel verratenen Thema passt, mich aber trotzdem nicht befriedigt.
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#53
Geschrieben 21 November 2024 - 08:00
Hm, die Story habe ich nicht besprochen, dann habe ich sie wahrscheinlich abgebrochen
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#54
Geschrieben 21 November 2024 - 14:38
Ich war auch nahe daran, gebe ich zu.
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#55
Geschrieben 21 November 2024 - 15:56
Ele Kver: Der erste Schnitt
Auch das ist eine Slice-of-live-Geschichte. Wir schauen dem Alltag einer Studentin zu, wobei ich nicht verstehe, welche Fächerkombination sie studiert. Sie springt während einer Operation in die Simulation einer philosophischen Diskussion mit Marx, wobei ich das zunächst spannend fand, sorgte ich mich doch um das Leben des Patienten. Dann wird klar, dass alles nur simuliert ist, und das Ganze zerfällt in mir sinnlos erscheinende Teile ohne Zusammenhang. Vermutlich ist das genau das, was die Geschichte zeigen will, aber aufgrund der wenig plastischen Figuren und der zähen Dialoge konnte mich das nicht einfangen.
Mich beginnt die Ansammlung dystopischer KI-Inhalte nun auch etwas zu nerven. Die Hochschule der Zukunft ist, so scheint es, vor allem einsam und ungerecht.
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#56
Geschrieben 21 November 2024 - 16:08
Alina Schad: A Beautiful Cheat
Der Text braucht eine Seite, um mich einzufangen, aber dann hat er mich: Ein Ermittler soll den verdacht klären, ob Studierende bei den Prüfungen geschummelt haben. Dazu sieht er sich Filmaufnahmen an. Schad beschreibt eindringlich, wie er einer Studentin in der Aufnahme nahekommt und wie in dieser Sehnsucht seine Einsamkeit deutlich wird. Unterschwellig geht es außerdem um Klassismus und Privilegien. Auch sprachlich finde ich den Text gelungen: die dichte Stimmung, die etwas eigenwilligen Beschreibungen. Nur die Pointe verstehe ich trotz mehrfachen Lesens nicht, was bei einer Kriminalgeschichte natürlich frustrierend ist.
Ich habe gleich mal nachgelesen, ob ihr die Pointe gerafft habt. Wenn es wirklich so sein soll, wie von Chris nahelegt, dann zerstört das für mich leider den gesamten Text. Denn das ist ja keine Auflösung, was sie wie gemacht hat.
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#57
Geschrieben 21 November 2024 - 17:00
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#58
Geschrieben 22 November 2024 - 19:04
Katharina Münstermann: Ethikkomission
Eine Studentin möchte das Studienfach wechseln, aber da eine KI das perfekte Fach für sie ausgewählt hat, braucht es dazu ein Vorsprechen vor einer Kommission. Münstermann gelingt es in beeindruckender Weise, in einem kurzen Gespräch einen dystopischen Weltenbau eines Überwachungsstaates aufzublättern, in dem die Hauptfigur der Geschichte kaum Möglichkeiten hat, sich ihrer eigenen Moral folgend zu verhalten. Eine Pointe liefert die Geschichte nicht, aber das brauche ich hier auch nicht, die Gesellschaft wird so bedrückend und gut gezeichnet, dass mir das ausreicht. Auch die Illustration zu dieser Geschichte bietet mir keinerlei Mehrwert. Ich finde die Abbildung eines Gesichts und einer Roboterhand eher irritierend.
Lynn Weiher: Eindringling in Sektor G
Hier ist es eine Lehrende, die Probleme mit der KI hat: Ihr Auge ist geschwollen und sie kann ihren Vorlesungssaal nicht erreichen. Zwei Polizist*innen sollen feststellen, ob sie die ist, die sie zu sein vorgibt, aber wie soll das gehen, wenn man sich dazu auf Maschinen verlassen muss, die an einem geschwollenen Auge scheitern?
Ich mochte den lockeren Schreibstil und die launige Beschreibung des Verhörs, allerdings wird zum Schluss des Textes eine Pointe angedeutet, die dann nicht kam (oder ich habe sie nicht verstanden), was ich enttäuschend fand. Was hat es mit dem Roboterarm auf sich? Auch hätte ich mir eine etwas plastischere Figur gewünscht, vor allem aber mal keine Dystopie und eine Geschichte, die wirklich Handlung und Spannung bietet. Auch das Ende überzeugt mich nicht, auf mich wirkt es wie ein billiger Witz.
Auch hier fällt auf, die Illustration bemerkenswert am Thema vorbei geht, zeigt sie doch eine normschöne Frau mit Augenverband … und eben nicht geschwollenem Auge.
Bearbeitet von Jol Rosenberg, 22 November 2024 - 19:09.
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#59
Geschrieben 23 November 2024 - 12:19
Sabine Frambach: Mäuse und Menschen
Laborgehilfin Malin assistiert im Studium, wobei lebende Tiere heute nicht mehr zu Hunderten sterben müssen, da es gute Simulationen gibt. Als trotzdem eine Maus zu Schaden kommt, möchte Malin den Fall aufklären.
Der flüssig geschriebene Text ohne Perlen lässt die Hauptfigur und die Umgebung recht plastisch werden. Besonders gelungen finde ich, dass keine eindeutigen moralischen Urteile getroffen werden und dass der Umgang von Menschen mit Tieren trotz der Kürze recht vielseitig beleuchtet wird. Auch das Ende scheint mir recht gelungen, auch wenn ich mich frage, welchen Zweck es innerhalb der Geschichtenwelt erfüllen soll.
Die Illustration einer weißen Labormaus im Glaszylinder ist naheliegend, aber passend.
Meinhard Saremba: Vom Verschwinden der vierten Dimension
In trockener und fachtexthaft anmutender Sprache wird hier eine Welt aufgebaut, in der Wokeness zur Staatsräson geworden ist und eine Diktatur vorgibt, was man zu denken hat. Dabei geht jede Vielschichtigkeit verloren. Auf einer Konferenz treffen sich Menschen, die das Erbe von Mozart, Beethoven & Co aufrecht erhalten wollen, wobei deutlich wird, das es ein Grundrecht ist, eigenen Ismen anhängen zu dürfen.
Inhaltlich finde ich die gestellten Fragen durchaus spannend. Sie werden aber leider schwer lesbar und langweilig dargeboten, ich fand sämtliche Figuren blass und den Weltenbau infodumpig dargeboten. Außerdem fehlten mir hier deutlich die Grautöne: Die Stilisierung von Greta Thunberg als Feindbild erinnert mich zu sehr an „Fuck Greta“-Aufkleber auf SUVs. Auch wenn ich den Text als Satire gelesen habe, frage ich mich, warum ein so populistischer und zuspitzender Text in dieser Sammlung abgedruckt worden ist. Zum Thema scheint er auch nicht recht zu passen. Ist mir da was entgangen? Ich lese gleich mal nach.
Bearbeitet von Jol Rosenberg, 23 November 2024 - 12:20.
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#60
Geschrieben 23 November 2024 - 12:24
Okay. Yvonne schweigt vornehm und Chris vermutet, wie ich auch, eine getarnte Streitschrift gegen heutigen linken Aktivismus. Ich bin sehr froh, dass ich bei dieser Ausschreibung nicht mitgemacht habe, es wäre mir unangenehm gewesen, neben diesem Text abgedruckt zu werden, der so einige Ismen reproduziert. Natürlich finde ich, dass Satire nicht politisch korrekt sein muss, aber vielschichtig sollte sie schon sein. Hier bekommen aber nur ohnehin marginalisierte Gruppen ihr Fett weg.
Bearbeitet von Jol Rosenberg, 23 November 2024 - 12:28.
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