Stormking schrieb am 09.02.2008, 18:39:
Insgesamt gewinne ich mehr und mehr den Eindruck, daß Du auf eine Form der Science-Fiction stehst, die derzeit einfach nicht in Mode ist.
Ich stehe auf lesbare Bücher, wo eine Handlung auszumachen ist und wo auch drin ist, was drauf ist (oder umgekehrt). Wenn sich die Science Fiction davon tatsächlich entfernt, läuft sie Gefahr in toto außer Mode zu kommen.
Neo Tokyo schrieb am 09.02.2008, 18:36:
Genau das ist der Grund, wieso ich mich nicht für den Science-Fiction Literaturbetrieb interessiere. Das geht's immer um das gleiche, entweder wird äußerst unrealistisch im Weltraum rumgekurvt, oder es kommen irgendwelche Fantasy-Elemente hinzu
.
Für mich gilt nur William Gibsons Sprawl- und Bridge-Trilogie als Science Fiction. Ansonsten lese ich schon lieber Gegenwartsliteratur. Vielleicht muss manchen Autoren erst noch gesagt werden, dass nur ein breites Wissensspektrum über Vergangenheit und Gegenwart und das ständige Lesen solcher Themen, dazu befähigt interessante und anspruchsvolle SF zu schreiben. Es sollte mehr SF-Romane geben, die in einem urbanen Umfeld angesiedelt sind und sich auch sonst eher im irdischen Bereich befinden (ich sage auch nichts gegen den Orbit, Mond oder Mars, aber weiter hinaus, bitte nur unter Umständen).
Mein Lieblingsgenre der SF ist die gekonnte Kombination aus New Wave und Cyberpunk, was bedeutet, dass technische Ausschweifungen nicht im Zentrum der Story stehen. Die New Wave zeichnet sich durch einen flüssigen Erzählstil aus, aber zur Zeit scheint es nichts vergleichbares auf dem Büchermarkt zu geben. Übrigens hat das auch William Gibson dazu motiviert "Neuromancer" zu schreiben. In einem Youtube-Video sagte er: "Die SF ist lächerlich geworden. Da geht's nur noch um Testosteron-Cowboys auf fremden Planeten und Marsmenschen, die hilflose Erdenprinzessinen gefangen halten. Ich wollte etwas daran ändern und habe SF geschrieben, wie ich sie gerne hätte." So ungefähr war seine Aussage. Die hätte übrigens auch von mir stammen können, weil ich die SF auch völlig anders sehe, als sie heutzutage präsentiert wird.
So weit ich die "New Wave" verfolgt habe, scheint sie mir notwendig gewesen zu sein, um dem Genre neue Impulse zu geben, neue Aspekte reinzubringen und es vielschichtiger zu machen. Mit dem 08/15 Weltraum-Cowboy wäre man irgendwann nur noch in der Schundecke gelandet ... fragt sich nur, wo das Genre jetzt landet.
Pardon, aber mit seiner derzeitigen "Erneuerung" geht es mir so wie mit den "68ern" und den Folgen: ein Blick in die Zeit "vor 68" zeigt sowohl in der damaligen Gesellschaft als auch ihrer Science Fiction, warum "68" notwendig wurde. Doch wenn man sich die Welt und die SF heute anschaut, so hat man das Gefühl, dass sich eine Erneuerungsbewegung da tot gelaufen resp. in ihr Gegenteil verkehrt hat.
DarkWriter schrieb am 10.02.2008, 04:44:
Hallo,
diese Frage hatte ich schon einmal an anderer Stelle aufgeworfen - in wie weit darf sich U-Literatur (um mal diesen Begriff zu benutzen) mit aktuellen Problemen befassen. Die Reaktionen darauf waren gemischt. Manche sagte, was Beverly hier sagt. Sie wollen der Realität entfliehen und nicht mit ihr konfrontiert werden. Andere fanden den Bezug zu der Realität wichtig.
Ich selbst glaube, dass Autoren, die das Glück haben, veröffentlicht und gelesen zu werden, auch äußern müssen. Es ist ein Privileg, sich auf diese Weise mitteilen zu können, und es ist imho wichtig, dass sie es auch nutzen.
Natürlich kommt dann die nächste Frage - darf das jeder Autor tun? Hier im Forum ging es ja bereits um Stahlfront. Angenommen, er verbreitet rechtes Gedankengut; darf er das? Oder wäre es besser, wenn Autoren generell auf solche Dinge verzichten; zumindest bei Unterhaltungsliteratur.
Ich möchte kein Buch lesen, dass abgehoben von unserer Realität handelt. Ich will den Bezug zu unseren Problemen, will Anschauungen und Gedanken dazu. Zumal man ja einiges reflektieren kann.
Mich unterhält solch ein Buch sehr viel mehr, als eine Story, die irgendwo, irgendwann spielt und genauso gut gar nichts mit der Erde zu tun haben könnte.
Auch wenn ich etwas schreibe, suche ich den Bezug zu unserer Zeit. Strömungen, Politik - mir ist das wichtig. Aber letztlich ist es Geschmacksache, was man will. Entflieht man der Wirklichkeit, oder sucht man sie und andere Eindrücke in einem Roman?
Ich denke, für beide Geschmäcker gibt es Literatur. Mir sind Bezüge zur Realität heute in einem SF jedenfalls lieber als lange und exakte Beschreibungen, wie ein Antrieb oder eine Waffe funktioniert
Grüße
Es geht nicht darum,
OB ein Bezug zu gesellschatlichen Problemen hergestellt wird, sondern
WIE er hergestellt wird. Und bei den Büchern, deren Lesen ich entnervt abgebrochen haben, wurde er in einer Art hergestellt, die auf mich wie klebriger Teer wirkte, in dem man langsam versinkt. Lösungen? Was da am Anfang von ACCELERANDO geboten wurde, kam mir so vor wie der Vorschlag sich am eigenen Zopf aus dem Teersumpf zu ziehen. Klaro, die hippen IT-Worker hoppen durch die Gegend, machen jeden Tag jemanden reich und brauchen kein Geld, weil sie von den Geschenken ihrer Kunden leben. Kommt in dem Schund eigentlich noch der Satz "wer arm ist, hat selbst schuld"?
Bearbeitet von Beverly, 10 Februar 2008 - 23:21.