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Besser kompliziert oder einfach genial?


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65 Antworten in diesem Thema

#1 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 13 Januar 2007 - 11:44

Eine vielleicht provokante Frage, aber bei diversen Diskussionen über gute/schlechte Literatur/Musik/Filme wird immer wieder das Argument des Anspruchs gebracht.Daher die Frage: Besser kompliziert oder einfach genial?In der Musik bestechen die größten Hits durch ihre Einfachheit. Auch im Film sind es selten die tiefgründigen Charakterdarstellungen, welche die Welt erobern.Auch in der Literatur gibt es Bestseller wie Harry Potter, die Idee dahinter wirkt ja alles andere als Revolutionär.Ist also weniger mehr? Das einfache Konzept die wahre Geistesleistung? Oder sind doch die komplexen Romane das Maß aller Dinge?

#2 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

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Geschrieben 13 Januar 2007 - 12:10

Ich weiss nicht, ob die Frage tatsächlich sinnvoll gestellt ist. Ist nicht entscheidender, ob ein Buch/Film/etc. seinen eigenen Ansprüchen genügt. Beispielsweise mag ich Actionfilme sehr gerne. Ich erwarte von einem guten Actionfilm keine philosophischen Höhenflüge, aber er muss in sich kohärent sein, die Actionszenen müssen gut choreographiert sein, und der Held darf nicht ein ganzes Haus mit einer einzigen Kugel in die Luft sprengen. Die Figuren müssen nicht unglaublich differenziert gezeichnet sein, aber eine gewisse Grundplausibilität muss da sein. Als aktuelles Beispiel für Action-SF: "Deja Vu". Ich erwarte von dem Film nicht, dass er eine plausible Erklärung für Zeitreisen bietet, denn das kann er nicht; aber ich erwarte von einem Zeitreisefilm, dass die Sache mit dem Zeitreiseparadoxon einigermassen sauber durchgedacht wird, was in "Deja Vu" nicht gemacht wurde. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist das ähnlich, wie wenn ein Tänzer in einem Musical aus dem Takt ist oder wenn in einem Römerfilm Kartoffeln gegessen werden.Daneben gibt es einfach noch die Frage, was den einzelnen interessiert, aber ich denke dass man in vielen Fällen von Präferenzen abstrahieren kann und analysieren, ob ein Werk innerhalb seines Feldes/Genres funktioniert.

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Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

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#3 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 13 Januar 2007 - 13:48

Was für eine Frage! ich bin mir gar nicht sicher, wie und ob ich die verstehe. Deshalb formuliere ich mal sachte an die Frage heran.

Ein Gegensatz soll angenommen werden. Zwischen ›einfach genial‹ und ›anspruchsvoll kompliziert‹.

Am wichtigsten erscheint mir, daß eine Sortierung in diese beiden Schubladen sehr heikel ist. — Um für sich entscheiden zu können, ob etwas ›mit Anspruch‹ daherkommt oder nicht, muß man diesen Anspruch ja erkennen können. Jeder Text konstruiert (oder setzt eben voraus) einen ›idealen Leser‹. Für gewöhnlich sollen eben solche Dinge wie Genreschubladen, Aufmachung (Cover), Klappentext dabei helfen, sich mit entsprechend fruchtbarer Einstellung einem Werk zu nähern. Und so geht es im Buch weiter. Vorwort, Motto und der Einstieg sollten (idealerweise) dem Leser markante Signale dazu vermitteln, worauf er sich einläßt, damit er sich darauf einstellen kann. — (Ganz nebenbei: man beachte diesbezüglich die Landkarten- und Glossar-Begeisterung der Fantasy-Phantastik! Wobei: auch die SF kennt Glossare!).

Beispiel zweier klassischer Romane: Sowohl »Krieg und Frieden« als auch die »Buddenbrocks« haben zu Beginn einiges an wörtlicher Rede auf Französisch. Wer also so ungebildet ist und das nicht versteht, hat also ein böse Hürde, bzw. Leerstellen vor sich. — Man kennt sowas ja auch von z.B. philosophischen Büchern. Da gibts Autoren, welche dem Leser die fremdsprachigen Stellen in Anmerkungen oder Fußnoten aufdröseln, und solche Autoren, die meinen, wer das Latein, Griechisch, Englisch usw nicht selber aufdröseln kann, ists eh nicht wert das Buch zu lesen.

Hier eines meiner Lieblingsbeispiele für einen solchen Zaunpfahl:

»Nichts geht über ein wenig wohlgedachten Leichtsinn«, sagt Michael Finsbury in der Geschichte; und es gibt auch keine bessere Entschuldigung für das Buch, das der Leser nun in Händen hält. Die Verfasser können dazu lediglich noch bemerken, daß der eine von ihnen alt genug ist, um sich zu schämen, und der andere jung genug, sich zu bessern« — R.L.Stevenson/L.osbourne DIE FALSCHE KISTE

Man denke auch an Twains Klausel zu Beginn von »Huckelberry Finn«

ZUR BEACHTUNG: Personen, die versuchen, ein Motiv in dieser Erzählung zu finden, werden gerichtlich verfolgt; Personen, die versuchen, eine Moral darin zu finden, werden verbannt; Personen, die versuchen, eine Fabel darin zu finden, werden erschossen.
Auf Befehl des Autors
für G.G., Kommandant der Artillerie

… oder Anro Schmidts Variation darauf in »Das Steinerne Herz«:

… Infolgedessen wird, im Auftrag des Autors, wie folgt verfügt:
a) Wer in diesem Buch ›Ähnlichkeiten mit Persobnen und Ortschaften‹ aufzuspüren versucht, wird mit Gefängnis, nicht unter 18 Monaten bestraft.
b) Wer ›Beleidigungen, Läserunen, o.ä.‹ hineinzukonstruieren unternimmt, wird des Landes verwiesen.
c) Wer nach ›Handlung‹ und ›tieferem Sinn‹ schnüffeln, oder gar ein ›Kunstwerk‹ darin zu erblicken versuchen sollte, wird erschossen.
Bargfeld, den 10. März 1960
das Individuumsschutzamt
(gez. D. Martin Ochs)


Später können sich sich dann z.B. Literaturwissenschaftler daranmachen, anhand solcher Eigenheiten Rückschlüsse zu ziehen auf z.B. den Zeitgeist, oder den ›idealen Leser‹ wie er dem Autor vorschwebte.

Wiegesagt: ob man etwas als ›kompliziert anspruchsvoll‹ oder ›simple Unterhaltung‹ nimmt, hängt mindestens so sehr von der Einstellung des Lesers beim Konsum ab, wie von der Einstellung des Autoren beim Produzieren (und die dazwischenfunkenden/vermittelnden Instanzen sorgen für das nette Durcheinander, das wir ›den Medienmarkt‹ nennen). — Da gibt es diese unverschämte Möglichkeit des ›Gegen den Strich lesens‹. Persönliches Beispiel dazu: Im GuG bin ich gegenüber Adornos Zeug sehr skeptisch, aber ich erlaube mir, sein »Minima Moralia« als ein humoristisches Buch zu lesen; sprich: ich bin der Meinung, daß Adorno in diesem Buch mehr Humor an den Tag legt, als man mit diesem Autor gemeinhin verbindet.


Somit ist es also von großer Bedeutung, welche Lesehaltungs-Kenntnisse und Begriffs-Vielfalt dem Konsumenten zuhanden sind. »Was der Bauer net kennt, frista net.« — Oder auch: Wer den Mitteilungs-Modus nicht entschlüsseln kann, wird ein Werk entweder falsch aufnehmen, und/oder wenig bis gar nichts Erbauliches daraus ziehen können.

Hier spielt nun der Gegensatz zwischen ›Konvention‹ und ›Originalität‹ hinein. Konventionen sind wohlbekannte, allgemein akzeptierte Eigenschaften von Werken (Bilder mit Rahmen, Bücher die man von vorne nach hinten ließt, Filme mit Main Titles). Nur vor dem Hintergrund der Konventionen hebt sich das Originelle ab. Aber auch hier gibts nur vage Orientierungs-Marken, denn das Verhältnis von Konvention/Originalität (also von ›bestehenden Regeln‹ und ›Regelüberschreitungen‹) wandelt sich mit dem Lauf der Moden, und hängt wiederum sehr vom kulturell-geschmacklichem Gepäck des Konsumenten ab.

BEISPIEL UNTERSCHIEDLICHER BEGRIFFSRAHMEN:
So kennt die europäische Ästhetik solche bis heute einflußreichen Begriffe wie ›das Erhabene‹, ›das Groteske‹ und ›das Pittoreske‹. Die japanische Ästhetik aber ist von Begriffen geprägt wie ›Sabi‹ (›Patina‹, Reife & stille Würde des Alterns & Gerbauchtseins, unaufdringliche Schlichtheit), ›Wabi‹ (mit Bedacht gewählte ›Armut‹, Kargheit, Einfachheit) und ›Yûgen‹ (schwebende Stimmung geheimnisvoller Weite & Tiefe).

Ich bringe diese Gegenüberstellung europäischer und fernöstlicher Grundbegriffe der Ästhetik nicht von ohngefähr an. Immerhin erfährt mit dem Manga/Anime-Boom insbesonders die SF eine ›Fortbildung‹ in Sachen Weltästhetik. — Es ging sicherlich nicht nur mir so, daß Animes zu gucken anfangs ganz schön gehörig Erwartungshaltungen überraschte. Da gibt es viele Konventionen, die erstmal seltsam anmuten. — Einige Anime-Merkmale: deren Mischung aus Realismus (Technik-Oberflächen) und Cartoon (Rehaugen); die Inszenierung von stillen Momenten (Konvention: Stille und Verharren vor dem Moment der Gewalt, aus der sich die Bullet Time entwickelt hat); die für Westler oftmals ›unbekümmert‹ anmutende Vermischung von Hard-SF (z.B. gesellschaftlich vergleichsweise harter Cyberpunk) und religiöser Mystik (Lebensstromkräfte und transzendente Essenzen).

So kann, was für einen japanischen SF-Fan beste Konfektionswahre ist sich locker-flockig genießen läßt, für mich als Europäer als ungemein radikal-originelles Werk daherkommen, daß sich anspruchsvoll ausnimmt (und umgekehrt: für einen Europäer Konventionelles mag einem Japaner anspruchsvoll neu erscheinen).


Lange Rede kurzer Sinn: Simifilm bringt es auf den Punkt, wenn er davon schreibt, daß Werke ›in sich koheränt‹ sein müssen. Wobei natürlich wiederum alles davon abhängt, was als ›koheränt‹ gilt; denn es gibt z.B. die Möglichkeit, eben die Nichtkoheränz (oder Zumindest: eine gehörige Verwirrung) zur prägenden Eigenschaft eines Werkes zu machen (Maximalbeispiel: »Finnegans Wake« oder auch Werke der Dadaisten, des Non-Sense). — Etwas sanfter als solch eine Totalverweigerung von ›Sinn‹ und klarer Entschlüsselbarkeit ist die Möglichkeit der gewollten Mehrdeutigkeit und Offenheit eines Werkes (Paradebeispiel: Kubricks »2001«).

Man denke auch an den Unterschied zwischen Konsumenten-Beruhigung (Wellness-Dienstleiung) und Konsumenten-Verstörung (Provokation). Beide Vorgehensweisen haben jeweils ihre Konventionen. Wer sich mit Horrorsachen wohlfühlt, wird Ekelszenen und Gemetzel kaum als die Provokation nehmen, die solche Genre-eigenen Extreme für jemanden darstellen, der mit Horrorkram nicht so gut kann.

Obwohl diese modernen Ästhetiken der Verstörung, Provokation, Mehrdeutigkeit und des gewollten ›Irrationalismus‹ mittlerweile auf eine eigene Tradition zurückblicken können, ist es nicht liederlich, wenn man sie im Gegensatz zu den ›klassischen Formen‹ als anspruchsvoller oder zumindest ungewöhnlicher einstuft.

Zuletzt nur noch eine kurze Erwähnung eines weiteren Spannungsfeldes, in dem sich die begriffliche Gegensätzlichkeit von ›anspruchsvoll‹ und ›einfach‹ zeichnen lassen.

Es gibt ›Ansprüche‹ des Inhalts und solche der Form.
Inhaltliche Ansprüche haben mit Themen zu tun. Hier greifen Fragen nach der Zeitgenossenschaft, oder der gesellschaftlichen Relevanz. Themen wie Serienmörder, Verschwörungstheorien, Esokram fallen mir ein, die oftmals als heikel eingestuft werden. — Aber das Thema Serienmörder kann man eher locker anpacken (Jacksons »The Frighteners«) oder auch mit ›ernsthaftem Anspruch‹ (»Der Todmacher«). Komplexität tritt hier zutage mittels der Art und Weise mit der ein Weltenbau, das Geflecht der handelnden Figuren, die Kleinteiligkeit der Vorgänge (Kausalitäten) entworfen werden.
Ansprüche der Form lassen sich vielleicht leichter durch die Brille der Komplixät/Schlichheit betrachten. Hier gibt es z.B. solche Konventionen wie sie z.B. durch die aristotelische Forderung nach der Einheit von Raum, Zeit und Thematik postuliert werden. Lustigerweise ist es zumeist eher ein origineller Kniff, wenn man sich an dieses Programm hält (»Nick of Time«, »Phone Booth«, »24«). Üblicherweise erwartet man, daß eine Geschichte von A nach Z erzählt wird. Stellt man das auf den Kopf (z.B. »Memento«), gilt das dann eher als ungewöhnlich. — Dann: wir leben in den in der hohen Modetagen des ›Reinspringens in die Handlung‹; Vorspiele (Prologe) oder z.B. panoramische Einstiegssequenzen sind heute eher die Ausnahmen (wenn auch nicht grad super-selte; bei Historienfilmen sind z.B. einleitende Texttafeln durchaus üblich, so wie bei Märchen zu beginn das große ilustierte Buch aufgeschlagen wird und ein »Es war einmal…« aus dem Off anhebt).

Um Simifilms Argument aufzugreifen:
Inhalt und Form eines Werkes sollten soweit zueinander passen, daß man als Konsument eine faire Chance hat, den Entcodierungs-Schlüssel zu finden. — Alles andere hängt dann wohl eher vom Betachter ab, und ob man eben z.B. eher trachtet sich zu ›entspannen‹ oder zu ›bilden‹. Ich setzt ›entspannen‹ und ›bilden‹ deshalb in einfache franz. Anführungszeichen, weil auch hier keine eindeutige Ordnung besteht. ›Bilden‹ kann Info-Aufsaugen (Fakten, Daten, Zusammenhänge), aber auch Seelen-Bildung (z.B. Erweiterung des Empfindungsspektrums, Zornformung, Vorstellungskraft-Training) heißen. Und ›Entspannung‹ mag daherkommen als süß (›Kitsch‹, das Niedliche, Tröstliche) oder scharf (Äktschn, Explosionen) oder Bitter-Sauer (Grauen, Ekel, Tollschocks) usw.

Glückwunsch: Ihr habt das Ende dieses Stegreif-Vortrags erreicht.
Grüße
Alex / molosovsky

Bearbeitet von molosovsky, 13 Januar 2007 - 14:21.

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#4 Mammut

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Geschrieben 13 Januar 2007 - 14:37

Wow!

#5 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 14 Januar 2007 - 13:53

Schöner Threadtitel! (Schon fast selbst-beantwortend! :smokin:) Und molos Post hat glaub ich den Board-Längen-Rekord geschlagen. Bevor ich mir den genauer ansehe, erstmal frei von der Leber weg meine Replik zur gestellten Frage:

Auch ich finde die Frage etwas hinterlistig. Grundsätzlich halte ich Einfachheit für ein gutes Grundziel eines jeden Schaffenden - m.E. hinterlassen die einfachen Klassiker bei den meisten Menschen einen bleibenden Eindruck. Wenn man z.B. von moderneren Malern Miro mit Pollock vergleicht, wird den meisten sicherlich Miro besser gefallen, obwohl beide relativ abstrakt malen. Die Frage ist aber ob es nicht immer verschiedene "Interpretationsgruppen" gibt, die zu ganz unterschiedlichen Schlüssen kommen können bei ein und derselben Arbeit. Wer bewertet endgültig den relativen Wert der Aussagen solcher Gruppen zu einem gegebenen Kunstwerk? Ich persönlich mag bei Gedichten, Comic-Texten und Drehbüchern z.B. einfache, prägnante Wortwahl (obwohl ich auch Ausnahmen einräume - z.B. Fils genial absurdes Didi & Stulle in der Berliner Stadtzeitung "zitty", oder Chaykins Time²). Letztendlich wählt glaub ich jeder seinen eigenen "Level" der Einfachheit, die ihm wohl tut bei einem Medium oder sogar einem Autor, und hält dieses Niveau dann für "gut". Nur gut dass Kunst grundsätzlich alles darf...

Evtl. sollte die Frage lauten: Wenn man vom laienhaften Kunstbetrachter zum "Kunstkenner" wird, bewegt sich dann die "Güte" des Bereichs in dem man sich spezialisert hat, weg vom Einfachen, in Richtung mehr Komplexität? Anders gefragt: Wenn wir KunstschaffendeN X immer näher kennenlernen inkl. ihrem/seinem Umfeld, sind wir dann mit ihren/seinen einfacheren Produkten weniger zufrieden als vorher? Vielleicht ist das Gute am Komplexen ja einfach nur eine Spiegelung der Einschätzung der eigenen Kenntnis der Materie. Schade wenn es so wäre.

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 14 Januar 2007 - 14:07.

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#6 Mammut

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Geschrieben 14 Januar 2007 - 14:01

Hm! Oft wird behauptet, eine Geschichte ist aus dem Grund gut - oder besser als eine andere - weil sie einen höheren Anspruch hat. Das kompliziertere wird als höherwertig bezeichnet. Dem widerspreche ich mal einfach.Vielleicht sollte ich mal ein passendes Beispiel raussuchen. Mache ich mal bei Gelegenheit.

#7 molosovsky

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Geschrieben 14 Januar 2007 - 14:16

@yippie:Ich hab sicherlich schon längere Posts hier abgeliefert (harhar)Weil ich ja urpsrünglich von er freien Malerei komme, knapp was zu Deinem Maler-Vergleich: Miro find ich fad und öd und Pollock hochaufregend und wirklich revolutionär.GrüßeAlex / molo

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#8 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 14 Januar 2007 - 14:17

Ein "höherer Anspruch" ist m.E. immer Tautologie. Eine kleine Gruppe Menschen definiert eine Vorgabe / Tradition in einem begrenzten Genre, dem dann die AutorInnen in diesem Genre entsprechen sollen, damit sie von dieser Gruppe als "gut" eingestuft werden? Ich denke "Anspruch" ist eigentlich immer ein rückblickender Impuls, ein Versuch vergangene Klassiker in ein Schema zu bringen, um dann Aktuelles ein zu schätzen. Ich wünsche mir z.B. grundsätzlich, dass SF-AutorInnen sich allgemein gültigen Güte-Ansprüchen (mal abgesehen von rein grammatikalischen o.ä. Fehlern) NICHT beugen, und erstmal drauf los "komponieren" - ob sie dann ihre Werke erfolgreich an (ein evtl. spezifisches) größeres Publikum verteilen, oder nicht, stellt sich bei ernsthaftem Weitermachen später eh heraus.P.S. @molo: Dann habe ich ja mit dem Miro-/Pollock-Beispiel genau das richtige getroffen! :smokin:

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 14 Januar 2007 - 14:21.

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#9 molosovsky

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Geschrieben 14 Januar 2007 - 14:29

Wiegesagt: ich halte es für verwirrend, wenn man nicht ergänzt, auf was sich ›Anspruch‹ beziehen soll?Lem z.B. schreibt einfach und verständlich; aber verzwirbelter Detailreichtum und Verzwicktheit der Kausalitäten machen seine Stories inhaltlich ziemlich komplex.Sturgeons »More Than Human« ist als Story erheblich übersichtlicher als z.B. Lems »Futurologischer Kongress«, aber die Sprache und der Aufbau der Geschichte ist beiweitem komplexer.Sowas wie »Dahlgreen« von Delaney toppt dann beide, denn es ist sowohl inhaltlich als auch von der Darbietungsform komplexer.Kann man folgendes wirklich in eine objetiv-ästhetische Hierarchie ordnen?†¢ Inhaltlich Eingängiges/Leichtverständliches, das mit eingängiger/leichtverständlicher Formensprache dargeboten wird;†¢ Inhaltlich Komplexes/Anspruchsvolles, das mit eingängiger/leichtverständlicher Formensprache dargeboten wird;†¢ Inhaltlich Eingängiges/Leichtverständliches, das mit anspruchsvoller/komplexer Formensprache dargeboten wird;†¢ Inhaltlich Komplexes/Anspruchsvolles, das mit anspruchsvoller/komplexer Formensprache dargeboten wird.Wobei ja angenommen wird, man könne Inhalt- und Form-Eigenschaften immer übersichlich auseinanderhalten.GrüßeAlex / molosovsky

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#10 deval

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Geschrieben 14 Januar 2007 - 14:57

Ich mag die einfach gestrickten Geschichten lieber. Ich lese in erster Linie um mich einfach nur zu unterhalten und das kann ich am besten wenn ich triviale und anspruchslose Geschichten lese. Vielleicht lese ich genau aus diesem Grund noch Perry Rhodan.Ab und an mache ich auch mal eine Ausnahme und greife zu Sachbüchern oder Biografien (Fachbücher lasse ich mal außen vor, das muß ich mehr oder weniger aus beruflichen Gründen).

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#11 simifilm

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Geschrieben 15 Januar 2007 - 00:03

Ich mag die einfach gestrickten Geschichten lieber. Ich lese in erster Linie um mich einfach nur zu unterhalten und das kann ich am besten wenn ich triviale und anspruchslose Geschichten lese. Vielleicht lese ich genau aus diesem Grund noch Perry Rhodan. Ab und an mache ich auch mal eine Ausnahme und greife zu Sachbüchern oder Biografien (Fachbücher lasse ich mal außen vor, das muß ich mehr oder weniger aus beruflichen Gründen).

Ob nun gerade eine Biographie ein Beispiel für ein "kompliziertes Buch" ist. Ohnehin, was ist kompliziert? Ich mag beispielsweise Thomas Mann sehr gerne, den viele wohl als "komplizierten" Autor bezeichnen würde. Nun, ich emfpinde seinde Bücher nicht als kompliziert. Man muss sicher einiges an Wissen mitbringen, um seine Bücher wirklich zu geniesse, und die Sprache ist auch ungewohnt, wenn man bis anhin nur Perry Rhodan gelesen hat, aber das ist ja nicht Kompliziertheit per se, sondern eine Frage des persönlichen Hintergrunds resp. Vorwissens. Für einen anderen Leser ist eine relativ simple SF-Geschichte kompliziert, weil ihm der nötige Hintergrund fehlt.

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#12 deval

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Geschrieben 15 Januar 2007 - 12:30

Ob nun gerade eine Biographie ein Beispiel für ein "kompliziertes Buch" ist. Ohnehin, was ist kompliziert? Ich mag beispielsweise Thomas Mann sehr gerne, den viele wohl als "komplizierten" Autor bezeichnen würde. Nun, ich emfpinde seinde Bücher nicht als kompliziert. Man muss sicher einiges an Wissen mitbringen, um seine Bücher wirklich zu geniesse, und die Sprache ist auch ungewohnt, wenn man bis anhin nur Perry Rhodan gelesen hat, aber das ist ja nicht Kompliziertheit per se, sondern eine Frage des persönlichen Hintergrunds resp. Vorwissens. Für einen anderen Leser ist eine relativ simple SF-Geschichte kompliziert, weil ihm der nötige Hintergrund fehlt.

Bei der Beantwortung der Eingangsfrage kann ich nur für mich sprechen und will auch kein generelles Urteil fällen oder für andere sprechen. Perry Rhodan ist für mich einfach gestrickt. Ob es für einen Neueinsteiger mit Band 1650 kompliziert ist, ist mir so ziemlich egal. Wenn für dich Thomas Mann einfache Literatur ist, dann ist das halt so. Wenn es für jemand anderen ein schwerer und komplizierter Brocken ist, dann ist das halt auch so. Ich habe die Frage von Michael nicht so verstanden das er ein generell und allgemeingültiges Urteil in Sachen Literatur bekommen möchte was einfach und was kompliziert ist. Er möchte einfach nur unsere Vorlieben kennenlernen. Da mir die ganze Diskussion einfach wieder viel zu steif, wissenschaftlich und abgehoben war, fühlte ich mich irgendwie genötigt mich zu den einfachen und unkomplizierten Dingen des Lebens und der Literatur zu bekennen. ;)

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#13 simifilm

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Geschrieben 15 Januar 2007 - 14:25

Ich habe die Frage von Michael nicht so verstanden das er ein generell und allgemeingültiges Urteil in Sachen Literatur bekommen möchte was einfach und was kompliziert ist. Er möchte einfach nur unsere Vorlieben kennenlernen.

Selbst das kann ich nicht beantworten. Ich halte beispielsweise "Terminator" für ein Meisterwerk des SF-Kinos. Ist dieser Film nun "einfach" oder "kompliziert"? Es ist ein Actionfilm, gehört also zu einem Genre, das viele als simpel bezeichnen würden; in der Story kommen zwar Zeitreisen vor, aber wirklich kompliziert ist sie dennoch nicht. Dennoch ist der Film sehr raffiniert und sorgfältig gebaut und weist bei genauerem Hinschauen viele Bezüge auf, die über den Film hinausweisen. Ist das nun einfach oder kompliziert? ich weiss es nicht.

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#14 deval

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Geschrieben 15 Januar 2007 - 20:04

Wenn du dir bis jetzt noch nicht darüber im klaren bist ob der Film einfach oder kompliziert für dich gewesen ist, dann war er kompliziert. Andernfalls wüßtest du wo du ihn einzuordnen hast. Ich fand ihn einfach gestrickt.

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#15 Alberich

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Geschrieben 23 August 2007 - 11:32

MOD-Eingriff von Molosovsky: Ich habe eine ganze Menge Beiträge aus dem "Visionen 3 - Plasmysymphonie"-Thread hierher vorschoben. Zum einen weil es inhaltlich kaum um »Visionen 3« geht, sondern mehr um allgemeine Fragen des Gegensatzes zwischen verschiedenen Schreib- und Lesehaltungen; und sich zweitens nun mehrfach Stimmen den Wunsch geäußert haben, den z.T. recht polemisch-persönliches Diskrus aus dem "Visionen 3"-Thread auszulagern. Dieser "Besser kompliziert oder einfach genial"-Thread fasst das Thema des Streites über Qualität und Interpretationshaltung meiner Meinung nach passender, weil allegemeiner, als der »Visionen 3«-Thread.

Offen gestanden halte ich diese Kolumne von Holger Pohl einfach für dumm, hauptsächlich
aus einem Grund: Er nennt keine Namen. Welche Autoren sind es denn, die damals schöne,
mitreißende Geschichten erzählen konnten, und welche Autoren sind es, die es heute nicht
mehr können? Ich fürchte fast, daß ich weiß, von welchen Autoren er spricht. Wer allerdings
ernsthaft, sagen wir, einen mäßigen Schreiber wie Isaac Asimov über einen gediegenen,
hochprofessionellen Erzähler wie Eric Brown stellt (letzterer einer, der auch heute noch
klassisch ausgewogene, sehr lesbare Geschichten schreibt), der weiß nicht, worüber er
spricht.

Ich teile Holger Pohls Empfindungen. Und ihn als dumm zu bezeichnen, lenkt von den Fragen ab. Wobei dein Zorn übertrieben, aber nicht unsinnig ist, er sollte Namen und Geschichten nennen. Viel wichtiger, Pohl sollte nennen, was ihm an den heutigen Geschichten nicht gefällt, oder ob er was vermisst. Ich fand Perry Rohdan albern aufgrund der Namen, die er verwendete, die Geschichten fand ich wirr.
Und Isaak Asimov halte ich ebenfalls für einen mäßigen Erzähler.
In meiner Jugend habe ich querbeet alles durchgeschmökert, was unsere Stadtbücherei so hergab, und mir leider weder Namen noch Titel gemerkt. Etwas ist aber doch hängen geblieben.
Ich entsinne mich noch an Lems "Futurologischen Kongress" sowie Gert Prokops "Wer stiehlt denn schon Unterschenkel" und "Der Samenbankraub", die ich durchgelesen habe, ohne das Buch abzusetzen. Die "Plasmasymphonie", die ich mir besorgt habe, um mal wieder über neuzeitige
Sciencefiction informiert zu sein, hat mich gelangweilt. Ich habe aber nur die ersten sieben Geschichten durchgelesen. Die anderen habe ich überflogen, aber der erste Eindruck ist nicht besser, bereits die ersten Sätze laden nicht ein. Ich werde mich an sie noch dran machen, aber erst, wenn ich mich monotoniefest fühle. Ab und zu funkelte mal etwas durch das Grau der Langeweile, die sprechende Toilette zum Beispiel. Wenn ich sie benoten würde bei Amazon, wo sie übrigens nicht zu finden ist, würde ich eine drei mit der Tendenz zur zwei geben.

Daß ältere SF-Leser (no offence intented, Helmuth!) dazu neigen, ihre Jugend-
Leseerlebnisse zu verklären, ist doch nichts Neues. Wie sonst wäre es zu erklären, daß
jemand wie Gisbert Haefs, der Borges und Kipling übersetzt hat und es wirklich besser
wissen müssen muß, auf einmal für Hans Kneifel die Werbetrommel rührt?

Da müsstest du Haefs fragen. Ich selbst hole mir jetzt wieder die Jugendliteratur.
Die Wüstenbände von Karl May üben noch immer unvermindert ihren Reiz aus.. Alles ist da nicht Gold. Sein Supermanntum nervt mich auch. Aber sein Einfallsreichtum ist ungeheuer. Ich habe eine bestimmte Handlung, die über drei Absätze ging, durchgelesen, den Sinn erfasst, und dann selbst versucht, ihn wiederzugeben. Da waren meine Ergüsse vergleichsweise kläglich. Ich konnte nur den Hut ziehen. Dies gilt auch für "Die Schatzinsel".
Andere Bücher beurteile ich nun weniger gut, z.B. "Elric von Melniboné" von Michael Moorcock oder "Kristallwelt" von Ballard.

Kein Schriftsteller, der einen Schuß Pulver wert ist, schreibt so, wie er schreibt, um die Kritiker zu
beeindrucken.

Ich würde sagen, Legionen schreiben, um zu beeindrucken.

Warum fällt es Lesern so furchtbar schwer, einfach mal zuzugeben, daß ein Autor sie (noch)
überfordert? Mir ist es, um ein Beispiel zu nennen, in diesem Jahr mit dem Amerikaner Richard
Powers so ergangen, der einige SF-nahe Romane geschrieben hat (Galatea 2.2, Plowing the
Dark
). Der Mann hat einen sprachlich und poetisch so reichhaltigen, dichten Stil, daß ich trotz
guter Englischkenntnisse nicht ganz mitkomme und seine Bücher in ein paar Jahren wohl noch
einmal lesen muß. Trotzdem habe ich die Lektüre, die mir nur in Teilen zugänglich war, genießen
können. Ein Buch, das mich in sich verwickelt, auch wenn ich ihm als Leser nicht ganz gerecht
werde, ist die Lektüre immer wert. Und nebenbei: Welcher Leser auf der Welt kann schon
behaupten, daß er "Ulysses" oder "Gravity's Rainbow" bis in den letzten Winkel verstanden
hat? In Pynchons Fall würde ich annehmen, daß der Autor das nicht einmal von sich selbst
behaupten würde ;)


Du meinst ernsthaft, ein gutes Buch müsse überfordern?
Es gibt keine Bücher, die ich nicht verstehe. Ausnahme sind nur Bücher, die Fachwissen verlangen, das ich nicht habe oder fremdsprachige.
Einige schreiben bewusst undeutlich. Schopenhauer hat sich über Stilgecken ausgelassen, die sich über die Wortwahl wichtig machen wollten:
"Jene Alltagsköpfe nämlich können schlechterdings sich nicht entschließen zu schreiben, wie sie denken; weil ihnen ahndet, dass alsdann das Ding ein gar einfältiges Ansehn erhalten könnte. Es wäre aber immer doch etwas. Wenn sie also nur ehrlich zu Werke gehn und das Wenige und Gewöhnliche, was sie wirklich gedacht haben, einfach mitteilen zu wollten, so würden sie lesbar und sogar, in der ihnen angemessenen Sphäre, belehrend sein. Allein, statt dessen, streben sie nach dem Schein, viel mehr und viel tiefer gedacht zu haben, als der Fall ist. Sie bringen demnach, was sie zu sagen haben, in gezwungenen, schwierigen Wendungen, neu geschaffenen Wörtern und weitläufigen, um den Gedanken herumgehenden und ihn verhüllenden Perioden vor. Sie schwanken zwischen dem Bestreben, denselben mitzuteilen, um dem, ihn zu verstecken.
Dem deutschen Schriftsteller würde durchgängig die Einsicht zustatten kommen, dass man zwar, wo möglich, denken soll wie ein großer Geist, hingegen dieselbe Sprache reden soll wie jeder andere.
Man gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge, aber sie machen es umgekehrt".

Dies entspricht auch meiner Erfahrung: Wer mir nicht erklären kann, was er gedacht hat, hat sich nichts gedacht.
Habe ich etwas von Belang zu sagen, dann werde ich deutlich. Dann schwafle ich nicht. Du auch nicht.

Gruß

Bearbeitet von molosovsky, 31 August 2007 - 10:26.


#16 simifilm

simifilm

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Geschrieben 23 August 2007 - 12:14

Du meinst ernsthaft, ein gutes Buch müsse überfordern?

Ich bin zwar nicht Michael, aber: gute Bücher können durchaus überfordern. Und manchmal ist ein bisschen Überforderung gar nicht schlecht, dann muss man sich selber mehr anstrengen.

Es gibt keine Bücher, die ich nicht verstehe. Ausnahme sind nur Bücher, die Fachwissen verlangen, das ich nicht habe oder fremdsprachige.

Das halte ich für schlicht gelogen.



Einige schreiben bewusst undeutlich. Schopenhauer hat sich über Stilgecken ausgelassen, die sich über die Wortwahl wichtig machen wollten:
"Jene Alltagsköpfe nämlich können schlechterdings sich nicht entschließen zu schreiben, wie sie denken; weil ihnen ahndet, dass alsdann das Ding ein gar einfältiges Ansehn erhalten könnte. Es wäre aber immer doch etwas. Wenn sie also nur ehrlich zu Werke gehn und das Wenige und Gewöhnliche, was sie wirklich gedacht haben, einfach mitteilen zu wollten, so würden sie lesbar und sogar, in der ihnen angemessenen Sphäre, belehrend sein. Allein, statt dessen, streben sie nach dem Schein, viel mehr und viel tiefer gedacht zu haben, als der Fall ist. Sie bringen demnach, was sie zu sagen haben, in gezwungenen, schwierigen Wendungen, neu geschaffenen Wörtern und weitläufigen, um den Gedanken herumgehenden und ihn verhüllenden Perioden vor. Sie schwanken zwischen dem Bestreben, denselben mitzuteilen, um dem, ihn zu verstecken.
Dem deutschen Schriftsteller würde durchgängig die Einsicht zustatten kommen, dass man zwar, wo möglich, denken soll wie ein großer Geist, hingegen dieselbe Sprache reden soll wie jeder andere.
Man gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge, aber sie machen es umgekehrt".

Dies entspricht auch meiner Erfahrung: Wer mir nicht erklären kann, was er gedacht hat, hat sich nichts gedacht.
Habe ich etwas von Belang zu sagen, dann werde ich deutlich. Dann schwafle ich nicht. Du auch nicht.

Gruß

Schopenhauer in Ehren, aber so richtig seine Aussage in Bezug auf Sachtexte, für Literatur gilt sie sicher nicht, denn hier geht es nicht darum, "dass der Autor erklärt, was er gedacht hat".

Signatures sagen nie die Wahrheit.

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#17 Jakob

Jakob

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Geschrieben 23 August 2007 - 12:26

Schopenhauer in Ehren, aber so richtig seine Aussage in Bezug auf Sachtexte, für Literatur gilt sie sicher nicht, denn hier geht es nicht darum, "dass der Autor erklärt, was er gedacht hat".

Da muss ich auch mal kurz zustimmen. Schreiben ist in vielen Fällen ein Prozess mit offenem Ende - das heißt nicht, dass er nicht geplant sein will, wohl aber, dass der Autor seinen Erkenntnisgewinn oft erst während des Schreibens produziert und nicht vorher "weiß". Wer beim Schreiben insbesondere narrativer Texte vorher genau weiß, was er sagen will, produziert meistens bestenfalls banales, schlimmstenfalls Moralinsäure. Wenn das Banale dann noch mal verquast ist, ist das zwar ärgerlich und überflüssig. Das bedeutet aber nicht, dass es keine komplexen Texte gäbe, die ihrer eigenen Komplexität auch inhaltlich gerecht werden. Was nun banal ist und was nicht, ist natürlich wieder eine andere Frage und nur am Einzelfall zu diskutieren. Bemerken lässt sich aber, dass auch Schopenhauer einen relativ einfachen Sachverhalt hier nicht unbedingt auf die klarste und knappste Art darstellt. Er wählt seine Worte aber durchaus so, dass ein gelungener polemischer Effekt zustande kommt.
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

R. Scott Bakker

"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama

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#18 Guido Seifert

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Geschrieben 23 August 2007 - 13:16

Du meinst ernsthaft, ein gutes Buch müsse überfordern?

Das hat Iwoleit doch gar nicht gesagt, und wenn hier schon Schopenhauer ins Feld geführt wird, wie wär´s mit seiner "Eristischen Dialektik", Kunstgriff 1: "Die Erweiterung. Die Behauptung des Gegners über ihre natürliche Gränze hinausführen, sie möglichst allgemein deuten, in möglichst weitem Sinn nehmen und sie übertreiben [...]".

Dein Schopenhauer-Zitat trifft es meines Erachtens nicht, denn es geht dort um die Beschreibung von Schmock. Der angeführte Ulysses beispielsweise fordert den Leser, nicht, weil es dort seltsame Worte und Wendungen zu besichtigen gibt, sondern weil er die hergebrachte Leser-Erwartung düpiert. Der damalige Leser kannte schlicht eine solche Struktur nicht, die mit sehr unterschiedlichen Erzählern operiert und eine scheinbare Divergenz installiert. Man beginnt, den Roman zu begreifen, indem man die innere Vernetzung begreift, und man versteht die Material-Auswahl, indem man das Homerische Epos als Vorlage erkennt. Die meisten der damaligen Leser waren überfordert, und - wie immer - traten auch Rezensenten auf den Plan, die einen Tollhäusler am Werk sahen. Dennoch ist der Ulysses wohl der Roman des 20. Jahrhunderts. Diese Art von Meta-Literatur war eine Konsequenz des literarischen Fortschreitens, und Joyce hat diesen Schritt mit Bravour getan.

Es gibt keine Bücher, die ich nicht verstehe. Ausnahme sind nur Bücher, die Fachwissen verlangen, das ich nicht habe oder fremdsprachige.

Wunderbar. Endlich ist die Arno-Schmidt-Forschung fertig. Du kannst ihr Alles erzählen.

Gruß, Guido

#19 Alberich

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Geschrieben 23 August 2007 - 21:15

Das halte ich für schlicht gelogen.

Nein... :o

Ich bin zwar nicht Michael, aber: gute Bücher können durchaus überfordern. Und manchmal ist ein bisschen Überforderung gar nicht schlecht, dann muss man sich selber mehr anstrengen.

:wink2: So meinte ich es auch. Es gibt natürlich Bücher, die ich nicht sofort verstanden habe.
Zum Beispiel "Über das Schreiben" von Sol Stein. Nach dem ersten Lesen glaubte ich es verstanden zu haben, es zeigte sich aber, dass ich kaum etwas behalten hatte. Einige Monate später las ich es zum zweiten Mal, nur wurde mir bald klar, dass ich kaum etwas in den aktiven Wissenschatz überführt hatte. Jetzt lese ich es zum dritten Mal...und finde ganze Seiten, von denen ich annehmen würde, dass sie mir unbekannt seien, wenn meine Bleistiftanmerkungen am Seitenrand nicht das Gegenteil beweisen würden.
Neuer Versuch:
Es gibt nichts, was ich nicht für verstehbar halte, Vorwissen oder ein angemessenes Nachholen von Vorwissen vorausgesetzt. Wenn ich einen Text nicht verstehen kann, dann hat der Autor sich nicht genügend Mühe gegeben oder er hat nichts zu sagen.

Schopenhauer in Ehren, aber so richtig seine Aussage in Bezug auf Sachtexte, für Literatur gilt sie sicher nicht, ...

Graf Keyserling antwortete darauf:
"Die eigentliche Schöpferkraft des Denkens, die Potenz in der Ideation, hat Schopenhauer gefehlt...Er hat sein Empirisches nirgends überstiegen; mehr als er von Haus aus wußte, hat er niemals zu sagen gewußt."
Vermutlich kein Sachtextschreiber.

denn hier geht es nicht darum, "dass der Autor erklärt, was er gedacht hat".

Um was geht es dann?
Mir geht es um das, was sich der Autor gedacht hat, und wenn er es mir erklärt, umso besser.
Dann werde ich klüger.
Im Rätselraten bin ich nicht besonders.

Gruß

#20 Alberich

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Geschrieben 23 August 2007 - 21:28

Da muss ich auch mal kurz zustimmen. Schreiben ist in vielen Fällen ein Prozess mit offenem Ende - das heißt nicht, dass er nicht geplant sein will, wohl aber, dass der Autor seinen Erkenntnisgewinn oft erst während des Schreibens produziert und nicht vorher "weiß".

:wink2:
Das ist doch gar nicht strittig. Natürlich bedeutet Schreiben Erkenntnisgewinn, auch jetzt, wenn ich gerade tippe...und denke.
Ich will doch nicht wissen, was sich der Autor gedacht hat, bevor er den Text geschrieben hat, sondern was ihm bei der Erstellung des fertigen Textes vorgeschwebt hat, also die berühmten "was will er mir damit sagen?".

Wer beim Schreiben insbesondere narrativer Texte vorher genau weiß, was er sagen will, produziert meistens bestenfalls banales, schlimmstenfalls Moralinsäure.

???Es gibt also keine Schreiber, die sich per Stichwortzettel oder gar ausgefeilter Planung vorbereiten, bzw. ihre Schreibe ist dann Stuss.

Das bedeutet aber nicht, dass es keine komplexen Texte gäbe, die ihrer eigenen Komplexität auch inhaltlich gerecht werden.

Den Satz verstehe ich nicht.

Bemerken lässt sich aber, dass auch Schopenhauer einen relativ einfachen Sachverhalt hier nicht unbedingt auf die klarste und knappste Art darstellt. Er wählt seine Worte aber durchaus so, dass ein gelungener polemischer Effekt zustande kommt.

Das stimmt beides und bedeutet was?

Gruß

#21 Alberich

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Geschrieben 23 August 2007 - 22:15

Das hat Iwoleit doch gar nicht gesagt, und wenn hier schon Schopenhauer ins Feld geführt wird, wie wär´s mit seiner "Eristischen Dialektik", Kunstgriff 1: "Die Erweiterung. Die Behauptung des Gegners über ihre natürliche Gränze hinausführen, sie möglichst allgemein deuten, in möglichst weitem Sinn nehmen und sie übertreiben [...]".

Leider war mir die Eristische Dialektik unbekannt. Ich habe sie aber nachgelesen. Iwoleits Satz empfand ich als eristisch gegenüber Pohl und habe das nachgemacht.

Dein Schopenhauer-Zitat trifft es meines Erachtens nicht, denn es geht dort um die Beschreibung von Schmock.

Das trifft es wohl doch, ich verweise auf Keyserling. Was Schopenhauer zu Ulysses gesagt hätte, würde mich auch interessieren.

Der angeführte Ulysses beispielsweise fordert den Leser, nicht, weil es dort seltsame Worte und Wendungen zu besichtigen gibt, sondern weil er die hergebrachte Leser-Erwartung düpiert. Der damalige Leser kannte schlicht eine solche Struktur nicht, die mit sehr unterschiedlichen Erzählern operiert und eine scheinbare Divergenz installiert. Man beginnt, den Roman zu begreifen, indem man die innere Vernetzung begreift, und man versteht die Material-Auswahl, indem man das Homerische Epos als Vorlage erkennt. Die meisten der damaligen Leser waren überfordert, und - wie immer - traten auch Rezensenten auf den Plan, die einen Tollhäusler am Werk sahen. Dennoch ist der Ulysses wohl der Roman des 20. Jahrhunderts. Diese Art von Meta-Literatur war eine Konsequenz des literarischen Fortschreitens, und Joyce hat diesen Schritt mit Bravour getan.

Gut erklärt. Bei Ulysses würde ich akzeptieren, dass es etwas gibt, was ich nicht verstehe, obwohl ich das Vorwissen habe oder erlangen kann und was nicht auf Scharlatanerie oder mangelndem Formulieren beruht.
Mein Verdacht für die meisten "Lyriker" bleibt. Im Einzelfall lasse ich mit mir reden. :wink2:

Ich bin kein Experte für Schopenhauer und habe ihn nur aus Ludwig Reiners "Stilkunst", Seite 221-222, zitiert.

#22 simifilm

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Geschrieben 23 August 2007 - 22:25

Nein... :wink2:

Doch

Es gibt nichts, was ich nicht für verstehbar halte,

Das ist durchaus nicht die gleiche Aussage wie "Es gibt keine Bücher, die ich nicht verstehe.".

Vorwissen oder ein angemessenes Nachholen von Vorwissen vorausgesetzt.

Mit dieser Einschränkung ist Dein ursprüngliches Statement ungefähr so sinnvoll, wie wenn ich sage: "Ich bin der schnellste Mensch über 100m, entsprechendes Talent, Körperbau und Training vorausgesetzt."

Wenn ich einen Text nicht verstehen kann, dann hat der Autor sich nicht genügend Mühe gegeben oder er hat nichts zu sagen.

Oder aber er spricht über Dinge, die Du nicht kennst. Aber dann kommt ja die obere Einschränkung zum Tragen. Sehr schlau. Ich bin sicher, dass Du auch jedes mathematische Problem lösen kannst - entsprechendes Wissen und Können vorausgesetzt. Ich kann übrigens jedes Auto reparieren.

Um was geht es dann? Mir geht es um das, was sich der Autor gedacht hat, und wenn er es mir erklärt, umso besser. Dann werde ich klüger. Im Rätselraten bin ich nicht besonders.

Ich probier's mal mit einem Stichwort: Lyrik? Schon mal gehört? Vielleicht geht es ja gar nicht immer um "Verstehen" im engen Sinn. Vielleicht geht es um das Evozieren von Stimmungen, um das bewusste Erzeugen von Unsicherheiten und Schwebezuständen, um Melodie, um die Lautung von Worten, um Rhythmus?

Bearbeitet von simifilm, 23 August 2007 - 22:50.

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#23 simifilm

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Geschrieben 23 August 2007 - 22:28

Leider war mir die Eristische Dialektik unbekannt. Ich habe sie aber nachgelesen. Iwoleits Satz empfand ich als eristisch gegenüber Pohl und habe das nachgemacht.
Das trifft es wohl doch, ich verweise auf Keyserling. Was Schopenhauer zu Ulysses gesagt hätte, würde mich auch interessieren.

Gut erklärt. Bei Ulysses würde ich akzeptieren, dass es etwas gibt, was ich nicht verstehe, obwohl ich das Vorwissen habe oder erlangen kann und was nicht auf Scharlatanerie oder mangelndem Formulieren beruht.
Mein Verdacht für die meisten "Lyriker" bleibt. Im Einzelfall lasse ich mit mir reden. :wink2:

Ich bin kein Experte für Schopenhauer und habe ihn nur aus Ludwig Reiners "Stilkunst", Seite 221-222, zitiert.

Experte für Literatur bist Du definitiv auch nicht.

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#24 Jakob

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Geschrieben 24 August 2007 - 00:43

Ich will doch nicht wissen, was sich der Autor gedacht hat, bevor er den Text geschrieben hat, sondern was ihm bei der Erstellung des fertigen Textes vorgeschwebt hat, also die berühmten "was will er mir damit sagen?".

Tja, oft will ein Text nur eben nichts sagen, sondern etwas bewirken. Deine Erwartung an Texte beruht auf der Annahme, dass sprache einfach nur ein Medium ist, um "Gedanken" zu vermitteln. Das halte ich nun aber leider für falsch. Sprache hat eine eigene Materialität (wie Simon oben zum Thema Lyrik andeutet), sie ist nicht einfach transparent und lässt auf den Gedanken dahinter schauen. Wir denken nicht mit Hilfe von Sprache, sondern in Form von Sprache. Und ich finde nun mal die Texte am interessanten, die genau damit arbeiten, dass Sprache deshalb Ambivalenzen und neue, unerwartete Bedeutungen erzeugt. Mich interessiert bei einem erzählenden Text nicht im geringsten, was mir der Autor sagen will, und ich ärgere mich, wenn ich das Gefühl habe, dass der Text sich mir in solcher Weise aufdrängt. Mich interessiert, was der Text mit mir macht und was ich mit ihm machen kann, wie ich ihn ausdeuten kann.

Zum Komplexitäten-Satz: Ok, noch mal anders ausgedrückt wollte ich sagen:
Es gibt Texte, die sagen banales und sind dabei unnötig verquast.
Es gibt aber auch Texte, die verfolgen einen komplexen Gedanken in komplexer Weise.

Und nur, weil man einen Text nicht sofort versteht, heißt das noch lange nicht, dass er zur ersten Kategorie gehört. Ich finde diesen Vorwurf schon oft ärgerlich: Da setzt man sich z.B. intensiv mit einem bestimmten Buch auseinander, und jemand anders kommt und glaubt einem erzählen zu können, dass man auf einen großen Nepp hereingefallen wäre, obwohl er nur die ersten zehn Seiten gelesen hat und das Ganze eben für "postmodernen Scheiß" oder so hält. Ok, das hast du konkret nicht gemacht, aber die Behauptung, wenn du es nicht verstehst, sei es die "Schuld" des Autors, gehört in die gleiche Riege und ist - gelinde gesagt - einfach Unsinn. Die Entwicklung einer komplexen ästhetischen Form oder eines komplexen philosophischen Gedankens kann genauso Voraussetzungsreich sein wie Quantenphysik und Gentechnologie, und wenn du dich nicht mit den entsprechenden Ansätzen beschäftigt hast, bringt dir die Lektüre vielleicht nicht viel, auch nicht, wenn du das Buch drei oder vier Mal liest. Das heißt aber nicht, dass ein Text nichts zu sagen hat, sondern nur, dass er eben nichts für dich ist, weil du dich im Kopf auf nem anderen Gleis bewegst. Ist ja OK. Nicht alle Menschen müssen das gleiche interessant finden. Aber der Gestus "was ich nicht verstehe ist Nepp" ist etwa so sinnvoll zu behaupten, dass die französische Sprache sinnloses Geplapper wäre, nur, weil man sie dummerweise nicht selbst beherrscht. Und die Einstellung ärgert mich ehrlich gesagt immer mehr, je öfter sie mir entgegenschlägt.
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#25 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 24 August 2007 - 10:57

Bei Ulysses würde ich akzeptieren, dass es etwas gibt, was ich nicht verstehe, obwohl ich das Vorwissen habe oder erlangen kann und was nicht auf Scharlatanerie oder mangelndem Formulieren beruht. Mein Verdacht für die meisten "Lyriker" bleibt. Im Einzelfall lasse ich mit mir reden. :lol:

Überlege dir bitte, wie gönnerhaft das klingt (auch mit Smiley). Literatur ist komplexer, als du sie dir wünschst, und ich habe den Eindruck, daß dieses Gespräch zum Nachhilfeunterricht mutiert, den dir Jakob und simifilm freundlicherweise leisten. Um dem Ganzen eine konstruktive Wendung zu geben, würde ich dir vorschlagen, einen eigenen Thread zu eröffnen, der sich den Pohlschen Thesen widmet. Du schreibst:

Ich teile Holger Pohls Empfindungen. Und ihn als dumm zu bezeichnen, lenkt von den Fragen ab. Wobei dein Zorn übertrieben, aber nicht unsinnig ist, er sollte Namen und Geschichten nennen. Viel wichtiger, Pohl sollte nennen, was ihm an den heutigen Geschichten nicht gefällt, oder ob er was vermisst.

Da du Pohl zustimmst, kannst du die offenen Fragen ja zumindest aus deiner Sicht beantworten.

#26 molosovsky

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Geschrieben 24 August 2007 - 12:18

@Alberich: Um mal vorzuführen, wie überheblich geht: Meiner Ansicht läßt sich Karl May (und ich meine nicht die zurechtgeschönten Volxausgaben) heute nur noch als unfreiwilliger Humorist genießen. Ein erstaunlicher Kapitalspinner, der aber bei richtiger Leser-Stimmung Mordsgaudi bereiten kann. Aber Spannung, Schönheit usw ... nüscht zu finden. Bin aber sicherlich zu jung für May und hab als Teen zuerst Jack London, R.L. Stevenson und ähnliche kennengelernt, gegen die ein Provinzschreiberling wie May einfach nicht anstinken kann.Allgemein: Pohl gibt schwurbelig Stimmungsmeldung ab. Schwurbelig, weil keine Namen, Werksbeispiele für die "Bösen" genannt werden. Ich neige dazu, Pohls und Alberichs Meldungen bei den "früher war alles besser"-Akten abzuheften. In Simis SF-Film-Poetik-Buch hab ich den dazu passenden Hartwell-Spruch genossen: "the real golden age of science fiction is twelve".Ich geb aber zu, daß unter den ersten 7 Geschichten von "Visionen 3" für mich auch "nur" zwei flottere, mutigere, packendere bei sind: "Varus-Schlacht" und "Morphogenese". Die anderen 5 sind merklich sachter, zaghafter, zahmer, oder im Falle Isenbergs, schlicht derart mit "Witischkeit kennt keine Grenzen"-Nervigkeit gesättigt, wie ne schlechte Folge Muppetshow.GrüßeAlex / molo, wo sitz ich denn schon wieder .... wahhh, Nesseln.

Bearbeitet von molosovsky, 24 August 2007 - 12:22.

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.

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#27 Alberich

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Geschrieben 24 August 2007 - 13:08

@JakobDu hast dich erklärt, ok. Aber ich bleibe dabei: Die Verantwortung für klare Kommunikation trägt der Sender, zumindest vorrangig.Dein Beispiel mit der französischen Sprache hat mit der Thematik nichts zu tun.Gruß

#28 Alberich

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Geschrieben 24 August 2007 - 13:21

Überlege dir bitte, wie gönnerhaft das klingt (auch mit Smiley).

Im Gegenteil, ich habe dir zugestimmt.

Literatur ist komplexer, als du sie dir wünschst,

Ach, das weißt du?

und ich habe den Eindruck, daß dieses Gespräch zum Nachhilfeunterricht mutiert, den dir Jakob und simifilm freundlicherweise leisten.

Was sagtest du noch über Gönnerhaftigkeit? Ich lerne aber immer gerne und arbeite an meinen Unzulänglichkeiten. Und ich hoffe, die anderen tun das auch.

Um dem Ganzen eine konstruktive Wendung zu geben, würde ich dir vorschlagen, einen eigenen Thread zu eröffnen, der sich den Pohlschen Thesen widmet. Du schreibst: Da du Pohl zustimmst, kannst du die offenen Fragen ja zumindest aus deiner Sicht beantworten.

Hatte ich bei Interesse sogar vor, aber mit deinem Beitrag ist die Konstruktivität verloren. Gruß

#29 Alberich

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Geschrieben 24 August 2007 - 13:45

@Alberich: Um mal vorzuführen, wie überheblich geht: Meiner Ansicht läßt sich Karl May (und ich meine nicht die zurechtgeschönten Volxausgaben) heute nur noch als unfreiwilliger Humorist genießen. Ein erstaunlicher Kapitalspinner, der aber bei richtiger Leser-Stimmung Mordsgaudi bereiten kann. Aber Spannung, Schönheit usw ... nüscht zu finden. Bin aber sicherlich zu jung für May und hab als Teen zuerst Jack London, R.L. Stevenson und ähnliche kennengelernt, gegen die ein Provinzschreiberling wie May einfach nicht anstinken kann.

Wo ich überheblich war, weiß ich nicht. Dass du auf einen, wie du glaubst, rollenden Zug aufspringst, spricht für sich, aber nicht für dich. Eine derartige Behauptung über Karl May habe ich erwartet, und auch am ehesten vor dir erwartet.

Allgemein: Pohl gibt schwurbelig Stimmungsmeldung ab. Schwurbelig, weil keine Namen, Werksbeispiele für die "Bösen" genannt werden. Ich neige dazu, Pohls und Alberichs Meldungen bei den "früher war alles besser"-Akten abzuheften. In Simis SF-Film-Poetik-Buch hab ich den dazu passenden Hartwell-Spruch genossen: "the real golden age of science fiction is twelve". Ich geb aber zu, daß unter den ersten 7 Geschichten von "Visionen 3" für mich auch "nur" zwei flottere, mutigere, packendere bei sind: "Varus-Schlacht" und "Morphogenese". Die anderen 5 sind merklich sachter, zaghafter, zahmer, oder im Falle Isenbergs, schlicht derart mit "Witischkeit kennt keine Grenzen"-Nervigkeit gesättigt, wie ne schlechte Folge Muppetshow.

Weit schwurbeliger als Pohl sind deine Beurteilungen: flottere, mutigere, packendere oder sachter, zaghafter, zahmer. Oder auch die schlechte Folge Muppetshow. Nichtssagender geht es kaum. Du weißt nicht, was Spannung ist. Bereits als ich Schopenhauers Bemerkungen über Stilgecken verfasste, stand ich unter dem Eindruck, den deine Beiträge bei mir hinterlassen hatten.

#30 Jakob

Jakob

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Geschrieben 24 August 2007 - 14:18

@Jakob

Du hast dich erklärt, ok. Aber ich bleibe dabei: Die Verantwortung für klare Kommunikation trägt der Sender, zumindest vorrangig.
Dein Beispiel mit der französischen Sprache hat mit der Thematik nichts zu tun.

Gruß

Klare Kommunikation ist ja schön und gut, nur stellt sich doch die Frage, ob Literatur unbedingt in diesem engen Sinne "Kommunikation" sein muss. Wenn ein Buch nur die Verpackung für eine Botschaft ist, muss ich es nicht schreiben - dann kann ich auch direkt hinschreiben, was ich sagen will. Die Frage "Was will uns der Autor sagen?" dürfte im Endeffekt auf ein viktorianisches Literaturverständnis zurückgehen, nämlich: dass man aus Literatur etwas lernen soll, dass also das Material der Sprache selbst zweitrangig hinter einer Botschaft ist - gewissermaßen nur ein geeigneter Weg, den Massen bestimmte "Werte" beizubringen.

Nicht, dass Autoren nicht genau das allzu oft versuchen würden. Deshalb gibt es ja neben all dem unerträglichen Zeug, bei dem sich gar nichts gedacht wird, auch einen Haufen unerträgliches Zeug, bei dem der Autor von Anfang an weiß, was er denkt, und es den Lesern aufs Brot schmieren muss.

Die narrative Form eignet sich aber doch gerade dazu, eben das auszuarbeiten, was im eigenen Kopf unklar und widersprüchlich ist - durch verschiedene Figurenperspektiven zum Beispiel, oder verschiedene Wirklichkeitsebenen. Wenn du so einen Autor fragen würdest, "Was hast du dir dabei gedacht", würde er doch wohl mit Recht die Schultern zucken und sagen: "Lies das Buch und schau, was du dir dabei denkst."

Das heißt nicht, dass man ein Buch nicht interpretieren kann. Aber wenn die Ergründung der Autorenintention zum Ziel gemacht wird, dann ist das nicht nur langweilich, weil solche Diskussionen zwangsläufig dogmatisch werden. Es geht auch in vielen Fällen an der sache vorbei, weil es vielleicht gar keine Botschaft im engeren Sinne gibt, sondern ein Werk, dass aus einem bestimmten Kontext heraus entstanden ist. Dieser Kontext ist historisch, hat durchaus mit dem Leben und den Ansichten des Autors zu tun, kann aber auch völlig legitim die Frage der Intention außer Acht lassen.

Autoren, bei denen man ganz klar merkt, dass sie einem etwas sagen wollen, versuchen ja gerade, die Interpretationsmöglichkeiten einzugrenzen und sicherzustellen, dass sie bloß nicht "msisverstanden" werden. Gerade dann muss man sich aber doch angestachelt fühlen, dass uneindeutige, uneingestandene, oder als allzu selbstverständlich vorausgesetzte eines Textes zu untersuchen und etwas neues, interessantes darin zu finden.

Natürlich kann ich Moby Dick zusammenfassen, indem ich behaupte, die Botschaft sei: "Rachsucht führt in den Untergang". Aber das ist doch nicht das interessante an dem Buch. Interessant sind die Abschweifungen, das spekulative, die unbeantwortete Frage nach der Endlichkeit natürlicher Ressourcen, die Exkurse über die Frage, warum die Farbe weiß besonders grauenerregend ist. Für die "Botschaft" ist das meiste davon völlig irrelevant, aber es macht Moby Dick zu einem unglaublich reichhaltigen Buch, dass sich bei jedem Lesen in eine neue Richtung öffnet. Das didaktische "Was will uns der Autor" sagen ist immer eine Schließung, die den Text mindert. Wenn schon Autorenbezug, dann plädiere ich doch eher für: "Was will uns der Autor (bewusst oder unbewusst) verschweigen?", das produziert nämlich zwangsläufig sehr viel mehr mögliche Antworten.
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

R. Scott Bakker

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