Hallo,
zu dem brisanten Thema "Military-SF, Spaß oder Geschmacklosigkeit?" möchte ich auch noch ein paar Gedanken beisteuern, ohne hier Partei zu ergreifen:
Ich schiebe alles auf die moderne Gesellschaft :-) und die Gene...
Meine These lautet ja, dass etwas umso "interessanter" ist, je weiter es aus der Lebenswirklichkeit eines Menschen entfernt wurde. Interessanter in einer abstrakten Form, wie Unterhaltung, Stoff für Filme, Romane, etc
Der Krieg ist in der westlichen Gesellschaft bzw im Großteil Europas aus dem täglichen Leben verbannt (ich würde sagen zum Glück). Die Kriegszeugen sterben aus, Wehrdienst leisten immer weniger, Frauen überhaupt nicht.
Und selbst jetzt, in den Zeiten des Irakkrieges erleben "wir" das Ganze nur im TV.
Gefahr ist ebenfalls subjektiv geringer geworden. (Wer denkt an Unfälle, wenn er ins Auto steigt?) Es gibt Regeln, Gesetze und Gebote, Tabus und so weiter, die das menschliche Zusammenleben regeln. Nicht immer optimal, aber es könnte schlimmer sein.
Gefühle, gleich welcher Art, Agressionen ... können im Alltag kaum angemessen ausgelebt werden, doch sie gehörem zum "biologischen Programm".
Der Mensch durchläuft eine ziemlich langsame Evolution seit relativ kurzer Zeit (hey, was ist der Mensch gegen z. B. die Frösche oder Spinnen).
( * Fußnote)
Ich denke, der Organismus, der einst für eine recht gefährliche Umwelt geschaffen wurde optimiert wurde) und vom Sammeln und der Jagd auf Großwild lebte, hat einfach Probleme, sich an die heutigen Bedingungen anzupassen.
Platt gesagt, ich würde annehmen, jemand, der Angst haben muss, dass ihn ein Säbelzahntiger wegschnappt, sobald er die Nase aus der "Höhle" streckt, der verspürt keine Neigung zu Extremsportarten oder simulierten Gefahren. Weil der schon Freeclimbing und 'Rette dein Leben' jeden Tag auf der Jagd macht.
Dem Urmenschen (s. u.) dient Adrenalin zum Überleben, um extreme Verletzungen zu überstehen, oder für seine Sippe einen guten Jagdplatz zu sichern - notfalls gegen die Belange anderer Gruppen.
Für den heutigen Menschen (der westlichen Welt) sind diese Gründe überflüssig oder tabuisiert. Aber das Adrenalin etc. ist trotzdem da und lässt sich nicht einfach wegschieben. Jeden Tag Bodybuilding ist auch nicht jedermanns Geschmack, also "muss" was anderes her.
Simulierte Gefahren, Computerspiele, Eintauchen in Buch- oder Film-Welten sind ein gesellschaftlich anerkannter Weg, um sich abzureagieren oder Spaß zu haben. Als Beispiel Horrorfilme: der Spaß an der Angst, die Lust am Nervenkitzel
Warum ausgerechnet Military SF?
Krieg, Kampf und Lebensgefahren sind für die meisten Bürger weit entfernt.
Aber - und hier möchte ich an Martins Argumentation anknüpfen - Gewalt ist es nicht zwangsläufig. Und deswegen treffen Vergewaltigungen den Nerv sehr viel tiefer als es zum Beispiel der Tod eines Monster-Aliens tut. Weil es z.B sexuelle Gewalt in der Gesellschaft weitaus häufiger gibt als Aliens. Die Statistiken sind da sehr erschreckend.
Ebenso würde ich meinen, dass neben der Lebenswirklichkeit auch die geographische Entfernung eine Rolle spielt, wie direkt eine Szene den Leser beeindruckt.. Ich postuliere mal, dass einen durchschnittlichen TV-Zuschauer der dargestellte Mord in der Bronx kalt lässt, aber wenn ein Mord in der Kölner S-Bahn gezeigt wird, die man evtl selbst jeden Tag nutzt, ist das Entsetzen plötzlich groß. Weil man die Morde in der Bronx nur als fiktives Kunstprodukt kennt, aber von einem S-Bahn-Überfall in der Zeitung gelesen hat, die Bahnen wiedererkennt usw..
Wohnte man in NY wäre das vermutlich umgekehrt.
Wenn also die 'entfernten' Bereiche Militär, Krieg zusammenkommen und das Ganze dann jenseits der Milchstraße spielt, ist der Realitätsbezug so gering, dass 'man' selbst sich davon unterhalten lassen kann, ohne einen direkten Bezug zur Realität finden zu müssen.
Natürlich kann man sich auch von anderen Dingen unterhalten lassen - Disney-Filme, Musicals, Kunst, Fantasy-Romane, Memory... das würde ich als Geschmacksfrage bezeichnen.
Jetzt reißt bitte mich und meine Argumente nicht gleich in Stücke. Spielt lieber mal ne Runde... oder lest ein gutes Buch (was auch immer das für euch ist)
Gruß,
Linda
edit: Ergänzung
++++++++++
*Fußnote: Der Neanderthaler (homo sapiens neanderthalensis) hatte vor ner halben Million Jahre schon eine geistige Vorstellung der Welt und des Jenseits, war äußerst sozial und konnte sich verständigen. Von wegen Gesetz des Stärkeren: es gibt viele archäologische Beweise dafür, dass Verletzte, Behinderte und Alte in der Sippe miternährt wurden, auch wenn sie keine "Funktion" mehr besaßen.
Der Jetztmensch (homo sapiens sapiens) das sind vom Potential her wir, nur mit mehr (anderem) Wissen und mehr Kontrolle als der Mensch vor 30.00 Jahren.[I]
Bearbeitet von Linda Budinger, 03 Februar 2005 - 01:12.