Einer der Regisseure unserer Zeit, die immer wieder als herrausragendes Genie bejubelt werden, ist der Koreaner Chan-Wook Park [Jahrgang 1963].
Obwohl "erst" 13 Filme auf sein Schaffenskonto gehen, stieß ich immer wieder auf Kritikerstimmen, die ihn als einen virtuosen oder brillanten Regisseur mit durchgängiger "Trefferquote" zu bezeichnen. Zur Überprüfung all dieser Lorbeeren schnappte ich mir eine Tüte Chips und begann meinen Chan-Wook-Park-Abend.
Welche der 13 Filme ich sehen wollte, war nach einiger Recherche klar: Es mussten Teile seiner allseits als "Meisterwerk" gekrönten "Rache"-Trilogie sein.
Zwischen 2002 und 2005 drehte Park drei voneinander unabhängige Filme zum Thema Rachenehmen, als da wären:
Sympathy For Mr. Vengeance - 2002
Oldboy - 2003
Sympathy For Lady Vengeance - 2005
Die Wahl fiel auf die beiden Letzteren.
Film 01 - Sympathy For Lady Vengeance, 2005
Dieser Trailer hatte mich überhaupt erst auf Chan-Wook Park aufmerksam gemacht, außer Frage also, dass "Lady Vengeance" meinen Einstieg markieren sollte.
Es ist die Geschichte der jungen Gefangenen Geum-Ja, die als 19-jähriges Mädchen einen kleinen Jungen ermordet haben soll. Nach 16 Jahren Gefangenschaft wird sie entlassen und stürzt mit dem Zuschauer in die veränderte Welt hinaus. In den folgenden zwei Stunden sind Gegenwartsereignisse mit Szenen der Vergangenheit verwoben und nach und nach erfahren wir, dass dieser Fall auf extreme Weise komplexer ist als angenommen, enträtseln langsam Geum-Jas perfiden Plan. Natürlich geht es um Rache, Rache in unvorstellbarer Form, Rache mit 16 Jahren Vorbereitung...
"Lady Vengeance" ist, um gleich mal auf den Punkt zu kommen, einer der verstörenderen Filme, die ich kenne. Vor allem die letzte halbe Stunde stellt eine Belastungsprobe für den Betrachter dar (Schlagworte: Kindsmord, Vergewaltigung, Folter, urks).
Dennoch ist dieser Film der Grausamkeiten auch ein wunderschönes Gedicht, dem man völlig verfallen kann. Ständig von Vivaldis Gänsehautmusik begleitet, mit versteckten Specialeffects, Farbspielereien - und vor allem oscarreifer Cinematographie/Kamera. Ich kann und will euch nicht mehr verraten, schaut in den Trailer hinein und entscheidet nach eurer Belastbarkeitsgrenze, ob ihr in den Genuss dieses Meisterwerkes kommen wollt.
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23:00 Uhr, Park ist für mich schon ein Zauberer.
Gespannt lege ich "Oldboy" ein.
Film 02 - Oldboy, 2003
Wow, schon die Exposition des Filmes reicht, um einen zum Zerreißen zu spannen: Ein Mann namens Oh-Dae-Su wird von einem Unbekannten mit violettem Regenschirm in einer Gewitternacht auf offener Straße gekidnappt und in einen seltsamen Raum gesperrt. Er wird die nächsten 16 Jahre in diesem Raum bleiben. Nur ein Fernseher, ein falsches Fenster und Schreibzeug bei ihm.
Oh-Dae-Su kommt schließlich frei. Jetzt ist er nicht mehr viel mehr als eine Bestie, ein Monster. Das erste, was er verspeist, ist ein lebender Oktopus (Wahnsinnsszene, btw). Der Ausdruck auf seinem Gesicht verrät nur ein Verlangen: Rache nehmen, an seinen Kidnappern...
"Oldboy" ist nicht ganz so poetisch wie sein Nachfolger, dafür umso cleverer und - tatsächlich - noch extremer. Der Plot, der sich bis zum Ende nur in Happen offenbart, sorgte auf den Foren der IMDB für einige Schreie des Entsetzens, weil er sich auf perfide Weise mit empfindlichen Tabuthemen auseinandersetzt.
Da ich zwischen Film und Realität zu differenzieren vermag, konnte ich trotz der schockierenden Elemente sehr in die Bildersprache und Emotion des Films eintauchen. Park schafft wieder das Kuriose: Man ist aufs Letzte entsetzt, und doch fasziniert von "Oldboy". Der Film ist stylisch, gut erzählt und gipfelt in einer Auflösung, die einem den Schlaf rauben kann. Wie bei "Lady Vengeance" runden großartige Orchestermusik und Kamera-Arbeit den Sehgenuss ab.
[Desweiteren gibt es den schönsten Kleiderschrank aller Zeiten zu sehen. Echt.]
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Ich widerspreche keinem Kritiker. Chan-Wook Park ist einer der Großen, vor allem, weil er nicht nur tolle Filme macht, sondern tolle Filme aus schlimmen Themen machen kann.
Bald hole ich "Mister Vengeance" nach, ein bisschen Erholungszeit brauche ich aber auch.
Bearbeitet von Jueps, 01 Januar 2023 - 21:29.