@simifilm, du solltest dich nicht zu sehr darauf versteifen, dass die in der Tat korrupten, unfähigen und machtgeilen Politiker durch Aktionen in der Art von [x] legitimiert sind. IMHO findet da oft nur noch das Votum einer Minderheit statt. So habe ich bei den letzten Wahlen in Berlin September 2006 die Wahlergebnisse für Wowereit/SPD und Pflüger/CDU mit der Wahlbeteiligung verrechnet. Das Ergebnis war: nur 18 Prozent aller wahlberechtigten Berliner wollten Wowereit und im Wortsinne schlappe 12 Prozent seinen "Herausforderer" Pflüger. Die solche Politiker tragenden Ex-Volksparteien SPD und Union liegen mit ihren Apparaten wie ein Leichentuch über der Demokratie. Neues kann da innerhalb des Systems nicht hochkommen oder es wird - siehe die Grünen - politisch kastriert. Wer sich nicht den herrschenden Diskursen anpasst, wird gnadenlos rausgemobbt oder darf bestenfalls - wie der eine oder andere Linksparteiler - als soziales Feigenblättchen für ansonsten zu offensichtlich reaktionäre und neoliberale Talkrunden dienen. Was Volksabstimmungen betrifft, habe ich nicht so sehr Angst vor dem Volk, sondern vor den Massenmedien der BRD, die längst gleichgeschaltet sind. In einem anderen Forum meinte ein Teilnehmer, unter den gegebenen Umständen würden Volksabstimmungen darauf hinauslaufen, dass so gestimmt wird, wie es der Springer-Konzern will. Da ließe sich aber vielleicht Abhilfe schaffen - haben nicht die APO und Günter Wallraff BILD und co. recht gut vorgeführt? Ansonsten kann es durch Volksabstimmungen kaum noch schlimmer werden. Wenn die einschlägigen Neos die Abschaffung aller Sozialleistungen fordern, die NPD zwei Millionen Einwanderer deportieren will oder Islamisten in Mitteleuropa einen Gottesstaat ausrufen wollen, sollen sie doch das Volk fragen. In dem einen oder anderen Fall würde ich vielleicht sogar eine Unterstützerunterschrift leisten, um zu sehen, wie sie baden gehen. OHNE Volksabstimmungen dagegen werden derartige Kräfte eher dazu animiert, weiter die Gesellschaft zu untergraben, um ihre Ideen auf autoritäre Art und Weise durchzusetzen. N. B.: du hattest die Volksabstimmung über Sicherheitsverwahrung von Sexualstraftätern genannt, wo du dagegen warst. Kannst du auch Beispiele von Volksabstimmungen nennen, die du unterstützt hast?Ich denke aber, dass genau hier die "deutsche Crux" liegt. Einerseits beschweren sich alle über die korrupten, unfähigen, machtgeilen [Adjektiv Deiner Wahl] Politiker, andererseits hat man masslose Angst vor dem Volk. Diese Angst ist zwar durchaus nicht unbegründet, Du kannst aber einfach nicht beides haben. Wenn Du wirklich der Ansicht bist, dass "das Volk" in der Politik mehr zu Wort kommen soll, dann musst Du auch akzeptieren können, dass dieses Volk mitunter Dinge will, die Dir nicht passen.
Eure politische Orientierung
#91
Geschrieben 20 März 2007 - 15:43
#92
Geschrieben 20 März 2007 - 15:51
Wo sage ich das?@simifilm, du solltest dich nicht zu sehr darauf versteifen, dass die in der Tat korrupten, unfähigen und machtgeilen Politiker durch Aktionen in der Art von [x] legitimiert sind.
Wer sich der Wahl enthält, hat auch einen Entscheid getroffen und ein Votum abgegeben.IMHO findet da oft nur noch das Votum einer Minderheit statt. So habe ich bei den letzten Wahlen in Berlin September 2006 die Wahlergebnisse für Wowereit/SPD und Pflüger/CDU mit der Wahlbeteiligung verrechnet. Das Ergebnis war: nur 18 Prozent aller wahlberechtigten Berliner wollten Wowereit und im Wortsinne schlappe 12 Prozent seinen "Herausforderer" Pflüger.
In der Schweiz finden im Jahr ca. 10-20 Abstimmungen alleine auf Landesebene statt, dazu kommen noch viele auf Kantons- und Stadtebene; zu welcher möchtest Du denn meine Meinung wissen? Letzter Abstimmungstag war vorletztes Wochenende: Auf Landesebene wurde zu einer neuen Einheitskrankenkasse abgestimmt (habe ich leer eingelegt, wurde deutlich verworfen), auf Stadtebene zum Bau eines Glasfasernetzes durch das städtische Elektrizitätswerk (war ich dafür, wurde angenommen). Ansonsten hatten wir in den letzten Jahren diverse Abstimmungen zu bilateralen Verträgen mit der EU, zu gleichgeschlechtlichen Ehen, zur Verkehrspolitik, zur Ausländerpolitik und noch zu diversem anderen.N. B.: du hattest die Volksabstimmung über Sicherheitsverwahrung von Sexualstraftätern genannt, wo du dagegen warst. Kannst du auch Beispiele von Volksabstimmungen nennen, die du unterstützt hast?
Bearbeitet von simifilm, 20 März 2007 - 15:59.
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#93
Geschrieben 20 März 2007 - 16:42
Von so viel Demokratie können wir in der BRD nur träumen - anders als anderen EU-Staaten durften wir nicht einmal über die EU-Verfassung abstimmen.In der Schweiz finden im Jahr ca. 10-20 Abstimmungen alleine auf Landesebene statt, dazu kommen noch viele auf Kantons- und Stadtebene; zu welcher möchtest Du denn meine Meinung wissen? Letzter Abstimmungstag war vorletztes Wochenende: Auf Landesebene wurde zu einer neuen Einheitskrankenkasse abgestimmt (habe ich leer eingelegt, wurde deutlich verworfen), auf Stadtebene zum Bau eines Glasfasernetzes durch das städtische Elektrizitätswerk (war ich dafür, wurde angenommen). Ansonsten hatten wir in den letzten Jahren diverse Abstimmungen zu bilateralen Verträgen mit der EU, zu gleichgeschlechtlichen Ehen, zur Verkehrspolitik, zur Ausländerpolitik und noch zu diversem anderen.
#94
Geschrieben 20 März 2007 - 16:57
Ja eben.Von so viel Demokratie können wir in der BRD nur träumen - anders als anderen EU-Staaten durften wir nicht einmal über die EU-Verfassung abstimmen.
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#95
Geschrieben 20 März 2007 - 17:15
Tja, nicht viel mehr als die meisten anderen politischen Haltungen auch: Dass ich sie bei Gelegenheit verbreite und zur Diskussion stelle.Und was bedeutet das konkret?
Wenn du damit meinst, dass ich ein Rezept für den politischen Umsturz anzubieten haben sollte, muss ich dich enttäuschen: Nicht nur übersteigt diese Denksportaufgabe ein bisschen meine Kapazitäten, ich halte sie auch für ausgesprochen fragwürdig. Hinter der Forderung nach "konkreter Umsetzbarkeit" verbirgt sich meines Erachtens oft die Einforderung eines Avantgardeanspruchs vom Kritiker, von wegen: "In Ordnung, du machst dir also all diese Gedanken. Ich für meinen Teil habe keine Lust, diese nachzuvollziehen und mich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen, deshalb sag mir doch einfach, was ich tun muss, damit ich mir die ganze Denkarbeit, die du ja so schön geleistet hast, vermeiden kann." So geht's aber nicht, eine gesellschaftskritische Haltung muss schon praktisch und intellektuell selbst entwickelt werden.
Entscheidend ist dafür ein gewisses Maß an Ergebnisoffenheit: Zwar gibt es einen Maßstab meiner Kritik (das Ende aller Herrschaftsverhältnisse), der ist aber immer nur negativ einzulösen (Kritik der bestehenden Herrschaftsverhältnisse). Alles andere wäre Autoritär, insofern es eine bestimmte Einrichtung der Gesellschaft vorschreibt. Es sollte dagegen darum gehen, die realen Verhältnisse, in denen die Menschen sich aufeinander beziehen (derzeit also maßgeblich als Warentauschende) für ihre Herrschaftsförmigkeit zu kritisieren und aus dieser Kritik eine andere gesellschaftliche Praxis zu entwickeln - und erst aus dieser Praxis kann etwas entstehen, was sich einer Herrschaftsfreien Gesellschaft annähert, nicht aus irgenwelchen geistigen Höhenflügen mit anschließender praktischer "Erdung". Anders gesagt: Die rein negative Kritik des Bestehenden ist notwendiger Bestandteil einer Praxis, die auf allgemeine Emanzipation zielt, und nicht nur eine Rechenaufgabe, bei der dann unterm Strich eine Handlungsanweisung steht. Theorie und Praxis sind nicht zu trennen, Theorie ist Teil der Praxis.
Das ist - für mich - die absolute Grundlage der Kapitalismuskritik, und die gebietet, der Frage: "Was heißt das jetzt konkret?" mit Misstrauen zu begegnen. Konkret für mein Leben heißt das, wie gesagt, nicht viel anderes als für Vertreter aller möglichen anderen Überzeugungen auch: Meine Meinung in verschiedenen Zusammenhängen kundtun, hier und da mal zu einer Demo gehen, Artikel schreiben ... nur gehe ich wahrscheinlich zu anderen Demos und tue andere Ansichten kund als die meisten Leute.
Um das ganze doch noch mal ein bisschen Autoritär zu untermauern noch mal ein schönes Zitat von Max Horkheimer zu seiner kommunistischsten Zeit (1037) über das, was er als "kritisches Handeln" begreift:
aus: Traditionelle und kritische Theorie (Ein Text, der übrigens auch schlechthin die Einführung ins kritische Handeln im Sinne der kritischen Theorie darstellt).Es gibt nun ein menschliches Verhalten, das die Gesellschaft selbst zu seinem Gegenstand hat. Es ist nicht nur darauf gerichtet, irgendwelche Misstände abzustellen, diese erscheinen ihm vielmehr als notwendig mit der ganzen Einrichtung des Gesellschaftsbaus verknüpft. Wenngleich es aus der gesellschaftlichen Struktur hervorgeht, so ist es doch weder seiner bewussten Absicht noch seiner objektiven Bedeutung nach darauf bezogen, dass irgend etwas in dieser Struktur besser funktioniere. Die Kategorien des Besseren, Nützlichen, Zweckmäßigen, Produktiven, Wertvollen, wie sie in dieser Ordnung gelten, sind ihm vielmehr selbst verdächtig und keineswegs außerwissenschaftliche Voraussetzungen, mit denen es nichts zu schaffen hat. [...] Der zwiespältige Charakter des gesellschaftlichen Ganzen in seiner aktuellen Gestalt entwickelt sich bei den Subjekten des kritischen Verhaltens zum bewussten Widerspruch.
R. Scott Bakker
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#96
Geschrieben 21 März 2007 - 00:07
Bearbeitet von mindblasted, 21 März 2007 - 00:09.
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#97
Geschrieben 21 März 2007 - 07:15
Die "Schweitzer" mit "tz" sind eine Konstruktion, die Du soeben erfunden hast. Aber abgesehen davon, verstehe ich nicht ganz, was Du mit diesem letzten Satz sagen willst.Holla soviel zu reflektieren und so wenig Zeit. @Simifilm "dass dieses Volk mitunter Dinge will, die Dir nicht passen" ist mir schon klar. Und das es gerade beim deutschen Volk Gründe gibt sich vor eben diesem zu füchten braucht wohl niemandem hier gesagt zu werden. Das ist wohl auch mit der Grund warum ich parlamentarische Demokratie im nationalen Sinn eigentlich ablehne und auch nicht wirklich für reformierbar halte. Auch "die Schweitzer" sind ja letztendlich nichts als ne identitäre Konstruktion die einige einschließt und andere nicht.
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#98
Geschrieben 21 März 2007 - 08:57
Das ist eine "Differenz ums Ganze", der Unterschied zwischen wirklicher Demokratie und autoritärer Bevormundung unter dem Deckmantel "repräsentativer Demokratie".Ja eben.
#99
Geschrieben 21 März 2007 - 09:19
Waren denn Theorie und Praxis der Linken in der letzten Zeit so erfolgreich und überzeugend? Wohl eher nicht. Als PDS-Chef Bisky nach den Landtagswahlen September 2006 fett und bräsig in der Glotze von der "demokratischen Linken" schwadronierte - die seinen Ausführungen zufolge nicht so radikal sein könne wie die damals in den Mecklenburger Landtag eingezogene NPD* - bekam mein Glaube an eben diese "demokratische Linke" einen Knacks. Naja, immerhin klagt die Linkspartei jetzt gegen die wahnwitzigen Tornado-Einsätze in Afghanistan. Auf der Liebknecht-Luxemburg-Demo Januar 2007 hat die radikale Linke auch nicht überzeugt. Es war wieder eine Veranstaltung so nach dem Motto "wie bleiben wir mit dem eisernen Willen zur Erfolglosigkeit unter uns". Angesichts von Stalin- und Mao-Bildern ist mir der Gedanke gekommen, dass sich manche Genossen von Neonazis hautpsächlich dadurch unterscheiden, mit welchem Massenmörder sie durch die Straßen rennen wollen. *wobei diese Truppe IMHO maßlos überschätzt wird(...)Theorie und Praxis sind nicht zu trennen, Theorie ist Teil der Praxis(...)
#100
Geschrieben 21 März 2007 - 11:29
Soll das jetzt ein Einwand sein? Was genau hat der (Miss-)Erfolg der neuen Sozialdemokraten von der Linkspartei oder PDS mit der Feststellung zu tun, dass Theorie und Praxis nicht zu trennen sind? (Nebenbei haben weder Bisky noch die Luxenburg-Liebknecht viel mit meinem Begriff von "Links" zu tun. Letztere ist inzwischen völlig von autoritären ML-Sekten dominiert. Und sowas wie die Linkspartei ist im großen und ganzen Sozialdemokratisch - und wenn sie sich mal "radikal" äußert, dann unterscheidet sie sich kaum von der Rhetorik der NPD, man denke an Lafontaines Wetterei gegen das "Zinskapital" und seine in diesem Zusammenhang geäußerte Sympathie mit dem Islamismus, beides Positionen, die von der NPD geteilt werden).Waren denn Theorie und Praxis der Linken in der letzten Zeit so erfolgreich und überzeugend?
"Den Kapitalisten" definiere ich als Eigentümer von Produktionsmitteln, ja. Dass diese Definition personell immer unhaltbarer wird (sind die Aktionäre die Eigentümer der Produktionsmittel? Was ist mit der Ich-AG?), zeigt nur, dass es eben völlig sinnlos ist, das Kapitalverhältnis personalisieren zu wollen. "Der Kapitalist" ist eine strukturelle Position im Kapitalprozess, keine klar bestimmbare konkrete Person. Natürlich gibt es Leute in Unternehmen, die Entscheidungen treffen und über den Einsatz von Prduktionsmitteln gebieten, aber das sind nicht "Kapitalisten" in einem klar benennbaren, eindeutigen Sinne. Das ist ja die wichtige Pointe des Marxismus, dass er von den konkreten gesellschaftlichen Akteuren abstrahiert und einen gesamgesellschaftlichen Prozess ins Auge fasst, der auf Begriffe gebracht werden kann, die eben nicht genau mit irgendwelchen gesellschaftlichen Einzelakteuren zusammenfallen. Deshalb hat es auch keinen Sinn, die "Verantwortlichen" für die ganze Misere zu suchen und zu beseitigen.Zitat mindblasted: @Jakob Hui jede Menge Text und so wenig Zeit darauf einzugehn. Zuerst einmal würde mich interessieren wie du einen "Kapitalisten" definierst. Als Eigentümer von Produktionsmitteln ? Als Arbeitgeber (müsste es nicht vielmehr Arbeitnehmer heißen, die Arbeit wird von anderen "gegeben") ? Oder als aktiv handelnden Teilnehmer am kapitalistischen System? Im letzteren Fall wären wir alle Kapitalisten, eine Definition die ich für angebrachter halte. Eine willkürliche Trennung zwischen konstruierter "Arbeiterklasse" und "Kapitalisten" halte ich für ziemlich obsolet, wie siehst du das ?
R. Scott Bakker
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#101
Geschrieben 21 März 2007 - 12:30
Wobei dieser Gedanke ja auch vollkommen richtig ist, da sind wir uns mal völlig einig, Beverly. An dem Wort von den "rotlackierten Faschisten" ist schon was dran, bei plumpen "Anti-Hartz IV"-Flugblättern kann man zwischen WASG und NPD kaum noch unterscheiden, und wenn ein PDS-Bürgermeister zusieht, wenn auf einer Sonnenwendfeier mit einem Anne Frank-Tagebuch eine Live-Performance von "Fahrenheit 451" gegeben wird, wundert das wohl auch niemanden mehr.Angesichts von Stalin- und Mao-Bildern ist mir der Gedanke gekommen, dass sich manche Genossen von Neonazis hautpsächlich dadurch unterscheiden, mit welchem Massenmörder sie durch die Straßen rennen wollen.
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#102
Geschrieben 21 März 2007 - 18:10
Das ist die "Hufeisentheorie" des Totalitarismus, derzufolge er rechts und links auftritt. Ich halte mich eher an die Dreizack-Theorie, derzufolge er rechts, in der Mitte und links auftritt. Du rückst "plumpen Hartz IV-Protest" in die Nähe rechten und linken Totalitarismus, ich sehe in Hartz IV selbst eine kranke Ausgeburt mittigen Totalitarismus.Wobei dieser Gedanke ja auch vollkommen richtig ist, da sind wir uns mal völlig einig, Beverly. An dem Wort von den "rotlackierten Faschisten" ist schon was dran, bei plumpen "Anti-Hartz IV"-Flugblättern kann man zwischen WASG und NPD kaum noch unterscheiden, und wenn ein PDS-Bürgermeister zusieht, wenn auf einer Sonnenwendfeier mit einem Anne Frank-Tagebuch eine Live-Performance von "Fahrenheit 451" gegeben wird, wundert das wohl auch niemanden mehr.
#103
Geschrieben 21 März 2007 - 18:13
@Jakob, ist bei dir alles so sehr abstrahiert und ist Theorie so sehr gleich Praxis, dass es keiner konkrenten, sicht- und erlebbaren politischen Praxis mehr bedarf? Falls nein, wie sieht denn diese Praxis aus?Soll das jetzt ein Einwand sein? Was genau hat der (Miss-)Erfolg der neuen Sozialdemokraten von der Linkspartei oder PDS mit der Feststellung zu tun, dass Theorie und Praxis nicht zu trennen sind? (Nebenbei haben weder Bisky noch die Luxenburg-Liebknecht viel mit meinem Begriff von "Links" zu tun. Letztere ist inzwischen völlig von autoritären ML-Sekten dominiert. Und sowas wie die Linkspartei ist im großen und ganzen Sozialdemokratisch - und wenn sie sich mal "radikal" äußert, dann unterscheidet sie sich kaum von der Rhetorik der NPD, man denke an Lafontaines Wetterei gegen das "Zinskapital" und seine in diesem Zusammenhang geäußerte Sympathie mit dem Islamismus, beides Positionen, die von der NPD geteilt werden). "Den Kapitalisten" definiere ich als Eigentümer von Produktionsmitteln, ja. Dass diese Definition personell immer unhaltbarer wird (sind die Aktionäre die Eigentümer der Produktionsmittel? Was ist mit der Ich-AG?), zeigt nur, dass es eben völlig sinnlos ist, das Kapitalverhältnis personalisieren zu wollen. "Der Kapitalist" ist eine strukturelle Position im Kapitalprozess, keine klar bestimmbare konkrete Person. Natürlich gibt es Leute in Unternehmen, die Entscheidungen treffen und über den Einsatz von Prduktionsmitteln gebieten, aber das sind nicht "Kapitalisten" in einem klar benennbaren, eindeutigen Sinne. Das ist ja die wichtige Pointe des Marxismus, dass er von den konkreten gesellschaftlichen Akteuren abstrahiert und einen gesamgesellschaftlichen Prozess ins Auge fasst, der auf Begriffe gebracht werden kann, die eben nicht genau mit irgendwelchen gesellschaftlichen Einzelakteuren zusammenfallen. Deshalb hat es auch keinen Sinn, die "Verantwortlichen" für die ganze Misere zu suchen und zu beseitigen.
#104
Geschrieben 21 März 2007 - 19:01
Was ist denn deine konkrete, sicht- und erlebbare politische Praxis? Vielleicht "Umsturz und ein neues System (ggfs. nennen, was für ein System)"? Ich denke, diese Gegenfrage müsste an diesem Punkt erlaubt sein ... Praxis heißt für mich, wie gesagt, in Auseinandersetzung mit Menschen zu treten (wie hier) und mich eben dann und wann zu "symbolischen" Anlässen zu begeben, die m.E. der richtigen Kritik Gehör verschaffen - also Kundgebungen, Demos und derlei. Letzteres sind zugegebenermaßen nicht viele. Und, ja: ich begreife auch mein Schreiben zu politischen Themen als eine Form der Praxis, und da kann ich mir beileibe nicht vorwerfen, zu wenig zu tun. Ganz abgesehen davon habe ich durchaus ein paar Jährchen interventionistischen Bewegungsgehubel auf dem Buckel, von daher habe ich es mir ja vielleicht einfach "verdient", zur Abwechslung auch mal die kritische Refklektion meines eigenen Tuns ins Zentrum zu stellen. Was ich jedenfalls nicht anzubieten habe, sind "Wenn ich König von Deutschland wär"-Phantasien. Das allmachtsphantastische Schwadronieren darüber, wie toll man selbst alles anpacken und regeln würde, wenn man nur selbst Chef wäre, gehört an die Stammtische.@Jakob, ist bei dir alles so sehr abstrahiert und ist Theorie so sehr gleich Praxis, dass es keiner konkrenten, sicht- und erlebbaren politischen Praxis mehr bedarf? Falls nein, wie sieht denn diese Praxis aus?
R. Scott Bakker
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#105
Geschrieben 22 März 2007 - 15:10
Meine letzte konkrete Praxis war die Teilnahme an der Liebknecht-Luxemburg-Demo Mitte Januar. Ist selbst dürftig, ich weiß. Aber derzeit bieten weder die "Gemäßigten" noch die "Radikalen" Ansatzpunkte für mehr (um es mal diplomatisch auszudrücken).Was ist denn deine konkrete, sicht- und erlebbare politische Praxis?
Der Umsturz findet derzeit nur in meinem akuten Schreibprojekt statt. Die letzten Tage der BRD zu schildern, macht ein gewisses Vergnügen, allerdings ist das, was nach ihr kommt, ziemlich grausig.Vielleicht "Umsturz und ein neues System (ggfs. nennen, was für ein System)"? Ich denke, diese Gegenfrage müsste an diesem Punkt erlaubt sein ...
#106
Geschrieben 16 Juni 2007 - 23:41
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