Ja sowas.
Da geh ich mir mal ausführlich die Zehnägel schneiden, und kaum les ich wieder hier rein, kabbelt sich das Volk. †” Auch schön: wo Holzscheite durch die Luft fliegen, ist was los.
@a3kHH:
Obwohl ich meine persönlichen Schwierigkeiten mit ›akademischer‹ Auseinandersetzung mit Kunst usw hab, halt ichs doch für übertrieben, da alles als Quatsch zu verdammen.
Ich bin zudem nicht Deiner Meinung, dass es ›nur‹ der persönliche Geschmack ist, der über Gefallen oder Nichtgefallen an einem Text (Film, usw) bestimmt. Mindestens genauso wichtig ist die
†¢ jeweilige Bildung (wer vom Schlüssel nichts weiß, wird bestimmte Schlösser die ein Werk zu öffnen anbietet vielleicht nicht mal sehen),
†¢ Stimmung (bei Frust bevorzuge ich deshalb anderes, als wenn ich frohgemut bin),
†¢ ›konditionelle‹ Verfassung (fitt und entspannt kann ich mir ganz andere Kaliber vornehmen als schlapp und stressiert)
†¢ Lebensphase (als Teen mochte ich Hohlbein, jetzt würd ich den mal mehr im Strahlenschutzanzug ein Buch von ihm anlangen).
Zudem gehe ich darüberhinaus von allgemeinen, sozusagen ›anthopologischen‹ Parametern aus, die mit dem Genuß/Nichtgenuß von Kunst/Unterhaltungswerken zu haben. Die Monomythos-Forschung/Schule stößt in diese Richtung (immerhin ist diese Monomythos-Kiste offiziell nun auch an die 150 Jahre alt).
Nochmal: NUR der Geschmack ist es nicht. Außerdem: WAS genau ist Geschmack? Weder der Instinkt allein (»Ich mag Spektakel«), noch das kulturell angelernte Instrumentatrium am Reizfilterung (»Oh, ein Horaz-Zitat, wie fein«).
Ich geb zu, zwischen akademischer Beschäftigung und dem, was im Wildwuchs der tatsächlichen Leserei stattfindet, klaffen oft Gräben. Ja, ich stimme Dir soweit zu, dass so einiges an akademischer oder ›ernster‹ Auseinandersetzung mit Literatur nichts anderes, als EINE Facette an ›Fanboy‹- oder ›Peer Group‹-Auseinandersetzung (OhWeh Johnson z.B. ist so ein völlig überschätzer Nischenautor). †”
Hier ein vielleicht anregender Link zum Thema Poetik (speziell zum Thema »Pathos und Präzision«).
Soweit dazu.
Robin hat halb recht, wenn er von Regelmäßigkeiten spricht. Es sind auch die Regelverstöße, die ein Werk auszeichnen. Zusammengefasst könnte man das Spiel nach einem Gibson-Roman »Mustererkennung« nennen. Unser Hirn trachtet danach, dem Chaos der Erscheinungen mit Muster- und Formenfinderei Herr zu werden, somit zu Orientieren.
Nochmal a3kHH:
Sag doch mal, wann genau die Zeitgrenze zu verorten ist, vor der Werke bedeutungslos für uns heutige sind. Schiller und Goethen sind keineswegs obsolet, weil veraltet. Nimm von mir aus Homer und Gilgamesch: die mögen zwar Mühe breiten, weil sie alt sind, aber dennoch erzählen sie immer noch relevantes über Menschen, Freundschaften, Feindschaften usw.
Nimm folgendes, was nicht nur bzgl. des Dramas sinnvoll ist:
Zitat
†¦Zweck des Dramas ist entscheidende Ereignisse im irdischen Leben zu imitieren und dem Zuschauern durch verschiedene künstlerische Umsetzungen Beurteilungsmöglichkeiten anzubieten (das heißt, es war nicht das vorrangige Ziel des Dramatikers, das Publikum zur Identifikation mit diesem oder jenem Charakter zu bewegen). Anhand des Dramas sollten die Menschen verstehen lernen, was sensible, komische, heldenhafte, zornige, verständige, mitleidige, entsetzte oder verwunderte Reaktionen jeweils nach sie ziehen konnten. Das Schauspiel sollte vergnüglich und zugleich lehrreich sein.
Aus »Ideen - Eine Kulturgeschichte von der Entdeckung des Feuers bis zur Moderne« von Peter Watson, S. 466, über Bhamaha, den ersten Literaturtheoretiker des Ostens, Gupta-Dynastie, 5. Jhd. ndZ.
Siehe auch die aristotelische Unterteilung in homöopathische (reinkippen lassen) und alotopische (von Außen betrachten) Katharsis. Wobei das Zitat zu Bhamaha sich eher auf die alotopische Katharsis bezieht. Auf die jomöopathische passt ein Zitat aus »Barton Fink«, vom dicken Filmmogul Lipnick:
Zitat
We're only interested in one thing, Bart. Can you tell a story? Can you make us laugh? Can you make us cry? Can you make us want to break out in joyous song? Is that more than one thing? Okay!
Und dabei beziehen sich diese beiden Zitate erstmal nur auf die Darstellung von äußerlichen Ereignissen. Das Spiel wird um einiges komplexer, wenn es im Innenwelten geht.
Natürlich kann man Ettiketten anbringen. Die Frage ist: Was soll dadurch veranschaulicht (verschleiert) werden? Literaturkritik ist im Grunde ›loben und lästern mit Experten-Set-Extension‹. Der Unterschied ist für mich in etwa so, wie der zwischen Kindern, die ohne Regeln, Würfel und Papierkram Rollenspiele betreiben, und Teens oder (noch) älteren Semestern, die das mit dicken Regelwerken und RPG-Utensilien bewehrt tun (bis hin zum von der Spielleitung abgesegneten Gummischwert). †” Beides, das Kinderspiel und das Expertenspiel, hat seinen Wert und seine Berechtigung! Ich stimme aber Deiner, a3kHHs, Emphase zu, dass man zwecks Gewinnung firscher Blicke ab und zu mit kindlichem (nicht zu verwechseln mit infantilem) Anarchismus an Kunstbewertung herangehen sollte.
Solange unsere wissenschaftlichen Instrumente noch nicht dazu taugen, objektive Evaluierungen von Kunstgenuß zu liefern, sollte man sich bemühen, prinzipiell mit Höflichkeit etwaige Differenzen auszutragen. In diesem Sinne stimme ich Simis und Klaus†™ Mahnung zu, hier nicht aus Mutwilligkeit Kinder mit dem Bad auszuschütten.
Immerhin: Literaturwissenschaft ist kein Einheitsbrei. Es gibt viele verschiedene Ansätze. Ich selber z.B. habe ich Lauf der Zeit beobachtet, dass es z.B. zwischen Germanistik (hab ich so meine Müh und Not mit) und Anglistik (taugt mir eher, weil imho weniger bescheuklappt) merkliche Unterschiede gibt. Beide beschäftigen sich aber mit Texten. Und auch innerhalb der Germanistik/Anglistik gibt es verschiedene Strömungen und Schulen. Der Teufel liegt im Detail.
Back to the Thread-Subject:
Theophagos, Du deutest auf die Eigenschaft von Kafkas »Verwandlung«, die ich für die entscheidende Attraktion des Textes halte: das Schweben zwischen Horror und (feiner) Komik (Du nennst es Farce). Imho ist das ein sehr schwerer Balanceakt, und womöglich liegt der Wert von Phantastik darin, dass dieser ›wundersame Erzählmodus‹ es leichter macht, das Neben- und Ineinander solcher schwervermengbaren Stimmungslagen zu ermöglichen. Ich wage die Vermutung, dass es schwerer ist, so ein Kunststück mit rein realitischen Modi zu erreichen.
Grüße
Alex / molo