Dazu kommt ein scharf beobachtender und manchmal lakonisch kommentierender Blick sowohl der Protagonisten (noch häufiger der Protagonistinnen) auf die Geschehnisse um sie herum. Da fallen dann am Rande Sätze wie "Irgendwie schien es eine Grundkonstante vernunftbegabten Lebens zu sein, an die Besänftigung von Göttern zu glauben, die in einem tiefen Vulkanschlund hausten. Idealerweise mit einem Opfer aus ihrer Mitte, das erstaunlich oft per Losauswahl bestimmt wurde und erstaunlich selten aus der Familie oder dem Freundeskreis des jeweiligen Hohepriesters stammte.", die genauso gut von Neil Gaiman, Terry Pratchett oder Bill Bryson stammen könnten.
So sehr ich mich über das wohlwollende Urteil und die schmeichelhaften Worte freue, aber da muss ich schon aus Gründen des sogenannten "Expectation Managements" widersprechen. So gut wie die hier genannten großen Namen bin ich nicht, so gut ist meine Schreibe nicht, so gut wird sie wahrscheinlich auch niemals werden. Ich kann weiter lernen, mich verbessern, meinem Lektorats- und Korrektoratsteam ewig dankbar sein, dass es meine Logiklücken immer schneller erkennt und Vorschläge zum Schließen derselben bringt sowie die grammatikalischen und rechtschreibtechnischen Grausamkeiten, die ich ihnen vor die Füße werfe, in etwas Annehmbares verwandelt. Aber für die absolute Spitze ist dann doch noch ein Stück mehr erforderlich, das mir fehlt. Aber damit kann ich leben, nicht jeder Maler ist ein Van Gogh, nicht jeder Tüftler ein Leonardo da Vinci. Wenn ich mein Handwerk dahingehend verbessere und verfeinere, dass Leser und Leserinnen ungeachtet des jeweiligen Genres zugreifen und nicht enttäuscht werden, reicht das zu meiner Zufriedenheit, und darauf arbeite ich gerade hin.
Ich hoffe, dass Ertlov es eines Tages schafft, dieses Niveau am Anfang einer Reihe zu etablieren. Und natürlich, dass er Band 6 von Stargazer nicht vergeigt.
DAS hoffe ich auch! Wobei die meist nicht-so-idealen Erstlinge einer Reihe auch damit zusammenhängen, dass ich stark iterativ arbeite. Das habe ich mir von den Computerspielen angewöhnt, und es hat schon einen gewissen Sinn. Ich will jetzt nicht das böse A-Wort in den Mund nehmen, aber es hat seine Vorteile, möglichst zügig so schnell wie möglich ein veröffentlichungsfähiges Buch zu haben, dies am Markt, den Lesern, Leserinnen und Fachmeinungen zu testen und dann darauf aufbauend zu verfeinern und zu verbessern. Das geht natürlich nur, wenn man alles von Anfang an als Reihe plant. Wobei ich inzwischen penibel darauf achte, dass die Haupthandlung in jedem Band vollständig abgeschlossen ist. Dieses "Hier ist der Cliffhanger, und hier der Vorbestellungsbutton, bitte kaufen!" mancher Kollegen im SP Universum empfinde ich gelinde gesagt suboptimal. Trotzdem: Dass ich mit so einer Vorgangsweise bei einem Jurypreis eher nicht auf der Shortlist lande und es bei Band 1 (und manchmal auch 2 oder gar 3) genug Kritikpunkte für Anspruchsvolle gibt, ist mir vollkommen klar.
Aber es geht auch anders - im vorigen Jahr habe ich für einen deutschen Genreverlag, dessen Werke mitunter auch bei KLP und DSFP zumindest vorne mitmischen, eine Mischung aus Steampunk und "Bridgerton auf Speed" geschrieben. Keine Reihe, keine zweite oder gar dritte Chance, und entsprechend habe ich an diesem Werk dreimal so lange und viel, viel gründlicher, pedantischer und teilweise richtiggehend paranoid (auf meine Schwächen bezogen) gearbeitet.